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Haunstetten 1991

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02.11.2001
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Haunstetten 1991

Dome sah ihn als erster. „Der Buckel kommt. Wird auch Zeit.“
„Servus.“ Mit grimmigem Gesicht stellte Buckel seinen Rucksack auf der Parkbank ab und grüßte Dome, Bela und Elli mit Spezialhandschlag. Dann setzte er sich zu seinen Freunden auf die Rückenlehne und streckte die schlaksigen Beine aus.
„Was kommst denn scho wieder so spät?“, fragte Dome.
Buckel spuckte auf den Boden. „Die Brunzi wieder. Irgendwann hau ich der mal eine rein, echt.“
„Was war?“
„Ich wollt grad gehen, da sagt die zu mir, ich soll mein Zimmer aufräumen. Bin ich zwölf oder was?“ Er tippte sich mit dem Finger an die Schläfe. „Die blede Blunz treibt mich in Wahnsinn.“
„Was hast gesagt?“
„Dass mich am Arsch lecken kann.“ Er öffnete den Reißverschluss des Rucksacks, holte vier Dosen Tucher heraus und verteilte das Bier an seine Freunde. „Hab ich ihr aus der Speis geklaut.“
Buckel und Dome öffneten ihre Dosen und schlürften den herausquellenden Schaum vom Büchsenrand.
„Ihr seids doch bescheuert“, meinte Elli. „Wenn man nur ein Bier hat, muss ma an Torpedo trinken.“ Sie stieß Bela mit dem Ellbogen an. „Stimmts?“
Er warf ihr einen zweifelnden Blick zu. „Keine Ahnung, echt.“
„Was jetzt? Hast noch nie an Torpedo getrunken?“
Bela zuckte mit den Schultern.
„Das gibts doch nicht. Komm, ich zeigs dir.“
Elli kramte ein Schlüsselbund aus der Tasche ihrer Jeansjacke. „Du machst hier ein Loch und hältst es gleich zu, sonst lauft dir alles davon. Dann setzt das Loch an Mund, machst oben auf und ext die Dose leer. Kriegst das hin?“
„Keine Ahnung“, antwortete Bela hilflos.
Buckel zog eine Augenbraue hoch und sah Elli abschätzig an. „Als ob du a Dose lauwarmes Bier wegexen kannst.“
Elli kniff die Augen zusammen. „Wirst du schon sehen. Los Bela, du zuerst. Hier vorn, ganz unten.“
Seufzend legte er die Dose auf die Bank und bohrte halbherzig mit einem Schlüssel auf dem Blech herum.
„Du musst fester drücken“, sagte sie. „Mit der Spitze.“
Er mühte sich, drehte den Schlüssel hin und her, und plötzlich spritzte ihm ein Strahl Bier entgegen.
„Halt zu!“, rief Dome. Schnell drückte Bela den Daumen auf die entstandene Öffnung, führte die Dose zum Mund und legte die Lippen um das Loch.
„Senkrecht halten,“ befahl Elli. „Jetzt aufmachen und schlucken!“
Er fingerte nach der Lasche und hob sie an, so dass sich das Ende in den Deckel bohrte. Seine Backen schwollen auf groteske Größe an.
„Schlucken!“, schrien seine Freunde wie aus einem Mund. Hastig schluckte Bela das Bier, das ihm mit Druck in die Kehle schoss. Seine Augen sahen aus, als wollten sie von innen gegen das Brillenglas springen. Nach wenigen Sekunden ließ er die Dose fallen, aus der sich ein schwacher gelber Strahl ergoss und in der Erde versickerte. Er krümmte sich nach vorn und kotzte eine Fontäne weißen Schaums in die Wiese. Elli und Buckel lachten, Dome schüttelte den Kopf. „Das gute Bier. Alter, das ist echt peinlich.“
Mit ruhiger Hand bohrte Elli ein Loch in ihre Dose, während Bela sich erschöpft auf die Bank fallen ließ. „Voll krass. Mir kam Schaum aus der Nase. Ich dacht, ich derstick.“
„Des übma aber noch“, meinte Buckel und kicherte. Elli hob ihre Büchse an den Mund, öffnete den Verschluss und trank in langen Zügen. Triumphierend hob sie die leere Dose. Dome strahlte sie an, Buckel nickte anerkennend, Bela zog beschämt die Mundwinkel nach unten.
Sie klopfte sich mit der Faust aufs Brustbein und rülpste laut.
„Große Töne für so ein kleines Mädchen“, meinte Buckel lachend. „Hätt nicht gedacht, dass du das schaffst. Bist scho a coole Sau.“
„Ich hab an Trick“, erwiderte sie schulterzuckend.
„Verrätst ihn mir?“
„Nein.“
„Na toll“, murmelte Bela, und Buckel grinste schadenfroh.
Dome zog ein Päckchen Tabak aus der Innentasche seiner Kutte und fing an, sich eine Zigarette zu drehen.
„Darf ich?“, fragte Elli. Er reichte ihr Papers und Tabak.
„Kann ich auch?“ Erwartungsvoll beugte Buckel sich nach vorn.
„Ich hab nicht mehr so viel.“
„Du Arsch, jetzt geiz halt nicht rum. Die Packung ist doch noch fast halb voll.“
„Ich geb dir auch immer was ab“, quengelte Bela.
Elli warf Dome einen vorwurfsvollen Blick zu. Der verdrehte die Augen und seufzte.
„Ja, okay.“
Das Mädchen drehte Zigaretten für alle und reichte ihr Feuerzeug herum. Schweigend rauchten sie und sahen zu, wie die grauen Schwaden in die Baumwipfel aufstiegen. Buckel und Dome leerten ihre Dosen.
„Mir ist langweilig.“ Mit dem Fingernagel kratzte Bela am abblätternden Lack der Parkbank herum.
„Ich bin dafür, dass Buckel uns mehr Bier kaufen geht“, schlug Dome vor.
„Hast Geld?“, fragte Elli, und Dome kramte in seinen Taschen herum. „Nur Kleingeld. Zwei fuffzig. Ihr?“
Alle standen auf, suchten in Jacken- und Hosentaschen und legten Münzen in Domes Hände, der konzentriert mitzählte.
„Neun Mark achtundsechzig. Das ist doch armselig. Hättsch der Brunzi nicht was klauen können?“
„Hab ich Bier mitgebracht oder was?“, entgegnete Buckel beleidigt.
Belas Miene hellte sich auf. „Wie wärs, wenn wir was zum Rauchen kaufen?“
Buckel schlug ihm mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. „Du Depp, das sind nicht mal zehn Mark, wo willst denn dafür was zum Dampfen kaufen?“
„Selber Depp!“ Bela stieß Buckel mit beiden Händen vor die Brust. Der nahm ihn in den Schwitzkasten, und der Kleinere wehrte sich nach Leibeskräften.
„Ich weiß, wo wir was herkriegen“, sagte Dome ruhig, und die beiden Jungs hörten auf zu raufen. Zufrieden grinste Dome in die Runde. Bela setzte sich die Brille, die nur noch an einem Ohr hing, wieder auf und murmelte: „Arsch.“ Buckel boxte ihm leicht auf den Arm.
„Der Widmann“, sagte Dome, „der ist voll in die Elli verknallt. Ihr vercheckt er sicher was.“
Alle Augen richteten sich auf die Fünfzehnjährige, die sich in der Aufmerksamkeit sonnte.
„Widmann?“, fragte Bela. „Das ist doch dieser Metaller. Geht der nicht auch auf die Albert-Einstein?“
„Metaller ja, Einstein nein“, antwortete Dome. „Der war auf der Königsbrunner Real. Ist letztes Jahr abgegangen. Vercheckt und macht Saukohle damit. Der ist fast achzehn und hat eine eigene Wohnung. Mit einer weißen Ledercouch und einer Glasvitrine, voll mit Bongs und einer fetten Blubber. Echt cool.“
„Ist das der mit den süchtigen Katzen?“, fragte Bela.
„Süchtige Katzen?“ Dome schüttelte den Kopf. „So ein Schmarrn.“
„Da gibts an Typen, der hat zwei Katzen, und die sind süchtig“, erzählte Bela aufgeregt. „Der hat eine riesige Glasblubber, wennst die ansetzt, kommen die Katzen und wollen angepustet werden!“
„Erzähl doch kein Scheiß“, sagte Buckel.
„Der Käs hats mir erzählt. Der war selber da.“
„Der Käs labert viel, wenn der Tag lang ist.“
„Des stimmt schon.“ Elli verschränkte die Arme vor der Brust und richtete sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter fünfzig auf. „Ich war schon mal bei dem. Keine Ahnung, wie der heißt, der wohnt am Königsplatz, gleich neben der Brezn. Die Katzen sind dauerbekifft, voll geil drauf, sich mit Blubberrauch anpusten zu lassen. Hängen mit den Nasen an deinem Mund, wenn du ziehst, und wenn du die dann anbläst, legens die Ohren an, schnaufen und ziehen die Lefzen hoch. Voll gruselig.“
Dome und Bela lauschten fasziniert ihrer Schilderung.
„Der Kater von der Manu hat mal ein Stück Piece gefressen“, behauptete Bela. „Danach konnt der nicht mehr grad sitzen, voll Schlagseite. Ist nie mehr nüchtern geworden. Katzen können das Zeug nicht abbauen.“
Buckel rülpste und stand auf.
„Was ist jetzt? Gehma zum Widmann oder nicht?“

