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Haus des letzten, lebenden Werwolfs
„Das ist das Haus“, sagt der alte, erbsenkauende Mann und deutet zur Hütte auf dem Hügel. Hin und wieder spuckt er eine von den Erbsen in die Dose zurück und pickt dann mit Daumen und Zeigefinger eine weichere hinaus. Der Alte hat keine Zähne mehr und kann die Erbsen nur noch lutschen. Lila Ringe befinden sich dort, wo seine Tränensäcke sitzen und allein der Anblick bringt mich schon dazu, mir am laufenden Band die eigenen Augen reiben zu wollen. Deshalb gucke ich stattdessen sehr ausgiebig auf die Hütte, obwohl sie zum Gucken nicht sonderlich viel hergibt.
„Das ist sein Nest?“, frage ich.
Der Alte spuckt aus. „Das Haus des letzten, lebenden Werwolfs.“ Und im Flüsterton: „Diese Türschwelle betritt man nur einmal, Langer.“
Es blitzt in dem dunklen Wolkenturm, der sich in den letzten Wegstunden zügig am Horizont aufgebaut hat, und ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, weil ich das Gefühl nicht loswerde, dass wir zwei uns in einer mehr als miserablen Horrorgeschichte befinden.
„Was ist so komisch?“, fragt der Alte etwas verunsichert.
Ich zucke mit den Schultern. „Lachen hält gesund.“
„Soll das ein Scherz sein?“
„Nicht im Geringsten.“
„Also mir läuft es ganz kalt den Rücken runter, Langer. Wir sollten hier nicht sein. Dieses Haus hat keine Fenster. Es hat Augen und beobachtet uns schon, seit wir die Lichtung erreicht haben.“
Ich versenke die Hände in den Taschen meines Parka und nicke. Und als ich gerade losgehen will, packt der Alte mich an der Schulter. Ich unterdrücke das Bedürfnis, dem Mann die Hand zu verdrehen, und sehe ihn fragend an.
„Einen Moment noch. Wir haben zusammengelegt“, sagt er und kramt etwas aus dem Leinensack auf seinem Rücken. „Wir konnten uns keinen Revolver leisten, aber ...“ Er lächelt verlegen.
Natürlich konnte das Dorf keine Schusswaffen auftreiben. Das Gemeindehaus war vermutlich so viel wert wie ein gesamtes Magazin für einen Sechsschüsser.
„Hier.“ Er zieht ein hübsches Messer aus seinem Beutel und reicht es mir. Die Klinge ist blank aufpoliert und soll wohl den Eindruck erwecken, dass es sich um Echtsilber handelt.
„Danke“, sage ich und schüttele den Kopf: „Das werde ich aber nicht brauchen.“
Der Alte wirkt sichtlich enttäuscht. Er starrt mich eine lange Zeit einfach nur an. Hoffentlich hat er nicht seine Tochter verkauft, um dieses wertlose Ding zu bezahlen. Oder Teile von ihr – es sind seltsame Zeiten. Dann sage ich noch einmal: „Danke“, und nehme das Messer entgegen, um dem Mann wenigstens das Gefühl zu geben, er helfe mir bei meiner Arbeit. Der Alte lächelt mich an. Ich gehe.
„Sprechen sie nicht mit ihm“, ruft er mir noch hinterher. Und meine Stiefelabsätze graben sich tief in den Matsch auf dem Weg zur schwarzen Haustür. „Glauben sie nichts, was er ihnen sagt. Ich warte hier auf sie.“
Als ich die Tür öffne, quietscht sie nicht im geringsten. Ich stoße sie nur mit dem Knöchel meines Zeigefingers auf, denn sie öffnet sich ganz leicht. Türen zu Häusern von schlechten Dingen gehen immer ganz leicht auf und machen keine Geräusche.
