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Heimatroman der Nacht

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10.10.2004
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Heimatroman der Nacht

Der Auftrag war so leicht wie undurchführbar: Ich sollte einen Heimatroman schreiben. Das sei ganz einfach, wurde mir gesagt, das könne selbst der Dümmste, es gebe nichts Einfacheres als einen Heimatroman zu schreiben, wurde mir gesagt, du nimmst ein Dorf, wurde mir gesagt, ein Dorf in den Bergen, ein Dorf am Land, streust möglichst simple Figuren drüber und schon hast du ihn, den Heimatroman, wurde mir gesagt. Aber bitte nicht zu lang, zwei Seiten würden reichen.
Den Auftrag fand ich so undurchführbar wie abstoßend; man stelle sich vor, ein Peter Rosegger hätte sich mit einer Liste in der Hand hingesetzt, einer Liste mit allen Merkmalen eines Heimatromans, und gesagt: Jetzt schreibe ich einen klassischen Heimatroman! Diese Vorstellung, so abstoßend sie auch war, amüsierte mich doch ein wenig, und ich lachte leise in mich hinein. Da ich nicht allein war, fürchtete ich, man könnte das Lachen hören und mich wegen beginnenden Wahnsinns in die Sigmund-Freud-Klinik verfrachten, also versuchte ich, das Lachen zu unterdrücken, was nicht funktionierte, also lachte ich unterdrückend und man hörte es doch ein wenig.
Ich hielt es nicht mehr aus und ging. Verließ das Gebäude, rein in die Nacht und steuerte den Volksgarten an. Zu diesem Thema fällt mir nur Leere ein, dachte ich auf dem Weg in den Volksgarten, und: Dieses Thema ist die Leere! Ich dachte daran, einen leeren Zettel vorzutragen, dann verwarf ich den Gedanken wieder, weil mir seine Undurchführbar- und Lächerlichkeit in den Sinn kam. Lächerlich undurchführbar, undurchführbar lächerlich, dachte ich auf dem Weg in den Volksgarten.
Ohne Fantasie wird das nichts werden, dachte ich, ich werde also keinesfalls etwas Klassisches schreiben, sondern meine Fantasie zu Rate ziehen und etwas abstoßend Abnormales schreiben. Etwas abstoßend abnormal Wahnsinniges. Meine Fantasie ist wie eine Dampflokomotive, dachte ich auf dem Weg in den Volksgarten, du kannst sie nicht sofort verwenden, also sofort, wenn es dir in den Sinn kommt, sondern du musst Kohle und Wasser bunkern, ein Feuer entfachen, verschiedene Schalthandlungen durchführen, warten, bis der Druck im Kessel hoch genug ist und erst dann kannst du losfahren, dachte ich auf dem Weg in den Volksgarten, erst dann kannst du losfahren und alles auf den Schienen niederwalzen. Alle Widerstände und Leeren niederwalzend ging ich in der Nacht in den Volksgarten.
Ein Dorf, dachte ich im Volksgarten, nachdem ich mich auf eine Bank gesetzt und den jämmerlichen Springbrunnen keines Blickes gewürdigt hatte, ein Dorf in den Bergen. In einem Dorf in den Ennstaler Alpen lebte nach dem großen Kriege ein Paar, dachte ich auf einer Bank im Volksgarten in der Nacht sitzend. Der Mann war um Jahrzehnte älter als die Frau, denn er war Witwer geworden und hatte dann wieder geheiratet; als reicher Großbauer hatte er sich die schönste Jungdirne im Dorf anlachen können und sie hatten sogleich den Bund fürs Leben geschlossen … ein glückliches Paar, dachte ich im Volksgarten. Das Dorf war eines der schönsten in den östlichen Kalkalpen, die Almen saftig, die Kühe wohlgenährt, die Menschen freundlich und das Wetter himmelblau. Man arbeitete hart, erfreute sich an der harten Arbeit, wuchs mit der Härte der Arbeit und nach getanem Tagwerk sank man müde und glücklich in die Arme der Liebsten und so lebte man fort, dachte ich auf einer Bank im Volksgarten in der Nacht sitzend. Jetzt hörte ich die Lokomotive! Die Schalthandlungen waren beendet, der Druck riesengroß. Sie näherte sich mir mit wahnsinniger Geschwindigkeit, sie pfiff nicht wie normale Lokomotiven, nein, sie kreischte wie ein wahnsinnig gewordenes Mädchen, das sich im Wahn die Haare ausreißt, von Ferne sah ich sie kommen, aus ihrem Schornstein loderte Höllenfeuer, dann passierte sie mich und ich sah, dass sie einen Waggon hinter sich her zog. Einen einzelnen, schwach erleuchteten Waggon. Ein einzelner, schwach erleuchteter Waggon, in dem ein Mann saß.
Ein Fremder!, dachte ich auf der Bank im Volksgarten sitzend, den wahnsinnigen Windstoß der Lokomotive spürend, natürlich, ein Fremder, warum bin ich nicht von alleine darauf gekommen! Danke, mein Mädchen, sagte ich und winkte der Lokomotive hinterher. Habe ich das jetzt wirklich gesagt, dachte ich, alleine in der Nacht auf einer Bank im Volksgarten sitzend, habe ich das jetzt wirklich gesagt und ihr hinterher gewunken oder ist das nur beginnender Wahnsinn gewesen? Da ich fürchtete, wegen beginnenden Wahnsinns in die Sigmund-Freud-Klinik eingeliefert zu werden, nahm ich mir vor, den Wahnsinn in Zukunft besser zu verbergen. Danke, mein Mädchen, sagte ich mit unterdrückter Stimme, alleine in der Nacht im Volksgarten sitzend, eine Einlieferung in die Sigmund-Freud-Klinik fürchtend.
Peter kam zu Mittag mit dem Zug an. Die Bahnstation war im Tale, und der Aufstieg ins Dorf weit und beschwerlich, aber Peter freute sich trotzdem. Lange Jahre hatte er seinen alten Vater nicht mehr gesehen, lange Jahre im Kriege hatte er zwar oft an den Vater gedacht, doch das Abbild war in seiner Erinnerung immer mehr verblasst und schließlich nur noch ein Fragment glücklicherer Tage geblieben. Der Krieg ist schlimmer als die Hölle gewesen, dachte Peter, dachte ich, alleine im Volksgarten sitzend, der helllodernden Lokomotive nachstarrend, der Krieg ist schlimmer als die Vorstellung gewesen, dachte Peter, die ich mir immer von der Hölle gemacht habe. Der Krieg hatte Schäden in Peters Kopf hinterlassen, die er stets zu verbergen trachtete, aber nie ganz verbergen konnte, dachte ich, noch immer eine Einlieferung in die Sigmund-Freud-Klinik fürchtend. So sah er die Umgebung nicht wie andere Leute sie sahen, sondern er sah in ihr, in langen Kriegsjahren darin ausreichend geschult, nur das Schlechte und Verkommene. Der Krieg hatte seinen Sinn für das Schöne ausradiert, und übrig war nur der Hass geblieben, der so grenzenlos wie grausam in ihm arbeitete. Sah ein gesunder Mensch rauf auf die Berge, so erfreute er sich an ihrer majestätischen Größe, an den weißen Gipfeln, den Almen am Fuße. Sah Peter rauf auf die Berge, dachte ich im Volksgarten, in die Nacht und in meine Vorstellung starrend, sah Peter rauf auf die Berge, so sah er abgrundtief schreckliche Bergmassive, die ihn zu erdrücken suchten. Die Schwärze überwog in Peters Vorstellung, eine Schwärze und eine Angst vor dem Wahnsinn, dachte ich im Volksgarten, mich vor dem Wahnsinn und der Nacht fürchtend.
Der Aufstieg war so beschwerlich wie lang, und je länger Peter ging, desto beschwerlicher wurde der Aufstieg. Peter konnte die Landschaft nicht genießen, so schön sie auch war, denn er nahm sie nicht schön wahr, und das war niederschmetternd. Er bekam einen Hass auf diese Landschaft, auf ebendiese Landschaft, die sich ihm in seiner Kindheit so schön präsentiert hatte, es war die schönste Landschaft gewesen, die er jemals gekannt hatte und jetzt war die Landschaft so niederschmetternd hässlich, dass er sie nur abgrundtief hassen konnte. Er dachte: Hat sich diese niederträchtige Landschaft wirklich so stark verändert, oder war sie immer schon so hässlich und ich habe erst im Kriege gelernt, ihre Hässlichkeit wahrzunehmen? Hat mir diese niederträchtige Landschaft all die Jahre etwas vorgemacht und scheitert jetzt an meiner im Kriege geschärften Wahrnehmung und ich sehe endlich ihre Niederträchtigkeit in voller Pracht?, dachte Peter beim Aufstieg, dachte ich im Volksgarten. In der Nacht sah der Volksgarten schöner aus als am Tag, weil die Nacht seine abstoßende Hässlichkeit verbarg. Bei Peters Landschaft war es ähnlich, dachte ich, nur dass Peter bei Tage ging, während ich bei Nacht im Volksgarten saß. Peter wünschte sich die Nacht herbei, damit sie die abstoßende Hässlichkeit der Landschaft verbergen konnte, und mir graute vor der schieren Vorstellung der Sonne über dem Volksgarten bei Tage, und Peter graute vor der Sonne über der Landschaft und wünschte sich die Nacht herbei. Da war es fast eine glückliche Fügung, dass Peter auf Menschen traf. Auch ich sah Menschen, auch wenn es nur nachtaktives Volksgartengesindel war, das nächtlichen Gesindelgeschäften nachging, und ich sah angewidert weg und legte meinen Fokus wieder auf Peter.
Die Gemeinheit in ihren Gesichtern war so verletzend, dass es Peter das Atmen verschlug. Drei Männer waren es, drei Männer auf dem Weg ins Tale, und ihre Gesichter strotzten so vor Gemeinheit, dass Peter sie unmöglich grüßen konnte, diese Männer, auch wenn er sie kannte, es war eine qualvolle Vorstellung für ihn, diese ihm bekannten, zu so derber Gemeinheit verzerrten Gesichter zu grüßen, dass er grußlos vorüberging, sie einfach nicht grüßte. Auch die Männer, die im goldenen Sonnenschein gingen, auch die Männer, die Aussicht auf die herrliche Landschaft hatten, grüßten nicht, weil sie Peter nicht erkannten, und Fremde grüßten sie nie, weil sie Fremde verabscheuten, und ihre Gesichter verrieten diese Tatsache, diese Fremde nichtgrüßende Abscheulichkeit, und Peter hatte es jetzt zum ersten Mal erkannt. Diese Gesichter waren wie eine Warnung gewesen: Geh nicht weiter zum Dorf, da wartet nur der Wahnsinn. Aber Peter wusste nicht, wo er sonst hinsollte, und so ging er weiter zum Dorf.
Weißt du, der Stoff, der heute Nacht angeboten wird, ist einfach erbärmlich, sagte eine Stimme hinter mir. Ich zuckte zusammen, drehte mich um und sah mein Mädchen aus der Nacht kommen; mein Mädchen, das sich in Gestalt einer Volksgartenprostituierten kettenrauchend neben mich setzte. Diese Volksgartendealer, sagte mein Mädchen, während sie an der Zigarette zog, die höllengleich aufleuchtete, diese Volksgartendealer, sagte mein Mädchen, während sie den Rauch wie eine Dampflokomotive ausstieß, während die Zigarette höllengleich weiterglühte, diese Volksgartendealer sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren, sagte mein Mädchen, Rauch wie eine Lokomotive ausstoßend. Hübsch bist du, sagte ich grinsend, sie von oben bis unten besehend, doch sie zeigte mir nur den Mittelfinger. Such dir eine andere Umgebung, die ist mir zu abscheulich, sagte mein Mädchen. Ich mag den Volksgarten bei Nacht, sagte ich zu meinem Mädchen, wenn auch nur bei Nacht. Da ich gerade laut und absolut nicht unterdrückend gesprochen hatte, sah ich mich ängstlich um, ob es wohl auch niemand belauscht hätte, weil ich fürchtete, wegen beginnenden Wahnsinns in die Hölle verfrachtet zu werden, ergänzte mein Mädchen rauchend. Du bist ein Schisser, mein Prinz, sagte mein Mädchen. Du bist ein Möchtegernirrer. Ich möchte aber nicht ins Irrenhaus, sagte ich. Du bist ein Möchtegernirrer, der nicht ins Irrenhaus möchte, sagte mein Mädchen und lachte. Mein Pseudopatient, mein eingebildeter Geisteskranker! Rauchend sah sie mich an, zog an ihrer Zigarette und stieß gleichzeitig Rauch aus, ein wahres Kunststück, und die Zigarette glühte wie eine Vorstellung von der Hölle und der Rauch vernebelte den Volksgarten.
Wie geht es weiter?, fragte mein Mädchen und legte den Kopf schief. Darf ich raten?, fragte mein Mädchen rauchend. Nein, sagte ich. Du weißt es nicht, stimmt’s? Ich antwortete nicht. Du brauchst etwas von mir, habe ich Recht?, fragte mein Mädchen. Sie rückte näher. Du kannst alles von mir haben, sagte mein Mädchen, ich bin die fantasievollste Hure im Volksgarten, du kannst mir alles Schmutzige entlocken, du kannst mir jede nur erdenkliche schmutzige Abscheulichkeit peitschend austreiben, ich bin bereit alles zu geben, für dich sogar umsonst, mein eingebildeter Lieblingsirrer, mein Zuhälterprinz!
Ich sagte nur Eines: Was erwartet Peter im Dorf? Und mein Mädchen sagte rauchend: Die Schlampe seines Vaters hält eine Überraschung für ihn bereit, eine krachende Überraschung. Ich begriff jetzt endlich und es durchfuhr mich kalt und wärmer, warm und kälter. Fassungslos saß ich auf einer Bank im Volksgarten in der Nacht, eine rauchende Hure an meiner Seite, eine rauchende Hure, die schmutzige Sachen mit meinem Kopf trieb.
Ich geh wieder anschaffen, sagte mein Mädchen, stand auf und verschwand in der Nacht, die Zigarettenglut wie ein Höllenfeuer hinterherziehend. Halte dich vor fantasielosen Freiern fern, rief ich ihr nach, die können dich nicht bezahlen! Ich hatte wieder laut in die Nacht gerufen, und fürchtete jetzt wirklich, wegen beginnenden Wahnsinns in die Sigmund-Freud-Klinik eingeliefert zu werden. Ich bin wirklich ein großer Möchtegernirrer, da hat sie wirklich Recht, sagte ich mir, dem unwirklichen Höllenfeuer nachstarrend.
Peter hatte endlich sein Heimatdorf erreicht. Doch er sagte nicht: Endlich bin ich hier! Und er sagte auch nicht: Endlich bin ich wieder daheim! Und er sagte auch nicht: Endlich kann ich den Vater sehen! – Nein: am Ende sagte er nichts. Am Ende des Weges war nur Schweigen. Denn das Dorf hatte sich so abscheulich gewandelt, dass Peter nur das Schweigen blieb. Eine bisher unerreichte Schwärze hatte sich im Dorf ausgebreitet, doch es war keine Schwärze, die gnädig verdeckte, dachte ich im nachtverdeckten Volksgarten, nein, es war vielmehr eine Schwärze, die offenbarte – eine Schwärze, die sich wie eine ansteckende Krankheit durch sämtliche Häuser im Dorf gefressen und sie unappetitlich verunziert hatte. Eine Farben verzehrende Schwärze war das, die grell hinausschrie, dass es im Dorf nur noch Krankheit und Fäulnis gab. Peter konnte sich nicht vorstellen, dass hier noch jemand lebte, alles war so ekelhaft infiziert und verfault, dass man als geistig gesunder Mensch sofort Reißaus genommen hätte, aber genau das sind die Bewohner nicht mehr, dachte der geistig geschädigte Peter, dachte ich, auch keinesfalls nicht geistig geschädigt, im Volksgarten in der Nacht sitzend.
Ein Fremder ging durch das Dorf und die Bewohner sahen ihn an und die Bewohner dachten, ein Fremder geht durch das Dorf, dachte Peter, während er voller Abscheu in ihre verkniffenen Gesichter starrte, dieses verkniffene Abweisen des Fremden. Ein Fremder ist er, dachten die Bewohner, dachten die glücklichen Menschen, die im goldenen Sonnenschein standen, vor herrlichen Häusern, auf saftigen Wiesen. Sie standen da, in ihrer Arbeit innehaltend, und sahen einen schrecklichen Fremden, augenscheinlich jung an Jahren, doch schlohweiß das Haar, doch gebückt der Gang, doch jungfaltig das Gesicht und sie hatten Angst, dass er sie besuchen könnte, in ihre schmucken Häuser, auf ihre saftigen Wiesen … doch der Fremde ging an ihnen vorbei, vorbei ging der Fremde. Er hatte nur ein Ziel, der Fremde, er hatte nur ein Ziel, der Peter, ich habe nur ein Ziel, dachte Peter, ich habe nur Verachtung für das Toilettenhäuschen übrig, dachte ich, auf das abscheuliche Toilettenhäuschen im Volksgarten starrend. Es war von ungesunder beige-gelber Farbe, und es erinnerte an einen unappetitlichen Pilz, der seine Krankheit verbreitenden Sporen im Volksgarten herumschoss. Dieses entsetzliche Toilettenhäuschen hätte ich auch bei Tage nicht betreten, es bereitete mir Übelkeit, wenn ich es nur ansah. Auch Peter wurde übel, als er beim Haus seines Vaters ankam, es besah und es betreten wollte, aber nicht betreten konnte, weil die Krankheit des Hauses, die wie eine Pilzflechte die Fassade überzogen hatte, die Haustür blockierte, sie überwuchert hatte, sodass Peter das Haus seines Vaters nicht betreten konnte, es war eine vollkommene Unmöglichkeit, dieses ihm wohlbekannte Haus zu betreten, es war gewiss nicht abgeschlossen, denn die Häuser in dem Dorf waren nie abgeschlossen, abgeschlossen war es ganz gewiss nicht, denn das Toilettenhäuschen ist auch immer offen, wie ich im Volksgarten dachte, angewidert Richtung Toilettenhäuschen starrend, und Peter wollte schon wieder gehen, da der Flechtenpilz ihm den Eintritt verwehrte, da wurde die Tür geöffnet. Ganz kurz sah Peter eine makellose Dorftür im Sonnenschein aufblitzen, doch dann versponn sich sein Geist wieder. Ganz kurz sah er seinen alten Vater hinter der Tür aufblitzen und noch etwas, das er nicht gleich erkannte, es war ein undeutlicher Schemen, den er nicht zu erkennen vermochte, also sah er genauer hin … da quietschte es, da knallte es, da splitterte Glas und ich wurde unsanft aus meiner Vorstellung gerissen. Es war ein unsanftes, ein quietschendes Glasgesplitter gewesen, das knallend meine Vorstellung unterbrochen hatte.