„Ja?“, ertönte eine blecherne Stimme aus der Gegensprechanlage. Buckel gab Elli einen leichten Schubs.
„Ich bins, die Elli.“
Der Summer ertönte, und Dome schob die schmucklose Eingangstür auf. Als sie die Treppen zum ersten Stock hochstiegen, erwartete der Widmann sie bereits in der Wohnungstür. Er trug ein Mayhem-T-Shirt, blondes, dauergewelltes Haar fiel ihm auf die Schultern, und mit etwas gutem Willen konnte man den Flaum, der um seinen Mund herum spross, durchaus als Bart bezeichnen. Als er Elli sah, grinste er lässig.
„Ja Servus!“, sagte er und umarmte das Mädchen, das ihm gerade bis zur Brust reichte. „Komm rein.“
Elli trat an ihm vorbei in die Wohnung. Dome wollte ihr folgen, doch Widmann stellte sich ihm in den Weg. Er hatte breite Schultern und überragte den Jungen um einen Kopf. „Ihr nicht, ihr Kaschper. Schleichts euch, aber fix. Was sollen meine Nachbarn denken, wenn hier so ein Gschwerl im Hausgang rumhängt.“
Er schlug ihnen die Wohnungstür vor der Nase zu, und die Jungen trotteten gedemütigt die Treppe hinunter.

Elli setzte sich auf die weiße Kunstledercouch, Widmann fläzte sich in den Sessel. „Was verschafft mir die Ehre?“
„Wir wollten Piece kaufen. Ich hab aber nur an knappen Zehner.“
Widmann lächelte schief. „Kein Stress. Erstmal gemütlich an Köcher ziehen.“
Aus einer Holzschatulle nahm er einen grau-grünen Riegel, brach ein Stück ab und bröselte die Masse mit den Fingern auf den gefliesten Wohnzimmertisch. Elli beugte sich vor.
„Musst du das gar nicht heiß machen?“
„Das ist Pollen, den kannst du so brocken. Geiles Zeug, ganz frisch aus Amsterdam.“
Fasziniert sah sie ihm zu. „Ätzend.“
„Des kannst laut sagen. Wenigstens für eins sind die Holländer gut.“
Gemächlich brach er das Papier einer Zigarette auf und vermischte den Tabak sorgfältig mit dem Haschisch. Dann holte er eine große, schwarze Bong aus der Vitrine und stopfte einen Teil der Mischung in den Metallköcher. Lautes Blubbern ertönte, als er langsam anzog. Dann öffnete er das Schussloch, sog den Rauch aus dem Rohr und hielt die Luft an. Mit großzügiger Geste schob er Elli Bong und Feuerzeug hinüber, ließ sich schwer in die Kissen des Sessels sinken und pustete mit geschlossenen Augen eine gewaltige Rauchwolke in Richtung Zimmerdecke.
Elli stopfte eine wohldosierte Menge Mischung in den Köcher und drückte sie fest. Sie atmete zweimal tief ein, dann kräftig aus und setzte die Bong an. Langsam zog sie an, während sie die Flamme des Feuerzeugs über die Tabak-Dope-Mischung hielt. Widmann beobachtete sie aufmerksam. Als der Rauch an ihrem Mund angelangt war, atmete sie durch die Nase aus, zog dann kräftig an und sah zu, wie die Glut im Kopf schrumpfte. Die letzten Aschekrümel verschwanden in dem kleinen Metallrohr, sie ließ das Schussloch los und zog den restlichen Rauch in ihre Lunge. Widmann hob verblüfft die Augenbrauen, während Elli den Qualm ausblies und sich Mühe gab, nicht zu husten.
„Ich kenn kein Mädel, das den Boss auf einen Zug schafft. Respekt!“
„Ich hab an Trick“, krächzte Elli, schloss die Augen und genoss die Karussellfahrt und das Gefühl, mit Nachdruck in die Couch gepresst zu werden.