Der Geruch von Fäkalien und Heu steigt mir in die Nase, also ziehe ich meinen Kragen hoch und versuche, in den Stoff meiner Jacke zu atmen. Es ist kühl hier drinnen. Die Tür fällt hinter mir zu, doch ich finde den Lichtschalter an der Wand neben mir. Eine Glühbirne hängt im Flur von der Decke und wirft Licht auf einen riesigen Haufen aus abgetragenen Kinderschuhen. Stubenfliegen summen mir augenblicklich um die Ohren. Ich fange eine von Ihnen und stecke sie mir in den Mund. Sie schmeckt salzig. Das Wesen, dessen Schweiß sie zuletzt geleckt hat, sitzt an einem Ort, der feucht und warm ist.
Ich trete einen roten Gummistiefel aus meinem Weg. So viele kleine Sandalen und Turnschuhe. Die meisten mit Klettverschluss – erschreckend.
Aber niemand stapelt einen mannshohen Turm aus Kinderschuhen direkt hinter der eigenen Haustür. Es sei denn, man möchte ungebetene Besucher unbedingt davon überzeugen, dass man kleine Kinder frisst.
„Hallo?“ Meine Stimme wirft ein merkwürdiges Echo, obwohl der Raum viel zu klein und viel zu vollgestellt ist, als dass der Schall von den Wänden abprallen könnte. Mein Atem beginnt Wölkchen auszustoßen und es wird spürbar einige Grad kälter im Hausflur. Mir kommt der Gedanke, dass er tatsächlich jetzt erst bemerkt haben könnte, dass ich sein Nest betreten habe. Und wenn dem wirklich so wäre, empfinde ich fast Mitleid mit dem armen Ding.
Der Küchenboden ist voll mit verbogenen Kronkorken und den funkelnden Scherben von Bierflaschen. Eine Ratte sitzt auf dem Tisch. Nagt an einem Laib Brot, der seine besten Jahre bereits hinter sich gehabt hat. Die Ratte starrt mich empört an.
„Bleib ruhig sitzen“, sage ich und schaue mich in der Küche um. Dann rupft sie weiter an ihrer trockenen Mahlzeit herum, beobachtet mich dennoch hin und wieder auf meinem Weg, als würde sie mich höflich darum bitten wollen, zu gehen, oder hier wenigstens nichts anzufassen.
Ich rufe noch ein weiteres Mal: "Hallo", diesmal lauter. Niemand antwortet mir. Die Glühbirne im Flur geht aus.
Er ist vermutlich oben, denke ich, werfe allerdings trotzdem noch einen Blick in die dunkle Hausstube. Ich habe ich die Ohren meines Vaters. Die zwei nützlichsten Löcher im Kopf. Ich brauche kein Licht.
Hinter mir knarrt irgendetwas. Eine Bodendiele. Aber das Geräusch ist noch nicht nahe, also drehe ich mich nicht um, sondern betrachte stattdessen die Kommode unter einem zerbrochenem Fensterglas. Die letzten Sonnenstrahlen verraten mir, dass auf der Kommode sogar mal ein echter Fernsehapparat stand. Ein vom Staub befreites Rechteck. Und nutzlose Verkabelung. Mag wohl ein Vermögen wert gewesen sein. Vermutlich von mutigen Männern geplündert. Solche Kisten sind unglaublich viel wert, selbst jetzt wo sie nicht mehr funktionieren. Es hat etwas Vornehmes an sich, einen Fernsehapparat im Haus zu haben.
Ich drehe mich um und schlage mit der flachen Hand gegen etwas sehr Weiches hinter mir. Der Mann, der versucht hat, sich an mich heranzuschleichen, fällt rücklings auf die Dielen und hustet. Ich bin mir sicher, dass es ein Mann ist, denn ich habe seinen Adamsapfel getroffen.
„Nicht!“, hechelt er aufgeregt.
Er ist einer von den Dicken. So zumindest nennt man heutzutage Menschen, die regelmäßig sehr viel essen. Das ist oft entweder ein Zeichen von Wohlstand oder aber Verschlagenheit. Oder auch ein bisschen von Beidem, denn nur wenige können es sich in letzter Zeit leisten, ein Dicker zu sein, ohne dabei jemand anderen zu einem Mageren zu machen. Und mit dem Beil in der rechten Hand wollte der Dicke sicher kein Holz hacken, deswegen tippe ich eher auf verschlagen. Ich trete ihm aufs Handgelenk und er lässt seine Waffe quiekend los.
