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Haut

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14.03.2007
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Haut

Auf dem Schirm zeigt sich das weiß-schwarze Kriseln, wie wir es kennen. Ein Bild erscheint und läuft für einige Sekunden von oben nach unten durch, bevor es sich einpendelt und der altbekannte Mann erscheint. Er sitzt in einem Sessel und hat etwas Seltsames im Mund. In der Halle herrscht nun feierliche Stille, aus dem Lautsprecher dröhnt die erste Frage: "Wie lange wurde an diesem Projekt gearbeitet, Herr Professor Ljeto?" Das Bild friert ein und Konradi, der Vorbeter, der in seinem langen Gewand uns zugewandt direkt vor dem Bildschirm steht, wiederholt in einem Singsang die Frage: "Wie lange wurde an diesem Projekt gearbeitet, Herr Professor Ljeto?" Beim zweiten Mal stimmen die Menschen in der Halle mit ein. Alle singen wir die erste der drei heiligen Fragen. "Wie lange wurde an diesem Projekt gearbeitet, Herr Professor Ljeto?", erschallt es aus 321 Kehlen. Dann wird es still und das Bild lebt wieder. Der Mann auf dem Schirm räuspert sich und sagt die heiligen Worte, die wir nicht verstehen, am Fuß des Bildes die heiligen Striche und Punkte. "Well, from the first idea to the finished spacecraft it took us just over 50 years, but let's not forget, that the plan to build an instellar spacecraft was abandoned at the end of 2123 and wasn't reconsidered until the late thirties, when General Meak was voted in. We might as well say it all started ten years ago. The first successful tests with isolated ecologies were the premise for building Meak's Ark." Wieder das Kriseln, ich atme tief ein, dann ertönt die zweite Frage: "...iele Menschen werden nach Miranda aufbrechen und wie wurden sie ausgewählt?" Wenn ich nur wüsste, was Miranda ist und warum die Menschen dorthin gehen sollen. Erneut friert das Bild ein und Konradi wiederholt die Frage in dem gleichen Singsang, dabei hebt er die Hände mit den Handflächen nach oben. "Iele Menschen werden nach Miranda aufbrechen und wie wurden sie ausgewählt", stimmen beim zweiten und dritten Mal die Menschen mit ein. Dann bewegt sich das Bild wieder, aus dem Mund des Mannes kommen nun bläuliche Schwaden. "All of them joined the project on their own accord, obviously, in the end it wasn't a problem to gather that many people willing to go on such a trip. We needed around 10 000 and I think, around 100 000 applied. Not all of them were suitable of course. First of all, the spacecraft will take about 78 years to reach its destination, you know that, so the passengers should have been around 20 years of age or even younger to even have a remote chance of reaching Miranda at all. Surprisingly, that didn't keep older people from applying. In the end, that was fine for us, as long as these people were aware, that they themselves would never reach Miranda, maybe not even their kids. However, the life in the spacecraft is not going to be a hard one, most of the work will be done by machines. All the people on the ship will have to do, is to live a blissful life and to educate their children, so they don't forget earth. The way..." Wieder bricht das Bild ab und alle warten nun auf die dritte und letzte Frage. "Glauben Sie, dass es dort Leben gibt?" Wieder der dreifache Singsang der Frage. "No, that would be surprising. We are sending this ship, in order to colonize Miranda. Our tests suggest that it shouldn't be a problem to build a settlement on this planet and in the long run to transform its atmosphere, so human beings will be able to live there like they do on earth. The first space probe that was sent confirmed that. We will be able to colonize this planet. Meak's Ark has all the necessary technology on board. We are..."

Das Bild erlischt. Nun kommt der Lichtmoment der Zeremonie, die Lichter an der Decke strahlen auf, wir alle sind geblendet. Ich versuche es so schnell wie möglich zu überwinden, damit ich Eiche sehen kann, die neben mir steht, auch sie schaut mich mit zusammengekniffenen Augen an. Die Zeit reicht gerade, um uns an den Händen zu nehmen und uns kurz in die Augen zu sehen, dann erlischt das Licht wieder und wir kehren in die vertraute Dunkelheit zurück.

Nun ist der Augenblick gekommen. Die Zeremonie heute ist die Zeremonie der heiligen Zahl, meine Knie werden weich. Ich hole meine Skala heraus, im schwachen Licht des Bildschirms sehen die drei Punkte darauf alle gleich aus, aber ich kenne meine Farben, wer kennt seine Farben nicht. Schwarz, Gelb, Blau. Konradi fängt an zu singen: "321 ist nicht die heilige Zahl, die heilige Zahl ist nicht 321, nein, nein, nein. Die heilige Zahl ist 318". "Also, drei", denke ich. Mein Magen krampft sich zusammen. Konradi beginnt mit der Auswahl und singt mit tiefer Stimme: "Gelb-Grün-Blau". "Bingo", ruft eine weibliche Stimme am anderen Ende der Halle, die Frau geht vor zum Schirm. "Haribu, du bist auserwählt. Auserwählt bist du, Haribu", stimmt Konradi an und die Menschen wiederholen es im gleichem Singsang. "Rot-Rot-Grün", singt er dann, die Worte kommen so schnell, dass ich keine Zeit habe zu verkrampfen. Ein Mann ganz in der Nähe ruft "Bingo", ich kenne ihn nicht näher. Er tritt vor. "Ikeo, du bist auserwählt, auserwählt bist du, Ikeo". Wieder wiederholen die Menschen den Auswahlruf. Dann setzt Konradi zum letzten Ruf an. "Grün-Rot-Grün". "Bingo", ruft Eiche neben mir.