Nervös trat Dome von einem Fuß auf den anderen.
„Mann, wie lang braucht die denn?“
„Denkt ihr, die ficken?“, feixte Buckel.
„Hast du den Arsch offen?“ Dome funkelte ihn wütend an. „Die ficken doch nicht.“
„Wieso nicht? Die Elli war schon mindestens mit drei Typen im Bett. Und der Widmann schaut doch gut aus. Groß, Muskeln und alles. Nicht so a kleine fette Pickelfresse wie du.“
Zornig ballte Dome die Fäuste. Seine Lippen waren nur noch zwei blasse Striche.
„Die ficken nicht“, sagte er leise. „Die Elli ist doch keine Nutte.“
„Naja, ich hab da ein paar Geschichten gehört ...“
„Halt bloß die Fresse, du Arsch!“
Buckel schmunzelte, dann klopfte er seinem Freund auf die Schulter. „Hey, jetzt sei nicht gleich beleidigt. Ich mach doch nur Spaß.“

„Der Hammer, des Zeug“, nuschelte Elli. Sie griff in ihre Jackentasche und fing an, Münzen auf den Tisch zu schaufeln.
„Lass mal, des passt scho.“ Widmann winkte ab. Er öffnete die Schatulle, holte ein kleines, in Alufolie gewickeltes Päckchen heraus und legte es vor Elli auf den Tisch. „Schenk ich dir.“
„Danke“, sagte sie lächelnd.
„Kein Ding. Ich hab noch was für dich.“ Er holte einen durchsichtigen Plastikbeutel aus dem Kästchen, der mit gelben Löschpapierschnipseln gefüllt war. Vorsichtig holte er ein Papierstückchen heraus, auf dem ein Smileygesicht aufgedruckt war, und schnitt es mit einer Schere in der Mitte durch.
„Schon mal Acid probiert?“
„Ne.“
„Ein halber reicht. Du bist a Zwerg. Was wiegst? Fünfundvierzig Kilo?“
„Zweiundvierzig.“
„Alles klar. Ein halber. Mach A.“
Als er das Löschpapierstückchen auf ihre Zunge legte, schloss sie schnell den Mund und saugte leicht an seinem Finger. Langsam zog er ihn zwischen ihren Lippen heraus und biss sich auf die Unterlippe.
„Du machst mich echt fertig. Darf ich dich küssen?“
„Nein.“
„Dann halt nicht.“ Er seufzte. „Kannst jederzeit vorbeikommen, aber die andern Deppen lass beim nächsten Mal daheim.“
„Das sind meine Freunde.“
Widmann zuckte mit den Schultern. „Wie auch immer.“
An der Tür umarmte er sie noch einmal.
„Viel Spaß mit dem Teil. Wenn was ist ... Naja, weißt ja, wo ich bin.“
„Nochmal Danke.“
„Passt scho. Bis dann.“

Buckel, der schon sechzehn war und einen Ausweis hatte, erhielt die Aufgabe, von dem gesparten Geld Bier zu kaufen. Anschließend machten sie sich auf den Weg zurück zum Park.
„Was hast’n gmacht, dass der Widmann dir das geschenkt hat?“, fragte er. „Einen geblasen?“
Elli verdrehte die Augen.
„Depp“, murmelte Bela.
„Volldepp“, sagte Dome.
Die Nacht war hereingebrochen, und es wurde kühl. Buckel trank seine Dose leer und warf sie achtlos hinter die Parkbank. „Ich bau einen.“
„Vergiss es“, erwiderte Elli. „Ich bau.“
Sorgfältig klebte sie drei Blättchen zusammen, rollte einen preisverdächtigen Joint und zündete ihn an. Während sie rauchte, fiel ihr auf, dass sie jedes einzelne Blatt der Bäume erkennen konnte, die in völliger Dunkelheit am anderen Ende des weitläufigen Parks standen. Fasziniert beobachtete sie, wie das Laub sich leicht im Wind wiegte. Sie gab den Joint an Bela weiter, Dome öffnete ein Bier und reichte es ihr.
„Ich weiß an Witz“, verkündete Buckel und blickte stolz in die Runde.
„Na dann los, dass mas hinter uns ham“, meinte Dome genervt.
„Drei Kiffer sitzen auf einer Bank. Fahrt ein Auto vorbei. A halbe Stunde später sagt der erste: Ey, war des ein Opel? A halbe Stunde später sagt der zweite: Na, ich glaub, des war ein VW. Noch a halbe Stunde später sagt der dritte: Ich hau ab, ihr seids mir zu stressig.“
Dome prustete los, Bela verschluckte sich an seinem Bier, hustete heftig, bekam einen dunklen Kopf und rang nach Luft. Dann kotzte er einen Schwall weißen Schaum vor die Bank. Die beiden anderen Jungen grölten vor Lachen.
„Des gibts doch nicht“, jammerte Bela.
Elli betrachtete indessen entzückt ihre Hände, die von innen heraus sanft leuchteten und pulsierten. Verstohlen warf Dome ihr einen Seitenblick zu. Ihr Haar glänzte im Licht der Parklaternen.
„Wieso schneidst dir eigentlich keinen Undercut?“
„Zu dünne Haare“, antwortete sie. „Das sieht scheiße aus.“
„Die Kerstin hat auch dünne Haare und einen Undercut.“
„Ja, und es sieht scheiße aus.“
„Find ich nicht“, murmelte er leise. Seine Hand zitterte ganz leicht, als er eine ihrer Haarsträhnen zwischen seinen Fingern hindurchgleiten ließ. „Mir würds gefallen.“
„Ich muss pinkeln.“ Abrupt stand sie auf und ging weiter in den Park hinein. Hier brannten kaum Lampen, und samtene Dunkelheit umschloss sie. Hinter einer alten Linde zog Elli sich die Hose herunter und hockte sich hin. Der Baum lächelte, flüsterte ihr leise Grüße zu und umschmeichelte sie mit Komplimenten. Als sie fertig war und aufstehen wollte, verlor sie das Gleichgewicht und fiel ins weiche Gras, die Hose noch um die Knie. In sanften blaugrünen Wogen umspülte die Wiese sie und rauschte laut. Gischt stob über sie hinweg. Es hatte nichts Unangenehmes an sich, als sie den Kopf zur Seite drehte und sich auf ihre Haare übergab, die sich wie Algen in den Wellen wiegten. Vorsichtig streckte die Linde ihre Wurzeln aus dem kühlen Erdreich und umarmte sie entschlossen.