„Wolf?“, frage ich.
Er schreit. Ich nehme meinen Stiefel von seinem Handgelenk.
„Antworte mir bitte.“
„Nein, nein, nein“, sagt er: "Nur Hausbesetzer. Töte mich nicht. Mein Vater sieht uns zu. Und seines Vaters Vater. Von da oben. Tu mir nichts."
„Du weißt, dass ein Wolf in diesem Haus nistet?“
Er nickt, dass sein Doppelkinn Beifall klatscht. „Ja, der weiß auch, dass ich hier bin. Der bewegt sich aber kaum noch. Der ist längst ausgebrannt. Der bekommt trotzdem noch seine Opfergaben vom Dorf. Der isst die aber gar nicht mehr.“
„Ist er oben?“
„Der isst nichts mehr, ich schwöre.“
„Ob er sich im oberen Geschoss befindet.“
Beifall. „Der ist oben unterm Dach, wo's warm ist.“
Dachte ich mir, denke ich mir, und nicke. „Du, Dicker, geh ins Dorf zurück. Es wird hier in Zukunft keine Opferschalen mehr geben. Der Wolf ist bereits ausgezogen. Ich muss es dem Wolf nur noch irgendwie schonend beibringen.“
Der Dicke rappelt sich hektisch auf und verbeugt sich tief vor mir. Mehrere Male. Dann verschwindet er im Laufschritt. In einem Tempo, dass ich ihm niemals zugetraut hätte. Die Haustür schlägt so hart in den Rahmen, dass ein gerahmtes Bild von der Wand fällt, gibt aber dennoch keinerlei vernehmbares Geräusch von sich. Fauler Zauber.
Als ich die Treppe hinaufsteige, höre ich bereits ein leises Atmen. Die Wände und der Boden sind übersät mit Kratzspuren und der Gestank dringt mir mit jeder Stufe aufdringlicher in die Nase. Man könnte die Luft hier anschneiden. Schrecken aus der alten Zeit haben oft ein Alkoholproblem und leiden nicht selten mitunter an starken Krämpfen, Verfolgungswahn, Depression, Schizophrenie, sowohl visuellen als auch auditiven Wahnvorstellungen und – so albern es auch klingen mag – an grausamem Durchfall und Erbrechen. Und ich verzichte daher darauf, im Detail zu beschreiben, wie der Boden unter meinen Füßen aussieht. Aber ich krempel meine Hosenbeine ein Stück höher.
Ein Geflüster, das vermutlich aus dem Zimmer am Ende des Flurs kommt. Ich höre jedes Wort. Nur Nonsens. Es könnten ungewöhnliche Zauberformeln sein oder die Werbeslogans aus der alten Zeit. Zumindest höre ich immer wieder das Wort cocacola heraus, dass ich noch aus den Geschichten kenne. Schwer zu sagen.
„Hörst du mich, Wolf?“, frage ich. Das Geflüster bricht ab und die leisen Atemstöße hyperventilieren für einige Sekunden.
„Du musst keine Angst haben. Nicht mehr.“
Die Wände beginnen zu zittern. Ich sehe unzählige Spinnen, die an den Deckenbalken über mir umherkrabbeln. Eine Kleinere seilt sich zu mir hinab und setzt sich auf meinen Handrücken. Ich lasse sie. Selbst wenn sie real wäre, ich habe keine Angst vor Spinnen. Aber ich weiß auch, dass Spinnen auf engem Raum zu Kannibalismus neigen und diese immense Population über mir wirkt mehr als überspitzt.
Dann spricht er endlich zu mir. Zumindest versucht er mit seinen Stimmbändern, soetwas nachzuahmen, was dem Hochdeutsch ähnelt. Es kommt aus dem Zimmer am Ende des Flurs.
„Hier ist ein großer, böser Wolf“, sagt er und wartet gespannt meine Reaktion ab. Seine Stimme ist so trocken und heiser, dass sie klingt, als würde man zwei Kaminholzscheite aneinander reiben.
„Und hier ist nur ein Mann, großer, böser Wolf“, sage ich so friedlich wie möglich: „Habe also keine Angst vor mir.“
Die Spinnen sind weg. Als hätten sie sich allesamt in Luft aufgelöst.
