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Hauseingang

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04.11.2015
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Hauseingang

Er schreit. Im Kopf schreit er schon seit Tagen.
Er sagt "Ich geh noch schnell mit dem Hund raus."
"Welcher Hund?" fragt die Frau. Da fällt die Tür schon zu.
Er schreit. Im Kopf schreit er schon seit Tagen.
Das Treppenhaus ist alt. Alles bröckelt. Risse in der Wand. Das Geländer knarrt. Die Farbe splittert ab. Das Licht flackert.
Er reißt die Tür auf und schreit. Im Kopf.
Oben schreit die Frau. Schreien die Kinder. Schreit der Hund.
Welcher Hund?!
Er kickt eine leere Cola Dose weg. Das Getränk spritzt ihm auf die Schuhe. Aber er schreit nicht mehr, bleibt stehen. Schaut nach oben und sieht die Frau aus dem Fenster schauen. Schlüpft schnell in den Hauseingang. Er will dort bleiben und nicht gesehen werden. Verschmilzt mit dem Hauseingang. Mit dem Hauseingang der nach Zigaretten und Hundepisse riecht.
Er will bleiben. Kann er bleiben? Er darf nicht bleiben.
Da hört er oben die Haustür zuschlagen. Die Frau kommt runter, trägt den alten Bademantel, er sieht einen Fleck an der Schulter und verbrannten Stoff wo die Tasche sein sollte.
Sie trägt den Mantel seit Jahren. Der Mann hasst den alten, verlotterten Mantel.
"Ist doch schweinekalt hier draußen. Komm rauf." Und sie geht die knarzenden Stufen hinauf. Fluchend folgt er ihr. Er folgt ihr jedes mal.
Doch er schreit. Im Kopf schreit er schon seit Tagen.
Er fragt die Frau:
"Warum haben wir keinen Hund?"

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo betterstories

Willkommen bei den Wortkriegern.

Ich hab da so ein Bild. Ein Mann will aus seiner beschissenen Lebenssituation ausbrechen, ist aber zu feige und lässt sich nach einer seiner zahlreichen lustlosen Fluchtversuche von seiner verhassten Alten wieder zurückpfeifen. "Warum haben wir keinen Hund?", fragt er. Ich sage: Er ist der Hund.

Aber mehr ist für mich da nicht drin in deiner kleinen Ideen-Skizze, denn eine Geschichte kann ich es leider nicht nennen.
Bau es aus, erzähle die Geschichte hinter dem Schreien im Kopf.

Viel Spass noch hier,
Gruss dot

 

Ich hatte direkt folgende Bilder im Kopf: Plattenbau, Lockenwickler und Bier. Wenn ich Bilder in den Kopf bekomme, hat mich ein Text zumindest erreicht.
Natürlich ist das keine hoch konstruktive Kritik bzw. der Text ist überschaubar bezüglich einer tiefergehenden Analyse, doch wollte ich dir meine Bilder nicht vorenthalten :)

 

Hallo betterstories!

Ein schöner knackiger kurzer Text, finde ich. Kurze, hämmernde Sätze und Wiederholungen (die nicht nerven) geben einen guten Rhythmus. Eine Geschichte ist es wohl nicht, aber wenn es eine Skizze ist, dann würde ich an ihr nicht viel geändert haben wollen.

Vorschläge:

Welcher Hund?!

-- Welcher Hund? (Miniatur-Vorschlag, aber das einfache Fragezeichen passt für mich halt besser mit dem lakonischen Ton zusammen)

Verschmilzt mit dem Hauseingang. Mit dem Hauseingang der nach Zigaretten und Hundepisse riecht.

Diese Wiederholung gefällt mir so nicht. "Verschmilzt mit dem Hauseingang, der nach Zigaretten und Hundepisse riecht." - Wäre eine Möglichkeit, finde ich aber auch nicht ideal, weil der Relativsatz das Gefüge der kurzen Sätze stört, während die Originalversion damit harmoniert. "Verschmilzt mit dem Hauseingang" dann Punkt und noch mal Nachfassen scheint mir im Grunde nicht verkehrt, aber irgendwie anders...

Er will bleiben. Kann er bleiben? Er darf nicht bleiben.

Den Dreiklang finde ich an sich hübsch, auch inhaltlich kann es noch etwas für sich haben, rätselhaft wie es ist: Wo will er bleiben? Im Hauseingang oder doch bei der Frau? Mir ist es aber letztlich eine Spur zu rätselhaft. Es ist ja eigentlich deutlich, dass er oben eben nicht bleiben will. Im Hauseingang sicher auch nicht auf Dauer.
Evtl. in die umgekehrte Richtung:
"Er will gehen. Kann er gehen? Er darf nicht gehen."
Nicht genau so, aber in die Richtung..?

Da hört er oben die Haustür zuschlagen.

Die Wohnungstür? Die Haustür ist doch unten.

Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo betterstories!

