Heizen mit Radar
Nach einer Idee von Rolf Wilhelm Brednich
„Ey, Scheißkerl!“ Die Frau bremste mit einem Ruck. Sie hupten den alten Opa vor ihr wütend an. „Es ist grün, Alter“, brüllte sie aus dem Fenster. Kalter Wind blies ihr um die Ohren. Der alte Mann drehte sich um und seine komische Klapperkiste geriet ins Schwanken. Sie hupte wieder. So ein Mann sollte doch nicht Autofahren, der gehört doch ins Altersheim, dachte sie. Endlich bog der Alte in eine Einfahrt ein und sie konnte wieder Gas geben. Im Verkehrsfunk hatten sie nichts von Radargeräten hier in der Umgebung gesagt und Polizisten hatten um diese Zeit doch längst Feierabend.
Sie bog scharf nach links ab und fuhr schweigend die Birkenallee entlang. Als sie etwas aus den Augenwinkeln am Straßenrand stehen sah fuhr sie langsamer, um zu sehen was es war. Ein altes, halb vergammeltes Sofa fiel ihr in den Blick. Bestimmt mit Maden drin und so richtig schön muffelig.
Ihr fiel wieder ein, dass morgen der Sperrmüll kam. Vielleicht finde ich hier etwas, das ich mit nach Hause nehmen kann. Ich erzähle Ole einfach, ich wäre auf dem Flohmarkt gewesen, dachte sie. Sie fand es Schade, dass sie ihren Mann immer anlügen musste, aber er würde sie nicht mehr lieben, wenn Sie ihm die Wahrheit sagte. Banken ausrauben oder reichen alten Damen die Handtaschen aufschlitzen, während diese im Theater das Geschehen auf der Bühne verfolgten, war nicht so sehr seine Art und er würde es auch nicht verstehen, wenn sie ihm erklärte wieso sie es tat. Die reichen Leute hatten doch genug von allem, denen macht es doch nichts aus wenn sie ein Portemonnaie weniger hatten.
Wieder betrachtete sie die Sachen, die auf dem Bürgersteig lagen. Das Sofa war nicht wirklich das wahre, das brauchten sie nicht. Auch nicht den blauen Stuhl, dem ein Bein fehlte, oder den vermoderte Geigenkasten. Nein, etwas wirklich Brauchbares hatte sie bisher nicht gesehen, nur Müll halt. Allmählich kam sie sich ein bisschen dumm vor, wie sie da langsam durch die schwach beleuchtete Straße fuhr und den aufgehäuften Schrott betrachtete.
Da fiel ihr etwas ins Auge. Es war ein großer beiger Kasten, etwas altmodisch aber eigentlich noch Heil. Unsere Heizung ist doch gerade kaputt gegangen, dachte sie froh, das wäre genau das richtige! Sie parkte den Wagen und schaute sich um. Bankeinbrüche waren schlimme Verbrechen, aber damit hatte sie kein Problem – hier hatte sie fast ein bisschen Schiss, gesehen zu werden.
Vorsichtig und um sich schauend stieg sie aus und hob den schweren Kasten hoch. Ächzend unter der schweren Last trug sie den Kasten ins Auto. Im Inneren rasselte etwas.
Mit gutem Gewissen fuhr sie weiter, summte einen alten Schlager und überschritt nur knapp die Geschwindigkeitsgrenze. Das Auto hinter ihr bemerkte sie erst, als der Fahrer sie anhupte. Genervt drehte sie sich um. „Was soll denn das, häh?“, rief sie wütend nach hinten. Dann bemerkte sie, dass es ein Polizeiauto war.
Sie hatte gerade einen Polizisten angeschrien.
Nein, dachte sie, nein, das kann doch nicht sein. Sie war doch noch nie entdeckt worden und außerdem hatte sie heute doch gar nichts Schlimmes verbrochen. Die paar Handtaschen und das iPhone waren doch nichts. Dafür kam man doch nicht ins Gefängnis?
„Halten sie an!“ Der Polizist sprach durch ein Megafon, sodass seine Stimme seltsam verzerrt klang. Sie fuhr gehorsam an den Straßenrand. Ihre Hände zitterten und sie hielt das Lenkrad so fest umklammert, dass ihre Fingerknöchel ganz weiß wurden. Nein, sie würde alles zugeben. Dann war die Strafe geringer. Abhauen würde nichts bringen, leugnen ebenso wenig.
Mit zitternden Händen öffnet sie die Autotür und steigt aus. „Würden Sie bitte ihren Kofferraum öffnen“, sagt der Polizist, ein junger, ziemlich gut aussehender Mann, „Straßenkontrolle.“ Widerwillig öffnet die Frau den Kofferraum. Ein paar geübte Handgriffe und schon wäre ihr Geheimfach mit dem Diebesgut darin kein Geheimfach mehr. „Was ist das, bitte?“, fragt der Bulle und zeigt auf die Heizung. „Ach so, das.“ Die Frau ist erleichtert. Vielleicht ist es nur deswegen? Vielleicht weiß der Polizist gar nichts von ihr.
„Das ist eine Heizung die ich auf dem Weg gefunden habe“, erklärte sie, „sie wissen schon, morgen kommt der Sperrmüll und da dachte ich... da dachte ich, es käme ja sonst auf den Müll und also... das ist ja dann kein Diebstahl...“ Der Polizist lachte. War ihre Geschichte so unglaubwürdig gewesen? Es war doch wahr. Oder wusste er doch etwas? Vielleicht sollte ich es einfach zugeben, dachte sie. Sie holte tief Luft, aber der Polizist sagte: „Ich glaube das ist ein Missverständnis, Frau ...“
„Mauser.“ Etwas Besseres fiel ihr gerade nicht ein.
„Also ich glaube, das ist ein Missverständnis, Frau Mauser. Das ist keine Heizung, Sie haben ein Radargerät mitgenommen.“ Wieder lachte er, aber es war ein freundliches Lachen. Die Frau seufzte erleichtert. Der Bursche wusste nichts, es war nur wegen der Heizung. Nicht Heizung, Radargerät.
„Soll ich es zurückfahren?“, bot sie übertrieben höflich an.
„Nicht nötig.“ Der Polizist schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, „aber wenn sie so nett wären mit anzufassen.“ Gemeinsam hievten sie das schwere Ding in das andere Auto. Dann fuhr der Polizeiwagen weiter und verschwand in der Ferne.
Glück gehabt.