Ein hysterisches Lachen aus dem Zimmer vor mir. Vermutlich sein Schlafzimmer. Der Wolf scheint in den vergangenen Jahren des Siechtums viel von seinem Verstand eingebüßt zu haben. Es ist ein gequältes Lachen, dass jemand von sich geben mag, der mit dem Kopf immer wieder gegen eine Betonwand rennt.
„Wie ist dein richtiger Name, großer Böser?“ Ich nähere mich dem Schlafzimmer. Die Tür steht halb offen und ich frage mich gerade, ob dieser Teufel doch noch genug Grips in seinen alten Knochen aufbringen kann, um mir einen Angriff entgegenzusetzen, den ich nicht kommen sehe. Er könnte an der Decke hängen. Oder seine Farbe der Umgebung anpassen. Der Wolf antwortet nicht mehr, sondern lacht weiter und spricht hin und wieder in für mich unverständlichen Zungen: „... don't stop me now … i'm having such a good time .... amazon prime … draw me like one of your french girls ... just do it … better to burn out than ... mcdonalds … since this gate was made for you … i am now going to shut it … i am glad you are here with me … here at the end of all things, sam ...“
Ich hoffte zwar darauf, dass er mit diesem uralten Kauderwelsch aufhört, wenn ich ihn nur lange genug faseln ließe, bis ihm die Stimme versagt, aber er scheint mir dadurch eher nur noch mehr auf Touren zu kommen, daher spreche ich so laut ich kann über seine schwarzmagischen Floskeln hinweg.
„Wenn du mir deinen nicht verrätst, sollst du meinen Namen erfahren, großer Böser. Ich glaube du kennst ihn bereits, denn es ist stets der selbe Name am Anfang und am Ende jedes Tunnels, den du gräbst. Und ich besitze diesen Namen nicht, sondern trage ihn nur.“
Ich öffne die Zimmertür und stelle mich vor, und wie ich das altbekannte Mantra aufsage, durchfährt es mich, dass ich es vermutlich zum letzten Mal aufsagen werde. Der letzte lebende Schatten. Ich werde normalerweise vor Feierabend nicht melancholisch, aber der Gedanke stimmt mich traurig.
„Mein Name ist Licht“, sage ich. „Das bedeutet in der alten Sprache so viel wie: Der, der sich den Dingen stellt, die einen Schatten werfen. Und dein Schatten ist lang, großer Böser. Lass nun gut sein. Es ist vorbei.“
Im Schlafzimmer, das sich mir offenbart, liegt lediglich eine große Matratze auf dem Boden, anstelle eines richtigen Bettes, mit einem durchnässtem Laken bespannt. Und jetzt sehe ich die mitleidserregenden Überreste des letzten, stolzen Schreckens dieser Welt. Die Pointe des allerletzten Horrors, vor dem die Menschheit dennoch glaubt, sich zu fürchten. Die Fenster sind mit Brettern verbarrikadiert. Kupferne Lichtlinien legen sich wie glühende Brennstäbe über den Boden vor der Matratze.
Er sitzt unter dem Laken. Und steckt zur Hälfte innerhalb seiner Matratze. Hat sich ein Loch zwischen die Metallfedern gegraben und seinen Körper hineingezwängt, um sich zu verstecken. Kopf und Brust lugen noch hinaus, zeichnen sich schweißnass unter dem dreckigen Laken ab. Die eingefallenen Wangen blähen sich hinter dem Stoff auf, wenn er spricht. Der Mund steht offen und klappt hin und wieder ruckartig zu. Er sieht aus wie eine zuckende Büste unter einem straff gespanntem Leichentuch. Der letzte Schatten dieser Welt ist in Wahrheit nur noch ein Schatten seiner selbst.
Und es stinkt so sehr in diesem Raum, dass mir schlecht wird.
Er brüllt mir seinen Nonsens entgegen, wankt unter dem Laken vor und zurück. Er artikuliert etwas wie: „... Wolf ... Korpus ... Wolf ... Korpus … Mama ...“ Doch diese Worte scheinen jeglicher Macht entledigt, die sie einst für dieses traurige Wesen besessen haben könnten.