Nach der Zeremonie kann ich nicht sprechen, ich zittere am ganzen Körper, Eiche muss mich festhalten, obwohl sie es doch sein sollte, die Angst hat. Wir liegen im Hauptgang auf unserem Lager, ich drücke mich fest an sie, stumm. Disne kommt heran, ich erkenne sie an ihrer Stimme, in den Gängen ist es immer dunkel. Disne macht die Abtreibungen, seit zehn Jahren werden alle Kinder abgetrieben. Sie hat Kontakte zur geistigen Führung, aber natürlich hat auch sie vorher nichts gewusst. "Es tut mir so leid", sagt sie, "es tut mir so unendlich leid." Ich höre, was sie sagt und in einer neuen Welle von Erkenntnis wird mir bewusst, was geschehen wird, als ob ich es jetzt gerade erfahren würde. Ich kann nicht mehr, die Tränen rollen mir übers Gesicht, was auch immer sie zu sagen hat, ich kann nicht hier liegen und einfach zuhören. Ich springe auf und renne den Gang hinunter, nur weg. "Bleib doch hier, Jemsdin, bleib doch hier", schreit Disne mir nach, aber ich kann nicht.

Durch die Tränen spüre ich die eisige Luft auf meinem Gesicht. Wie kalt es ist. Ich kann mich noch daran erinnern, dass es viel wärmer war, als Kind wussten wir nicht, was es heißt zu frieren. Und immer ging das Licht für eine Zeitlang an, dann konnten wir spielen. Es muss Jahre her sein, seit in den Gängen das letzte Mal das Licht anging. Jetzt wird es nur noch in den Zeremonien hell und auch dann nur ganz kurz. Manchmal erscheint es mir, als würde ich nur für diesen einen Moment leben, für diesen Augenblick, in dem ich Eiche sehen kann. Eiche. Ich bleibe stehen. Es ist, als müsste ich aus meinem Körper heraus, etwas zerbrechen, schreien. Ich schlage mit aller Kraft gegen die Wand, ein dumpfer metallischer Ton. Ich fange wieder an zu rennen, schneller und schneller in die Dunkelheit, ich will irgendwo dagegenschlagen, bewusstlos werden, nur damit ich das nicht ertragen muss. Weg, nur weg.

Als ich ihn in vollem Lauf anremple, schreit er nur kurz auf, ich falle fast hin, fange mich dann aber noch. Ihn habe ich fast vergessen, er treibt sich immer am unteren Ende des Ganges herum: Pizza. Wir sind nicht gerade Freunde, aber das hält ihn nicht davon, mir ständig irgendeinen Mist zu erzählen. "Hallo, Jemsdin, ich habe es schon gehört, es tut mir leid." Ich werde wieder klar und nicke nur, was er natürlich nicht sehen kann. "Gehst du zur Haut?", fragt er dann. Die Haut ist die Trennung zwischen uns und den Todesgeistern. Es ist der Platz, an dem wir unsere Toten befestigen, damit die Geister nicht den lebendigen Atem aus den Gängen saugen. Es ist der Platz, an dem wir beten. Ich war schon lange nicht mehr dort, ich bin in Gedanken einfach dorthin gelaufen. Normalerweise meide ich diesen Ort.

"Willst du deine Mutter finden, damit du zu ihr beten kannst?", fragt Pizza neben mir. "Wie soll ich sie denn finden, ohne Licht?", sage ich kurz angebunden, das Letzte, was ich jetzt brauche ist das Gelaber von Pizza. Plötzlich gibt er mir etwas in die Hand. "Ich hab das seit gestern geschüttelt, sie sollte jetzt ein paar Sekunden glühen." Pizza hat öfters mal so Sachen, das ist das Gute an ihm. Manchmal ist er nützlich. Er hat mir einen kleinen Stab gegeben, an dem sich seitlich ein Knopf befindet. Ich drücke und erschrecke als der Stab aufleuchtet. So etwas habe ich noch nie gesehen, ich frage mich, wo er das herhat. "Leuchte auf die Haut, schnell", ruft er aufgeregt. Ich halte den Stab dicht an die Haut, die sich neben mir befindet und sehe den Wust aus einbalsamierten Körperteilen, die sich über die Haut erstrecken. Man muss genau hinsehen, um einzelne Körper ausmachen zu können, Köpfe, Arme, Beine verschmelzen ineinander die Wand entlang. Die Körper auf ewig konserviert bekämpfen das Entweichen. Ich gehe schnell die Haut entlang, hier irgendwo muss es sein, das Licht wird schon schwächer. Dann seh ich den Kopf meiner Großmutter und genau daneben, mit ihrem ruhigen Gesichtsausdruck, wie er mir in Erinnerung ist, das Gesicht meiner Mutter.

