Was ist neu

Hatte er seine Seele verkauft?

Mitglied
Beitritt
27.12.2016
Beiträge
1

Hatte er seine Seele verkauft?

Tack, Tack, Tack.... Tack, Tack, Tack... Ungeduldig trommelte Andy Wulff mit seinen Fingern auf das Lenkrad. Verärgert schaute er auf die Ampel – die noch immer rot war. Der junge Lehrer lehnte sich zurück. In wenigen Minuten würde die erste Stunde beginnen. Um genau zu sein, waren es bis dahin noch genau vier Minuten. Vier Minuten um mit seinem alten Renault zur Schule zu fahren, die Erdkundearbeitsblätter (die vermutlich in den Taschen vier Schüler nur wenige Stunden unbeschadet überleben würden) zu kopieren und die bekritzelten Trennwände, die er zweifellos vergessen würde, aufzutreiben. Er stöhnte. Das war also wieder ein Unglückstag. In der Nacht hatte er sich die Lippe aufgeschlagen, nachdem er im Badezimmer auf die Bürste seiner Freundin getreten und anschließend gefallen war. Am Morgen hatte seine Freundin ihm dann – versehentlich – die Tasse Kaffee, die er jeden Morgen trank, bei einer Überraschungsumarmung aus der Hand geschlagen, sodass er sich seine Hand verbrannt hatte. Und dann noch der Pickel am Kinn... Ob das wohl ein Zeichen für das von ihm bereits wohlüberlegte Beziehungs- Aus war?
Und im selben Moment schaltete die Ampel von rot auf grün um.
Sofort gab er Gas und der alte, apfelgrüne Renault ruckelte los.
Nach wenigen Minuten kam er an der Schule, in welcher er schon seit über zwei Jahren Mathematik und Erdkunde unterrichtete, an.
Ein erneuter Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er kaum Zeit verloren hatte. Er stieg aus – nicht ohne sich, wie so oft, den Kopf zu stoßen. Gleich darauf ging sich Andy mit seinen Fingern durch sein beinahe schulterlanges, dunkelbraunes Haar, das von so vielen Schülerinnen sehr gemocht wurde. Oft bemerkte er ihre Blicke, wenn diese nachschauten und dann anfingen zu kichern. Der junge Lehrer schulterte seine Ledertasche und verschwand durch eine Hintertür in das Innerer des Schulgebäudes.
Schon auf dem Weg ins Lehrerzimmer konnte er die schrillen Stimmen seiner Kollegen ohne Probleme hören. Hätte Frau Sonnenkönig aber noch etwas lauter gebrüllt, hätte sie jedoch die Stimmen der Anderen gänzlich übertönen können.
„Der junge Kollege hat sie doch nicht mehr alle. Habt ihr mal einen Lehrer mit so langen Haaren gesehen? Sind wir denn auf einem Heavy-Metal-Konzert? Der sollte wirklich mal zum Friseur gehen... Der sieht ja aus wie ein Obdachloser.“
Andy bliebt stehen und schaute auf die Uhr. Dann atmete er noch ein letztes Mal durch und betrat das Lehrerzimmer. Sofort war alles still. Die Köpfe der Lehrer waren augenblicklich in die Schulbücher versunken und Frau Sonnenkönig ging mit einem aufgesetzten Lächeln in die Richtung des Kopierers während sie nervös an ihren blonden, gelockten Haarspitzen zupfte.
„Guten Morgen“, rief er und hoffte, dass man ihm seine Unzufriedenheit nicht anmerken konnte.
Niemand antwortete. Nur das gleichmäßige Geräusch der Absätze von Frau Sonnenkönig war zu hören, als diese sich umdrehte und zu ihrem Tisch ging.
Andy setzte sich wieder in Bewegung und ging hinüber zu seinem Platz. Wie sonst auch, stapelten sich auch heute wieder benutzte Taschentücher, Brot- und Bonbonpapiere auf seinen Unterlagen – jedoch stammten diese nicht von ihm. Allmählich hatte er genug. Genug vom Müll, um daraus eine Mauer zu bauen - nur um Frau Sonnenkönig nicht mehr sehen zu müssen, aber er hatte auch genug von der Schule selbst. Den Lehrerberuf hatte er sich anders vorgestellt. Und seine Kollegen auch. Manchmal merkte er, wie er versuchte das Kollegium zu vergessen, indem er freiwillig die Aufsicht auf dem Schulhof übernahm oder erst ein halbe Stunde nach dem Schulschluss das Lehrerzimmer betrat.

Doch so würde es nicht weitergehen können.