Ich blickte mich um. Das hatte sich nach einem katastrophalen Autounfall angehört, und ich musste sofort wie ein Möchtegernirrer grinsen. War dieser eine Moment des Zusammentreffens mit Peters Vater wirklich so schlimm gewesen, dass gleich ein Autounfall als passende Geräusch- und Katastrophenkulisse dienen musste? Oder verhielt es sich wie im Traum, wenn man also träumt, man träumt und der Wecker klingelt und das Klingeln wird augenblicklich in die Traumgeschichte eingebaut, augenblicklich ist das Klingeln Teil der Traumgeschichte, und so wird es auch hier gewesen sein, dachte ich, ein Unfall ist passiert und ist augenblicklich in die Geschichte meiner nächtlichen Vorstellung eingebaut worden, ich schloss die Möglichkeit nicht aus, dass ich träumte, wollte es aber nicht auf die Probe stellen. Ein Autounfall hatte eine Geräuschkulisse gebildet und war augenblicklich wie ein Klingeln des Weckers im Traum des Träumers eingearbeitet worden. Ich musste an mein Mädchen denken, die das sicher interessant gefunden hätte. Ich stand auf, ging aber nicht in Richtung Volksgartenstraße, von wo ich das katastrophal quietschende Autounfallgeräusch gehört hatte, denn was soll ich an einem unfallblutfrischen Unfallort, dachte ich egoistisch, so egoistisch wie menschenverachtend, und ging stattdessen tiefer in den Volksgarten hinein.
Im nachtschwarzen Herzen, tief drin im Volksgarten stand ein Denkmal von Karl Morré, einem Heimatdichter, wie das Denkmal mittels Goldinschrift jedem interessierten Volksgartenspaziergänger weismachte. Karl Morré thronte in Büstenform auf einem Steinsockel und starrte Richtung Toilettenhäuschen, starrte Richtung Volksgartenstraße und Unfallort. Steingeworden und steinerstarrt war er dazu verdammt, bis in alle Ewigkeit den Entsetzlichkeiten im Volksgarten zuzusehen. Ein so steinerstarrter wie starrender Torso, vollgekotet mit Taubendreck, ein erstarrter Torso, der erhabenen Blickes auf das Toilettenhäuschen starrte.
Ich dachte an meinen Auftrag, einen Heimatroman zu schreiben, und ich dachte an Karl Morré, an den Heimatdichter Karl Morré, der den Auftrag bekommen hatte, einen Heimatroman zu schreiben (von wem auch immer), und wie Karl Morré, ein büstengewordener Torso, sich arm- und handlos abmühte, einen Heimatroman zu schreiben, dessen Auftraggeber er nicht kannte, dachte ich im Volksgarten, aufs Karl-Morré-Denkmal starrend, darüber nachdenkend, wer mir den Auftrag erteilt hatte, einen Heimatroman zu schreiben, denn daran konnte ich mich nicht mehr erinnern und das war entsetzlich. Meine Güte, du bist erneut reif für die Sigmund-Freud-Klinik, dachte ich im nachtschwarzen Herz des Volksgartens, auf das Karl-Morré-Denkmal starrend, mein Gott, du weißt es wirklich nicht mehr, du Möchtegernirrer, dein Mädchen hatte Recht, du kannst dich nicht erinnern, du baldiger Insasse der geschlossenen Anstalt.
Karl Morré, sag mir, sagte ich im Herz des Volksgartens, sag mir, Karl, sagte ich, mich hilflos in der Schwärze umblickend, sag mir, Heimatdichter, wer hat mir den Auftrag gegeben, einen Heimatroman zu schreiben? Waren es meine Freude? Nein, ausgeschlossen, denn ich hatte keine Freunde, jedenfalls keine begreifbaren. Hatte mir mein Mädchen vielleicht den Auftrag gegeben? Aber nein, auch das war unmöglich, mein Mädchen half mir nur dann und wann, nie hätte sie die Vermessenheit besessen, mir, ihrem Prinzenzuhälter, einen Auftrag zu erteilen. Hast du mir den Auftrag gegeben, Karl?, fragte ich das arm- und handlose Karl-Morré-Denkmal mit leise unterdrückter Stimme (denn ich fürchtete eine Einlieferung) erhielt aber nur steinerstarrtes Schweigen von der zum Unfallort starrenden Statue.
Sirenengeheul ließ mich wieder nach der Volksgartenstraße blicken. Blaulichter blitzten, übten eine perverse Faszination auf mich aus, und ich musste ihnen folgen, denn ein perverses Sensationsgefühl hatte von mir Besitz ergriffen, und ich wusste, dass dieses perverse Gefühl mich garantiert nicht in die Sigmund-Freud-Klinik bringen würde, denn jeder Mensch trägt dieses abscheuliche Gefühl, diese abscheuliche Sehnsucht nach etwas abscheulich Verstörendem in sich, dachte ich, den Volksgarten verlassend. Voller Abscheu vor mir selbst verließ ich den Volksgarten.
Blaublitzende Lichter machten die Nacht zu einen irrwitzig flackernden Albtraum eines Epileptikers. Du bist zwar möglicherweise wahnsinnig, dachte ich, du möglicher Irrer, aber wenigstens kein Epileptiker, und so war mir dieses Blauflackern auch kein Gräuel; nein, es zog mich sogar an. Die Straße war abgesperrt worden: Feuerwehr, Rettung und Polizeiwagen waren zugegen und Feuerwehrmänner (keine Frauen) und Sanitäter (keine Sanitäterinnen) und Polizisten (eine Polizistin) rannten so wichtig wie diensteifrig auf dem Unfallort herum, zwei Autos hatten sich bis zur Markenunkenntlichkeit ineinander verkeilt, die Feuerwehr rückte schon mit der Bergeschere an, um diese so markenunkenntlich zusammengestauchten und verbogenen Wracks aufzuschneiden, um an den noch lebenden Inhalt zu kommen, wie es schien.
Hier ist gesperrt, sagte eine Polizistenblondine zu mir, die einzige Frau unter den Unfallhelfern, wie mir aufgefallen war, hier ist gesperrt, sagte eine rauchende Polizistenblondine zu mir, an ihrer Zigarette ziehend, hier ist gesperrt, sagte die Polizistin, Rauch stoßweise ausstoßend, wenn Sie näherkommen, werden Sie verhaftet und in die Sigmund-Freud-Klinik verfrachtet, sagte die Polizistin, Rauch stoßweise wie eine Lokomotive ausstoßend.
Ich unterdrückte ein Lachen, als ich mein Mädchen erkannte, und so, das Lachen unterdrückend, ging ich mit ihr zum Unfallort, und so gingen wir zusammen hin. Mein Mädchen betrachtete interessiert die Rettungssanitäter, die sich aufopferungsvoll um die Verletzten kümmerten, und die Polizistenkollegen (die meines Mädchens) taten es ihr gleich und betrachteten ihrerseits interessiert die Rettungssanitäter, die sich aufopferungsvoll um die Verletzten kümmerten (die ihren). Lassen Sie mich durch, ich muss mich um die Verletzten kümmern, sagte ein Rettungssanitäter aufopferungsvoll, und ich musste mich zusammenreißen, um nicht wie ein Möchtegernirrer loszulachen. Leider keine Toten dabei, sagte mein Mädchen rauchend zu einem ihrer Polizistenkollegen und der stimmte ihr nickend zu. Ich hielt es nicht mehr aus und ging.
Ich hatte einen kurzen Blick auf die Verletzten erhaschen können und es war kein schönes Bild gewesen. Ein älterer Mann und eine um Jahrzehnte jüngere Frau waren in einem dieser zur Markenunkenntlichkeit verbogenen Wracks gewesen: ein Vater und seine Tochter vielleicht – oder es ist ein Vater, sagte mein Mädchen, ein Vater, der mit der Ex-Verlobten seines Sohnes unterwegs gewesen ist, sagte mein Mädchen neben mir rauchend. Ein Liebespaar. Der Sohn, dieser Mann im anderen Wrack – sie zeigte aufs andere Wrack und ich sah einen eingeklemmten Mann – dieser Mann hat es bemerkt und ist ihnen wie ein Wahnsinniger nachgefahren, dieser Mann ist ihnen wie ein Wahnsinniger nachgefahren, nachdem er es bemerkt hat, um diese entsetzliche Verbindung und seine eigene nagende Scham in einem katastrophalen, glaszersplitternden und reifenquietschenden Autounfall auszulöschen. Geendet hat er wie sie in einem markenunkenntlich zugerichteten Automarkenwrack.
Kreativ, sagte ich. Mein Mädchen dankte und sagte, dass Kreativität schließlich ihr Metier sei. Oder nein, vielmehr ihr Wesen, korrigierte sich mein Mädchen, während wir in den Volksgarten zurückgingen. Sie behielt ihre Polizistinnenform bei, als wir die Volksgartengrenze überschritten, was ich überaus passend fand, denn Polizisten sah man im Volksgarten beinahe so oft wie Volksgartendealer. Es hätte mich nicht gewundert, wenn Kollegen meines Mädchens aus der nächstbesten Hecke gestürmt wären und augenblicklich eine sogenannte Aktion scharf begonnen hätten. Doch es blieb ruhig und die Polizisten stürmten nur in der Parallelwelt des Konjunktivs, in jener wundersamen Welt, in der der Konjunktiv real wird.
Wenn ich mich nicht zum Dorf aufgemacht hätte, wäre mir dieser Anblick erspart geblieben, dachte Peter. Wenn ich den Vater nicht hätte sehen wollen, dann wäre diese Schande nicht an mir hängen geblieben. Der Anblick war so erschütternd (glaszersplitternd) gewesen, dass Peter zuerst nur einen Schemen wahrgenommen hatte (reifenquietschend). Doch dann hatte sich seine Sicht geklärt und sein Mädchen war zum Vorschein gekommen. Sein vergessen, verloren geglaubtes Mädchen. Sein Mädchen, das er schon so gut wie vergessen gehabt hatte, das verloren gewesen in seinen Gedanken, vergessen verloren gewesen war. Nun stand es da vor ihm, sein Mädchen, ein verdrängtes Relikt aus einer verdrängten Vergangenheit. Sein Mädchen, das offensichtlich seinen Vater geheiratet hatte; ja, es gab keinen Zweifel, es gab nichts Offensichtlicheres, es gab nichts zu beschönigen, sein Mädchen hatte seinen alten Vater geheiratet und jetzt musste er sie töten, sagte mein Mädchen neben mir auf der Parkbank, denn wir hatten mittlerweile Platz genommen. Nein, sagte ich. Aber sicher doch, sagte mein Mädchen, er ist ein verrückter Kriegsheimkehrer, für ihn ist es nicht das geringste Problem, die beiden bis zur Personenunkenntlichkeit abzuschlachten, sagte mein Mädchen, während sie Rauch wie ein Lokomotive ausstieß und die Zigarette in ihrer Hand weiterglühte, als würde sie daran ziehen.
Nein, sagte ich, ich mag keine Abschlachtungsgeschichten. Das ist mir neu, sagte mein Mädchen, versetzte mein Mädchen, und lachte. Ich mag heute Nacht keine Abschlachtungsgeschichten, sagte ich, präzisierte ich, auf einer Bank in der Nacht im Volksgarten sitzend, eine rauchende Polizistin an meiner Seite, eine rauchende Polizistin, die Gewaltverherrlichung ihr Metier nannte. Oder nein, viel eher ihr Wesen, dachte ich, korrigierte ich mich. Eine rauchende Polizistin, die Gewaltverherrlichung ihr Wesen nannte. Was sind das denn für milde Gedanken, mein Prinzenvorgesetzter?, sagte mein Mädchen, fragte mein Mädchen. Du warst auch schon ungestümer drauf, mein Vorgesetztenprinz, mein eingebildeter Polizistenchef! Vielleicht war es der Unfall, sagte ich, vermutete ich. Er hat mich mehr verstört, als ich wahrhaben wollte, und jetzt ist es vorbei mit den Abschlachtungsfantasien, sagte ich. Vorerst vorbei, ergänzte ich.
Du hinterfotzige Hure!, schrie Peter, ein tobsüchtiger Wahnsinniger, und seine Stimme hallte schwarz von den schwarzen Felswänden wider. Sein Mädchen taumelte vor Schreck ein, zwei Schritte zurück, sie wurde jedoch vom Vater aufgefangen, zurückgehalten in dieser erschreckten Rückwärtsbewegung. Vater und Mädchen sahen einen entsetzlichen Fremden vor sich stehen; ein Fremder, noch jung an Jahren, doch jungfaltig das Gesicht, doch schlohweiß das Haar, doch gebückt die Gestalt und wutverzerrt die Züge. Und unter dieser wutverzerrten, jungfaltig ergraut gebückten Maske erkannten sie ihren verlorenen Sohn, ihren verloren geglaubten Verlobten. Und sie begriffen endlich und erfreutes Entsetzen, ja, wirklich!, Freude, vermischt mit Entsetzen, rauschte durch ihre Gedanken. Mein Sohn, mein Verlobter, dachten sie, dachte ich im Volksgarten, in die Augen meines Polizistenmädchens starrend, mein Sohn, mein Verlobter, er ist nicht tot, wie ich dachte, wie ich dachte, mein Sohn, Verlobter, ist nicht tot, wie ich all die Jahre dachte, dachte, dachten die beiden. Und sie fragten, der Vater zuerst: Du lebst, Peter?, und danach fragte sein Mädchen dasselbe. Wie kann das sein, Peter, wir dachten, du wärest tot, sagten dann beide zusammen. Und dann: Komm, komm doch rein, lass dich ansehen. Du hast sicher viel zu erzählen. Von so viel plötzlicher Liebe überwältigt, hatte Peter keine andere Wahl, als dieser Bitte unverzüglich Folge zu leisten, dieser von so hinterhältiger Liebe durchwirkten Bitte, es war ihm völlig unmöglich, diese an ihn gerichtete Bitte auszuschlagen, eine Bitte, die er erhofft und ersehnt hatte, den ganzen Tag, ach, den ganzen Krieg hindurch. Und so ließ er sich darauf ein, betrat sein altes Elternhaus, sein verloren gegangenes Mädchen an der Seite, der Vater hinterher, hinterher.
Langsam erhellte sich die Nacht, ohne richtig hell zu werden, und die ersten niederträchtigen Hundebesitzer kamen in den Park gekrochen, die abscheuliche Hundebrut an einer Leine hinter sich herziehend. Die erste tägliche Welle an Dreck und Verschmutzung schickte sich an, den Volksgarten zu beschmutzen. Wie jeden Tag, bevor die Sonne sich anschickte, zu scheinen. Zu erscheinen und die Verschmutzungen im Volksgarten zu bescheinen, wie ich dachte. Wie ich Hunde nur hasse, dachte ich. Und noch mehr hasste ich ihre Besitzer. Es gibt nichts Verachtenswerteres als Hundebesitzer, dachte ich, in der Nacht auf einer Bank im Volksgarten – oder nein –, im ersten Nachterhellen auf einer Bank im Volksgarten sitzend, voller Verachtung auf die ersten Hundebruthalter starrend.
Schon kam ein Exemplar vorbei. Noch im Schlafanzug zog der Hundebruthalter seinen Hund hinterher, schlaftorkelnd. Der Köter, ein räudiger Winzhund von lächerlichen Ausmaßen, kläffte keifend an meiner Bank vorbei und ich dachte schon daran, auf ihn zu treten, mit so einer Gewalt auf ihn zu treten, dass die Knochen krachen könnten, Knochen könnten krachen, dachte ich, als der räudige Köter überraschend einen Hundekothaufen vor mir auf den Weg legte.
Die Hundebruthalterszene schien stillzustehen. Einen Augenblick lang stand die Hundebruthalterszene still.
Das räumst du aber wieder weg, Schweinehund, sagte mein Mädchen, ganz die Polizistin, die sie war, ganz die Polizisteninnenform, die sie angenommen hatte, zu dem Hundebesitzer.
Der Hundebesitzer sah mich entgeistert an, obwohl ich nichts gesagt hatte; er sah mich also an, also, er sah mich an, sah seinen Hund an, sah wieder mich an, sah seinen Hund an, ich hingegen sah mein Mädchen an, mein Mädchen sah mich, den Hundebesitzer, den Hund und den Hundekothaufen an, ich sah den Hundebesitzer an und der hatte ein Einsehen, besah den Kothaufen und räumte ihn weg.
Ich habe meinen Glauben an die Menschheit nicht verloren, sagte ich zu meinem Mädchen und mein Mädchen nickte und rückte sich die Mütze zurecht.
Ich habe meinen Glauben an die Liebe in den Menschen nicht verloren, dachte Peter, als er in seinem Elternhause bei Tisch saß, sich bewirten ließ und vom Kriege erzählte. Sein Vater hörte zu, stellte ab und an Fragen, drang aber nie auf ihn ein, wenn Peter Dinge verschwieg, und Peter war dem Vater dankbar dafür. Das Mädchen seines Vaters (Peters Mädchen!) war nach draußen gegangen, um frische Milch zu holen, die Kühe im Dorfe gaben nur das allerbeste an Milch, es war flüssigweißes Alpenweißgold und Peter freute sich sehr darauf.
Der Hundebruthalter, im Rückzug begriffen und schon außerhalb der Volksgartengrenzen weilend, drehte sich zu mir um und zeigte mir den Mittelfinger. Sein Köter keifte altweiberisch und mein Mädchen sagte schnippisch, dass ich ihn falsch eingeschätzt hätte. Falsch gelegen bei meiner Einschätzung die Menschen betreffend. Ich musste ihr zustimmen.
Im Nachterhellen machte sich langsam die Sonne bereit zu scheinen, und die Sterne verblassten im erwachenden Blau.
Peter sah aus dem Fenster und in der Düsternis des Tages machte sich eine geradezu dämonische Verdunkelung bereit – schwarze Sterne erschienen im absterbenden Himmel. Sein Vater ließ ihn auf einen Sprung allein, ließ ihn allein mit den Gedanken. Peter dachte: Wohin soll das führen? Wird mein Mädchen die Scheidung einreichen? Wird mein Vater das verzeihen? Kann ich überhaupt noch bei ihr liegen, wohl wissend, dass sie mit meinem Vater geschlafen hat? Hat er ihr ein Kind gemacht und ich schlafe bei ihr (ohne ihr beizuschlafen), während mein Halbbruder in ihr heranwächst? Ekel ergriff ihn. Nein, diese Dirne wollte er auf keinen Fall bei sich haben. Dreckige Dirne, dachte Peter. Kaum ist der Angebetete dem Frieden entschwunden, geht sie hin zu seinem alten Herrn, geht hin zu ihm und geht anschaffen.