Dann erlischt die Lampe, aber ich weiß jetzt, wo sie ist. "Hilf mir, Mutter", flüstere ich. Pizza ist mir nachgekommen. Ich merke es erst, als er anfängt zu sprechen. "Weißt du, wo ich die Lampe herhabe?"
Ich kann mir das heute nicht anhören. "Geh weg, bitte", fahre ich ihn an.
"Nein, wirklich, es ist wichtig, für dich und Eiche", sagt er mit Nachdruck. Ich greife ihm am Arm. "Wie meinst du das?"
"Die Lampe, ich habe sie hinter einer der Luken gefunden."
"Hinter einer Luke? Wie meinst du das?"
Überall in der Halle und in den Gängen befinden sich die Luken, meine Großmutter hat mir immer erzählt, dass man sie früher öffnen konnte. Vor ewigen Zeiten wurden sie allerdings versiegelt, weil dahinter der Komet wohnt, der Geist des Todes und des Nichts. Der Geist schlug auf uns ein und streckte seine Hände nach den Menschen aus, in einem einzigen Augenblick riss er unvorstellbar viele mit sich ins Nichts und er will mehr, immer mehr. So zogen unsere Vorfahren hierher in die Halle und die zwei Gänge. Hier werden wir erretet werden. Die Arche wird uns erreten, wie es das Gebet vorhersagt: Die Ankunft der Arche ist der Beginn des Lebens. Die Ankunft der Arche ist das Ende des Todes. Arche, komm zu uns.

"Willst du mir etwa sagen, dass du eine der Luken aufgemacht hast?", frage ich ungläubig nach. Jeder fürchtet sich vor dem, was hinter den Luken ist.
"Ja. Die erste Luke ging ganz plötzlich auf, sie befindet ganz hinten am oberen Gang, da wo die Merchants hausen."
"Hat dich jemand bemerkt?"
"Nein, du weißt doch, die sind den ganzen Tag weggetreten von ihrer Meditiererei. Ich hab es zufällig bemerkt. Ich wollte schauen, ob die Luken oben irgendwie anders sind, als die Luken hier bei uns. Sind sie nicht, aber ich konnte eine öffnen."
"Und was ist dahinter?"
"Ich weiß nicht genau, direkt dahinter ist eine kleine Kammer mit einer zweiten Luke. Zuerst dachte ich, man kann sie nicht aufmachen, bis mir klar wurde, dass man die erste von innen schließen muss - und dann kann man die zweite aufmachen."
"Du hast sie aufgemacht?"
"Ja, dahinter war es sehr kalt, aber es scheint ein riesiger Raum zu sein, größer als die Halle, ich hab gerufen, und es hat wiedergehallt. Am Boden hab ich den Stab gefunden. Ich hatte ihn die ganze Zeit bei mir, so ist mir aufgefallen, dass er leuchtet, wenn man ihn lang genug schüttelt."
Hoffnung flammt in mir auf. "Glaubst du, der führt irgendwohin?"
"Der Raum meinst du? Ja, vielleicht führt der irgendwohin. Weißt du, dahinter war nicht das Nichts. Kannst du dich noch erinnern, wenn die Alten erzählt haben, wie es früher war? Überall war es hell und warm, und es gab Algae so viel man wollte."
"Du glaubst, wenn man durch den Raum geht, kommt man irgendwohin, wo es warm und hell ist?"
"Kann schon sein. Die Luke..."
Das Wort wird ihm durch den Gong abgeschnitten. Der Gong ruft zur zweiten Zeremonie, es wird die erste Ankunftszeremonie des Tages werden. Das erste Opfer der heiligen Zahl. Alle müssen anwesend sein und wir sind ein ziemliches Stück von der Halle weg.
"Überleg es dir, du und Eiche könnten vielleicht durch diese Luke entkommen", sagt Pizza aufgeregt.
Entkommen, was für ein seltsames Wort, denke ich.

Als wir in die Nähe des vorderen Ganges kommen, höre ich bereits Eiche nach mir rufen. Ich antworte und sie fällt mir in die Arme.
"Wo warst du denn, ich will jetzt nicht, dass du gehst, wie kannst du denn jetzt gehen?!", schreit sie mich an.
"Eiche", antworte ich so ruhig wie ich nur kann, "ich habe einen Ausweg."
Sie reagiert gar nicht auf das, was ich sage, ihre Hoffnung ist gelähmt. Aber ich werde es so lange wiederholen, bis sie mir zuhört.
"Ich habe einen Ausweg, hörst du, es gibt Hoffnung."

Am Eingang zur Halle wird das Algae verteilt, die Tagesration, eine halbe Tasse. Eiche ist eine Ausgewählte der magischen Zahl und erhält deswegen nichts. "Wir müssen durch die Luke. Die Luke", das ist alles, woran ich denken kann.

