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Heim
Der Wind war rau, der Regen peitschte an das Fenster. Marianne blickte hinaus, wusste, sie kam nicht raus. Raus aus dem Dreck, raus aus der Hölle, die sie ihr Heim nennen sollte. Zwanzig Jahre ging das nun schon so. Zwanzig Jahre voller Regen und Sturm. "Ich geh", schrie sie immer mal wieder. "Dazu hast du gar nicht den Mumm", sagte er. Ganz ruhig. Ohne sie anzuschauen. Und Marianne blieb. Sie hatte nicht den Mumm. Sie kam nicht raus. Nicht vorletztes Mal und auch nicht letztes Mal. Vielleicht ja dieses Mal.
Wie er da saß. Schmuddelig. Geduscht und rasiert hatte er sich schon ewig nicht mehr. Sein fleckiges T-Shirt war viel zu klein.
"Morgen", sagte er immer. "Morgen geh ich los, such mir was. 'Ne Arbeit" Und dann ging er. Vom Bett zum Sessel. Jeden Morgen. Arbeiten konnte Marianne nicht. Alle würden Fragen stellen. Warum. Woher. Ob und Wie. Und Marianne wusste keine Antworten. Wusste nur, dass es noch schlimmer würde.
Hinter sich hörte sie ihn glucksen. Das Fernsehprogramm schien ihn zu amüsieren. Die Flasche in seiner Hand ebenso.
Er stand auf, ging zum Kühlschrank. Gleich, gleich würde es wieder losgehen. Sie war nicht einkaufen gewesen. Wusste nicht wovon. Doch das interessierte ihn nicht. Sie hörte ihn fluchen. Ganz weit weg. Immer näher kam er. Marianne schloss die Augen. Ein Fenster wurde geöffnet. Man hörte eine laute Stimme. Dann einen Schrei. Nicht ihren. Plötzlich war alles still.
Der Wind war rau, der Regen peitschte durch das geöffnete Fenster.