Warum, fragte mein Mädchen, warum hat Peter ihr, fragte sie rauchend, warum hat Peter ihr vor dem Krieg kein Kind gemacht; kein Kind, kein Kind, kein Kind vor dem Krieg?, fragte mein Mädchen rauchend.
Ich dachte nach, und so, nachdenkend, nachforschend, mich in den Augen meines Mädchens verlierend, sagte ich: Impotenz!, und mein Mädchen lachte. Sie kletterte auf meinen Schoß und griff mir in den Schritt. Zeit für einen Schritt in die zweite Ebene, sagte mein Mädchen, den Schritt fest im Griff. Und weiter: Gebe es da etwa eine Verbindung zum Autor? Ich bin nicht impotent!, rief ich entrüstet auf einer frühmorgenhellen Bank im Volksgarten sitzend, eine Polizistenblondine auf dem Schoß sitzend, die Anstaltsdunkelmänner der Sigmund-Freud-Klinik im Nacken. Ich bin nicht impotent!, rief ich, mich vor den Anstaltsdunkelmännern fürchtend. Und überhaupt sei eine Geschichte getrennt vom Autor zu betrachten. Stimmt, sagte mein Mädchen, es gebe kaum etwas, das weniger mit einer Geschichte zu tun habe als der Autor. Ich seufzte und sagte: Weißt du, Peter hätte die Ehe nie vollziehen können, und sein Mädchen wusste das, und das Dorf wusste das, und so, wissend, wartete man nur darauf, bis ihn der Krieg verschlingen werde, und so wusste auch der Vater darum. Und so kam es dann auch zur Prostitution: Kaum war der ehemals Angebetete dem Frieden entschwunden, ging sie hin zu seinem altverwitweten Herrn, ging hin zu ihm und ging anschaffen. Ja, nur so konnte man es nennen, anschaffen. Sie war eine Hure, die von seinem Vater fürstlich für ihre unbedingte sexuelle Hörigkeit entlohnt wurde. Hörigkeit war überhaupt das Problem der Dorfbewohner, dachte ich, dachte Peter, sie waren Hunde, kriecherische Wesen, hörige Hundewesen, die noch jedem noch so üblen Himmels- und Heilsbringer nachgelaufen waren. Hunde, sagte Peter. Hunde, sagte ich, auf einer Bank im Volksgarten im Morgenerwachen sitzend, eine Polizistin auf dem Schoß, eine Polizistin, die schmutzige Sachen mit meinem Schritt trieb. Die Ekelhaftigkeit der hündisch-hörigen Bergbewohner war ihm bis jetzt nie so in den Sinn gekommen, nie aufgefallen. Bist du Teil davon, kriegst du es nicht mit, dachte Peter, gewinnst du erst Abstand, dachte Peter düster, erkennst du erst ihre hündisch-hörige Abscheulichkeit. Hunde, sagte ich, auf einer Bank im Volksgarten im sich erhellenden Morgen sitzend. Hunde!
Eine Kirchenglocke schlug an. Mein Mädchen kletterte von meinem Schoß, zog an ihrer immerwährenden Zigarette und ihre Nase leuchtete rötlich auf, während sie Rauch wie eine Lokomotive ausstieß. Diese Rauch ausstoßende, rötlich leuchtende Nase gemahnte mich an einen nebelumwirkten Felsvorsprung, oder besser: eine mönchische Klause an einer Bergwand.
Man bräuchte eine Klause, dachte Peter fensterstarrend, eine Klause an einer Bergwand, eine Zuflucht einer Nase gleich, die über diesem Dorf der Abscheulichkeit gerümpft wird, eine Zufluchtsstätte über all dem Abschaum thronend einer Nase gleich, die rümpfend über all der bergländischen Scheußlichkeit sitzt. Und in der Klause werde ich sitzen, dachte Peter, dachte ich, sitzend, die Nase beim volksgartischen Morgengeruch rümpfend, in der Klause werde ich sitzen und sie alle beobachten und verfluchen, ich werde der große Verachter sein, ein großer Geist der Alpenlandsverachtung, der über den Meinigen in meiner bergischen Zufluchtsnase sitzt und die Verachtung herniedersinken lässt. Peter sah aus dem Fenster und sah ein rötliches Leuchten an einer fernen Bergflanke, das heller und heller, dann schwächer, schwächer glühte. Er dachte an die Klause und Fernsucht erfüllte schwarz sein schwarzes Herz.
Mein Mädchen zog an ihrer Zigarette und Peter sah das heimelig-höllische Leuchten aus fernnächtlicher Schwärze, durch Raum und Zeit und Imagination und Nichtimagination hindurch sah er den Ort, nach dem er sich sehnte. Er wollte ein Geist sein, kein körpergeketteter Mensch, der sich am Leben abschleppt, bis er zusammenbricht, nein!, er wollte ein freier Geist der Verachtung sein, der seine Worte der Verachtung über die Berge, die Täler, Städte und Dörfer dieses entsetzlichsten aller Alpenländer hinausbrüllen wollte, in den Wind, in die Welt, mit dem Wind, in die Welt. So dachte Peter über seine Zukunft nach, natürlich nur Träumerei, denn er wusste in keiner Weise, wie er so einen Traum bewerkstelligen sollte, diesen unmöglichen Traum, der so voller Hass und Verzweiflung durchwirkt war, dass Peter nur an seiner Unerfüllbarkeit verzweifeln konnte. Die Klause in der Bergwand würde unerreichbar für ihn bleiben. Gleich wie die Liebe. Gleich wie alles auf der Welt, das er jemals begehrt und nie erreicht hatte.
Eine Kirchenglocke schlug an. Hunde!
Da weder sein Vater noch dessen Hure bisher zurückgekehrt waren, stand Peter auf und wollte das Elternhaus verlassen, um nach ihnen zu suchen, um ihnen seine unbedingte Abneigung an den Kopf zu werfen. Doch er wurde sofort zurückgestoßen, als er die Türe öffnete. Er taumelte in einer Art erschreckten Rückwärtsbewegung zurück ins Elternhaus, eine Rückwärtsbewegung, bei der ihn niemand auffing. Denn draußen war das ganze Dorf versammelt, alle ekelhaften Dorfbewohner, Knechte, Mägde, Herrenbauern und Herrenbrut, Reutbauern und Reutbrut, eine entsetzliche Meute, geschliffenen Stahl und stählerne Meutprügelwerkzeuge erhoben, und ihre gemeinen Gesichter flackerten schwarz in der Widernacht der Bergesschwärze. Gemetzel, sagte mein Mädchen und klopfte mit ihrem Polizistinnenschlagstock auf die Volksgartenbank. Endlich ein Gemetzel. Eine Kirchenglocke schlug an. Hunde.
Ich kann Peter von hier aus sehen, sagte ich, auf einer Bank im Volksgarten im Morgenerwachen sitzend, Richtung Toilettenhäuschen starrend, vor dem sich die beachtliche Gesindelmeute versammelt hatte, ganz darauf aus, jenen Menschen zu vernichten, der es gewagt hatte, in die Welt zu gehen und mit reinem Blick zurückzukommen. Peter, im Toilettenhäuschen bei offener Türe stehend, sah in unsere Richtung, er sah die Lichter einer rettenden Stadt, auch wenn er in Wirklichkeit doch nur den ekelhaften Volksgarten sah, doch im Vergleich zu seinem Dorf war alles edel und schön, und er sah es auch so. Das schafft er nie, sagte mein Mädchen. Muss er sich wirklich mit ihnen anlegen? Ja, sagte ich. Denn es gibt keine andere Möglichkeit. Es gibt nur die allerbrutalste Konfrontation. Er hätte mit seiner ekelhaften Heimat niemals wieder in Berührung kommen dürfen, seine Kriegsschädigung ist ein Segen gewesen im Vergleich zu seiner Heimatschädigung, jener schweren Störung der Geist- und Gedankenwelt, die bei Bergbewohnern ganz besonders ausgeprägt ist. Da geht bäuerliche Tradition Hand in Hand mit Inzest, Mord und christlichen Gedanken. Kretins, die alles ablehnen, was nicht vom Kretinismus befallen ist. Keinesfalls lehnen sie das Christentum ab, das in Jahrhunderten kleingeistiger Inzucht zu einem geistigen Riesenkretin geworden ist, eine Religion für Inzestuöse, Schwachsinnige und stinkend-gemeine Hörige, die man nur mit allergrößter Toleranz als Menschen bezeichnen kann. Unsere tägliche Portion Nächstenliebe gib uns heute, sagte mein Mädchen. Ich musste lachen.
Peter sah in die Stahl- und Sensenfront, doch die Sensenfront machte ihm keine Angst, diese Stahlfront der Allergemeinsten war im Vergleich zur Kriegsfront so lächerlich, dass Peter nur lachen konnte.
Raus aus unserem Dorf, sagte sein Vater. Ich bin dein Sohn, sagte Peter, willst du deinem Sohn die Aufnahme verweigern? Mein Sohn ist tot, sagte der Vater. Deine Geilheit hat mich sterben lassen, sagte Peter. Deine Geilheit nach meinem Mädchen hat dem Todesgedanken Tür und Tor geöffnet. Ein geiler Gedanke von dir – schon war ich tot. Du bist nicht mein Sohn!, sagte, schrie sein Vater. Der Dorfpfarrer neben ihm bekreuzigte sich auf widerliche Weise. Die Hure, die einst Peters Mädchen gewesen war, sagte etwas davon, dass Peter niemals der Mann sei, der vor ein paar Jahren Richtung Front entschwunden wäre. Dazu wäre er zu alt, zu gebückt, zu böse, zu gemein, zu hässlich, zu durch-den-Wind, er sei einem Verbrecher gleich, er sei das Letzte, der letzte Abschaum der Erde, er sei zu dummdreist, zu grob, zu brutal, zu grobsinnig, zu menschenverachtend, zu lieblos, zu niederträchtig …
Peter sah in die nachtschwarze Nacht und ein fernes Leuchten am Horizont markierte die Klause in der Ferne, im Licht. Mit Fernsucht im Herz, mit Wahn im Sinn, mit Mordabsicht im Begriff, griff er sein altes Messer, es war das Messer eines Holzknechts, herb im Eingang, spitz im Abgang, im Krieg hatte er damit Fleisch aus toten Pferden und aus Kameraden geschnitten, es war ein pferde- und menschenfleischgewohntes Messer, das sich gierig blitzend seine Opfer suchte, immer dann, wenn Peter Hunger verspürte, auch wenn es, wie jetzt, nur der Hunger nach Rache war. Mit der Schnelligkeit eines Tobsüchtigen warf er das Messer in die Erde, tobsuchtsschnell flog das Messer in die Erde, tobsuchtszitternd blieb das Messer im Erdboden stecken, zitternd vor einem Tobsüchtigen. Nein, diese Missgeburten wollte er nicht töten. Weichet!, sagte Peter und eine unglaubliche Abscheu vor der Welt flackerte in seinen Augen, es war der lodernde Weltenhass, der alles verzehrte. Die Bergbewohner wichen tatsächlich zurück, bildeten eine Gasse, eine Gasse, deren Richtung Peter des Dorfes verwies, ihm, den Heimgekehrten Klarsichtigen, dessen Klarsichtigkeit ihm die Heimat verdorben und abspenstig gemacht hatte. Peter durchschritt die Gasse dieser allergemeinsten Berghörigen und die Berghörigen schwiegen, sahen voll der Genugtuung ihm hinterher, seinen gebückten Gang, sein jungfaltig Gesicht, seine faltig gewordene Haut verachtend. Peter indes sah nur die Klause in der Ferne leuchten, die Klause, die himmelschön leuchtete, die Klause, die heimelig brannte, in der es Schutz und Sicht gab.
Pass auf!, sagte mein Mädchen, rief mein Mädchen, schallte! es von der Klause.
Als Peter die Menschen hinter sich gelassen hatte, tat sein Vater einen erregten Schrei, es war der Schrei eines brünftigen Hirsches, der röhrend das Weibsvolk lockt, und seine Hure schmolz zitternd dahin und er, weibesbestärkt in seiner Mannesstärke, nahm seine Mistgabel und stach dem ekelhaften Fremden, der ihn so unheimlich an Peter gemahnte, mit Gebirgeskraft in den Rücken. Knochen könnten krachen, dachte ich, Knochen krachten auch, Knochen, dachte Peter, dachte ich, mein Mädchen zurückhaltend, die unbedingt eingreifen wollte. Lass ihn sterben, sagte ich. Mein Mädchen brach in Tränen aus, als sie Peter sterben, verbluten sah, Peter, den sie einst eingeführt, den sie liebgehabt und vorwärtsgezogen hatte. Sie weinte wie eine Lokomotivenmutter um ihr Tenderkind.
Die Dorfbewohner versammelten sich staunend um den Sterbenden, und sie erschraken, als sie sein schwarzes Blut und seine verfaulten Innereien sahen. Sie bekreuzigten sich auf die widerlichste Weise, während der zuschanden gerichtete Peter schwarz auf die schwarze Wiese blutete.
Mein Mädchen fing einen Funken auf, der vom Toilettenlettenhäuschen geflogen kam. Sie barg ihn in ihrer Faust, flüsterte etwas, das ich nicht sofort verstand, aber mein Verstand verstand sofort, spann die Geschichte weiter. Denn nach dem Tod kommt die Auferstehung, wie die Bibel lehrt. Und Peter wurde neu geboren. Seine Fernsucht wurde gestillt, sein Geist fand Aufnahme in der Roten Klause, die, einer Nase gleich, rümpfend an einer Bergwand existierte und die dazu da war, alle bergische Existenz naserümpfend zu verachten. Mein Mädchen schnupfte den Funken aus der Faust. Morgenerhellendes Nasenglühen. Sie richtete den Kopf auf. Ein Charakterklausenkopf; mädchenhaft, nebelumwirkt. Sehet, die legendäre Klause!
Gleich, als Peter eingezogen war, die schreckliche Aussicht schaudernd genossen und sich eingerichtet hatte, begann er seine Monologe. Es waren Monologe des Hasses, die er sturmgleich intonierte, die windisch an den Bergflanken kratzten und an den Häusern der sogenannten Gerechten, Anständigen und Braven rüttelte. Niederträchtiges Bergvolk, schallte es schwarz in die schwarze Nacht (hatte ich wirklich gerufen?), furchtbare Existenz, verabscheuungswürdiges Gesindel (Bank im Volksgarten), hörige Bergesmissgeburten, stumpfsinnige Glaubenshörige (Sigmund-Freud-Klinik). Und Peter sprach sich in Rage, er redete, schrie und zeterte, jahre-, jahrzehntelang. Die Menschen in seinem Dorf hörten seine windisch dargebrachten Monologe des Hasses, und sie konnten sich ihnen nicht entziehen, und ihre herrlichen Wiesen wurden schwarz und ihre Häuser überzogen Flechtenpilze. Am Ende hatten sie klare Sicht gewonnen, die Bewohner. Am Ende sahen sie die Wahrheit. Am Ende begriffen sie. Am Ende sagten sie: Wie hatten wir die Wahrheit nur so verdrängen können? Am Ende brachten sie sich um. Jeder für sich allein.
Allein.
Stürzten sich von Felsvorsprüngen, ertränkten sich in Flüssen, legten sich auf Geleise. Knochen krachten dort auf den Geleisen, zermalmt von tonnenschwerem Stahl. Zermalmt von einer Lokomotive, aus deren Schornstein Höllenfeuer loderte, einer Lokomotive, die die körperentrissenen Bewohnerseelen direkt mit ins Höllenfeuer zog. Mein Mädchen zog an ihrer Zigarette und kurz hörte ich das Rattern von Stahlrädern auf Stahlgeleisen. Bewohner, sagte mein Mädchen rauchend, Bewohner ohne Kopf, die Eingeweide in alle Richtungen verplatzt, sagte mein Mädchen rauchend, blutgerinnendes Eingeweidewerk, stahlgewetzt, sonnbeschienen, ein neuer Tag, keine Bewohner, sagte mein Mädchen, Rauch wie eine Lokomotive ausstoßend, die aufgehende Sonne im Rücken.
Und das war die Geschichte von Peter, sagte ich zu meinem wutrauchenden Mädchen. Peter, der die Erkenntnis und den Wahnsinn gebracht hatte, weil er als einziger klar eine wahnsinnige Welt sah. Seine Monologe wirkten lange, und sie wirken bis heute. Bis ins Hier und Heute.
Wirst du es niederschreiben?, fragte mein Mädchen, mittlerweile wutverraucht. Nein, sagte ich und lachte, nein, dazu bin ich zu träge. Nächtliche Papierbannung umnachteter Spinnereien, oh nein. Meine nichtgeschriebenen Geschichten werden mich dereinst in die Sigmund-Freud-Klinik bringen, sagte ich, weil es ein wahnsinniges Geistesverbrechen an der Menschheit ist, sie nicht niederzuschreiben und der Menschheit zu zeigen. Aber die Trägheit verdammt mich zu ewiger Trägheitsverdammnis, so ist das nun mal, sagte ich, so sei das nun mal, und lehnte mich gähnend zurück. Mich verlangte es plötzlich sehr nach der Sigmund-Freud-Klinik, vielleicht war es die Müdigkeit, vielleicht die Geschichte, vielleicht meine Geschichtvergessens- und damit Vernichtungsabsicht, aber ich konnte mir im Augenblick nichts Schöneres als eine Irrenanstalt vorstellen. Man sitzt Tag um Tag, Nacht um Nacht in der Zelle, kriegt zu essen, kriegt Tabletten, Tabletten, Tag für Tag, Nacht für Nacht, ein schönes, geborgenes Leben ohne Pflichten und Absichten.
Oh, mein Geschichtenprinz!, sagte mein Mädchen. Aus ihrer Sicht sei ich schon jetzt reif für die Sigmund-Freud-Klinik, sie könne sich keinen größeren Irren vorstellen! In meinem Kopf (dem ihres Prinzen!) gingen Fantasie, Wirrnis, Abscheu und Anziehung unheilige Allianzen ein, was dem wirren Wahnsinn Tor und Gatter geöffnet habe (dem Kopfgatterwahnsinn ihres Prinzen!).
Nun denn, sagte ich, dann auf zur Sigmund-Freud-Klinik. Gerne, sagte mein Mädchen, beugte sich zu mir herüber mit ihrer glühenden Klausennase und der glühenden Zigarette im Mund, nahm die Zigarette aus dem Mund und gab mir einen eiskalten Kuss auf die Wange. Dann, unvermittelt, hielt mein Mädchen inne. Oh nein, sagte sie, innehaltend in ihrem Kuss, da kommt er, da komme der große Ordentliche!
Ich blickte zur Volksgartengrenze, sah ihn, und es durchlief mich kalt und wärmer, warm und kälter. Ein Mann mit Zylinder und Monokel stand dort, ein tadellos gekleideter Mann, der schnellen Schrittes den Volksgarten betrat, mich sah, und sofort eilends auf mich zustürzte. Gute Güte! Wie hatte ich ihn nur so verdrängen können? Verdrängt wie Peter sein Mädchen verdrängt hatte in seiner Kriegeszuflucht der Impotenz. Glas splitterte. Reifen quietschten. Glassplitterndes Reifenquietschen. Reifenquietschendes Glasgesplitter. Eine Erkenntnis, meine Erkenntnis: Es war Herr Spielmann. Es war fürchterlich.