Ich esse etwas von dem Algae und zwinge Eiche auch etwas davon zu essen, wir werden alle Kraft brauchen. Dann leuchtet der Schirm auf. Die Zeremonie beginnt. Konradi tritt vor und beginnt mit der Beschwörung. "Aaaannkuuunft", er wiederholt das Wort in seinem Singen, beim dritten Mal stimmen die Menschen mit ein. Die Halle ertönt vom sich wiederholenden Gesang, meine Kehle ist wie zugeschnürt, aber ich höre wie Eiche mitsingt, lauter als sonst. Dann ebbt der Gesang langsam ab, bis er nur noch ein Flüstern zu sein scheint. Auf dem Bildschirm erscheint jetzt das Kriseln, dann ein junger Mann.
"... nein, darum geht es nicht, die Ankunft der Arche ist etwas, was wir mit Sicherheit nicht mehr erleben werden, aber unsere Kinder und Kindeskinder. Sie werden ein neues Leben beginnen, ein Leben, das wir uns gar nicht vorstellen können. Sie werden der Beginn einer neuen Welt sei..."
Der Bildschirm kriselt. Konradi tritt vor. "Die Arche wird kommen und uns erretten. Wir sind die Kinder und Kindeskinder. Die Arche wird kommen und uns erretten." Er kniet nieder. "Arche, komm und erhöre uns." Es folgt einen Moment lang Stille, in dem wir alle unsere Gedanken bündeln und zur Arche senden, wo auch immer sie ist, damit sie kommt und uns errettet. Die Ankunft der Arche.

Dann steht Konradi auf. "Die Zahl ist 320." Die Menschen wiederholen den Satz. "Die Zahl ist 320. Die Zahl ist 320. Die Zahl ist 320." Die Frau aus der ersten Zeremonie tritt vor. Haribu. "Die Zahl ist 320". Sie kniet vor Konradi nieder und öffnet den Mund. Konradi holt eine kleine Schachtel hervor und nimmt den Kiesel heraus. Er zeigt ihn den Menschen. Das sich wiederholende "Die Zahl ist 320", wird lauter. Er schiebt den Stein der Frau in den Mund. Im gleichen Moment fällt sie zur Seite weg. Die Menschen verstummen. Konradi breitet die Hände aus und sagt ein letztes Mal "Die Zahl ist 320."

Wir müssen uns beeilen, der Gong zur zweiten Ankunftszeremonie wird bald ertönen, uns bleibt nicht viel Zeit. Pizza geht voran, die Leiter nach oben. So kurz nach der Zeremonie wird dort oben niemand sein. Eiche zittert am ganzen Körper, ich kann ihr nicht begreiflich machen, dass wir dabei sind wegzugehen. Sie krallt sich nur an mir fest. "Ich habe noch zwei Decken mitgebracht", sagt Pizza. "Außerdem ein bisschen Wasser und Algae", spart es euch auf, es wird ein langer Weg werden."
"Ein langer Weg wohin?", fragt Eiche plötzlich.
"Wir gehen durch eine der Luken", sage ich.
"Was?", Eiche drängt zurück. "Aber hinter der Luke ist das Nichts und der Tod."
"Es ist unsere einzige Chance", versuche ich sie zu überzeugen, "wir werden es schaffen, ich bin mir ganz sicher, dass wir es schaffen werden."
"Aber wohin führt die Luke?"
"Pizza hat das schon erkundet. Die Luke führt in einen Raum mit einer anderen Luke und dahinter ist ein riesiger Raum, wenn wir da durchkommen, finden wir vielleicht einen Platz, wo wir leben können, hörst du, da oben ist bestimmt ein Ort, wo es hell ist und warm. Haben die Alten nicht immer gesagt, dass die Menschen früher hinter den Luken lebten und dass niemand hungern musste und überall war Licht und Wärme?"
"Ja, ja, das haben die Alten gesagt", flüstert Eiche tonlos und fängt an die Leiter hochzuklettern.

Oben angekommen, nimmt mich Pizza an der Hand, Eiche klammert sich an mir fest.
"Kommt, wir sind gleich da. Wartet, ich glaube, das ist es."
Er klopft mit der Hand gegen eine Luke. Ich höre, wie er an dem Rad dreht, dann öffnet sich etwas mit einem Quietschen, kalter Atem schlägt uns entgegen. "Geht hinein, schnell". Wir steigen durch das runde Loch. Pizza schließt hinter uns die Luke, ich höre, wie er sie verriegelt.
"Nehmt die Decken, da drinnen ist es kalt."
Wir nehmen die Decken, die er mitgebracht hat und wickeln sie um uns. Dann höre ich, wie er die zweite Luke öffnet. Ein kurzes Zischen, dann einfach nur Kälte. So etwas habe ich noch nie gefühlt. Mit ungeheurer Wucht dringt sie bereits im ersten Augenblick durch die Decke direkt bis auf die Knochen. Ich stehe versteinert, eine Welle von Schmerz überflutet mich. Ich kann da nicht raus. Aber Eiche geht voran und zieht mich hinter sich her. Die Kälte wird schlimmer, ich fange an wie wild zu zittern, ich kann nicht atmen, der Atem ist so dünn hier, ich muss zurück. Aber Eiche zieht mich weiter hinter sich her. Dann höre ich das Quietschen der Luke, die sich hinter uns schließt.