Als ich mich mit dem Messer nähere, werden seine Bewegungen rasender. Möglicherweise ist es doch echtes Silber, was der alte Erbsenschlucker da draußen aufgetrieben hat. Aber ich will das Ding in der Matratze nicht unnötig quälen. Meine Finger umschließen den kostbaren Tand und ich lege das Messer behutsam auf den Dielenboden. Und der große, böse Wolf beruhigt sich ein wenig.
Ich versuche mit ihm zu reden, drehe mir eine Zigarette und rauche sie, setze mich im Schneidersitz auf den Boden, vor die Matratze, spreche leise und schwerfällig, als wenn ich einem Neugeborenem eine Gutenachtgeschichte erzähle. Doch es nützt nichts. Der letzte, lebende Werwolf unserer Welt will sich unter keinen Umständen von mir hinter dem Ohr kraulen lassen. Er bellt mich an und der Spannbezug vor dem Mund des Dings färbt sich allmählich schwarz von seinem Speichel.
Ich atme tief durch und schließe die Augen. „Na gut. Dann geh im Schrecken, wenn es dein Wunsch ist. Niemand sollte so gehen müssen, wie er auf die Welt kommt. Ich wünsche dir dennoch eine gute Reise.“
Er heult. Ich höre es deutlich. Das ist kein Lachen und kein Gebell mehr, sondern nur noch ein trockenes Jammern. Wenigstens scheint er doch noch einzusehen, das es jetzt wohl zu ende ist.
Ich reibe meine Hände aneinander warm, bevor ich aufstehe und mich über die Matratze beuge. Er schnappt nach mir.
„Lass gut sein, großer Wolf“, sage ich. Dann nehme ich den Kopf des Wesens vorsichtig in beide Hände.
Und er wird still. Er hat vermutlich in seinem jahrhundertelangem Dahinsiechen keine einzige so sanfte Berührung erlebt und vergessen, wie heiß die Körperwärme zweier magieloser Handflächen sein kann.
Er spricht ganz leise zu mir. Er kennt die Worte nicht richtig, doch ich verstehe ihn: „Ich möchte noch nicht.“
Ich antworte: „Ich weiß. Das möchte nie jemand.“
Ich setze dazu an, dem Ding den Kopf umzudrehen. Doch so wie Eis auf einer Herdplatte zerfließt, zerläuft das Gesicht des Wesens in die Matratze hinein, bis meine schwieligen Hände nur noch den Saum des geschwärzten Bettlakens in den Händen halten. Vor Angst gestorben. Mehr war nicht nötig. Und das war es dann mit dem letzten, großen Schrecken. „Gute Nacht.“
Als ich herauskomme, wartet der Alte bereits am Waldrand, fischt sich eine weitere Erbse aus seiner Konservendose.
„Das war's?“, fragt er.
„Das war's“, sage ich. Ich schaue ihm nicht in die Augen. Ich will diese lila Augenringe nicht sehen.
Er pustet Luft durch die Nasenflügel, als wenn er lachen wollte, aber vergessen hat, wie man die Mundwinkel bewegt.
„Wie war er?“, fragt der Alte aufgeregt. „Der letzte, große Schrecken, wie hat er ausgesehen?“
Ich überlege und antworte ehrlich: „Schrecklich.“
Der Mann weitet die Augen, betrachtet mich mit ehrfürchtigem Staunen und sagt: „Unglaublich.“
Und irgendetwas sagt mir, dass der Mann vielleicht nicht recht begriffen hat, was ich mit meiner Antwort sagen wollte. Aber es kümmert mich nicht mehr, denn mein Feierabend hat begonnen. Endlich ist es getan.
„Jetzt können sich die Menschen wohl nur noch gegenseitig Angst einjagen, was Langer?“ Er stößt mir belustigt mit seinem Ellenbogen in die Seite.
Ich nicke. Gebe ihm sein teures Messer zurück.
„Darauf wird es wohl hinauslaufen.“
Die Sonne geht hinter den langen Bäumen unter und die Schatten, die deren Stämme auf den Boden werfen, sind dünn.