Der Auftraggeber

Ein Schatten, schattenschnell auf mich zukommend. Schattenschneller Ordentlichkeitsfanatismus, fanatisch, motivierend, fanatisch zum Schimpfen, zum Nachbohren, zum nachbohrenden Motivieren anhebend, oh heiliger äußerer Antischweinehund! –
»Da ist er also!«, schrie Herr Spielmann und sein fuchtelnder Zeigefinger drohte mich zu fällen. »Da trägt man ihm eine Arbeit auf, die ihn von seinem Ich ablenken soll, raus in die Natur, hinauf auf die Berge, doch was macht der Unwürdige? Er geht zu seinesgleichen in den Volksgarten und verkriecht sich in sich selbst!« Das sei abscheulich, sagte Herr Spielmann, setzte sich auf die Bank, überschlug die Beine. Ich sei ein »ausgebrannter Eskapist«, der sich nicht in seinem ausgebrannten Ich verkriechen solle, sondern dringend Urlaub von sich und von Menschen seinesgleichen brauche. Stattdessen aber »hängt er hier unter seinesgleichen in der Gosse, im Volksgarten.« Er habe nur Verachtung für mich übrig, sagte Herr Spielmann, stand auf, schritt auf und ab. Während andere arbeiten würden, würde ich mich an meinem Geist aufreiben und abarbeiten, »ohne jemals für diese Auf- und Abreibarbeit bezahlt zu werden.« Sein Auftrag an mich, einen Heimatroman zu schreiben, sei »kein Auftrag aus Alberei und Allotria« gewesen, nein, dieser eine Auftrag sei immanent wichtig für meine Geistesentwicklung. »Doch was macht er stattdessen?«, fragte Herr Spielmann. »Er kokettiert mit der der Sigmund-Freud-Klinik! Als ob man sich Wahnsinn nicht verdienen müsste!« Tumbe Trägheit, tolldreiste Tumbheit! Er werde mir schon helfen, sagte Herr Spielmann. Er befehle mir, mich augenblicklich aufzuraffen und mit Berggraniteshärte an meiner Geistesentwicklung zu arbeiten. Wahnsinn sei etwas »für denkende Menschen« und zu denen gehörte ich augenscheinlich nicht. Die Sigmund-Freud-Klinik könne ich demnach vergessen. Ich sei Teil des »arbeitsscheuen Lichtscheugesindels«, und »dumm, ungebildet, überheblich und durch und durch durchtrieben.« Andere Menschen hielten mich für einen heruntergekommen Abgestorbenen, »kriminell, schmutzig, Faulgeruch aus Faulheit verbreitend«, ich sei das Allerletzte, Frauen würden mich als einen gefährlichen Vergewaltiger wahrnehmen, Prostituierte das Doppelte verlangen. »Auch die abscheulichen Volksgartenprostituierten.« Da ich aber, sagte er, vermutlich impotent sei, spiele das keine Rolle. »Nein, es spielt wirklich keine Rolle, da er wirklich impotent ist«, sagte Herr Spielmann, legte Herr Spielmann nach; grinsend, und seine Augen leuchteten voll der Freude. Kein Möchtergernimpotenter, sondern ein real existierender! Ich sei geistig und körperlich so zurückgebildet, dass selbst eine einfache Handwerkstätigkeit für mich eine Handswerksunmöglichkeit sei, so verkümmert, dass selbst eine geringe Geistes- und Körperanstrengung wie die Papierbannung eines Heimatromanes eine Unmöglichkeit darstelle. Herr Spielmann machte eine weltumspannende Geste, Volksgarten wurde Welt und Welt wurde Volksgarten. Ich sei das allerschmutzigste Wesen auf dieser vor Schmutz und Ausscheidungen starrenden Welt, sagte er, die eine Welt voller zurückgebliebener Amöbenkreaturen sei, abstoßende Faulgebirge allergemeinsten Zuschnitts, und unter diesen geringsten aller Geschöpfen sei ich das allerabstoßendgeringstezurückgebliebenste – ja, das ULTRA! Das ULTRA!allerabstoßendgeringstezurückgebliebenste … »Nicht würdig, die Ausscheidungen der anderen zu FRESSEN!« —

Rollender Donner, sich vielfach verlaufende Rolldonnerechos —

Liebenswerter Antischweinehund, sagte mein Mädchen rauchend, die hinter Herrn Spielmann stand und ihn mit verwirrt-nachdenklichen Blick musterte. Ich zwinkerte ihr zu und setzte meine Zuhörarbeit aus Hörigkeit fort.
Es sei ganz einfach, einen Heimatroman zu schreiben, sagte Herr Spielmann, das könne selbst der Dümmste. Es gebe nichts Einfacheres, als einen Heimatroman zu schreiben, sagte Herr Spielmann. »Du nimmst ein Dorf«, sagte Herr Spielmann, »ein Dorf in den Bergen, ein Dorf am Land, streust möglichst simple Figuren drüber und schon hast du ihn, den Heimatroman«, sagte Herr Spielmann. Aber bitte nicht zu lang, zwei Seiten würden reichen.
Ich nickte, fand endlich die Kraft, mich von der nachttaubenetzten Volksgartenbank im Morgenlicht zu erheben, dachte an Peter, an sein Dorf, die Schwärze, die Nacht, den Wahnsinn, die Furcht vor dem Wahnsinn, sein Dorf, seine Dorfgemeinschaft, seinen niederträchtigen Vater, der mit seiner niederträchtigen Hure in der Landschaft der Niederträchtigkeit voller Niedertracht hauste, dachte an Flucht, Tod und Erlösung, dachte an Erlösung in der Klause, dachte an Peters Monologe des Hasses, dachte an Herrn Spielmann und bat ihn um Papier und einen Kugelschreiber. Herr Spielmann durchsuchte seinen tadellosen Anzug, es war der tadelloseste Anzug, den ich je gesehen hatte, Nadelstreifen um Nadelstreifen stand seinen Nadelstreifenmann, Herr Spielmann wurde fündig und gab mir einen uralten Füllfederhalter und vergilbtes Briefpapier mit Streifenlinien. Ich dankte und begann noch im Gehen zu schreiben, diesen meinen Heimatroman, und mein Mädchen ging rauchend hinter mir her und Herr Spielmann klopfte mir wohlwollend auf die Schulter, während wir den Volksgarten verließen.
»Vielleicht besteht doch noch Hoffnung«, sagte Herr Spielmann.