 
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„Ich muss pinkeln.“ Abrupt stand sie auf und ging weiter in den Park hinein. Hier brannten kaum Lampen, und samtene Dunkelheit umschloss sie. Hinter einer alten Linde zog Elli sich die Hose herunter und hockte sich hin. Der Baum lächelte, flüsterte ihr leise Grüße zu und umschmeichelte sie mit Komplimenten. Als sie fertig war und aufstehen wollte, verlor sie das Gleichgewicht und fiel ins weiche Gras, die Hose noch um die Knie. In sanften blaugrünen Wogen umspülte die Wiese sie und rauschte laut. Gischt stob über sie hinweg. Es hatte nichts Unangenehmes an sich, als sie den Kopf zur Seite drehte und sich auf ihre Haare übergab, die sich wie Algen in den Wellen wiegten. Vorsichtig streckte die Linde ihre Wurzeln aus dem kühlen Erdreich und umarmte sie entschlossen.

Dieser letzte Absatz ist wirklich wunderschön geschrieben, raven, und fast will ich sagen, dass er mich für die Geschichte davor entschädigt hat. Also nicht, dass ich die Geschichte nicht gut geschrieben fände, im Gegenteil, die Dialoge klingen großteils recht authentisch, überhaupt wirkt die ganze Interaktion der Figuren glaubwürdig. Aber, nun ja, das was sie tun, besser gesagt nicht tun, und das was sie reden hat mich nicht unbedingt an den Fingernägeln kauen lassen. Jugendliches Herumalbern, Biertrinken, Kiffen, und darüber hinaus die Zeit totschlagen ist halt nicht wirklich ein spannendes Thema. (Sofern man nicht selbst ein Jugendlicher ist und dann vermutlich genau diese Sachen für den abgefahrensten Scheiß schlechthin halten würde. :D)
Also was ich sagen will, irgendwie fehlt mir was an der Geschichte. Nicht unbedingt eine Message, aber mir bleiben die Figuren und die ganze Situation zu skizzenhaft, und ehrlich gesagt gab mir der Text letztlich auch nicht viel zum Nachdenken. Mal abgesehen von den letzten Sätzen, wo ich mir eventuell den Kopf darüber zerbrechen kann, ob Elli jetzt gar abkratzt.
Aber ein kleines Lesevergnügen war es mir allemal.

offshore

 
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Danke für deinen Kommentar, offshore!

Ich tu mich immer etwas schwer mit Dialogen, ich versuche meist feige, sie so weit wie möglich zu reduzieren, deswegen wollte ich mich mal stellen und eine Geschichte schreiben, die zum Großteil aus Dialogen besteht. Wenn sie authentisch sind, dann freut mich das wirklich sehr, da meine Figurenzeichnung ja auch fast ausschließlich darauf beruht.

Dass die Figuren und Szenen nur skizzenhaft rüberkommen, finde ich schade. Ich selbst hab meine Protas natürlich sehr lebendig und detailiert im Kopf - blöd, wenn ich es nicht schaffe, sie auch im Kopf des Lesers lebendig zu machen.

Eine Message sollte der Text schon enthalten. Naja.
Ich überleg noch, ob ich leicht angekratzt-ehrgeizig tiefgehender an der Geschichte feilen oder sie als gelungene Fingerübung zum Thema Dialog sehen sollte. Mal sehen. ;)

Schönen Abend wünsch ich!

 

„Wieso nicht? Die Elli war schon mindestens mit drei im Bett. Und der Widmann schaut doch gut aus. Groß, Muskeln und alles. Nicht so a kleine fette Pickelfresse wie du.“

Ist das mehr Jugendsprache (wie bei uns im Pott um diese Zeit, also in den 1990-ern, etwa das Kanakdeutsch, Typ „isch fahr bahnhof“, Sozio- oder Dialekt wie bei uns das Ruhrlatein in seinen vulgären und hochsprachlichen Varianten, Typ „isch faama bahnhoff“ oder „ich fah’ ma’an’n bahnhof“ …?). Oder einfach nur ein bairischer Dialekt, wie man ihn auch in Wien finden kann, wenn auch nicht mehr bei Qualtinger. Auf jeden Fall hat’s mir gefallen,

liebe raven -
Gute Fee und Wiederholungstäterin,
schön, dass Du rückfällig geworden bist -

dabei hätt ich von Dir nach dem Studium Deines Profils eher ein sächsisches Idiom erwartet. Und der Höhepunkt ist – wie kann’s bei mir anders sein? – wie bei ernst der Schlussabsatz, wie sich das in der Kulturindustrie erwarten darf – aber auch richtig gut, Grund genug für mich, mal in Dein Frühwerk demnächst reinzuschau’n.

Warum erwähn ich „Jugendsprache“? Weil sie sich nicht um Grammatik schert. Beispiel, der Satz über Elli, der wenigstens drei Varianten zulässt Die Elli war schon mindestens mit drei [Varianten/Variationen über ein Thema] im Bett:

Die Elli war schon mindestens mit drei[en] im Bett. // Die Elli war schon mindestens mit drei [Kerlen (Weibern?)] im Bett. // Die Elli war schon mindestens mit drei [Jahren] im Bett.

Dass ernst mir nicht die Kleinarbeit angenommen hat, hätt ich nun nicht erwartet. Er wird nachlässig … fürcht ich.

Den Abschluss der wörtl. Rede vom Typ

„Halt zu!“[,] rief Dome.
und
„Schlucken!“[,] schrien seine Freunde
gelingt Dir an sich, aber Flüchtigkeit schon am Anfang will ich erst gar nicht unterstellen.

