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Heiligabend
Plötzlich geriet der Wagen vor uns ins Schleudern. Es war Heiligabend, morgens um kurz vor halb neun, und wir waren auf dem Weg zu meinen Eltern. Das war eine langjährige Familientradition, sie am Heiligabend vormittags kurz zu besuchen. Es war um diese Zeit noch sehr ruhig auf den Straßen.
Dann passierte es: ein BMW-Kombi unmittelbar vor uns geriet ins Schleudern. Ich ging sofort vom Gaspedal, „o mein Gott, was macht der denn da?!?“, und mit weit aufgerissenen Augen beobachteten wir, was sich da vor uns auf der Fahrbahn abspielte. Matthias auf dem Beifahrersitz neben mir geriet völlig aus dem Häuschen.
Der dunkelblaue BMW streifte im Schleudern Bäume und Sträucher auf dem Mittelstreifen, durch die Wucht der Drehbewegung riß er dabei auch einige kleinere Bäume und einige Büsche ab. Schließlich prallte er gegen einen größeren Baum.
Kaum stand der Wagen, fuhr ich blitzartig an den Straßenrand und hielt. Während Matthias zu dem Unglücksfahrzeug hin eilte und sich um den Fahrer kümmerte, lief ich auf die Fahrbahn und den wenigen nachfolgenden Fahrzeugen entgegen. Ich winkte dem ersten Auto, das mir entgegenkam, und rief um Hilfe; doch der Fahrer, ein älterer Herr, begriff zunächst überhaupt nichts. Erst als ich wild mit den Armen fuchtelnd auf das Autowrack am Baum zeigte, fuhr er seinen Wagen sofort an den Straßenrand und stieg blitzschnell aus. Gemeinsam liefen wir dann zur Unglücksstelle.
Matthias hatte schon versucht, sich zum Fahrer, der eingeklemmt hinter dem Steuer saß, vorzuarbeiten, aber alleine konnte er da nichts bewegen. Aus der Motorhaube des BMW quoll bereits Rauch. Die Zeit drängte, wir mussten jetzt schnell und kurzentschlossen handeln. Wir mussten den Fahrer retten, unter allen Umständen.
Auch als wir es zu dritt versuchten, gelang es uns nicht auf Anhieb, ihn aus den Trümmern zu befreien. Es war nicht leicht, denn der Fahrer war im Wrack seines Kombis zwischen Lenkrad und Karosserie eingeklemmt und außerdem schwer verletzt. Erst als Matthias das Karosserieblech mit aller Kraft beiseitedrückte und der ältere Herr und ich den Verletzten unter den Achseln packten, konnten wir ihn schließlich aus dem Wagen ziehen. Behutsam trugen wir ihn dann zum Seitenstreifen.
Kaum lag der Mann dort in Sicherheit, ging sein Auto oder das, was noch davon übriggeblieben war, in Flammen auf. Die Benzinleitung war beim Unfall beschädigt worden, Kraftstoff war auf den heißen Motor getropft und hatte sich entzündet.
Als die Feuerwehr eintraf, brannte der BMW schon lichterloh.
Der Verunglückte war etwas jünger als wir, ein junger Mann von sechsunddreißig. Er hatte unter anderem Schnittverletzungen im Gesicht erlitten.
Am Samstag nach Weihnachten war er schon außer Lebensgefahr.