 

Hallo,
ich bin mir nicht sicher, wieviel dir mein Kommentar bringt, weil ich nach ca. einem Sechstel des Textes ausgestiegen bin. Das ist auch schwierig hier den richtigen Zugang zu dem Kommentar zu finden, weil du die Dinge, wie du sie tust, ja bewusst tust, so dass ich vllt einfach nur eine grundsätzliche Kritik an der Art der Schilderung anbringen kann.
Ich finde, der Text macht zwei Schritte vor, um gleich darauf anderthalb Schritte zurück zu machen, dann noch einen halben Schirtt zur Seite, und dann nochmal um die eigene Achse drehen. Dieser repetitive Ansatz, nenne ich das mal, ist echt schwierig zu machen, da braucht es irgendwie einen besonderen Geist, einer besonderen Stimmung, damit das funktioniert. Thomas Bernhard macht das, glaube ich, ganz ähnlich. Da habe ich mich mal durch die ersten zwanzig-dreißig Seiten von "Auslöschung" durchgekämpft, und dann auch fürs Erste gelassen. Klar, das ist Geschmackssache auch, wie man mit diesem Scharwenzeln umgeht, aber wenn man es denn macht, dann braucht es ein bisschen mehr Information, mit der man die Fantasie des Lesers anregen kann. Ich meine, aus den ersten vier Absätzen kann man hier nur entnehmen, dass der Erzähler einen Heimatroman schreiben soll. Bitte nicht falsch verstehen, ich plädiere überhaupt nicht dafür, linear Handlungsabschnitte abzuspulen, es ist ja zum großen Teil das Drumherum, das einer Geschichte Seele einhaucht, zu deinem Drumherum aber, der "lächerlichen Undurchführbarkeit", der "undurchführbaren Lächerlichkeit", der Sigmund Freud Klinik, der Volksgarten immer wieder und so, da habe ich persönlich überhaupt keinen Zugang gefunden. Ich glaube, so Wendungen sind ausschließlich Spielereien des Autors, die er mit einer Prise Eitelkeit über die eigentliche Geschichte streut, aber Aufgehen tun sie in den wenigsten Fällen.
Es ist ja so, jetzt mal ganz objektiv, ein Typ der einen Heimatroman schreiben soll, das ist vom Plot her schon sehr unaufregend. Wenn von diesem Ausgangspunkt dann aber direkt so Tänzeleien anfangen, die zur Tiefe des Erzählten nichts beitragen, sondern ausschließlich dem Text einen Blähbauch machen, na ja, dann wird man als skeptischer Leser sagen, hmm... und was soll das jetzt.
Gut, dann hat man den ersten Abschnitt überstanden, und dann fütterst du den Leser mit einem neuen Häppchen, aha, der Fremde kommt, das ist schon irgendwie interessanter, aber dann kommen wieder gefühlte zwanzig Volksgärten und zehn Sigmund Freud Kliniken. Das nervt.
Gut, dann kommt das

Peter kam zu Mittag mit dem Zug an. Die Bahnstation war im Tale, und der Aufstieg ins Dorf weit und beschwerlich, aber Peter freute sich trotzdem. Lange Jahre hatte er seinen alten Vater nicht mehr gesehen, lange Jahre im Kriege hatte er zwar oft an den Vater gedacht, doch das Abbild war in seiner Erinnerung immer mehr verblasst und schließlich nur noch ein Fragment glücklicherer Tage geblieben.
Ich war echt über ein wenig Handlung erfreut, und die Ortsbeschreibung hatte tatsächlich etwas romanhaftes, und dann kommen so Allerweltssätze mit dem Abbild, welches in der Erinnerung verblasst und Fragment glücklicher Tage. Du musst schon zugeben, dass es keine richtig frischen Wendungen sind. Auf so etwas reagiert der Leser nicht mehr.
Ja, und danach bin ich ausgestiegen, habe noch ein paar Sätze überflogen, Lust auf mehr haben sie nicht gemacht.
Der Krieg ist schlimmer als die Hölle gewesen, dachte Peter, dachte ich, alleine im Volksgarten sitzend, der helllodernden Lokomotive nachstarrend, der Krieg ist schlimmer als die Vorstellung gewesen, dachte Peter, die ich mir immer von der Hölle gemacht habe. Der Krieg hatte Schäden in Peters Kopf hinterlassen, die er stets zu verbergen trachtete, aber nie ganz verbergen konnte, dachte ich, noch immer eine Einlieferung in die Sigmund-Freud-Klinik fürchtend.
Diese Gedanken sind jetzt nicht wahnsinnig einprägsam, dass der Krieg schlimmer ist als die Höhle, das hat man schon das eine oder andere Mal gehört, aber das wäre echt noch in Ordnung, aber binde sie doch in eine Handlung ein, anstatt diese Aktionsschnipsel aufzubauschen durch das nicht besonders originelle Sinnieren, und dann auch noch mehr Volksgärten und Kliniken, ne, da bin ich ausgestiegen.
Vllt tu ich dem Rest der Geschichte unrecht an, vllt passiert da noch was Interessantes, literarisch ansprechend verkleidet, aber hier auf der Seite ist die Geduld nun mal sehr kurz, da müssen die Sachen schnell einen ansprechen. Bei deinem Text ist mir das leider nicht passiert. Mag sein, das andere damit mehr anfangen können.
Gruß, randundband

 

Hallo randundband!

Thomas Bernhard macht das, glaube ich, ganz ähnlich.
Ah, gleich bei der ersten Kritik wurde es erkannt, großartig. Mit Thomas Bernhard liegst du goldrichtig, der Stil dieser Geschichte orientiert sich stark an seinem. Heute ist sein 25. Todestag, mir erschien es angemessen, eine Geschichte im Bernhardstil zu posten. Einen Blogeintrag zum Thema traue ich mich nicht zu schreiben, weil dann alle wieder über die Qualität heulen. :D

Da habe ich mich mal durch die ersten zwanzig-dreißig Seiten von "Auslöschung" durchgekämpft, und dann auch fürs Erste gelassen.
Einsteigern empfehle ich immer "Holzfällen", da kommt man wesentlich leichter rein als bei der "Auslöschung". Wenn du mit Bernhard nichts anfangen kannst, habe ich mit dieser Stilhuldigung naturgemäß einen schweren Stand. Im Rest der Geschichte passiert wesentlich mehr als am Anfang, aber um die Wiederholungen wird man nicht herumkommen, weil sie ein essentielles Element sind.

ich bin mir nicht sicher, wieviel dir mein Kommentar bringt, weil ich nach ca. einem Sechstel des Textes ausgestiegen bin. Das ist auch schwierig hier den richtigen Zugang zu dem Kommentar zu finden, weil du die Dinge, wie du sie tust, ja bewusst tust, so dass ich vllt einfach nur eine grundsätzliche Kritik an der Art der Schilderung anbringen kann.
Jede Kritik hilfreich und erwünscht. Dieser Text ist ein spezieller Fall, weil ich einen anderen Stil imitiere, einen Stil, der seinen Platz in der Literaturgeschichte längst gefunden hat -- ich kann also höchstens gut oder schlecht imitieren. Schlägt man z.B. "Gehen" von Thomas Bernhard auf, wird man eine ähnliche Erzählstruktur und noch penetrantere Wiederholungen als hier vorfinden. Und das alles auf möglichst wenig Handlung verteilt. Bernhard ist ein Anti-Erzähler, er hasst Geschichten. In diesem Sinne habe ich mich weit von ihm entfernt, weil hier zwei vollwertige Geschichten nebeneinander erzählt werden.

Gut, dann hat man den ersten Abschnitt überstanden, und dann fütterst du den Leser mit einem neuen Häppchen, aha, der Fremde kommt, das ist schon irgendwie interessanter, aber dann kommen wieder gefühlte zwanzig Volksgärten und zehn Sigmund Freud Kliniken. Das nervt.
Das ist das Leitmotiv. Es hat keine (oder nur eine geringe) narrative Funktion, es soll hauptsächlich einen bestimmten Klang reinbringen.

Es ist ja so, jetzt mal ganz objektiv, ein Typ der einen Heimatroman schreiben soll, das ist vom Plot her schon sehr unaufregend.
Es gibt zwei Plots. Wenn du Splatter und Gore suchst, die kommen im anderen vor. :D

Diese Gedanken sind jetzt nicht wahnsinnig einprägsam, dass der Krieg schlimmer ist als die Höhle, das hat man schon das eine oder andere Mal gehört
Bei diesem Satz war mir die Struktur der Wiederholungen wichtiger als der eigentliche Inhalt, vom Klang her gefällt er mir sehr (na, immerhin einem!), rein vom Inhaltlichen her ist es wahrscheinlich nicht der beste Vergleich, da stimme ich dir zu. "Hölle" habe ich deshalb genommen, weil ich es vorher schon verwendet habe und somit eine Wiederholung entstanden ist (was ja im Sinne des Stils ist).
Jetzt habe ich zwei Möglichkeiten: Ich suche mir ein besseres Bild. Oder ich werfe alle Bilder raus, weil meine Stilvorlage weitgehend ohne Bilder zurechtgekommen ist. Natürlich müsste ich die Bilder irgendwie ersetzen. Vielleicht durch irgendwelche abnormalen Komposita? Mal überlegen.

Du musst schon zugeben, dass es keine richtig frischen Wendungen sind. Auf so etwas reagiert der Leser nicht mehr.
Vielleicht schaust du nur auf das Falsche. Man merkt schon, dass du eigentlich einen ganz anderen Text lesen wolltest. Hast Pizza bestellt und kriegst Miesmuscheln. ;)

Ich finde, der Text macht zwei Schritte vor, um gleich darauf anderthalb Schritte zurück zu machen, dann noch einen halben Schirtt zur Seite, und dann nochmal um die eigene Achse drehen.
Das Ganze soll sich wie ein Bohrer drehen, deine Beschreibung kommt da schon nahe hin. Ein Bohrer, der vorangetrieben wird, eine gewisse Tiefe erreicht und dann bricht.

Danke fürs Kritisieren!

Viele Grüße
Blaine

 

Hallo Blaine,

die Nähe zu Bernhard ist offensichtlich. Mich erinnert es eher an seine frühen Sachen, wie 'Frost' etwa, so rein vom Duktus. Was dir nicht gelingt, ist einerseits die Musikalität, diesen ganz bestimmten Rhythmus von Bernhard (wenn du ihn tatsächlich rein imitieren möchtest) und andererseits auch das Beißende, das Ätzende. Du erwähntest 'Holzfällen' - das künstlerische Abendessen, wie er da in seinem Ohrensessel sitzt und wirklich jeden mit Spott überzieht. Dieses Element, das fehlt dem Text, da müsste mehr Bösartigkeit rein, da müsstest du noch intimer und persönlicher werden, und dann wird der Text automatisch variantenreicher in sich.

Der Text ist mehr ein Statement, finde ich. Ich habe ihn gelesen, und mir nötigt eine solche Ehrerbietung Respekt ab. Ich habe auch vieles von Bernhard gelesen, aber dann hat Helmut Krausser mal in einem Interview gesagt, Bernhard sei wie eine Maschine, die man einmal angeschmissen hat, er produziere immer nur das Immergleiche. Und irgendwie hat er Recht. Jeder Autor hat seinen Stil, bestenfalls, und niemand kann so bösartig sein wie Bernhard, aber man muss in der Stimmung sein, es zu lesen, und ich finde, diese Art von Stil nutzt sich auch recht schnell ab, da muss dann alles sitzen. Ach, aber meinen Texten sagt man nach, die klängen wie Bukowski, und Saufen und Prügeln und Vögeln nutze sich auch ab, also!:D

Gruss, Jimmy

 

Hallo Jimmy!

Mich erinnert es eher an seine frühen Sachen, wie 'Frost' etwa, so rein vom Duktus.
Ja, "Frost" kommt der Geschichte sicher am nächsten.

Was dir nicht gelingt, ist einerseits die Musikalität, diesen ganz bestimmten Rhythmus von Bernhard (wenn du ihn tatsächlich rein imitieren möchtest) und andererseits auch das Beißende, das Ätzende. Du erwähntest 'Holzfällen' - das künstlerische Abendessen, wie er da in seinem Ohrensessel sitzt und wirklich jeden mit Spott überzieht. Dieses Element, das fehlt dem Text, da müsste mehr Bösartigkeit rein, da müsstest du noch intimer und persönlicher werden, und dann wird der Text automatisch variantenreicher in sich.
Es ist eine Gratwanderung, weil mich inhaltlich von ihm entferne und stilistisch in der Nähe zu bleiben versuche. Beschimpfungen von Land und Leuten, Katholizismus etc. sind zwar drin, aber vergleichsweise milde ausgefallen (bis auf die Beschimpfung des Erzählers am Schluss, da ist die Beleidigungsdichte außerordentlich hoch). Die Geschichte hat nicht einmal 8.000 Wörter*, so richtig viele Personen wie in "Holzfällen" gehen sich da leider nicht aus. Thomas Bernhard braucht immer eine gewisse Länge, um zu wirken, vielleicht ist die Geschichte zu kurz dafür oder so. Oder ich zu unfähig. Oder beides. ;)

Ich habe auch vieles von Bernhard gelesen, aber dann hat Helmut Krausser mal in einem Interview gesagt, Bernhard sei wie eine Maschine, die man einmal angeschmissen hat, er produziere immer nur das Immergleiche. Und irgendwie hat er Recht.
Hm, ich weiß nicht. Ich hab von ihm zwanzig Romane und fünf Stücke gelesen, langweilig ist mir dabei nie geworden. Ich finde ihn unglaublich lustig und seinen enormen Hass sehr ansprechend. Gekrönt wird das Ganze von der Sprachmelodie. Er kann auch sehr innovativ sein, man beachte zum Beispiel die Erzählperspektive aus dem "Kalkwerk", die ist richtig genial.

Ach, aber meinen Texten sagt man nach, die klängen wie Bukowski, und Saufen und Prügeln und Vögeln nutze sich auch ab, also!
Meine literarische Heimat ist im Grunde ganz wo anders, aber ich probiere nebenher sehr viel aus, um in meinem Gebiet mehr herausholen zu können. Man hat oft bestimmte Ideen und weiß nicht, wie man sie umsetzen soll, weil sie zu gewaltig und furchteinflößend sind. Also macht man literarische Ausflüge, eignet sich lesend gewisse Kniffe an, kehrt wieder zurück und kann die Ideen plötzlich meistern. Vielleicht ist die Geschichte ein Holzweg, aber mir persönlich hat sie dennoch viel gebracht.

Danke fürs Kritisieren!

Viele Grüße
Blaine

*wie kurz, ich werde alt!

 

Noch mal ich: Vielleicht ist das nicht so durchgedrungen, aber ich habe den Text echt sehr gerne gelesen. Der ist schon auf einem hohen Niveau, und ich denke, eine Schwierigkeit ist, wenn man Bernhard im Kopf hat, dann tut man dem Text auch Unrecht. Er steht dann nicht für sich alleine, der muss dann immer als Vergleich herhalten. Vielleicht war dies auch ein Fehler beim Lesen, wenn ich mir das so überlege, da habe ich den Text gelesen und Bernhard direkt im Kopf gehabt. Man macht das automatisch, klar, aber dennoch sollte man den Text so isoliert betrachten können. Der kann schon was und der liest sich auch total flüssig, das ist ja auch eine Kunst, den so richtig zum fließen zu bringen, das Umherkreisen. Das ist schon gut gemacht, keine Frage.

Gruss, Jimmy

 

Noch mal ich: Vielleicht ist das nicht so durchgedrungen, aber ich habe den Text echt sehr gerne gelesen. Der ist schon auf einem hohen Niveau
Äh, nein. Aber vielen Dank! :)

und ich denke, eine Schwierigkeit ist, wenn man Bernhard im Kopf hat, dann tut man dem Text auch Unrecht. Er steht dann nicht für sich alleine, der muss dann immer als Vergleich herhalten.

Macht überhaupt nichts, damit musste ich rechnen. Diese Geschichte hat ein viel größeres Risiko, komplett bei den Lesern durchzufallen als meine normalen Sachen. Aber ich wollte es so und es hat sich auch ausgezahlt, denke ich.

Man macht das automatisch, klar, aber dennoch sollte man den Text so isoliert betrachten können.
Wunschzielgruppe: Leute, die Thomas Bernhard nicht kennen, ihn aber gut finden würden. :D

Der kann schon was und der liest sich auch total flüssig, das ist ja auch eine Kunst, den so richtig zum fließen zu bringen, das Umherkreisen. Das ist schon gut gemacht, keine Frage.
Merci!

Viele Grüße
Blaine

 

„Wir können nicht sagen, wir denken, wie wir gehen,
wie wir nicht sagen können, wir gehen, wie wir denken,
weil wir nicht gehen können, wie wir denken,
nicht denken können, wie wir gehen.“ Th. Bernhard​
Doch es blieb ruhig und die Polizisten stürmten nur in der Parallelwelt des Konjunktivs, in jener wundersamen Welt, in der der Konjunktiv real wird.
Da schaut’s her, ein Satz (oder doch 1 Einsatz) wie für mich formuliert,

lieber Blaine,

und nicht nur der überrascht (oder überrumpelt?) mich, sondern auch die morbiden Figuren in einer sich selbstzerstörenden gestörten Welt, dabei hätte mir schon der pessimistische Blick bereits in Deinem Weltkriegs-Eins-Schauspiel „klar“ sein müssen.

Gleichwohl: Schön, mal wieder was von Dir zu lesen – und dann gleich wieder ein Hammer! Also versuch ich nun, einem Tausendfüßler das Gehen beizubringen – der ja gar keine tausend Füße hat, aber bescheidene siebenhundet gäben auch schon eine stattliche Anzahl und wären sechshundertzwoundachtzig zu viel, dass man nicht zwanghaft ins Stolpern käme …

Einen Heimatroman soll der Icherzähler schreiben und es wird – wenn schon nicht das Schweigen im Walde – der Volksaufstand im Volksgarten im eigenen Kopf mit dem verloren geglaubten Sohn (Kriegsheimkehrer - hier vermutete ich beim ersten Lesen sogar einen Zusammenhang mit dem am Kopf versehrten Leutnant in Deinem „Fin de siècle – Mein Kaiser“,

Der Krieg hatte Schäden in Peters Kopf hinterlassen, die er stets zu verbergen trachtete, aber nie ganz verbergen konnte, …
was ich schneller fallen ließ, als ich es aufgenommen hatte) und dessen Vater, der geradezu eine Verjüngungskur durchmacht infolge des Gedanken, vor dem Vater stürbe der Sohn usw.