… fallen, aus der sich ein schwacher[,] gelber Strahl ergoss und …
(bloße Aufzählung gleichrangiger Adjektive, die gefahrlos auch durch eine allseits beliebte Konjunktion verbunden werden könnten, ohne dass die Aussage des Satzes zu Schaden käme)

… und kotzte eine Fontäne weißen Schaum in die Wiese.
(Hier sträubt sich mein Innerstes und ruft „rette den Genitiv!", er steht auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Besser [… kotzte eine Fontäne (des) weißen Schaumes in die Wiese.] Hätten übrigens die Jugendlichen das in wörtl. Rede erzählt, wär’s an meinem Innersten vorbeimarschiert. Wär ja kein Pidgin.)

„Ja, ok.“
Ja, Angloamerikanisch, eingeteutscht* o. k., da wär dann okay einen Tastenanschlag kürzer, aber das okey-dokey der kleinen Strolche aus den 1930ern mir viel sympathischer

Und dann – vllt. als Alibifunktion – der einzige Rechtschreibfehler (was selbst mir selten bei Texten der Länge gelingt)

… während Elli den Qualm ausbließ und …
(Was ich auch so stehn lass, weils Dich ehrt, einen vor der Abschaffung stehenden Buchstaben zu verwenden, denn korrekt heißt es - da schließt sich nun der Kreis zum Eingangszitat oder könnte es doch zumindest – in der Kette blasen – blies – geblasen)

Er öffnete die Schatulle, holte ein kleines[,] in Alufolie gewickeltes Päckchen heraus und legte es vor Elli auf den Tisch.

Kommen wir zum Abschluss (mich dürstet!, wenn auch nicht am Kreuz): Wieder einen Witz – buchstäblich – erfahren, den ich bisher nicht kannte (die meisten wundern sich, natürlich in Live, warum ich nicht lache, hier grins ich zumindest)

„Drei Kiffer sitzen auf einer Bank. Fahrt ein Auto vorbei. A halbe Stunde später sagt der erste: Ey, war des ein Opel? A halbe Stunde später sagt der zweite: Na, ich glaub, des war ein VW. Noch a halbe Stunde später sagt der dritte: Ich hau ab, ihr seids mir zu stressig.“

Erinnert mich, grundlos eigentlich, wenn auch in volkstümlicher Form, an den Witz unter Mathematikern (oder denen, die mit angewandter Mathe zu tun haben): Es gibt drei Arten von Vorgesetzten: Die einen können bis drei zählen. (Da fällt mir unterm Plaudern auf, dass ich nix übern Konjunktiv verloren hab. Das werd ich gewisslich bald nachholen!, wenn auch heute nicht mehr!)

Bis dann

Friedel

* nicht mal entlehnt, denn dann stünde da nicht o. k. (lautschriftlich [o’ka:] nach teutscher Lautung, siehe die ersten Kapitel der Duden Grammatik), sondern tatsächlich o. kai. Schließlich beruft sich seit einiger Zeit auch die Teutschlehrerschaft auf das Gebot, Du sollst schreiben wie Du sprichst. Was als einziger – so weit ich weiß – ein Österreicher angegriffen hat: Karl Kraus!

 

Hallo lieber Friedel,

ich freu mich, dass du zu meiner kleinen Geschichte gefunden hast. :)
Sehr aufmerksam hast du gelesen, Danke für das Heraussuchen der Fehler.


Ist das mehr Jugendsprache (wie bei uns im Pott um diese Zeit, also in den 1990-ern, etwa das Kanakdeutsch, Typ „isch fahr bahnhof“, Sozio- oder Dialekt wie bei uns das Ruhrlatein in seinen vulgären und hochsprachlichen Varianten, Typ „isch faama bahnhoff“ oder „ich fah’ ma’an’n bahnhof“ …?). Oder einfach nur ein bairischer Dialekt, wie man ihn auch in Wien finden kann, wenn auch nicht mehr bei Qualtinger.

Das ist augsburgerischer Dialekt, eine Mischung aus Bayrisch und Schwäbisch. :) Ich lebe hier nur im sächsischen Exil.

Warum erwähn ich „Jugendsprache“? Weil sie sich nicht um Grammatik schert. Beispiel, der Satz über Elli, der wenigstens drei Varianten zulässt Die Elli war schon mindestens mit drei [Varianten/Variationen über ein Thema] im Bett:

Das ist dem Dialekt geschuldet. Ich habe mich bemüht, seine wichtigsten Eigenheiten einzubringen,
ohne die Nerven des nicht-bayrischen Lesers überzustrapazieren. "Mit dreien" käme einem Augsburger nicht über die Lippen, drei Typen hatte ich ursprünglich, ich weiß selbst nicht, wieso ich's geändert hab.

Die vergessenen Kommas faszinieren mich ja. Ich bin so pingelig, aber man übersieht irgendwie doch immer etwas.

(bloße Aufzählung gleichrangiger Adjektive, die gefahrlos auch durch eine allseits beliebte Konjunktion verbunden werden könnten, ohne dass die Aussage des Satzes zu Schaden käme)
Ich sehe den gelben Strahl dudenkonform als feste Verbindung aus Substantiv und Adjektiv, die durch das Attribut "schwach" näher bestimmt wird. Um es trotziger ausdrücken: Gefühlsmäßig würde mich da ein Komma stören. ;)

(Hier sträubt sich mein Innerstes und ruft „rette den Genitiv!", er steht auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Besser [… kotzte eine Fontäne (des) weißen Schaumes in die Wiese.]
Ich bin immer dafür, dem Genitiv zu geben, was des Genitivs ist, auch wenn es in manchen Fällen, wie hier, in meinen Ohren leicht gestelzt klingt.

Ja, Angloamerikanisch, eingeteutscht* o. k., da wär dann okay einen Tastenanschlag kürzer, aber das okey-dokey der kleinen Strolche aus den 1930ern mir viel sympathischer
Ich kann mir das einfach nicht abgewöhnen, obwohl ich das erst kürzlich nochmal nachgeschlagen habe. Großgeschrieben und ohne Punkte, OK, ist es übrigens auch richtig, was ich immer noch seltsam finde, aber meinetwegen.

Und dann – vllt. als Alibifunktion – der einzige Rechtschreibfehler (was selbst mir selten bei Texten der Länge gelingt)
Peinlich.

