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Have You Met Miss Jones?

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24.09.2000
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Have You Met Miss Jones?

“Have you met Miss Jones? Someone said as we shook hands. She was just Ms. Jones, to meeeeeeee-ee-eeeee!”, sang Bing Crosby aus den Kopfhören eines Walkmans und er sang es richtig gut. Mit dem Swing, den nur die alten Entertainer gehabt hatten: Frank Sinatra, Sammy Davis Jr., Dean Martin, zum Teil. Das waren richtige Entertainer, Alleskönner, jene, die in einem Film gleichzeitig sangen, tanzten und schauspielten und dabei den Charme der 50er und 60er Jahre behielten und in voller Pracht zeigten.
Klaus, dessen Walkman es war, aus dem Bing sang, liebte diese Zeit, auch wenn er sie selbst nicht miterlebt hatte, konnte er sich gut hineinfühlen. Er klopfte im Takt mit dem Zeigefinger an den Haltegriff des überfüllten U-Bahnabteils. Er wusste, nähme er die Kopfhörer von seinen Ohren, würde er erschlagen werden, von einer Flut unverständlich schnell gesprochenen Worten, geformt von hohen und tiefen Stimmen, erfunden von ruhigen und nervösen, leisen und lauten, jungen und alten Menschen. Warum sollte er seinen Ohren so etwas antun?
„Then I said Miss Jones, you´re a girl who understands, I´m a man who must, beeeee freeeeeee!”
Doch wenn man das Gebrabbel der Masse nicht hören muss und sich die Nase langsam an den Geruch gewöhnt hat, dann war es für Klaus recht angenehm, U-Bahn zu fahren. Er liebte Menschen und hier gab es unzählige davon. Er liebte es, erhobenen Hauptes da zustehen, wissend, dass eine Menge Leute ihn ansahen. Vor allem Frauen. Er hatte eine gewisse Ausstrahlung, das war ihm freilich bewusst und er setzte sie mit Vergnügen ein. Er liebte es, angesehen zu werden, liebte es, beneidet und bewundert zu werden. Und manchmal, da gibt es Momente, die noch schöner sind, Situationen, in denen bloßes betrachtet werden allein nicht reicht.
„And all at once I lost my breath, and all at once was scared to death, and all at once I hold the earth and skyyyyyyyy!”
Da gibt es nämlich diese Augen, die noch schöner sind, Wimpern, denen bloßes Augenaufschlagen nicht reicht. Zwischen all den Mäntel und Jacken, dem Geruch nach Schweiß und ungewaschenen Rachen, zwischen all den inadäquaten Sorgen der Frühaufsteher, da gibt es immer einen Schatz zu finden.
Klaus sah diese Augen und lächelte. Sie gehörten einem wunderschönen Mädchen, dessen schwarzes Haar vor dem hellgrauen Mantel hervorstach und ihm unweigerlich an einen Winterwald erinnerte. Ihre roten Lippen lächelten zurück, doch nicht so offen wie das gelogene Lächeln anderer, sondern schüchtern, beschämt beinahe. Sie sah weg, doch Klaus wusste, dass würde sie nicht lange durchhalten und er hatte recht. Nach kurzer Zeit verfing sich ihr Blick abermals in seinem, und es schien, als wären sie alleine in dem U-Bahnwaggon.
Doch das waren sie in Wahrheit nicht. Ein Mann stieß ihn an, deutete ihm mitzukommen. Klaus hatte keine andere Wahl, er wurde beinahe hinausgezerrt. Der Mann hatte eine schwarze Hose und eine unpassend neongelbe Jacke an. Auf dieser stand etwas, das er nicht lesen konnte.
Klaus nahm seine Kopfhörer ab und hörte zu, was der Mann zu sagen hatte. „Das war´s, Bürscherl“, sagte dieser, etwas unfreundlich, wie Klaus fand, „Belästigung der Fahrgäste, Hausieren im U-Bahnbereich, wohlmögliches Schwarzfahren, aber das ist freilich nicht meine Aufgabe, da kümmern sich andere darum. Die meinige ist es, für Ruhe zu sorgen, und dein Singen...“, der Mann beendete den Satz damit, dass er die Augen verdrehte.
Klaus fiel nicht ein, was er darauf sagen sollte. Er verstand kein Wort, von dem was der Mann mit der komischen Jacke sagte. Er gab ihm einen Zettel, auf dem etwas geschrieben stand. Auch das ergab für ihn keinen Sinn. Auf dem Zettel waren Obdachlose abgebildet, die bei einem Eimer voll Suppe standen und sich unterhielten.
Der Mann mit der neongelben Jacke stand noch immer vor ihm, mit zusammengepressten Lippen und sah ihn mit erhobenen Augenbrauen an. Klaus sah, dass ihm die Situation unangenehm war. Er bedankte sich ohne zu wissen für was, ging davon und ließ den Mann mit der seltsamen Jacke zurück. Er würde nun einmal um die Station gehen, vielleicht etwas essen und in zehn Minuten, wenn der Mann weg sein würde, wieder in die U-Bahn einsteigen.
Er setzte seine Kopfhörer auf und drückte auf Play. Die Frau neben ihn erschrak, so als hätte er eine plötzliche Bewegung gemacht. Seltsam.
„Now I´ve met Miss Jones and we´ll keep on meeting, till we diiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiie, Miss Jones and I”