Zwei Dinge beherrschen m. E. durch Wiederholungen hindurch den Text: Lokomotive und Heimat, Heimat und Lokomotive, letztere zusammengesetzt aus den eigentlich entgegengesetzten Teilen „Ort / Stelle“ (locus, nicht zu verwechseln mit dem stillen Örtchen, das aber auch in den Text hineinreicht) und „bewegen“ (movere), was in jedem Fall dem Bild deutscher Zunge von Heimat widerspricht: die gilt als fest, in ihr ist man verwurzelt, abgeleitet aus dem Heim (nicht nur dem eigenen). Schon drei Jahrhunderte bevor das Wort „heim(u)odil“ belegt ist, taucht das Substantiv „fatererbi“ für „Heimat“ auf und jeder kann daraus erkennen, was das deutsche Wort Heimat bedeutet: das „Vatererbe“, Besitz, Vermögen – das für den Heimkehrer Peter durch den Vater auf den Kopf gestellt wird. (In dem aus dem 11./12. Jh. stammendem heimuodil vermag man auch die Heimöd zu formen … Hier und Jetzt ist nur, wer auch hier und jetzt meint. Gleichzeitig trägt er mit sich, wo er einmal war und sein möchte. So ist jeder Aufenthaltsort wie der Volksgarten zugleich Durchgangsort zu den jenseitigen Grenzen, der Icherzähler wie Peter zugleich ein Fremder. Kein Mensch ist Herr im eigenen Haus, wie’s Freud mal sagte.
Dann fiel mir mein Ikarus hier vor Ort ein – den ich ursprünglich Ikaross nennen wollte – und quasi den Kommentar zu dieser Geschichte bereits enthält, wenn es da heißt: „FLIEGEN GEDANKEN? / DENKEN FLIEGEN? / MACHT DENKEN FLIEGEN? / MACHT DENKEN FREI? / ES DENKT. ALSO IST ES. […] ES DENKT MICH, ALSO WERD ICH / GEDACHT. ABER SOLLT ICH ES / SEIN, SO BIN ICH ES, DAS SICH / DENKT. ZUMINDEST KÖNNT ICH / MICH DENKEN. NUN: DENKE MICH! […] WIE WÄR ES, WENN ICH GINGE, / STATT ZU DENKEN? SO WÄR ES: / ICH GEHE, ALSO BIN ICH, / DENN FIEL ICH AUF DIE NASE, / WÄR'S MEIN SCHMERZ, DEN ICH FÜHLTE, / UND MIR WÜRDE GEWISS: ICH BIN! / Erneut stockte er, denn der mögliche Schmerz schmerzte ihn, dass er allerlei Rumoren im Kopf hatte und auf dem Kopf eine Schlafmütze, dass es mehr in ihr als in seinem Kopf herumging. […]“
Einige kleinere Schnitzer:

Die Schwärze überwiegte in Peters Vorstellung, …
Besser: überwog

Ich musste an mein Mädchen denken, die das sicher interessant gefunden hätte.
Das Mädchen, okay, das das klänge nicht so schön, aber die klangliche Umkehrung
„…, das dies sicher …)
Wenn ich den Vater nicht hätte sehen wollen, dann wäre mir diese Schande nicht an mir hängen geblieben.
Ein mir scheint mir entbehrlich zu sein (ich bevorzugte das erste …)

…, während sie Rauch wie ein Lokomotive ausstieß und die Zigarette in ihrer Hand weiterglühte[,] als würde sie daran ziehen.

…, es war der Schrei eines brünftigen Hirschen, …
Gälte nicht besser des Hirsches?

…, aber mein Verstand verstand sofort, sponn die Geschichte weiter.
spann

Die Menschen in seinen Dorf hörten seine windisch dargebrachten Monologe …
in seinem

Meine nichtgeschriebenen Geschichten werden mich dereinst in die Sigmund-Freud-Klinik zu bringen, sagte ich,
Ja doch, Zubringer gibt’s, aber hier die Infinitivkonstruktion „… zu bringen …“?

Es gebe nichts Einfacheres[,] als einen Heimatroman zu schreiben, sagte Herr Spielmann.

Einige Anmerkungen zur Wortwahl

… also versuchte ich, das Lachen zu unterdrücken, was nicht funktionierte, also lachte ich unterdrückend und man hörte es doch ein wenig.
Unterdrückendes Lachen - kann es so etwas geben? Sicher, man kein sein Lachen unterdrücken, also gegenüber andern verheimlichen, verbergen, aber das ist ein aktives Tun, keine Eigenschaft, wie das Partizip uns vorgaukelt.

Sie näherte sich mir mit wahnsinniger Geschwindigkeit, sie pfiff nicht wie normale Lokomotiven, nein, sie kreischte wie ein wahnsinnig gewordenes Mädchen, das sich im Wahn die Haare ausreißt, von Ferne sah ich sie kommen, aus ihrem Schornstein loderte Höllenfeuer, dann passierte sie mich und ich sah, dass sie einen Waggon hinter sich her zog.
Seltsames und darum gutes Wortspiel: Der Herzog war buchstäblich der, der das Heer anführte („der vor dem Heer zog = herizoga / herizoho (ahd.), auch das erste Wort deutscher Zunge für Herrscher, schließlich beherrscht die Zigarette-Lokomotive die Raucher nicht uibel!).

Und abschließend Dein eigener Kommentar inmitten des Geschehens:

Gleich, als Peter eingezogen war, die schreckliche Aussicht schaudernd genossen und sich eingerichtet hatte, begann er seine Monologe. Es waren Monologe des Hasses, die er sturmgleich intonierte, die windisch an den Bergflanken kratzten und an den Häusern der sogenannten Gerechten, Anständigen und Braven rüttelte.

Womit wir den Kreis schließen - einstweilen ...

Gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo Blaine,

das ist ein herrlicher Text und er erinnerte mich daran, kürzlich gehört zu haben, dass chinesische Betrüger in mindestens siebzehn Fällen behaupteten, einen Harry-Potter-Band zu vermarkten, der speziell für den chinesischen Markt geschrieben worden war, berichtete ein Zeitungsartikel, las ich kürzlich in einem Blog. Mit gleichem Recht könntest du behaupten, ein Kurzgeschichte, die Thomas Bernhard speziell für das Internet geschrieben hat, entdeckt zu haben. ;)

Dieses Verdammen eines ganzen Menschentyps und die überzeichnete Primitivität... Wie gesagt: wundervoll! :D

Ich zitiere noch einmal meinen Lieblingsabsatz, um etwas in diesen Sprachspielereien zu schwelgen:

Der Krieg ist schlimmer als die Hölle gewesen, dachte Peter, dachte ich, alleine im Volksgarten sitzend, der helllodernden Lokomotive nachstarrend, der Krieg ist schlimmer als die Vorstellung gewesen, dachte Peter, die ich mir immer von der Hölle gemacht habe. Der Krieg hatte Schäden in Peters Kopf hinterlassen, die er stets zu verbergen trachtete, aber nie ganz verbergen konnte, dachte ich, noch immer eine Einlieferung in die Sigmund-Freud-Klinik fürchtend. So sah er die Umgebung nicht wie andere Leute sie sahen, sondern er sah in ihr, in langen Kriegsjahren darin ausreichend geschult, nur das Schlechte und Verkommene. Der Krieg hatte seinen Sinn für das Schöne ausradiert, und übrig war nur der Hass geblieben, der so grenzenlos wie grausam in ihm arbeitete.

(Soviel ich weiß, kommen bei Bernhard keine Huren und keine deutlichen Beschreibungen des Sexuellen vor. Und der Volksgarten, den ich ein bisschen kenne, schließt schon um 21 Uhr.)

Gelesen habe ich die Geschichte von Anfang bis Ende, wenn auch manche Absätze nur überflogen.
Diese meisterhafte Nach-Schöpfung nach dem Stil eines Meisters seiner Art ist sicherlich ein Weg, um in einer Kunst ein Stück weiterzukommen. Könntest du auch selbst etwas produzieren, das ähnlich unverschämt und provokativ und eigen ist?

Einen anderen Text hast du im Stil von Joseph Roth geschrieben. Was kommt als nächstes? ;)

Ich habe mich beim Lesen königlich amüsiert.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hej Blaine,

ich schließen mich Berg an, der Einfachheit halber und weil ich jetzt eh keine Zeit mehr habe, ganz explizit zu kommentieren. Ich fand's großartig.

Mein Lieblingsabsatz ist der hier:

Peter sah in die Stahl- und Sensenfront, doch die Sensenfront machte ihm keine Angst, diese Stahlfront der Allergemeinsten war nicht im Vergleich zur Kriegsfront so lächerlich, dass Peter nur lachen konnte.
Raus aus unserem Dorf, sagte sein Vater. Ich bin dein Sohn, sagte Peter, willst du deinem Sohn die Aufnahme verweigern? Mein Sohn ist tot, sagte der Vater. Deine Geilheit hat mich sterben lassen, sagte Peter. Deine Geilheit nach meinem Mädchen hat dem Todesgedanken Tür und Tor geöffnet. Ein geiler Gedanke von dir – schon war ich tot. Du bist nicht mein Sohn!, sagte, schrie sein Vater. Der Dorfpfarrer neben ihm bekreuzigte sich auf widerliche Weise. Die Hure, die einst Peters Mädchen gewesen war, sagte etwas davon, dass Peter niemals der Mann sei, der vor ein paar Jahren Richtung Front entschwunden wäre. Dazu wäre er zu alt, zu gebückt, zu böse, zu gemein, zu hässlich, zu durch-den-Wind, er sei einem Verbrecher gleich, er sei das Letzte, der letzte Abschaum der Erde, er sei zu dummdreist, zu grob, zu brutal, zu grobsinnig, zu menschenverachtend, zu lieblos, zu niederträchtig …
bzw. die zwei bis drei danach folgenden.

Ich hab nichts von Thomas Bernard gelesen (und es auch nicht vor) aber falls das der Grund dafür ist, dass ich das hier mochte, meinetwegen gerne.

LG
Ane

 

Hallo Blaine!

Der Auftrag war so leicht wie undurchführbar: Ich sollte einen Heimatroman schreiben. Das sei ganz einfach, wurde mir gesagt, das könne selbst der Dümmste, es gebe nichts Einfacheres als einen Heimatroman zu schreiben, wurde mir gesagt, du nimmst ein Dorf, wurde mir gesagt, ein Dorf in den Bergen, ein Dorf am Land, streust möglichst simple Figuren drüber und schon hast du ihn, den Heimatroman, wurde mir gesagt. Aber bitte nicht zu lang, zwei Seiten würden reichen.
Ja, dieser Stil war mal sehr gefragt. Jede Preisjury sabberte vor Begeisterung aufs Manuskript, bei so was. Ich war und bin da nicht so angetan von. Der Stil erhebt sich über den Inhalt, ohne diesem in irgendeiner Weise dabei dienlich zu sein. Jedenfalls für mich ist das so. Ich brauche diese Wiederholungen nicht.
Du siehst, was für den einen hohe Kunst, ist für den anderen Nippes. Da kann man nix machen.

So, aber nun mal rein technisch betrachtet. Die Verteilung der Wortwiederholung ist nicht im Einklang mit den inhaltlichen Aussagen und Wiederholungen dazwischen.
Dann könnte es etwa so aussehen:

Der Auftrag war so leicht wie undurchführbar: Ich sollte einen Heimatroman schreiben, wurde mir gesagt, das sei ganz einfach, es gebe nichts Einfacheres als einen Heimatroman zu schreiben, das könne selbst der Dümmste, wurde mir gesagt, du nimmst ein Dorf, ein Dorf in den Bergen, ein Dorf am Land, wurde mir gesagt, streust möglichst simple Figuren drüber, aber nicht zu viele, wurde mir gesagt, und schon hast du ihn, den Heimatroman. Nur bitte nicht zu lang, wurde mir gesagt, zwei Seiten würden reichen.

Etwas mehr Sinn machen diese Wiederholungen hier:

Ich zuckte zusammen, drehte mich um und sah mein Mädchen aus der Nacht kommen; mein Mädchen, das sich in Gestalt einer Volksgartenprostituierten kettenrauchend neben mich setzte. Diese Volksgartendealer, sagte mein Mädchen, während sie an der Zigarette zog, die höllengleich aufleuchtete, diese Volksgartendealer, sagte mein Mädchen, während sie den Rauch wie eine Dampflokomotive ausstieß, während die Zigarette höllengleich weiterglühte, diese Volksgartendealer sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren, sagte mein Mädchen, Rauch wie eine Lokomotive ausstoßend.
Hier wird immerhin das bildliche und zeitliche Umsetzen der Szene unterstützt. Auch die Verbindung zur zuvor erwähnten Dampflokomotive passt. Die Muse ist wie eine Dampflok, aber auch eine Hure. Sie kommt und geht, ist unberechenbar.

Sehr gelungen find ich diesen Abschnitt:

Die Gemeinheit in ihren Gesichtern war so verletzend, dass es Peter das Atmen verschlug. Drei Männer waren es, drei Männer auf dem Weg ins Tale, und ihre Gesichter strotzten so vor Gemeinheit, dass Peter sie unmöglich grüßen konnte, diese Männer, auch wenn er sie kannte, es war eine qualvolle Vorstellung für ihn, diese ihm bekannten, zu so derber Gemeinheit verzerrten Gesichter zu grüßen, dass er grußlos vorüberging, sie einfach nicht grüßte.
Dort machen die Wiederholungen, im Gegensatz zu dem anfänglich verwendetem „wurde mir gesagt“ endlich mal Sinn. Hier wird aus der Story um Peter ein expressionistisches Drama.
Der Kriegsheimkehrer Peter. Für ihn hat sich die Sicht auf die Welt verändert und er spürt, dass auch die Welt ihn nun mit anderen Augen betrachtet. Alles wird aus der Innensicht heraus gezeigt, nicht mehr, wie es das Auge sieht. Das hat was von Borcherts Nachkriegsliteratur.

Die Verschmelzung beider Geschichten oder Figuren find ich sehr gelungen. Hier, zum Beispiel:

Er hatte nur ein Ziel, der Fremde, er hatte nur ein Ziel, der Peter, ich habe nur ein Ziel, dachte Peter, ich habe nur Verachtung für das Toilettenhäuschen übrig, dachte ich, auf das abscheuliche Toilettenhäuschen im Volksgarten starrend. Es war von ungesunder beige-gelber Farbe, und es erinnerte an einen unappetitlichen Pilz, der seine Krankheit verbreitenden Sporen im Volksgarten herumschoss. Dieses entsetzliche Toilettenhäuschen hätte ich auch bei Tage nicht betreten, es bereitete mit Übelkeit, wenn ich es nur ansah.Auch Peter wurde übel, als er beim Haus seines Vaters ankam, es besah und es betreten wollte, aber nicht betreten konnte, weil die Krankheit des Hauses, die wie eine Pilzflechte die Fassade überzogen hatte, die Haustür blockierte, sie überwuchert hatte, sodass Peter das Haus seines Vaters nicht betreten konnte, es war eine vollkommene Unmöglichkeit, dieses ihm wohlbekannte Haus zu betreten, es war gewiss nicht abgeschlossen, denn die Häuser in dem Dorf waren nie abgeschlossen, abgeschlossen war es ganz gewiss nicht, denn das Toilettenhäuschen ist auch immer offen, wie ich im Volksgarten dachte, angewidert Richtung Toilettenhäuschen starrend, und Peter wollte schon wieder gehen, da der Flechtenpilz ihm den Eintritt verwehrte, da wurde die Tür geöffnet.

In Klammern denken find ich nicht so gut. Hast du noch öfter drin:
einen Heimatroman zu schreiben (von wem auch immer), und wie Karl Morré, ein büstengewordener Torso,

Also, mir hat die Geschichte sehr gefallen. Und mit dem Stilmittel der Wiederholung habe ich irgendwann meinen Frieden geschlossen, um der Geschichte willen.

Lieben Gruß

Asterix

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedel!

Freut mich sehr, dass du mit dieser Geschichte wieder so viel anfangen konntest wie mit der letzten. Die Texte sind ja wie Tag und Nacht (oder besser: wie Sternennacht und Gewitternacht), da läuft man schon in Gefahr, nicht zu treffen.

und nicht nur der überrascht (oder überrumpelt?) mich, sondern auch die morbiden Figuren in einer sich selbstzerstörenden gestörten Welt, dabei hätte mir schon der pessimistische Blick bereits in Deinem Weltkriegs-Eins-Schauspiel „klar“ sein müssen.
Ja, etwas Pessimistisches und Düsteres zu schreiben fällt mir sicher leichter als eine positive Geschichte auf halbwegs annehmbaren Niveau.