Dass du den Witz lustig findest, freut mich. Als ich ihn zum ersten Mal gehört hab, hab ich mir fast Pipi in' Schlüppi gemacht. :D

Ja, der leidige Konjunktiv. Ich werd mir mal ein Post-it an dem Monitor kleben: KONJUNKTIV!!! Damit ich beim Überarbeiten daran denke.

Vielen Dank für deine Zeit und Mühe!

Liebe Grüße
raven

 

„In ihnen tritt zugleich die Vorstellung rhythmisch bewegter Wasserflächen,
die sich dann längere Zeit behauptet, zuerst auf . Das visuelle Spiegelverhältnis
heraldischer Embleme, die verschobene Entsprechung, die ebenso wie auf
Wappen in den Spiegelbildern des Wassers begegnet, wird von der V.P. [Anm. v.
mir: Versuchsperson] mit dem Vers ausgesprochen:

»Wellen schwappen - Wappen schwellen.«

Diese Wortfolge kam als die letztlich befriedigende nach mehreren anderen
Versuchen. Die V.P.legte größtes Gewicht auf diesen Vers in der Überzeugung,
daß hier die gleiche Spiegelsymmetrie, wie sie Wappen- und Wellenbilder
beherrsche, auch in der Sprache - und zwar nicht etwa nachbildend, sondern in
originärer Identität mit dem optischen Bilde - zum Vorschein komme. …
Das Wasser beherrscht die Bildwelt weiter, die Vorstellung des Meeres, die bei
den Wellen zu Grunde lag, tritt aber nunmehr gegen die von Strömen zurück. …“
(aus: Walter Benjamin, Drogenprotokolle)​


In sanften blaugrünen Wogen umspülte die Wiese sie und rauschte laut. Gischt stob über sie hinweg. Es hatte nichts Unangenehmes an sich, als sie den Kopf zur Seite drehte und sich auf ihre Haare übergab, die sich wie Algen in den Wellen wiegten. Vorsichtig streckte die Linde ihre Wurzeln aus dem kühlen Erdreich und umarmte sie entschlossen.

Nix zu danken (vielleicht ist der Dank ja auch schon durch archäologische Ausgrabungen verflogen),

liebe Exelentin,

aber

Sehr aufmerksam hast du gelesen, …
is so a Schmarrn!
„Senkrecht halten[…]“[,] befahl Elli.
(vllt. auch mitAusrufezeichen gedacht - was ja möglich ist bei einem Befehl?)

Ja, da schaust aber!
Wo hatt ich denn die Augen scho im erschten Durchgang ghabt? Denn da is noch an richtges Pfund

Die beiden anderen Jungen grö[…]lten vor Lachen.
(grölen)
Der ist fast achzehn …
wirds „t“ verschluckt, hab ich (ich tu einfach mal so) beim letzten Mal vergessen zu fragen …

In der Sache hastu auf alle Fälle (vgl. mal meine letzten Kommentare zu barnhelms „Lösung“)

Ich sehe den gelben Strahl dudenkonform als feste Verbindung aus Substantiv und Adjektiv, die durch das Attribut „schwach“ näher bestimmt wird. Um es trotziger ausdrücken: Gefühlsmäßig würde mich da ein Komma stören.
Aber unbewusst war ich vordem schon geläutert (oder ists auch nur vorige Tage durchgegangen?)
Dann holte er eine große schwarze Bong

Dass das die letzten Flusen auf dem Teppich waren,

hofft der

Friedel

 

Hallo raven, "man liest sich" und hier bin ich. Nun, beim Lesen deiner Geschichte, oder ist es eine Erzählung, musste ich mich etwas anstrengen. Das Bayrische in Worten ist mir nicht mehr ganz so geläufig.
Und wieder die Frage, was ist es nun? Ich habe gelernt, dass eine Kurzgeschichte eine Einleitung benötigt, eine Handlung und einen offenen Schluss.

Ich befand mich mit einer Bande von Jugendlichen in einem Park. Die Sprache der jungen Menschen
empfand ich beängstigend und ungewohnt. Aber die Dialoge sind dir gut gelungen. Wahrscheinlich reden heranwachsende Kinder aus gewissen Elternhäuser so. Auch die Namen, die du gewählt hast, sind für mich befremdlich. Ausgenommen dieses Mädchen, Elli.
Sie trinken Bier, sie rauchen und ... ja was sonst?
Elli soll Geld beschaffen und besucht diesen Widmann. Jetzt wird es spannend, dachte ich. Nein, etwas Gras und eine Pille und weiter geht es in den Park zurück.
Und nun liegt Elli unter dem Baum im dichten Gras. Es wird poetisch. Dankbar sauge ich die Worte auf, Buchstaben bringen mein Innerstes zum klingen, Musik in meinen Ohren. Wunderschön, selbst Ellis vollgekotzte Haare begeistern mich. Danke für diesen Schluss, der mich für den Rest des Nachmittags begleiten wird.

Ich grüße dich!
Amelie

 
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Hallo Amelie, danke dir für deine Zeilen.
Immerhin gefällt der Schluss, das ist ja schon mal was. :) Es war mir ein Bedürfnis, diesen einen Absatz in dem, was ich als meinen Stil empfinde, unterzubringen.

Die Namen sind für mich halt typisch für Haunstetten im Jahr 1991. So gut wie jeder hatte damals so einen Spitznamen, die waren kreativ, oft lustig, manchmal gemein, und man wird sie nie los. Niemals. Der arme Käs wird einst als Käs ins Grab gehen. Allenfalls wurde man beim Nachnamen genannt, wie der Widmann. Außer Elli sind alle Spitznamen authentisch, bei den Charakteren habe ich vereinzelt Anleihen bei den realen Personen gemacht.

Ich habe einzelne Erlebnisse und Ereignisse aus meiner eigenen Jugendzeit in einem fiktiven Text mit einer fiktiven Protagonistin verwoben. In der Rückschau finde ich beängstigend, was wir damals so alles angestellt haben. So wollte ich auch mulmige Gefühle mit dieser Erzählung auslösen, Beklemmung, denn die Protagonisten sind jung, sehr jung, und die Dinge, die sie tun, diese halben Kinder, sind in meinen Augen erschreckend. Scheint aber außer mir irgendwie niemanden weiter zu stören. ;)

Mir ist hier wohl kein Kunstwerk gelungen. Ich sehe momentan kein Verbesserungspotential. Das Leben dieser Teenager plätschert öde vor sich hin, und sie saufen und nehmen Drogen, um dieser Ödnis zu entfliehen.
Ich lasse den Text vorerst ruhen, vielleicht entschließe ich mich bei Gelegenheit dazu, ihn zu ändern, um einen Spannungsbogen zu schaffen.