 

Hallo Peter,

hm, ich habe ähnliche Probleme wie little alien...
Ich bitte um Aufklärung. Habe ich nicht mitgedacht?

Liebe Grüße - Aqualung

 

Hmmm...

Eure Postings machen mich nachdenklich. Es ist klar, dass ich niemanden die Antwort aufs Auge drücken will, aber, dass sie niemand versteht ist nicht gut...

Bin am Nachdenken... Mir wäre es recht, wenn noch mehr LeserInnen Kritiken verfassen würden, sollte es niemand verstehen, dann werde ich die Geschichte entsprechend auflösen/umändern/löschen. Hätte nicht gedacht, dass sie so unverständlich ist...

Liebe Grüße, P.H.

 

Er hat gar keinen Walkman, sondern singt einfach so? :susp:
Ok, ich weiß es auch nicht. :D

Ugh

 

Er liebte es, erhobenen Hauptes da zustehen, wissend, dass eine Menge Leute ihn ansahen. Vor allem Frauen. Er hatte eine gewisse Ausstrahlung, das war ihm freilich bewusst und er setzte sie mit Vergnügen ein. Er liebte es, angesehen zu werden,

sondern schüchtern, beschämt beinahe.

Auf dieser stand etwas, das er nicht lesen konnte.

Belästigung der Fahrgäste, Hausieren im U-Bahnbereich,

Er gab ihm einen Zettel, auf dem etwas geschrieben stand. Auch das ergab für ihn keinen Sinn.

Auf dem Zettel waren Obdachlose abgebildet, die bei einem Eimer voll Suppe standen und sich unterhielten.

Seltsam.

:( :( :(

 

Hehe, armer Peter.
Ja, dass Dein Protagonist eine andere Wahrnehmung der Dinge als die restlichen Fahrgäste hat, ist schon irgendwie klar. Nur ist für mich eben nicht erkenntlich, was die sehen.
Einen Typen vor dem sie wegen irgendwas Angst haben? Deswegen ja vielleicht auch das "falsche" Lächeln.

Ugh

 

´Das ist das Problem, wenn man über verschiedene Wahrnehmungen schreibt, zu Beginn nicht verraten will, was los ist, aber keine langweilige erklärung schreiben will. Der Mann mit der neongelben Jacke war die einzige Möglichkeit, die allgemeine realität einfließen zu lassen, ohne den Protagonisten zu verraten.

Vielleicht schreibe ich nun doch die längere Version, die mir während des Schreibens eingefallen ist.

Die ist dann hoffentlich verständlicher. Werden ja sehen.

Liebe Grüße aus Wien, Peter Hrubi.

 

Peter, hallo, natürlich möchte ich wissen, ob ich richtig hingeschaut habe.

schwer ist es allemal, ohne Frage.

Ich sehe einen Obdachlosen, der hat eine Freunding, Schatz, bzw. eine Bekannte, oder jemanden den er vereehrt und umgekehrt. Er lebt in seiner Welt singt, Tag und Nacht, und zwar das gleiche Lied. Warum er nichts anderes wahrnimmt, das bleibt unbekannt. Schreiben kann er nicht, lesen kann er nicht! Er weiss, dass er die Aufmerksamkeit anderer auf sich zieht. Spielt sein Spiel, überlebt Tag für Tag. Fragt sich nur, weiss er das auch, spielt er, oder ist er ein Autist, tja...