Gleichwohl: Schön, mal wieder was von Dir zu lesen – und dann gleich wieder ein Hammer!
Vielen lieben Dank!

Einen Heimatroman soll der Icherzähler schreiben und es wird – wenn schon nicht das Schweigen im Walde – der Volksaufstand im Volksgarten im eigenen Kopf mit dem verloren geglaubten Sohn (Kriegsheimkehrer - hier vermutete ich beim ersten Lesen sogar einen Zusammenhang mit dem am Kopf versehrten Leutnant in Deinem „Fin de siècle – Mein Kaiser“
Diese Vermutung ist sicher naheliegend, wenn man die letzte Geschichte kennt. "Fin de siècle" hat eine Fortsetzung (mit Júlia in Wien), die ich aber noch nicht geschrieben habe. In dieser Geschichte ist der Zweite Weltkrieg gemeint. Der Hinweis darauf ist sehr versteckt, irgendwo weiter hinten steht, dass die Bevölkerung einem "Heilsbringer" nachgelaufen sei.

Deine Gedanken zur Heimat und zu den Lokomotiven fand ich sehr interessant und inspirierend, danke dafür. Und danke auch für die Fehlerliste, ich werde die heute noch abarbeiten.

Unterdrückendes Lachen - kann es so etwas geben? Sicher, man kein sein Lachen unterdrücken, also gegenüber andern verheimlichen, verbergen, aber das ist ein aktives Tun, keine Eigenschaft, wie das Partizip uns vorgaukelt.
Vielleicht hast du Recht, aber ich muss jedesmal lachen, wenn ich die Stelle lese. Eine wasserdichte Formulierung würde vermutlich den ganzen Humor vernichten. Hm ... etwas Wasserdicht-Spritziges müsste her, das wäre ideal.

Gern gelesen
Danke für die Kritik!

Viele Grüße
Blaine


Hallo Berg!

das ist ein herrlicher Text
Danke!

und er erinnerte mich daran, kürzlich gehört zu haben, dass chinesische Betrüger in mindestens siebzehn Fällen behaupteten, einen Harry-Potter-Band zu vermarkten, der speziell für den chinesischen Markt geschrieben worden war, berichtete ein Zeitungsartikel, las ich kürzlich in einem Blog. Mit gleichem Recht könntest du behaupten, ein Kurzgeschichte, die Thomas Bernhard speziell für das Internet geschrieben hat, entdeckt zu haben.
Köstlich!

Dieses Verdammen eines ganzen Menschentyps und die überzeichnete Primitivität... Wie gesagt: wundervoll!
Freut mich, dass du etwas damit anfangen konntest.

Soviel ich weiß, kommen bei Bernhard keine Huren und keine deutlichen Beschreibungen des Sexuellen vor.
Das ist richtig, aber ich wollte ja keine 1:1-Kopie schreiben. Größtmögliche Nähe bei größtmöglicher Eigenschöpfung, Gratwanderung halt.

Und der Volksgarten, den ich ein bisschen kenne, schließt schon um 21 Uhr.
Es handelt sich um den Grazer Volksgarten. Der schließt nie (wie auch, ohne Zaun), da wird's in der Nacht erst so richtig lustig.
Hier ein paar Bilder:
Tag
Nacht
Toilettenhäuschen
Denkmal

Gelesen habe ich die Geschichte von Anfang bis Ende, wenn auch manche Absätze nur überflogen.
Macht nichts, der Vorteil dieses Wiederholungsstils ist es ja, dass man nicht besonders aufmerksam zu lesen braucht, weil sowieso alles zehnmal wiederholt wird.

Könntest du auch selbst etwas produzieren, das ähnlich unverschämt und provokativ und eigen ist?
Möglich. Wir leben ja in Österreich (wir beide zumindest), da gibt es für Autoren so unglaublich viel zu kritisieren, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Eigene Provokationen und Unverschämtheiten werden da zur Pflicht. Aber die meisten halten die Klappe, keine Ahnung, warum das so ist.

Einen anderen Text hast du im Stil von Joseph Roth geschrieben. Was kommt als nächstes?
Wer weiß : Arno Schmidt's Stil wäre s=ich=er LustIg –!–!–?,
– und geh!nau? off m|einer WellenLänge – ! – ! –

Ich habe mich beim Lesen königlich amüsiert.
Toll, dass auch der Humor bei dir angekommen ist. Danke fürs Kritisieren!

Viele Grüße
Blaine


Hallo Ane!

(Ah, die bestellte Wunschzielgruppe! :D)

Freut mich sehr, dass es dir so gut gefallen hat. Und gut, dass du nicht vorhast, Thomas Bernhard zu lesen, dadurch würde mein Text in deinen Augen viel schlechter werden. :D

Danke fürs Loben!

Viele Grüße
Blaine


Hallo Asterix!

Ja, dieser Stil war mal sehr gefragt. Jede Preisjury sabberte vor Begeisterung aufs Manuskript, bei so was. Ich war und bin da nicht so angetan von. Der Stil erhebt sich über den Inhalt, ohne diesem in irgendeiner Weise dabei dienlich zu sein. Ich brauche diese Wiederholungen nicht. Du siehst, was für den einen hohe Kunst, ist für den anderen Nippes. Da kann man nix machen.
Kein Problem, das muss nicht jeder mögen.

So, aber nun mal rein technisch betrachtet. Die Verteilung der Wortwiederholung ist nicht im Einklang mit den inhaltlichen Aussagen und Wiederholungen dazwischen. Dann könnte es etwa so aussehen:

Der Auftrag war so leicht wie undurchführbar: Ich sollte einen Heimatroman schreiben, wurde mir gesagt, das sei ganz einfach, es gebe nichts Einfacheres als einen Heimatroman zu schreiben, das könne selbst der Dümmste, wurde mir gesagt, du nimmst ein Dorf, ein Dorf in den Bergen, ein Dorf am Land, wurde mir gesagt, streust möglichst simple Figuren drüber, aber nicht zu viele, wurde mir gesagt, und schon hast du ihn, den Heimatroman. Nur bitte nicht zu lang, wurde mir gesagt, zwei Seiten würden reichen.

Ich habe den Anfang ungefähr tausendmal gelesen, der hat sich so sehr in mein Denken eingebrannt, dass ich außerstande bin, zu beurteilen, ob deine Version jetzt besser ist oder meine. Änderungen am Anfang sind leider schwierig, weil er später wieder aufgegriffen wird, ohne in seiner Struktur verändert zu werden (wur-de mir ge-sagt; sag-te Herr Spiel-mann). Deine Version wäre schwerer in Herrn Spielmanns rastlosen Rhythmus zu integrieren, denke ich.

Hier wird immerhin das bildliche und zeitliche Umsetzen der Szene unterstützt. Auch die Verbindung zur zuvor erwähnten Dampflokomotive passt. Die Muse ist wie eine Dampflok, aber auch eine Hure. Sie kommt und geht, ist unberechenbar.
Die erste Begegnung mit dem Mädchen ist eine meiner Lieblingsszenen, freut mich, dass sie auch dir gefallen hat.

Die Verschmelzung beider Geschichten oder Figuren find ich sehr gelungen.
Das ist eine der Hauptaufgaben, die dieser Text zu lösen hat: Dass es eben nicht nur zwei Erzählstränge gibt, sondern dass diese auch sinnvoll miteinander verschmelzen müssen. Finde ich schön, dass das bei dir funktioniert hat.

In Klammern denken find ich nicht so gut.
Ist dem Stilvorbild geschuldet. Ich finde dieses Klammerndenken nicht so schlimm, das ist eben eine Ebene unter dem normalen Gedankenfluss.

Also, mir hat die Geschichte sehr gefallen. Und mit dem Stilmittel der Wiederholung habe ich irgendwann meinen Frieden geschlossen, um der Geschichte willen.
Freut mich! Danke fürs Kritisieren!

Viele Grüße
Blaine

 

Hallo Blaine,

ai … das ist anstrengend. Das ist mir dann doch zu viel Rumgeeier um sich selbst willlen, als dass anfangen könnte, mich da irgendiwe für die Geschichte dahinter zu interessieren, falls da überhaut eine ist. Also ich fands am Anfang ganz interessant, ich hab Thomas Bernhard nie gelesen, es ist auf hohem Niveau geschrieben, was fehlt ist irgendwie der Reiz, weiterzulesen. Da treibt einen ja irgendwann nur noch der eigene Fleiß voran. Ist mir zu abstrakt alles, bin aber wohl generell kein großer Fan von Autor-Meta-Texten. Viellecht war ich auch nicht in Stimmung dafür, das kann auch sein, Respekt, dass du so was durchziehst auch, aber ich war jetz nicht der Leser dafür.

MfG,

JuJu

 

In dieser Geschichte ist der Zweite Weltkrieg gemeint. Der Hinweis darauf ist sehr versteckt, irgendwo weiter hinten steht, dass die Bevölkerung einem "Heilsbringer" nachgelaufen sei.
Sind es nicht alle Heilsbringer und Vorläufer des Anstreichers, nennten sie sich nun Franz-Josef, Wilhelm oder Hindenburg,

lieber Blaine?

Besonders, wenn man August 14 bis Mai 45 als einen einzigen Zusammenhang sieht (in der neuen Zeit wird die Vorbereitung des Völkermordes an der jüdischen Bevölkerung bereits im Weltkrieg I dargestellt). Alles eine Mischpoke!

Friedel

 

Hallo JuJu!

Doch, eine Geschichte ist vorhanden. Wenn ich diese "normal", also in einem total nüchternen Stil runtergeschrieben hätte, könnte sie vor den Lesern trotzdem bestehen, denke ich. Warum also dieser Stil? Er sorgt einerseits für eine Vertiefung (Stichwort: Bohrer; Form wird ein inhaltliches Element) und sorgt andererseits für eine bessere Charakterisierung der Figuren (z.B. das Mädchen, das im Rhythmus einer fahrenden Dampflok redet). Aber leider gibt er nicht nur, der Stil, er fordert auch: Die Geschichte wirkt unter seinem Einfluss behäbiger (vor allem am Anfang) und braucht locker doppelt so viel Platz.

Ich glaube, solche Autor-Meta-Texte, wie du sie nennst, könnte ich gar nicht schreiben. Dafür bin ich viel zu sehr ein Geschichtenerzähler.

Danke für die Rückmeldung!

Viele Grüße
Blaine


Hallo Friedel,

ja, da hast du recht, dieser Hinweis ist viel zu schwammig und hat alleine nicht die Kraft, die Geschichte in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs zu verankern. Als eindeutiger Hinweis würde ein Bombentrichter irgendwo in der Landschaft schon reichen. Hm ... jetzt stellt sich mir nur die Frage, ob eine klare zeitliche Verankerung überhaupt notwendig ist.

Danke fürs Nachhaken!

Viele Grüße
Blaine

 

Hm ... jetzt stellt sich mir nur die Frage, ob eine klare zeitliche Verankerung überhaupt notwendig ist.

Nix zu danken,

lieber Blaine,

aber Deine Selbstzweifel sagen Dir wahrscheinlich auch schon: Braucht's eigentlich nicht - und ich verwende eigentlich eigentlich nur mit Abscheu (dann heideggerds in mir und schüttelt mich).

Schönes Wochenende vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Die Heimat mit der Seele suchen

Hallo Blaine,

über Titel nachzudenken, das lohnt sich immer. „Heimatroman der Nacht“. Sicherlich schreibt die Nacht keinen Heimatroman. Soll es „in der Nacht“ bedeuten, weil der Erzähler dieselbe ja im Volksgarten verbringt? Oder soll ein „nachtdunkler“ Heimatroman geschrieben werden, wie man ja Bernhardstücke auch als Heimatromane, als Antiroseggereien betrachten könnte (Bernhard in der Lederhose!)? Und wo findet sich dieser Heimatroman in Deiner Geschichte, der ja im Titel angekündigt ist?
Sicherlich in dem Auftrag des Herr Spielmann, der eine Überrolle spielt, die Melodie vorgibt, nach der das Ich tanzen soll: Heimatromanschreiben als Psychotherapie:

Da trägt man ihm eine Arbeit auf, die ihn von seinem Ich ablenken soll, raus in die Natur, hinauf auf die Berge, doch was macht der Unwürdige? Er geht zu seinesgleichen in den Volksgarten und verkriecht sich in sich selbst!

Und

Ich sei ein »ausgebrannter Eskapist«, der sich nicht in seinem ausgebrannten Ich verkriechen solle, sondern dringend Urlaub von sich und von Menschen seinesgleichen brauche.
Der Seele eine Heimat geben, lautete wohl der fürsorgliche Auftrag des göttlichen Spielmanns.
Und wo findet dann die ewige Seele des Ichs Heimat: im Volkspark, auf einer Bank bei einer Nutte.

Und in der Sprache, die durch ständige Wiederholung das Element der Gewöhnung, der Versicherung, der Ordnung Heimat suggeriert (wohl auch bei Bernhard). Schließlich findet der Erzähler am Schluss ja zum Heimatroman und beschreibt sich selber? Schreiben ist Heimat.

Auch inhaltlich gelingt dem Ich ja einiges an Heimat:

Ein Dorf, dachte ich im Volksgarten, nachdem ich mich auf eine Bank gesetzt und den jämmerlichen Springbrunnen keines Blickes gewürdigt hatte, ein Dorf in den Bergen. In einem Dorf in den Ennstaler Alpen lebte nach dem großen Kriege ein Paar, dachte ich auf einer Bank im Volksgarten in der Nacht sitzend. Der Mann war um Jahrzehnte älter als die Frau, denn er war Witwer geworden und hatte dann wieder geheiratet; als reicher Großbauer hatte er sich die schönste Jungdirne im Dorf anlachen können und sie hatten sogleich den Bund fürs Leben geschlossen … ein glückliches Paar, dachte ich im Volksgarten. Das Dorf war eines der schönsten in den östlichen Kalkalpen, die Almen saftig, die Kühe wohlgenährt, die Menschen freundlich und das Wetter himmelblau.
Na also, es fehlt nur noch die Nacht (des Krieges?)
Nein, es ist die Nacht der Bedeckung der Tageshelligkeit, die Hässlichkeit ungemildert zeigt:

Bei Peters Landschaft war es ähnlich, dachte ich, nur dass Peter bei Tage ging, während ich in bei Nacht im Volksgarten saß. Peter wünschte sich die Nacht herbei, damit sie die abstoßende Hässlichkeit der Landschaft verbergen konnte, und mir graute vor der schieren Vorstellung der Sonne über dem Volksgarten bei Tage, und Peter graute vor der Sonne über der Landschaft und wünschte sich die Nacht herbei. Da war es fast eine glückliche Fügung, dass Peter auf Menschen traf.
Wir sind also in der Schauerromantik von Tieck und Hoffmann. Die Nachtwachen des Bonaventura umkapseln den Künstler schonend von der schnöden Welt ab: Heimat der Nacht /durch die Nacht/ in der Nacht. Und im Irrenhaus! Was bei Romantikern keinen Unterschied macht.

Welche Funktion hat die Ansprache an Karl Morré? Nur die Erinnerung, dass Spätromantiker ja immer mit dem Verrücktwerden kokettieren?
Und die Heimatgeschichte mit dem aus dem Krieg zurückkehrenden Peter, der Draußen vor der Tür steht, findet ihre Tragik darin, dass der Herr Vater die Braut des Sohnes geheiratet hat.
Nun kommt die Heimat zu Zuge: Die Heimatmeute steht vor der Tür, hinter der der Kriegsheimkehrer gar mit fremden Erfahrungen seineihre Heimat verpesten möchte.

Er hätte mit seiner ekelhaften Heimat niemals wieder in Berührung kommen dürfen, seine Kriegsschädigung ist ein Segen gewesen im Vergleich zu seiner Heimatschädigung, jener schweren Störung der Geist- und Gedankenwelt, die bei Bergbewohnern ganz besonders ausgeprägt ist. Da geht bäuerliche Tradition Hand in Hand mit Inzest, Mord und christlichen Gedanken. Kretins, die alles ablehnen, was nicht vom Kretinismus befallen ist. Keinesfalls lehnen sie das Christentum ab, das in Jahrhunderten kleingeistiger Inzucht zu einem geistigen Riesenkretin geworden ist, eine Religion für Inzestuöse, Schwachsinnige und stinkend-gemeine Hörige, die man nur mit allergrößter Toleranz als Menschen bezeichnen kann. Unsere tägliche Portion Nächstenliebe gib uns heute, sagte mein Mädchen. Ich musste lachen.
Dann ermordet der Vater den Sohn, die Gemeinschaft erkennt, dass sie gemein ist und bringt sich um.

