Und so fuhren wir Heiligabend 1997 ohne meine Mutter zu den Eltern meines Vaters. Ich erinnere mich noch, dass ich auf der Rückfahrt dringend auf die Toilette musste, aber Vater hielt auf der Autobahn nicht an, und ich, endlich zuhause angekommen, lief durch den Flur mit den knarzenden Dielen zum Badezimmer, riss die Tür auf, ohne das Licht anzumachen, und fiel über den leblosen Körper meiner toten Mutter. Ich pisste mich ein, das Gesicht in ihrer angetrockneten Kotze. Wir hatten sie in diesem großen Haus allein zurückgelassen, und nachdem sie die Hausbar geleert hatte, hatte sie sich mit Badreinigern zu Tode gesoffen.
Ein Ende dafür habe ich noch nicht, @jimmysalaryman. Aber so könnte ich es mir bis dahin vorstellen. Geht aber viel verloren. An Informationen so. Die in seinen Worten mitschwingende Abscheu vor sich selbst, jeden Tag aufs Neue, wenn er seinem Vater in die Augen schaut. Der ein Vergewaltiger war. Seine Mutter vergewaltigte. Was meines Erachtens zu großen Teilen der Grund für Traurigkeit, Alkoholismus und in Konsequenz auch Tod der Mutter ist. Dann der Hohn, obwohl selbst die Ursache dafür, auf Familienfeiern, Weihnachten, Geburtstagen, Hochzeiten; vor Verwandten, Freunden, Fremden, KINDERN, und so weiter ... die unfassbare Frechheit, abfällig vor all diesen Leuten über die eigene Frau zu sprechen, obwohl selbst für ihren Zustand mit- oder ganz schuldig. Diese Selbstverständlichkeit wie er das tut. Diese Empathielosigkeit, die sich ja auch darin zeigt, dass er den Sohn lieber ins Auto pissen lassen würde, als an einer Raststätte anzuhalten. Ich finde, das spricht Bände.
Mir fehlt da ein Gegengewicht. Ein kurzer Moment der Zärtlichkeit, ein Beweis für die Fallhöhe, ein Angebot zur Empathie.
Das wäre dann das neue Ende. Das ich durchaus erwäge, zu schreiben.
Eher das Gefühl intensivieren, wie er ständig einhalten muss und an nichts anderes merkt denkt.
Nicht in diesem Text.
Auch an die Plausibilität denken.
Wie meinst du das?
Nein, weiß er ja meint ist doch, er will nicht, dass jemand ihn so findet, wie er seine Mutter gefunden hat, oder?
Oh! Überhaupt nicht. Hm. Mir fällt gerade wieder auf: Ich mag es nicht, meine Texte, meine Intention dahinter, zu erklären. Ausdefiniert habe ich den von dir genannten Aspekt zwischen den Zeilen allerdings auch nicht. Deshalb wohl diese Interpretation, mit der ich nicht gerechnet habe. Die Figur hat keine Angst, so gefunden zu werden. Gefunden wird man ja eh meist irgendwie. Er hat eher Angst vor sich selbst, vor dem Mann im Spiegel, oder den Assoziationen, den Erinnerungen und Gefühlen, die er da beim Blick hinein hat. Er sieht sich nicht als Teil einer Familie, wie sie sein Vater gegründet hat, will sich nicht so sehen, hat Angst davor, dem Angleichnis, der Wiederholung. Vielleicht ein bisschen so wie ein Erwachsener, der keine Schokolade anrührt, weil er sich dieses eine Mal als Kind damit so stark überfressen hat, dass ihm im Krankenhaus der Magen ausgepumpt werden musste.
Er sieht in den Spiegel, sieht sich ja selbst, symbolisch aber, wie sein Vater seine Mutter vergewaltigt hat, weil er das Ergebnis davon ist? Wie ist dieser Satz genau zu verstehen?
Weniger Ergebnis. Eher eine gefühlte Inkarnation des Vaters. Die Erinnerung an das, was sein Vater war. Vermeintliche Gemeinsamkeiten. Vielleicht auch nur Phantomgemeinsamkeiten, die er verstecken, oder vorsorglich ersticken, möchte, obwohl sie gar nicht existieren. Der Blick in den Spiegel macht halt was mit ihm. Selbstekel vielleicht. Eine Art Selbsthass. Selbstfurcht. Furcht. Macht ihn selbstisoliert und so, weil besser, denn so kann er niemandem schaden.
Informationen, die man im Grunde nicht braucht: Flur, knarzende Dielen.
Ich finde deine Texte richtig, richtig gut, aber mir fehlt manchmal das, was du aus Texten wie meinen rausschneiden würdest. Du bist Die Straße, ein durchweg grandioser Text, aber da ging es mir ähnlich. Hat mich stark beeinflusst, das Buch, hab was eigenes draus gemacht. Kennst ja inzwischen, muss man nicht hier besprechen. Weißt du, was ich meine? Ich geh diesen Stil mit, bieg aber hier und da ab und werd blumig.
Lasse demnächst meinen Senf zu deinen Sudern da. Wurde ja schon viel zu gesagt. Ich warte daher ab, bis du das Ding überarbeitet hast. Klitzekleine Anmerkung vorab: Dein zweiter Satz ist genau die Zündung, die dein Text braucht. Ganz ohne Kontrast, ohne Dämpfer. Ich würde daher den ersten Satz streichen und aus dem ersten Absatz einen Satz machen.
Das klingt irgendwie bizarr, die Kombi.
Ich mach nächstes Mal ne Bizarro-Triggerwarnung rein!
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Puh... beim lesen dieses Satzes (insbesondere mehrfach), habe ich mir schon die Frage gestellt, ob es keine Möglichkeit gäbe, diesen Kommata-Überfluss irgendwie zu entzerren.
Definitiv gibt es die, @SvanteDerSkalde, da hast du recht. Dein Vorredner hat den Teil auch schon moniert. Ich denke, ihr habt beide recht. Ich mag solche Satzkonstrukte einfach sehr, besonders zwischen vielen kurzen Sätzen. Schwäche von mir. Habe den Teil etwas entschärft, etwas gestrafft, siehe oben in diesem Beitrag.
Ansonsten kann ich dir gar nicht so viel antworten. Da war ja fast nur ... überschwängliches Lob. Bah! Ne, im Ernst. Danke; jede ehrliche Lesermeinung ist Gold, egal wie die ausfällt. Wenn du was raushaust, schau ich gern rüber. Hoffentlich hast du mich dann hinterher auch noch gern! Weiß ja nicht, ob du nur neu hier im Forum bist, oder auch neu schreibst. Weil das ist wie Stricken. Man selber ist natürlich verdammt stolz auf die ersten Pullover, aber die halten leider nicht so schön warm und sehen zudem noch scheiße aus. Liegt in der Natur der Sache.
Ich muss vielleicht mal einen Disclaimer in mein Profil setzen, der vermittelt, dass ich den Leuten nix Böses will, wenn ich mich zu einem Text ausschließlich negativ äußere.