 
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Hallo patosch

Ziemlich gemein, aber gar nich schlecht. Nur ein bisschen kurz eben. Ich würde schon gern ein bisschen mehr über die Arche wissen, oder zumindest einige Hinweise erhalten, was dort passiert ist und welchen Grund diese finstere und selbstzerstörerische Sektiererei hat.
Stilistisch fand ich's in Ordnung. Knapp und präzise, das trägt zur Stimmung bei.

Noch ein paar Anmerkungen:

- 78 Jahre erscheinen mir für derart krasse Entwicklungenein wenig zu kurz. Da solltest du ihnen vielleicht ein bisschen mehr Zeit geben

-

stimmen die Menschen in der Haale
Das mit der "Haale" kommt zweimal vor. Ist das Absicht?

- Das mit der Haut ist extrem schräg, das is doch wunderbar ausbaufähig:D !

- Das mit dem Englisch, das keiner mehr versteht, ist vielleicht nicht die optimale Lösung, dadurch ließt sich der ganze Absatz etwas holprig.

Aber alles in allem ein gelungener Einstieg!
Man freut sich auf mehr.

Grüße und so

omno

Logbuch Nachtrag: Ich bin hundert! Ist das nich süüüüß? :bounce:

 

Danke für den Kommentar und natürlich für das Lob! Ich hab mir über die Geschichte, bevor ich sie aufgeschrieben habe, recht lange Gedanken gemacht, deshalb ist wohl alles Mögliche drin, was man hätte ausführlicher beschreiben können.

Andererseits wollte ich auch nicht zu viel erklären, in den Zeremonien wird die Ausgangssitution dieser Welt ja explizit beschrieben. Dass das teilweise auf Englisch ist, ist natürlich nicht ganz ideal, aber ich wollte halt einen Ich-Erzähler, der Teil dieser Welt ist, also nicht darüber Bescheid weiß, wo er eigentlich ist und was vorgeht. Also musste ich irgenwie eine objektive Perspektive reinbringen.

Das mit den 78 Jahren war eigentlich so gemeint, dass die Arche ursprünglich 78 Jahre brauchen sollte, um anzukommen. Da aber offenbar inzwischen sehr viel mehr Zeit vergangen ist,kann man davon ausgehen, dass irgendetwas passiert ist.

Mit der 'Haale' hast du recht, das ist zwar Absicht und sollte andeuten, dass sich auch die Sprache auf der Arche langsam verändert, das kommt aber nicht rüber.

Nochmal Danke für den Kommentar, hat mir sehr weitergeholfen.

Tintengruß
Patosch

 

Hi patosch!

Diese Geschichte gehört auf jeden Fall zum Interessantesten, was ich auf dieser Website in letzter Zeit gelesen habe. Der Stoff von der degenerierten, aussterbenden Zivilisation ist sicher nicht neu und wurde hier schon oft auf verschiedenste Art verarbeitet, meistens satirisch.
Dir aber ist es gelungen, ihn ernsthaft zu behandeln. Die Eingangsszene ließ mich die x-te satirische Auflage vermuten, und unterschwellig hat das Bild von Menschen, die Videoaufnahmen anbeten, ja auch etwas unfreiwillig Komisches, vielleicht auch, weil man es aus unzähligen Religionssatiren kennt. Aber dann nahm die Geschichte eine unerwartete, düstere Richtung, und die Atmosphäre zog mich in den Bann. Dafür erst mal drei kräftige :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup:

In dieser Geschichte geht es um ein Volk, das in einem interstellaren Schiff umherreist ( beim ersten Lesen dachte ich, das Volk wäre auf dem Planeten angekommen, und der hätte sich als lebensfeindlich entpuppt - mein Fehler? ).
Dieses Volk hat offenbar die Natur seiner Umgebung und seine Herkunft vergessen, außerdem haben sich die Lebensverhältnisse so drastisch verschlechtert, dass Individuen rituell geopfert werden müssen, damit der Rest mit den begrenzten Ressourcen leben kann.
Die absolute Düsternis der Lebenswelt dieser Leute hast du noch einmal sehr schön herausgestellt in der Szene, wo der Prot zum Leichnam seiner Mutter geht und ihn mit dem Glühstab sucht. Wenn man sich das vorstellt, kann es einem kalt den Rücken runter laufen. Brrr. :D
Die spannende Frage ist jetzt, was eigentlich passiert sein könnte, dass die gesamte Kolonie sich in diese Grusel-Sekte verwandeln musste, um überleben zu können. Und vor allem: Warum haben die Bewohner alles vergessen? Gab es einmal eine Seuche, die alle Erwachsenen getötet hat, die wussten, wie man das Schiff steuert? Gab es zwischenzeitlich eine totalitäre Diktatur, die das Wissen um die Handhabung des Schiffes für sich behielt, und irgendwann kam die gesamte Herrscherkaste bei einem Unfall oder einer Rebellion ums Leben? Fragen über Fragen ...
Und damit wären wir schon fast beim Grundproblem der Geschichte: Sie bleibt unabgeschlossen, unaufgelöst.
Es wäre zu schade, wenn du sie nicht zu Ende führtest. Was du am Ende präsentierst, ist ein Cliffhanger, kein Schluss. Fortsetzungsgeschichten sind aber nach Forenregeln verboten. Wenn du es zum Abschluss bringen willst, muss es innerhalb desselben Textes sein.
Damit müssen übrigens nicht alle Geheimnisse gelüftet werden. Aber das Schicksal von Jemsdin und Eiche sollte erstens weitergesponnen werden und zweitens ein wenig tiefere Einblicke in deren Lebenswelt erlauben. Am Ende sollte der Leser zumindest eine Ahnung haben, warum du ihm diese Welt zeigst.