Versöhnlich schließt die Geschichte: der Ich-Schreiberling schreibt (vermutlich) die krause Geschichte auf. Also: Die Heimatgeschichte, die in der Nacht gefunden wurde.

So birgt diese Geschichte viel Vergnügen für den Leser, der die vielen Bezugspunkte nachvollziehen kann. Die schrecklich sentimentale Katastrophen- Heimatgeschichte ist fast noch kitschiger als das Schweigen im Walde: Aber Kitsch ist Heimat.
Wie entwickelt sich in der Geschichte das Leseerlebnis? Nach meinen Eindrücken gibt es (wie so oft) zu viele Wörter und damit eine zu unklare Struktur. Natürlich habe ich die Geschichte mit Vergnügen gelesen. Es ist ein Spiel mit vielen Karten. Sind es zu viele, die verwirren?
Es kommt auf das Ziel und die Absicht des Schreibers an: Was soll es? Eine Imitatio Bernhardi zwecks satirischer Huldigung? Anschluss an B's Heimatbegriff? Satire auf die Heimatgeschichten? Selbstbespiegelung eines unproduktiven Künstlers/Schreibers?
Insgesamt ist die Geschichte eine wunderbare Spielerei, die etwas stringenter, „nüchterner“ hätte gebaut werden können, um die Wirkung zu haben, die Bernhards Texte auch haben: Weinen und Lachen bleiben einem in der Kehle stecken – und dann lacht man doch.
Herzlichst
Wilhelm

 

Hallo Wilhelm!

über Titel nachzudenken, das lohnt sich immer. „Heimatroman der Nacht“. Sicherlich schreibt die Nacht keinen Heimatroman. Soll es „in der Nacht“ bedeuten, weil der Erzähler dieselbe ja im Volksgarten verbringt? Oder soll ein „nachtdunkler“ Heimatroman geschrieben werden
Man könnte argumentieren, dass der Erzähler ein Teil der Nacht ist, und diese bringt dann den Roman hervor, ...

... aber so war das eigentlich nicht gedacht. Das Genitivattribut "der Nacht" benennt in diesem Fall nur eine Eigenschaft des Romans (Genitivus Qualitatis). Die Nacht soll sich unterordnen, verdunkeln, verfinstern, ein "Nächtlicher Heimatroman" also. Wirklich gut hat mir der Titel aber nie gefallen. Es ist im Grunde genommen nur ein Arbeitstitel, an den ich mich gewöhnt habe. Wenn jemand einen besseren Vorschlag hat, dann immer her damit.

Sicherlich in dem Auftrag des Herr Spielmann, der eine Überrolle spielt, die Melodie vorgibt, nach der das Ich tanzen soll: Heimatromanschreiben als Psychotherapie:
[...]
Der Seele eine Heimat geben, lautete wohl der fürsorgliche Auftrag des göttlichen Spielmanns.

Ganz genau. Da der Erzähler das aber NICHT macht, also schreiben, arbeiten, driftet er mit seinen Gedanken immer weiter Richtung Irrenanstalt, bis er irgendwann einmal sogar Gefallen an dieser Irrenanstalt findet. Er verbohrt sich im Wahnsinn, findet dort aber nicht nur Destruktives, sondern auch die Erkenntnis, dass er nur im Schreiben von Romanen seine Heimat finden wird (Heimat: Roman).

("Heimat: Roman" wäre vielleicht ein passenderer Titel für die Geschichte.)

Welche Funktion hat die Ansprache an Karl Morré? Nur die Erinnerung, dass Spätromantiker ja immer mit dem Verrücktwerden kokettieren?
Karl Morré passt nur schlecht in die Schublade der Verrückten und Wahnsinnigen, das war ein sozial engagierter Politiker und gemütlicher Beamter. Seine Volksstücke sind von der Thematik her eng mit den klassischen österreichischen Heimatromanen verwandt; es wäre daher eine Sünde gewesen, ihn nicht miteinzubeziehen.

So birgt diese Geschichte viel Vergnügen für den Leser, der die vielen Bezugspunkte nachvollziehen kann.
Also Leser, die es auf dieser Seite im Überfluss gibt. Zum Glück. :D

Natürlich habe ich die Geschichte mit Vergnügen gelesen.
Das liest man gerne!

Es ist ein Spiel mit vielen Karten. Sind es zu viele, die verwirren?
Es kommt auf das Ziel und die Absicht des Schreibers an: Was soll es? Eine Imitatio Bernhardi zwecks satirischer Huldigung? Anschluss an B's Heimatbegriff? Satire auf die Heimatgeschichten? Selbstbespiegelung eines unproduktiven Künstlers/Schreibers?
Das alles und noch ein bisschen mehr. ;)

Insgesamt ist die Geschichte eine wunderbare Spielerei, die etwas stringenter, „nüchterner“ hätte gebaut werden können, um die Wirkung zu haben, die Bernhards Texte auch haben: Weinen und Lachen bleiben einem in der Kehle stecken – und dann lacht man doch.

Ja, die Wiederholungen sind oft sehr verspielt, beim Schreiben hatte ich stets ein übermütiges Kind zu bändigen. Diese Verspieltheit mag zwar nicht ganz im Sinne Bernhards sein (und den Bernhardlesern), aber ein großes Schreibvergnügen war es trotzdem.

Danke für deine Kritik, sie hat mich zum Nachdenken gebracht.

Viele Grüße
Blaine

 

Mirko Bonné schrieb:
Es gab nichts, was nachts anders war als am Tag. Allem fehlt nur die Farbe, sagten wir uns.
Hallo Blaine,

für mich liest sich das ein bisschen wie Botho Strauß, nicht so verträumt und verständlicher zwar, aber doch so exakt, auch diese Wiederholungen, diese Verdrehungen, dieses Verschwimmen von Realität und Traum, von Wunsch-Realität und Alptraum, wo die Wahrnehmung falsch genommen wird, wie der Rahmen der Erzählung durch die Erzählung schneidet, als würde ein Bilderrahmen das Bild zerschneiden und die Blätter herab hängen mit ihrer nackten Seite, der Seite, die nie für Augen gedacht war, auf die der Künstler vielleicht gekleckert hat, die nicht künstlich oder kunstvoll ist, sonder bloß Wahrheit. Ich möchte nichts erklären, zu erklären versuchen, die Gefahr, etwas zu verklären oder mich als Verklärter bloßzustellen, ist viel zu groß, dein Ich-Erzähler schreibt ohne Stift ohne Papier, er schreibt’s in seine Gedanken und freilich sind Gedanken von zarter Konsistenz, dass da das Schreibwerkzeug tiefer dringt, auf andere Gedanken, Fremdgedanken drückt, ja presst, ist dann fast selbstverständlich und ich lese da auch einen Gedankenfluss, einen Stream of Consciousness, kein Bächlein, sondern einen Fluss, einen Strom, der an manchen Stellen in einem Brainstorming ausbricht, wenn sich der Ich-Erzähler mit seiner (uniformierten und doch vielgestaltigen) Musendirne überlegt, was mit Peter geschehen solle – das hat mir ganz wunderbar gefallen. Die ganzen Übergange, die sich überschneiden, überallhin schneiden, wie die Geräusche der Nacht, vor allem der Unfall ins Unbewusste vibriert und die Begegnung zwischen Peter und seinen Sehnsüchten, Vater und Verlobte, die ihre Rollen getauscht, ausgetauscht haben, wie da das „glaszerklirrende“ Gefühl durchschwingt, überhaupt, wie du aus diesem simplen Plot so viel herausholst, wie du das Setting zersetzt.

Die Sprache hat mir außerordentlich gut gefallen, ich finde das meisterlich geschrieben und habe hin und wieder laut vorgelesen, weil das alles so schön klang, weil du da auch so viele schöne, andersartige Wörter drin hast, weil du Dinge zusammenknüpfst oder wieder voneinander löst und weil alles so oft gesagt wird und ich war erstaunt, dass mich das gar nicht stört.

Ein paar Anmerkungen:

Er dachte: Hat sich diese niederträchtige Landschaft wirklich so stark verändert, oder war sie immer schon so hässlich und ich habe erst im Kriege gelernt, ihre Hässlichkeit wahrzunehmen?
Dieser Gedanke hat mir sehr gut gefallen und wie bei den meisten „schönen“ Gedanken in deiner Geschichte greifst du ihn wieder auf und alles Schöne, auch die Verlobte, der Vater, die ganzen Tugenden, das Bekreuzigen, alles fällt, verhallt im Hässlichen.

Bei Peters Landschaft war es ähnlich, dachte ich, nur dass Peter bei Tage ging, während ich in bei Nacht im Volksgarten saß.
Da muss was weg.

Du kannst alles von mir haben, sagte mein Mädchen, ich bin die fantasievollste Hure im Volksgarten, du kannst mir alles Schmutzige entlocken, du kannst mir jede nur erdenkliche schmutzige Abscheulichkeit peitschend austreiben, ich bin bereit alles zu geben, für dich sogar umsonst, mein eingebildeter Lieblingsirrer, mein Zuhälterprinz!
Herrlich, eigentlich müsste ich ja sehr viel Lieblingsstellen rauspicken, aber die hat mir besonders gut gefallen!
Ich begriff jetzt endlich und es durchfuhr mich heiß und heißer, kalt und kälter.
Das fand ich blöd.

Dieses entsetzliche Toilettenhäuschen hätte ich auch bei Tage nicht betreten, es bereitete mit Übelkeit, wenn ich es nur ansah.
bereitete mir Übelkeit

Er hatte nur ein Ziel, der Fremde, er hatte nur ein Ziel, der Peter, ich habe nur ein Ziel, dachte Peter,
Das fand ich auch interessant. Interessant gut!

Die Straße war abgesperrt worden: Feuerwehr, Rettung und Polizeiwagen waren zugegen und Feuerwehrmänner (keine Frauen) und Sanitäter (keine Sanitäterinnen) und Polizisten (eine Polizistin) rannten so wichtig wie diensteifrig auf dem Unfallort herum, zwei Autos hatten sich bis zur Markenunkenntlichkeit ineinander verkeilt, die Feuerwehr rückte schon mit der Bergeschere an, um diese so markenunkenntlich zusammengestauchten und verbogenen Wracks aufzuschneiden, um an den noch lebenden Inhalt zu kommen, wie es schien.
Hier fand ich die Klammerungen witzig!

Ich kann Peter von hier aus sehen, sagte ich, auf einer Bank im Volksgarten im Morgenerwachen sitzend, Richtung Toilettenhäuschen starrend, vor dem sich die beachtliche Gesindelmeute versammelt hatte, ganz darauf aus, jenen Menschen zu vernichten, der es gewagt hatte, in die Welt zu gehen und mit reinem Blick zurückzukommen.
Das hat mich unweigerlich an Platos Höhlengleichnis erinnert.

Peter sah in die Stahl- und Sensenfront, doch die Sensenfront machte ihm keine Angst, diese Stahlfront der Allergemeinsten war nicht im Vergleich zur Kriegsfront so lächerlich, dass Peter nur lachen konnte.
Da stimmt irgendetwas nicht, oder?

Auch der Felsvorsprung, der sich die Nase rümpft, war ein tolles Highlight des Textes.

Doch, der Text ist so verwoben, so verschoben, so undurchdringlich und doch so offensichtlich, fast anspringend, präsent.

Ich hab das sehr gern gelesen und kann dir leider nicht weiterhelfen. Ich fühle mich wie ein Zerbombter im Graben, der irgendwie versucht, dem Piloten im Flugzeug die Fliegen von der Scheibe zu wischen. Das ist schon krass, wie du schreibst!

Beste Grüße
markus.

 

Hallo Markus!

für mich liest sich das ein bisschen wie Botho Strauß, nicht so verträumt und verständlicher zwar, aber doch so exakt, auch diese Wiederholungen, diese Verdrehungen, dieses Verschwimmen von Realität und Traum, von Wunsch-Realität und Alptraum, wo die Wahrnehmung falsch genommen wird, wie der Rahmen der Erzählung durch die Erzählung schneidet, als würde ein Bilderrahmen das Bild zerschneiden und die Blätter herab hängen mit ihrer nackten Seite, der Seite, die nie für Augen gedacht war, auf die der Künstler vielleicht gekleckert hat, die nicht künstlich oder kunstvoll ist, sonder bloß Wahrheit. Ich möchte nichts erklären, zu erklären versuchen, die Gefahr, etwas zu verklären oder mich als Verklärter bloßzustellen, ist viel zu groß, dein Ich-Erzähler schreibt ohne Stift ohne Papier, er schreibt’s in seine Gedanken und freilich sind Gedanken von zarter Konsistenz, dass da das Schreibwerkzeug tiefer dringt, auf andere Gedanken, Fremdgedanken drückt, ja presst, ist dann fast selbstverständlich und ich lese da auch einen Gedankenfluss, einen Stream of Consciousness, kein Bächlein, sondern einen Fluss, einen Strom, der an manchen Stellen in einem Brainstorming ausbricht, wenn sich der Ich-Erzähler mit seiner (uniformierten und doch vielgestaltigen) Musendirne überlegt, was mit Peter geschehen solle – das hat mir ganz wunderbar gefallen.
Ein Lob zum Ausschneiden und Einrahmen, danke! Freut mich sehr, dass die Geschichte so poetische Gedanken in dir erwecken konnte. Mit Botho Strauß hat's noch keiner verglichen, hab nichts dagegen. :D

Der Plot ist -- entgegen meiner Gewohnheit -- beim Schreiben entstanden, ich habe mir also nicht vorher monatelang Gedanken über Handlung und Figuren gemacht, sondern einen bestimmten Stil gewählt und einfach drauflosgeschrieben. Wenn der Erzähler gerade nicht weiß, wie es weitergeht, wusste ich das in dem Moment auch nicht. Ist ein seltsames Gefühl, wenn dein krass überzeichnetes Geschichten-Ich nicht mehr weiter weiß und alles an dich weiterreicht.

Danke für die Fehlerliste, hab die Schnitzer ausgebügelt und Schlimmes noch verschlimmbessert:

Ich begriff jetzt endlich und es durchfuhr mich heiß und heißer, kalt und kälter.
Das fand ich blöd.
Finde ich auch nicht so prall. Ursprünglich stand an dieser Stelle die Floskel "heiß und kalt", die ich, wie alle Standardfloskeln in der Geschichte, durch Eigenfloskeln ersetzt habe (Beispiel: "Alberei und Allotria" statt "Jux und Tollerei"). Hier aber wurde im Grunde genommen nur erweitert, der Satz muss also unters Messer:

Es durchfuhr mich kalt und wärmer, warm und kälter.

Klingt meiner Meinung nach seltsamer und ergibt erstaunlicherweise sogar Sinn. Wenn's schlimmer geworden ist, bitte aufheulen. :D

Ich kann Peter von hier aus sehen, sagte ich, auf einer Bank im Volksgarten im Morgenerwachen sitzend, Richtung Toilettenhäuschen starrend, vor dem sich die beachtliche Gesindelmeute versammelt hatte, ganz darauf aus, jenen Menschen zu vernichten, der es gewagt hatte, in die Welt zu gehen und mit reinem Blick zurückzukommen.
Das hat mich unweigerlich an Platos Höhlengleichnis erinnert.
Interessant, Peter ist also ein Erkunder der Ideenwelt, der in die Höhle zurückgekehrt ist und dort nur auf Unverständnis und Ablehnung stößt. Bis hierher passt es. Aber dann kommt diese Klause ins Spiel und das Gleichnis lässt sich nicht mehr so einfach drüberstülpen ...

Ich hab das sehr gern gelesen und kann dir leider nicht weiterhelfen. Ich fühle mich wie ein Zerbombter im Graben, der irgendwie versucht, dem Piloten im Flugzeug die Fliegen von der Scheibe zu wischen. Das ist schon krass, wie du schreibst!
Vielen lieben Dank! Das Lesen deines Kommentars war mir ein wahres Volksfest.

Viele Grüße
Blaine

 

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