Jo, kurz und knackig.
Ich sehe es wie Trianna.
Ich bekomme auch Bilder in den Kopf und mache mir Gedanken darüber,
was mit dem Typen los ist.
Mich hat es also auch erreicht und somit hast du mit deinem Text etwas erreicht.
In seinem Kopf schreit er seit Tagen. Die Sache mit dem Hund ist für mich eine Andeutung, dass er kurz davor ist, dass ihm alle Sicherungen durchbrennen, weil er mit seiner Lebenssituation nicht mehr klarkommt.
Aber dazu wird jeder Leser seine eigene Interpretation haben und finden und das ist ja auch das Gute daran.
Eine Kurzgeschichte darf gerne Fragezeichen und Raum für eigene Gedanken und Interpretationen hinterlassen.
Mir hat es gefallen.

Gruß
Raimond

 

Hallo betterstories!

Mir hat die Geschichte extrem gut gefallen. Sie hat Pepp und Tiefe, was will man mehr?
Und natürlich ist es eine Geschichte! Ich habe schon Geschichten gelesen die um ein vielfaches länger waren und nicht halb so viel Aussage und Handlung hatten wie deine. Es kommt schließlich auf Qualität und nicht Quantität an. Und wenn man an Hemingways berühmte 6-Wörter-Kurzgeschichten denkt, müsste ja wohl jeder Zweifel ausgeräumt sein.
Ich bin auch nicht der Meinung, dass du genauer darauf eingehen solltest, warum es in seinem Kopf schreit. Das solltest du sogar auf gar keinen Fall tun! Das würde der Geschichte ihren Reiz nehmen. Aber das ist vermutlich Geschmackssache, ich bevorzuge da eben eher das Subtilere, die Andeutungen und die Lücken, die der Leser anschließend selbst füllen darf.
Das Motiv mit dem Hund ist übrigens großartig gewählt, gibt dem ganzen humoristische Leichtigkeit und Tiefe gleichzeitig. Top!

Freue mich schon auf die nächsten Geschichten :)
Liebe Grüße,
Jana

 

Hi,

ich will mich doch noch mal zu Wort melden, weil mir scheint, dass ich nicht deutlich genug gesagt habe, wie gelungen ich den Text finde.
Geschichte hin, Geschichte her, ich meinte es so: Unwichtig, ob das Werk in diese oder jene Kategorie gehört. Es gibt wunderbare Texte, die keine Geschichten im engen Sinne sind, im Zweifelsfall ist deiner ein solcher. (War das klarer?)
Schön komponiert.

Gruß
erdbeerschorsch

 
Zuletzt bearbeitet:

betterstories schrieb:
Ich freue mich auf gute Geschichten und ehrliches Feedback.

Ungeduldig und fingernägelkauend scheinst du aber nicht gerade auf Feedback und Austausch zu deinem ersten Text zu warten, betterstories. Du genießt das Lob wohl lieber in aller Stille, stimmt’s?
Wie auch immer, es sei jedem unbenommen, wann bzw. ob überhaupt er sich zu Kommentaren äußern will. Über ein zumindest kleines Dankeschön freut sich allerdings jeder Kritiker, so viel solltest du wissen.

Aber egal, ich will dir jetzt auch noch was zu deinem Text sagen.
Der ist mir nämlich schon vor Tagen sehr positiv aufgefallen. Vor allem der so brachial reduzierte Stil gefiel mir ungemein, der ist einfach mal was erfrischend anderes zwischen all den wohlformulierten Storys hier im Forum. Ja, hat mir echt getaugt, auch weil der Text trotz der minimalisierten Sprache Rhythmus hat, sich wirklich gut liest. Sehr hart, sehr prägnant. Also mir schaut das nicht danach aus, als wäre es einfach so aus dem Handgelenk geschüttelt, da steckt Arbeit drin, das merkt man. Du scheinst da wirklich jedes Wort abgewogen zu haben.
Und als Geschichte taugt das allemal für mich, weil es dir gelingt, zwischen den knappen Zeilen eine sehr dichte Atmosphäre entstehen zu lassen, den tristen Alltag einer Ehehölle, pure Hoffnungslosigkeit und Resignation. Hardcore irgendwie.
Ja, der Text ist sehr kurz. Und sehr gut, finde ich.

Und die paar Korrekturen würden ihn nicht schlechter machen, glaub ich, oder ihm gar die Seele rauben:

Er sagt[:] "Ich geh noch schnell mit dem Hund raus."

"Welcher Hund?"[,] fragt die Frau. Da fällt die Tür schon zu.

eine leere Cola Dose [Coladose]

Mit dem Hauseingang[,] der nach Zigaretten und Hundepisse riecht.

er sieht einen Fleck an der Schulter und verbrannten Stoff[,] wo die Tasche sein sollte.

Er folgt ihr jedes mal [Mal]

Dass „Wohnungstür“ passender wäre als „Haustür“ und dass die eigenwillige Zeichensetzung (?!) unnötig ist, hat ja schon erdbeerschorsch geschrieben. Und da stimme ich ihm zu.

Willkommen hier, betterstories

offshore

 

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