Es gibt noch einen weiteren Kritikpunkt: Die Haltung der Charaktere zu den Opferzeremonien ist psychologisch unplausibel, zumindest kommt das gespaltene Verhältnis dazu nicht wirklich rüber.
Wenn alle so hingebungsvoll und bereitwillig in den Tod zu gehen bereit sind, was wird ihnen versprochen? Womit droht man ihnen, wenn sie dem Aufruf nicht folgen? Von den inneren Konflikten, die Eiche zerreißen müssen, als sie erfährt, dass Jemsdin sie wegführen will, spürt man nicht das Geringste. Dafür, dass er ihr etwas vorschlägt, was eigentlich ihr ganzes Glaubenssystem in Frage stellen muss, stimmt sie seinem Plan ziemlich schnell zu. Ich hatte eine ermüdende Diskussion erwartet.

Details:

In der Haale herrscht nun feierliche Stille, aus dem Lautsprecher dröhnt die erste Frage: "Wie lange wurde an diesem Projekt gearbeitet, Herr Professor Ljeto?"

"...iele Menschen werden nach Miranda aufbrechen und wie wurden sie ausgewählt?"

Das ist ein etwas verwirrender Teil. Beim Lesen fragte ich mich, wer diese Fragen stellt. Vielleicht solltest du noch etwas deutlicher machen, dass diese Fragen aus einem überlieferten Fundus stammen und den Menschen im Raum ihr Inhalt so wenig klar ist wie die Antworten. Zum Beispiel könnte der Prot erwähnen, dass sie in einem Vorläufer seiner Sprache gesungen werden und die geistlichen viel darüber diskutieren, wie sie gemeint sind.

The first successful tests with isolated ecologies

Ich hole meine Skala heraus, im Dämmerlicht sehen die drei Punkte darauf alle gleich aus,

Im Dämmerlicht? Dann gibt es also noch andere Lichtquellen?

Ein Mann ganz in der Nähe ruft "Bingo", ich kenne ihn nicht.

Sollte mich wundern. Es gibt immerhin nur 321 Menschen an Bord, wenn ich das richtig verstanden habe ...

"Grün-Rot-Grün". "Bingo", ruft Eiche neben mir.

Das geht so schnell, als könnte sie es kaum erwarten. Du solltest ein Zögern mit einbauen, einen Moment des Innehaltens, damit der Leser auch merkt: Jetzt passiert etwas Wichtiges!

Ich springe auf und renne den Gang hinunter, nur weg. "Bleib doch hier, Jemsdin, bleib doch hier", schreit sie mir nach, aber ich kann nicht.

Schreit Disne es ihm nach oder Eiche? Letztere wäre plausibler. Eiche hat bisher gar nichts gesagt.

Ihn hatte ich fast vergessen, er treibt sich immer am unteren Ende des Ganges herum

Du meinst hätte, oder? Sonst wäre das nicht ganz die richtige Zeitform. ;)

Normalerweise vermeide ich diesen Platz.

Die Vorsilbe passt nur bei Situationen, nicht bei Personen oder Orten.

das Letzte, was ich jetzt brauche, ist das Gelaber von Pizza.

Er hat mir einen kleinen Stab gegeben, an dem sich neben ein Knopf befindet. Ich drücke und erschrecke, als der Stab aufleuchtet.

Ich nehme an, du meinst seitlich. ;)

"Geh weg, bitte", sage ich deshalb.
"Nein, wirklich, es ist wichtig, für dich und Eiche", sagt er mit Nachdruck. Ich greife ihm am Arm. "Wie meinst du das?", frage ich.

Das ist eine stilistische Schwäche, an der der gesamte Text krankt: Die einfallslosen Sprechverben. Es gibt doch bestimmt spezifischere Vokabeln, um die Art, wie jemand etwas sagt, näher zu charakterisieren: fauchen, wimmern, jammern, maulen, heulen etc. An dieser Stelle würde ich vielleicht ganz auf die Verben verzichten und die wörtliche Rede direkt hintereinander setzen, wie du es auch danach tust.

"Überleg es dir, du und Eiche könnten vielleicht durch diese Luke entkommen", sagt Pizza aufgeregt.
"Entkommen, was für ein seltsames Wort", denke ich.