Peter, bitte sag mir das ich etwas verstanden habe.
Es ist für mich eine Beschreibung, es ist die Darstellung eines Sachverhalts.

liebe grüsse stefan

 

Jetzt bin ich aber verflucht neugierig auf die Auflösung. Überlege die ganze Zeit was für Leute in neongelben Jacken an U_Bahnstationen rumlaufen.

 

Hehe, das sollte nur ein Sicherheitsmann sein, little alien. Ich glaube nicht, dass die gelbe Jacke so entscheidend ist. ;)

Ugh

 

Ich versuch's nochmal, Peter.

Klaus wohnt im Männerasylheim, schon älter und kann nicht lesen.
Vielleicht auch etwas trübe im Geist? Hängt irgendwo in den Fifties?
Der Mann mit der gelben Jacke fordert ihn durch das Bild auf, ins Männerasyl zurückzukehren?

Hab ich's oder ist alles noch kälter jetzt?

Liebe Grüße - Aqua

 

Ich hab auch gegrübelt. Dass er taub ist, oder stumm, kam mir in den Sinn. Dann so in die Richtung in die Arche dachte, mit dem Autismus. Aber irgendetwas an seinem Äußeren muss doch seltsam wirken, sonst würden die Leute nicht so reagieren, oder? :confused:
Die Geschichte gefiel mir ganz gut, aber noch besser werde ich sie finden wenn ich sie begriffen habe. :D

 

Ja aber er hat die 50's doch garnicht erlebt, soo alt kann er doch dann nicht sein.

Aber mir gefällt die Story auch richtig gut, allein schon weil wir alle so grübeln müssen hier.

 

Servus Peter!

Ich glaube an eine Verschwörung. Du bist von Arche bestochen worden, der unbedingt eine Geschichte finden will, die ich nicht zu interpretieren vermag. Du bist sichtlich jeden Cent davon wert. Jedoch begibst du dich in Gefahr alle aufzustacheln und dann endet es mit "ach soooooo" - wart nur ab. :lol:

Mir kam das Bild einer Frau in den Sinn die sich als Mann kleidet und gibt oder umgekehrt. Ein Transvestit vielleicht der mit seinem eigenen imaginären Bild eine sinnliche Beziehung hat und die Leute damit verwirrt oder schockt sogar.

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

Ein Transvestit? :eek: Hier wird auch keine Möglichkeit ausgelassen ... :lol:
Aber einerseits passt das schon - denn dann wäre echt klar das die Leute gucken. Dass er nur weil er singt und vielleicht etwas abgerisssen aussieht aus der Bahn befördert wird kamn mir komisch vor. Bei uns in Köln singt dauernd irgendwer in der Bahn oder redet laut mit sich selbst und da reagiert kaum noch jemand ... :susp:

 

Na habe d'Ehre!!!

Liebe Rätselsportfreunde!

Ich bin sehr verwundert und erfreut, dass diese kleine Geschichte auf eine derart große Resonanz gestoßen ist. Und es zeigt mir, dass ich mit der längeren Version noch warten werde, bis die Geschichte ihren Weg aus den Köpfen der LeserInnen gefunden hat!

Nur zur Interpretation:

Im Deutschunterricht in der Schule hab ich gelernt, dass es keine falsche Interpretation gibt, sondern nur viele idndividuelle. Man muss sie nur richtig erklären können. Kann man sie gut erklären, dann ist es eine gute Interpretation.
Allerdings kann man eine Erzählung nur dann interpretieren, wenn sie gut geschrieben, bzw. wenn der Autor mit der Geschichte bestimmte Emotionale Zonen stimuliert.

Das Gute war, damals in der Schule, dass Kafka u.ä. nie persönlcih anwesend waren, um unsere Interpretationen zu bewerten. Welch Schande wäre über uns, aber auch über den Autor gekommen?
Ich spiele hier auf den von schnee.eule angesprochenen "Aha"-Effekt an, der zwei Nachteile bringt: Erstens ist das Interpretieren der Geschichte danach sinnlos, da es ja eine allgemein gültige Auflösung gibt (niemand löst ein gelöstes Kreuzworträtsel) udn zweitens, können die Interpreten nicht mehr mit ihrer Interpretation profilieren. Keiner kann mehr eine noch bessere Interpretation bringen, als jene vom Autor selbst.