Liebe Grüße
raven

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe raven

Ich habe deinen Text sehr gerne gelesen. Die Dialoge finde ich unglaublich gelungen und den letzten Abschnitt wunderbar. Auch habe ich keine Mühe damit, dass in der Geschichte "nichts passiert". Ich erfahre, wie die Figuren interagieren und das macht sie mir symphatisch und ich denke, hoffentlich kriegen sie die Kurve, sie hätten es verdient. Die Mischung zwischen grober und reduzierter Sprache und liebevollem Umgang fand ich ganz toll. Womit ich Schwierigkeiten hatte: Du bringst mir die Figuren in den Dialogen wirklich nahe und dann erzeugst du eine sehr grosse Distanz in den erzählten Passagen und reisst mich wieder weg von ihnen. Ist nur so ein Eindruck. Vielleicht liegt es daran, dass du in diesen Passagen Wörter wie: "erwartungsvoll" / "wohldosiert" / "entzückt" usw. verwendest, also Begriffe, die deine Protagonisten womöglich noch nie gehört haben. Vielleicht war das ja deine Absicht, aber ich sah die Erzählerin immer ganz, ganz weit weg von ihren Figuren und hatte dabei ein ungutes Gefühl. Damit zusammen hängt mein Eindruck, dass du bei sehr vielen Handlungen angibst, wie sie ausgeführt werden. (sorgfältig, achtlos, abschätzig, verstohlen, fasziniert) Das macht die Formulierungen in der Summe etwas berechenbar. Vielleicht dürfen diese Passagen etwas von der Poesie und Stimmung des letzten Abschnitts erhalten?
Ach, ich sehe erst jetzt, dass du den Text ruhen lassen willst. Ich hoffe, du kannst mit meinen Bemerkungen trotzdem etwas anfangen. (Das war mein zweiter Kommentar, den ich je zu einem literarischen Text abgegeben habe, sei also nachsichtig).

Liebe Grüsse
Peeperkorn

 

Das war ein sehr hilfreicher Kommentar, Peeperkorn, ich danke dir dafür. Ich werde auf jeden Fall gründlich darüber nachdenken und deine Anregungen in eine Überarbeitung, die aber wohl noch etwas auf sich warten lassen wird, einbeziehen.

Da ich alle Charaktere außer Elli in Teilen auf realen Personen meiner Vergangenheit aufbaut habe, habe ich mich ihnen während des Schreibens schon sehr nahe gefühlt. Wenn durch die Gegenüberstellung der vulgären Alltagssprache der Kinder (für mich sind sie einfach noch Kinder, die groß und cool erscheinen möchten) und der Erzählersprache, die eher meinem heutigen Duktus entspricht, eine Distanz entsteht, finde ich das hochinteressant. Ich werde mir auf jeden Fall Gedanken dazu machen. Die Geschichte ruht unter anderem auch deshalb erst mal, weil ich zeitlichen Abstand brauche, um sie mir mit einer gewissen Distanz ansehen zu können. Mir ist auch noch nicht ganz klar, welche Ziele ich bei der angedachten Veränderung habe.

Nochmal Danke!

Liebe Grüße
raven

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe raven,

doch, ich würde gerne mal anmerken, was für einen beachtlichen Drogenkonsum du hier beschreibst! Wenn man sich das vor Augen führt, gibt es einen gewissen Spannungsbogen - die Destruktivität, die "Welt" der Jugendlichen mit heimlicher Verknalltheit, dem was sie cool finden - eigene Wohnung mit weißer Ledercouch als Non-plus-ultra! - und all das ... Ich hab's gern gelesen. ;)
Auch wenn ich bei der Szene in Widmans Wohnung eine gewisse Ahnung hatte - die sich dann nicht bewahrheitet hat. Aber dass es ihn noch "ergebener" macht, weil er sie nicht küssen darf, fand ich gut. ;)
Was man aus Langeweile/Ziellosigkeit eben so anstellt.

Die Dialoge fand ich echt gut. Ich würde sie auch keinen Kindern aus "einem gewissen Elternhaus" zuordnen (fand das jetzt nicht obszön, übermäßig umgangssprachlich ...) und auch die Spitznamen passen. 15 Jahre nach 1991 hatten wir ähnlich cool. Also von daher: Cool!

Allerdings habe ich es ähnlich empfunden wie Peeperkorn: Hauptsächlich durch die Dialoge hat sich ein Bild der Figuren aufgebaut. Die Beschreibungen waren da sehr neutral. Außer, dass Bela mit seiner Brille das "Weichei" der Gruppe ist und Elli eben die coole Kleine, die von den Jungs bewundert wird, habe ich nicht viel herauslesen können. Vor allem Dome und Buckel (außer Domes "Verknalltheit" in Elli) habe ich kaum unterscheiden können.
Man merkt, dass es da einen Haufen Probleme bei diesen Jugendlichen unter der Oberfläche gibt. Beispielsweise die Frau, von der Buckel sprach, klingt nach seiner Stiefmutter oder so? Oder die Gerüchte um Ellis Promiskuität. Sowas eben. Da hatte ich das Gefühl, als Leser etwas an der langen Leine zu verhungern. Vor allem, weil ich mir vorstellen kann, dass du dazu auch sehr viele interessante Ideen hättest/hast, die ich gerne wissen möchte.

Aber ansonsten hat es mir großen Spaß gemacht, ich mag auch den bayrischen Dialekt.

Liebe Grüße
Tell

P.S. Weil du das immer so lieb für alle machst, hier auch noch die Leichtsinnfehler und Auffälligkeiten konkret, die ich hab:

und streckte die schlacksigen Beine aus.

"schlaksigen" ohne "ck"

„Du musst fester drücken“, sagte sie. „Mit der Spitze.“
Er drückte fester,

Über das "drückte fester" bin ich beim Lesen irgendwie gestolpert.

Der war auf der königsbrunner Real.
Kann es sein, dass man "Königbrunner Real" schreibt?

Ich dacht, ich derstick.“

"erstick"

Der ist fast achzehn und hat eine eigene Wohnung.

achtzehn

Die beiden anderen Jungen gröhlten vor Lachen.