Gedankenrede besser in Kursivschrift. Sonst ist das nur irritierend.

"Wir müssen durch die Luke. Die Luke.", das ist alles, woran ich denken kann.

Wenn schon, dann Punkt weg. Aber wie gesagt, Kursivschrift ist besser.

Die Haale ertönt vom sich wiederholenden Gesang, meine Kehle ist wie zugeschnürt, aber ich höre, wie Eiche mitsingt, lauter als sonst.

Auf dem Bildschirm erscheint jetzt das Krieseln, dann ein junger Mann.

Am Anfang des Textes heißt es noch Kriseln. Entscheide dich für eine Schreibweise. ;)

Sie werden ein neues Leben beginnen, ein Leben,

"Die Arche wird kommen und uns erretten. Wir sind die Kinder und Kindeskinder. Die Arche wird kommen und uns erretten." Er kniet nieder. "Arche, komm und erhöre uns." Es folgt einen Moment lang Stille, in dem wir alle unsere Gedanken bündeln und zur Arche senden, wo auch immer sie ist, damit sie kommt und uns errettet. Die Ankunft der Arche.

Hier "bestätigte" sich mir beim ersten Lesen das Bild, diese Menschen lebten schon auf Miranda, und die Kolonisation sei fehlgeschlagen. Weiß jetzt auch nicht, wie sich das Missverständnis vermeiden ließe, aber vielleicht müssen im Text noch ein paar Hinweise mehr ausgestreut werden.

Konradi holt eine kleine Schachtel hervor und nimmt etwas aus ihr heraus. Er zeigt es den Menschen.

Und das wäre? Den Prot muss dieser Gegenstand doch interessieren oder ihm zumindest bekannt sein.

So kurz nach der Zeremonie wird dort oben niemand sein. Eiche zittert nach der Zeremonie am ganzen Körper

Unnötige Wortwiederholung. Wann Eiche am ganzen Körper zittert, wissen wir auch so.

Die Kälte, die uns entgegenschlägt, ist furchtbar. Noch nie habe ich eine solche Kälte gefühlt.

Wenn der Leser diese Kälte auch spüren soll, ist vielleicht eine Metapher hilfreich. Standard sind hierbei Formulierungen wie "Die Kälte schneidet wie mit tausend Messern in meine Haut". Dir fällt sicher was Originelleres ein.

Aber Eiche geht voran und zieht mich hinter sich her.

Wieso übernimmt jetzt plötzlich sie die Führung? Ich dachte, sie hätte eben noch nicht einmal begriffen, dass Jemsdin mit ihr fliehen will?

Ciao, Megabjörnie

 
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Hallo Megabjörnie,

vielen Dank für den Kommentar, hab mich sehr gefreut. Die stilistischen Anmerkungen bzw. die aufgezeigten Fehler waren alle berechtigt und ich hab die Sachen geändert.

Ich habe jetzt einen kurzen Abschnitt hinzugefügt, in dem angedeutet wird, dass das Raumschiff von einem Meteor getroffen wurde. Außerdem hoffe ich, dass jetzt besser rüberkommt, dass sich die Menschen schon seit Generationen in diesem Schiff befinden.

Die Geschichte zeigt eine Gesellschaft im Endstadium ihrer Existenz. Die einzige Hoffnung, die sie besitzen, ist der Glaube, dass die Arche sie befreien wird, das selbstzerstörerische Verhalten soll ermöglichen, dass wenigstens einige überleben. Ich habe versucht zu beschreiben, dass es mit den Ressourcen wirklich rapide zu Ende geht. Kein Licht, kein Essen, Kälte usw. Die Menschen fügen sich in ihr Schicksal, weil es keine Alternative gibt, deshalb gibt es keinen Zwiespalt. Es gibt nichts, wogegen sie sich auflehnen könnten.

Die Flucht von Jemsdin und Eiche ist eine reine Verzweiflungstat, warum sollte irgendwo hinter der Luke eine schöne Welt auf sie warten. Sie betreten ja nur einen Teil des Schiffes, der schon lange aufgegeben wurde (und das ist ihnen auch klar). Der Schluss ist deshalb definitv kein cliffhanger, sondern das Ende.

Da die Menschen im Innern eines Raumschiffs leben, konnten sie mit vielen Konzepten, die für die ursprüngliche Generation noch selbstverständlich waren, nichts mehr anfangen. Für sie gibt es nur ein Innen und ein Außen, wobei das Außen eben der Tod ist. Für diese Menschen bedeuten Begriffe wie Planet oder Weltraum nichts (mehr). Meine Idee war, anzunehmen, dass sich durch eine radikal andere Umwelt, auch ein völlig anderes Weltbild entwickeln muss. Natürlich noch dadurch verstärkt, dass eine Katastrophe passiert ist, die die technischen Möglichkeiten dieser Menschen extrem limitiert hat. Daher auch der Glaube, dass die Arche kommen wird, um sie zu erretten - da die Idee, dass sie selbst irgendwohin unterwegs sein könnten, keinen Sinn mehr hat (außen ist ja nur der Tod).