Was soll jetzt das ganze Geschwafle???:susp:

Nun, das soll verhindern, dass ich gelyncht werde, wenn ich keine finale bringe. Und das werde ich nicht, da ich den Aha-Effekt sehr fürchte. Ich möchte nicht meine Geschichte abwerten. Im Deutschunterricht haben wir früher gelernt, dass eine Geschichte nur so gut ist, wie ihre beste Interpretation. Und ich möchte, dass es so bleibt.


Allerding möchte ich einige Interpretationen herausnehmen:

Ich sehe einen Obdachlosen, der hat eine Freunding, Schatz, bzw. eine Bekannte, oder jemanden den er vereehrt und umgekehrt. Er lebt in seiner Welt singt, Tag und Nacht, und zwar das gleiche Lied. Warum er nichts anderes wahrnimmt, das bleibt unbekannt. Schreiben kann er nicht, lesen kann er nicht! Er weiss, dass er die Aufmerksamkeit anderer auf sich zieht. Spielt sein Spiel, überlebt Tag für Tag.

Gefällt mir ausgezeichnet und es würde richtig gut passen. Vor allem das mit der Geliebten finde ich ausgezeichnet.
Wäre ich nicht ihr verfasser, hätte ich sie, glaube ich, so ähnlich interpretiert.

Mir kam das Bild einer Frau in den Sinn die sich als Mann kleidet und gibt oder umgekehrt. Ein Transvestit vielleicht der mit seinem eigenen imaginären Bild eine sinnliche Beziehung hat und die Leute damit verwirrt oder schockt sogar.

Tja, auch nicht schlecht wie ich finde. Das würde das Im-Mittelpunkt-Sein des Protagonisten erklären. es sind eben leider keine Anzeichen dafür in der geschichte, dass "er" eine Frau ist. Bis auf das imaginbäre Bild seiner selbst, dessen Blick er fängt. Wer ist schon besonderer als man selbst?


Anfangs war ich ja ein wenig enttäuscht, dass man mit meiner Geschichte so gar nichts anfangen kann, aber es hat sich schließlich herausgestellt, dass es nicht so ist.

Liebe Grüße aus Wien, Peter Hrubi

Ps.: Nächsten Montagg ist das Bestechungsgeld fällig, Arche, sonst :gunfire: ! :D

 

Lieber Peter!

So billig kommst du mir nun aber denn doch nicht davon!!!!!

"Ach soooooo - ein Feigling" muss ich dir jetzt schon hinwerfen, auch wenn es von Herzen grinsend und aus deiner eigenen Heimatstadt kommt!

Vielleicht ist die tatsächlich richtige Interpretation deiner Geschichte ja ein Bildnis deiner selbst, wo du dich hinter Kopfhörern und geheuchelter Stummheit versteckst um nicht von Lesern dieser Geschichte in der U-Bahn erkannt zu werden???? Wer weiß ....

:headset:

Lieben Gruß schnee.eule

 

Ich interpretiere meine Geschichten grundsätzlich nicht, liebe schnee.eule.

Doch das mit dem Bildnis meiner selbst ist eine hervorragende Interpretation.
Die Geschichte fiel mir nämlich ein, als ich in der U-Bahn fuhr, Trilliarden von Menschen um mich herum, und in meinem Walkman "Have you met Miss Jones", allerdings nicht von Bing Crosby sondern von Robbie Williams gesungen, hörte. Da setzte sich ein einsamer Sandler (umgangssprachlich für Obdachloser) vor mich hin und erzählte etwas, was ich natürlich nicht hören konnte. Das faszinierende, allerdings auch das traurige an solchen Personen ist, dass sie nicht merken, dass sie
1. sprechen, oder
2. der Gesprächspartner gar nicht vorhanden ist.
Das war die Situation.

Soviel zur Idee und zur Entstehung. Interpretieren werde ich sie trotzdem nicht :p

Liebe Grüße von Kagran/Wien nach ???/Wien, Peter

 

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