"grölen" ohne "h"


P.P.S. Das mit dem Undercut fand ich zum Kreischen. XD

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke, liebe Tell, ich hab mich sehr über deinen Kommentar gefreut. Du schreibst immer so durchdachte, ausführliche Kritiken. :)

Gut, dass auch du nochmal erwähnt hast, dass der Erzähler zu distanziert ist, das werde ich auf jeden Fall bei der Überarbeitung beachten. Ich werde mich auch bemühen, Dome und Buckel besser zu charakterisieren. Ich dachte ja, Buckel käme schon als kleiner Fiesling rüber, der seine Freunde gern ein bisschen demütigt und provoziert, aber sie doch gern hat und aufhört, wenn er merkt, einen gewissen Punkt überschritten zu haben.
Vom echten Buckel hab ich nur den Spitznamen, das Aussehen und die Brunzi-Geschichte übernommen. Er war ein eher ruhiger, zurückhaltender Junge, aber er hat sehr extrem über seine Mutter geschimpft und gelästert, die dicke Brunhilde – Brunzi, wie er sie nannte. Das ist mir im Gedächtnis geblieben. Ich fand das oft sehr unangenehm und erschreckend, gleichzeitig musste ich dann aber doch immer wieder lachen, weil es so skurril war, wie er sich wegen Nichtigkeiten in einen sinnlosen Zorn hineingesteigert hat.

Oft wusste man in den „Cliquen“, in denen ich mich bewegt habe, wenig bis gar nichts vom Elternhaus der anderen. Die meisten von uns kamen aber tatsächlich aus der Mittelschicht und waren zum Teil auch durchaus gebildet. Ich war viel in Punkkreisen unterwegs, und z.B. „Wälk“ aus reichem Hause und „Rohr“ aus der schicken Reihenhaussiedlung waren Schmuddelpunks wie alle anderen auch. Wir waren politisch sehr interessiert, haben manchmal stundenlang niveauvoll diskutiert ... und uns im Park mit Billigsangria aus dem Kanister betrunken und auch schon mal vollgekotzt. :rolleyes:
Ich denke darüber nach, die familiären Hintergründe der Kids anzureißen, so dass sie etwas greifbarer werden.

Aber ansonsten hat es mir großen Spaß gemacht, ich mag auch den bayrischen Dialekt.
Das freut mich sehr, Danke! :)

"schlaksigen" ohne "ck"
Sieh an, das wusste ich gar nicht. Es warten so manche Fallen in der deutschen Sprache.

Kann es sein, dass man "Königbrunner Real" schreibt?
Da war ich schon beim Schreiben unsicher. Die Schule befindet sich in Königsbrunn, hat den Ort aber nicht im Namen. Ich würde jetzt vom Gefühl her meinen, dass es großgeschrieben wird, wenn die Schule „Königsbrunner Realschule“ heißt, es also ein Eigenname ist, die Ortsangabe aber in meinem Fall als Adjektiv dient und kleingeschrieben wird. Ich weiß aber nicht, ob das richtig ist.
Edit sagt, dass ich ruhig mal hätte googeln können, der Duden äußert sich klar dazu:
Von geografischen Namen abgeleitete Wörter auf -er schreibt man immer groß, die von geografischen Namen abgeleiteten Adjektive auf -isch schreibt man klein, wenn sie nicht Teil eines Namens sind
Man wird so alt wie eine Kuh ... :D

Ich dacht, ich derstick.“
"erstick"
Das ist der Dialekt. Man kann auch „versticken“ sagen, das wäre dann „noch bayrischer“. Ich liebe Augsburgerisch. :D

Ganz liebes Danke nochmal, und einen schönen Sonntag wünsch ich.
raven

 

Hey raven,

ich weiß nicht, willst Du wirklich an dem Text dran bleiben? Ich finde es gut zu sagen, ich will Dialoge üben und dann macht man das. Aber warum machst Du Dir es so schwer? Ich mein, Du hast hier vier! gelangweilte Teenager, die alle das gleiche wollen, die Zeit tot schlagen und Drogen nehmen. Von daher sind die Figuren auch alle austauschbar. Wer da jetzt von den Vieren sagt, lasst Drogen kaufen, ist völlig egal. Und vier Leute allein durch Dialog eine individuelle Note zu geben, wenn die nicht mal unterschiedlich ticken - boah, ich weiß nicht wer das hinkriegt. Dialoge sollen ja die Charakterzeichnung unterstreichen, aber deine hier, naja, der eine mag seine Mutter nicht, aber das hebt ihn kaum ab und ist für die Handlung nicht relevant. Elli ist 'ne coole Socke, die drei Jungs, die kleben halt an ihr dran und wenn Du einen der Jungs streichen würdest, egal welchen, niemand würde den vermissen. Du könntest es sogar auf zwei Kids reduzieren. An der Geschichte würde das nichts ändern, an deiner Aussage auch nicht. Und Figuren die nichts beizutragen haben (keine Impulse geben), die da reine Füllmasse sind, tja, was macht man als Autor mit solchen Figuren? Wenn sie nichts zu sagen haben und man lässt die reden und reden und reden ... das ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Um die wirklich differenziert zu gestalten, bräuchten die sehr viel mehr Fleisch. Deshalb ist das für mich eine gute Skizze, eine Fingerübung zum Dialog, als Geschichte habe ich mich schwer. Es gibt keinen Konflikt (alle wollen das gleiche), keine Reibung, somit auch keinen Spannungsbogen. Sie wollen Drogen, sie kriegen Drogen. Elli will nicht geküsst werden, sie wird nicht geküsst. Das sind ja die beiden Momente wo man denkt, jetzt geht was los, aber es geht gar nichts los.
Es bleibt eine berichtsmäßige Darstellung eines gelangweilten Teenageralltags mit literarischen Mitteln. Unterm Strich eine Aufzählung von: Und dann geschieht dies und dann das und dann das. Klar, am Ende kann man halt denken, oh - wie schrecklich. Aber das denk ich bei so mancher Berichterstattung auch und hier wie da mit der selben emotionalen Distanz.
Das ist jetzt nichts neues, die anderen haben es auch schon gesagt, Du selbst auch. Eigentlich ist mein Kommentar ziemlich überflüssig. Aber jetzt hab ich die Geschichte gelesen, jetzt senf ich auch ... Sorry dafür. Der letzte Absatz - davon gern mehr!

Beste Grüße, Fliege

 

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