 

Hi patosch, noch mal eine kleine Rückmeldung.
Der Grund, weshalb sich bei mir der Eindruck aufdrängte, die Geschichte sei irgendwie noch nicht fertig, war das Standardbild, dass mit dem Überschreiten einer Grenze immer ein neues Kapitel beginnt. Man ahnt zwar als Leser schon, dass Jemsdin und Eiche es nicht mehr lange machen, aber man ist sich eben nicht sicher. Auch dass mit dem Satz

Aber Eiche geht voran und zieht mich hinter sich her.

die Figur, die die Handlung antreibt, wechselt, verstärkt den Eindruck, dass da noch etwas kommen müsste.
Ein Ende, das die Spannung vollkommen auflösen würde, wäre zum Beispiel, dass die beiden an einer zerstörten Antriebssektion vorbeikommen. Dann wird deutlich: Das Schiff treibt steuerlos im All, Rettung ausgeschlossen. Dann können die beiden Prots auch "in Frieden sterben", weil die Story an diesem Punkt abgerundet wäre.
Und noch etwas: Pizza sollte schon in dem Raum mit der Haut darauf hinweisen, dass es ziemlich kalt ist dort, wo er den "Fluchtweg" ausgemacht hat. Wäre merkwürdig, wenn er ausgerechnet diesen Aspekt nicht erwähnen würde. ;)

Zum andersartigen Weltbild: Die Grundidee ist wirklich gut, aber über diese aussterbende Gesellschaft, die das Dahinsiechen in religiöse Riten übersetzt ( ein ziemlich starker Ansatz ) erfährt der Leser noch relativ wenig, ein paar Facetten mehr könnten schon ran. Zum Beispiel muss es für diese Menschen doch einen Unterschied machen, ob sie während einer Opferzeremonie ums Leben kommen oder durch Alter und Krankheit. Welcher besondere Anreiz besteht für sie, ihr Leben freiwillig herzugeben? Wird ihr Geist dadurch stärker an die Ihren gebunden?
Dadurch kannst du auch einen inneren Konflikt bei Jemsdin und Eiche spinnen. Fliehen sie und riskieren den Tod im Nichts, verlieren sie den sicheren Jenseitsvorteil.
In den religiösen Zeremonien scheinen schließlich einige Elemente aus dem Monotheismus, vor allem dem Islam durch. Das solltest du ausbauen.

 

Hallo Megabjörnie,

Man ahnt zwar als Leser schon, dass Jemsdin und Eiche es nicht mehr lange machen, aber man ist sich eben nicht sicher.

Genau das war eigentlich beabsichtigt, ich wollte einen offenen Schluss mit der Ahnung, dass es schlecht aussieht. Ich fand es interessaner die beiden in das Unbekannte zu schicken, als es mit ihrem Tod enden zu lassen. Man soll als Leser ahnen, was passieren wird, aber es eben nicht wissen. Ich wollte kein Ende, das die Spannung völlig auflöst, sondern ich wollte die düstere, hoffnungslose Stimmung aufrechterhalten, quasi über den Schluss hinaus. Die beiden in 'Frieden sterben zu lassen' würde ein Gefühl von Sicherheit und Abgeschlossenheit erzeugen - genau das wollte ich nicht.

Dass Pizza ihm nicht sagt, dass es im Raum hinter Luke kalt ist, werde ich noch ergänzen, es macht Sinn, dass er ihm das sagt.


Zum Beispiel muss es für diese Menschen doch einen Unterschied machen, ob sie während einer Opferzeremonie ums Leben kommen oder durch Alter und Krankheit.

Ich wollte eigentlich nicht zu sehr in die Details dieser Religion gehen. Die Beschreibung von religiösen Riten trifft nie, was diese Riten für die gläubigen Menschen bedeuten. Jemsdin betet ja zu seiner Mutter, insofern ist der Glaube an ein Leben nach dem Tod angedeutet. Aber ich wollte keine Gesellschaft beschreiben, die auf ein Leben nach dem Tod ausgerichtet ist und in der sich die Menschen deshalb freudig dem Opfertod hingeben. Diese Opferungen finden statt, um 'göttliche' Mächte zu besänftigen, im Vordergrund steht die Widerherstellung der heiligen Zahl. Auch bei den Inkas oder Mayas stand ja bei den Menschenopfern wohl kaum im Vordergrund, dass die Opfer direkt in den Himmel kommen, jedenfalls stell ich mir das nicht so vor. Die Menschen wurden geopfert, damit das Volk als Ganzes überleben kann. Genauso ist das hier auch gemeint. Die Gemeinschaft als Ganzes unterstützt die Opferungen, für den Einzelnen ist dabei nichts zu gewinnen.

Man hätte vieles noch ausführlicher schreiben können, aber ich wollte nicht zu viel erklären, das würde nur vorgaukeln, dass man diese Welt tatsächlich verstehen kann. Die Geschichte funktioniert minimalistisch besser, denke ich.

Vielen Dank, dass du noch mal nachgehakt hast, auch wenn ich bei den meisten Sachen stur bleibe.:)

Gruß
patosch

 

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