Er suchte die Kopiervorlage des Arbeitsblattes, die er am Abend zuvor herausgelegt hatte und ging zum Kopierer. Doch der Vorrat an Kopierpapier war aufgebraucht.
Aus dem Augenwinkel sah er Frau Sonnenkönigs spöttisches Grinsen. Er hatte das Gefühl, dass mit ihm gespielt wurde wie mit einer Marionette. Egal, was er machte – es war falsch. Alles war falsch.
Die Vormittage in der Schule zogen sich wie Kaugummi – welches, wenn man es lang zog, sich zog und zog, bevor es dann schließlich doch riss. Das war dann der Moment, indem er zuhause die erste Bierflasche aus dem Kühlschrank nahm und sich auf sein Sofa fallen ließ.Manchmal folgte noch ein zweites Bier, manchmal auch ein drittes.
Wieder strich er sich die Haare aus dem Gesicht. Eine Angewohnheit, die er sich abgewöhnen wollte.
„Andy, geht es dir nicht gut?“
Es war Heidi. Heidi Rosenberg, die Lehrerin, die die wenigen Wochen in Rente gehen würde - die Lehrerin, die ihn mochte. Ihn – so wie er war. Sie konnte lachen und sie übernahm den Unterricht in seiner Klasse an den Tagen, an denen er krank war.
„Danke, mir geht’s gut.“
Er lächelte zurück und ging stockend wieder zu seinem Platz.
Die letzten Sekunden vor dem Gong, welcher ihn aus dem Lehrerzimmer befreien würde, kamen ihm wie Stunden vor. Allmählich leerte sich das Lehrerzimmer. Nach und nach gingen die Lehrer in ihre Klassen oder ein letztes Mal auf Toilette. Doch Andy wartete. Eigentlich hatte er heute in seiner siebten Klasse einen Erdkundetest schreiben wollen. Aber das ging nicht. Nicht heute. Er würde den Test einfach auf morgen verlegen. Vielleicht war das ein weiterer Grund dafür, dass er – laut Heidi – bei den Schülern der beliebteste Schüler der Schule war, überlegte Andy, als er schließlich das Lehrerzimmer verließ.
Man konnte nicht gleichzeitig der beliebteste Lehrer der Schüler sein und gleichzeitig auch im Kollegium respektierte werden konnte – oder etwa doch? Plötzlich war er sich unsicher. Was wollte er eigentlich? Hatte er vielleicht selbst nie versucht mit den anderen Lehrern auszukommen? Musste man das überhaupt versuchen? Oder war es ein simples soziales Phänomen – manchen gelingt so etwas und anderen wiederum nicht?
Er hatte den Klassenraum erreicht und schloss ihn auf, um sich dort auf seinem Pult niederzulassen. Ihm war schwindelig, sein Magen rumorte und er schwitzte. Fühlte man sich so wenn man dachte, dass man seinen Traumjob gefunden hatte? Wenn man jeden Tag mit jedem Schritt, mit dem man sich dem Arbeitsplatz näherte, einen immer größeren Wunsch verspürte, sich einfach umzudrehen, und schnell, schnell wegzulaufen – ganz weit weg, wo man von den Anderen nicht mehr gesehen werden konnte?
Er fühlte, wie sich seinen Augen langsam mit Wasser füllten. So etwas durfte nicht passieren. Ein Lehrer durfte nicht weinen – zumindest nicht, wenn es nach Andy ging. Eilig wischte er sich mit dem Handrücken sein Gesicht und blieb mit gesenktem Blick sitzen. Seine Haare blieben auf dem tränenverschmierten Gesicht kleben wie eine Briefmarke, die man auf einen Umschlag geklebt hatte. Er hatte einen Entschluss gefasst. Zumindest glaubte er das.
Stockend erhob er sich und zog eine Schere, sie fast unbenutzt in einer mit Stiften gefüllten Weihnachtstasse auf seinem Pult gestanden hatte, heraus und verließ mit energischen Schritten den Klassenraum.
Er lief und lief. Wohin genau, wusste er nicht. Es schien, als hätten seine Füße und Beine sämtliche Funktionen seines Gehirns übernommen, sodass diese ihn durch etliche Korridore bis hinaus zu den außer Betrieb genommenen Lehrertoiletten trugen. Selbst die Schüler, die noch in den Fluren gesessen und ihm nachgeschaut hatten, hatte er nicht wahrgenommen. Er zog den Schlüsselbund mit seiner freien Hand aus der Hosentasche, schob den richtigen Schlüssel leise ins Schlüsselloch und drehte ihn um. Mit einem leisen Klicken sprang die Tür auf – und er trat ein. Staub hatte sich auf das vergilbte Waschbecken und eine alte Heizung gelegt. Ein leicht modderiger Geruch lag in der Luft. Hier würde so schnell wohl niemand nach ihm suchen...
Er betrachtete sich im Spiegel. Seine Augen waren angeschwollen und seine Hautfarbe ähnelte eher der eines Vampirs. Sein Blick fiel wieder auf die Schere, die er noch immer in seiner verschwitzten, rechten Hand, die sich nun gefährlich seinem Gesicht nährte, hielt. Mit der anderen Hand griff er die Strähne, die bis dahin sein linkes Auge verdeckt hatte.
Die Schere hatte nun die Strähnen berührt; und im nächsten Moment sah er, wie sie dunklen Haare geräuschlos ins Waschbecken fielen und dort auf der grauen Staubschicht liegen blieben.
Andy fühlte Erleichterung... und das Gefühl, über seinen eigenen Schatten gesprungen zu sein. Jetzt würde er es durchziehen – so wie er es sich vorstellte. Hieß es nicht immer, dass man das tun sollte, was für einen selbst gut war?
Andy genoss das Geräusch der Schere, die nun auch seine restlichen Haare kürzten, auf eine Länge, die Andere vielleicht nun „normal“ nennen würden. Andere... Gehörte er jetzt dazu - zu den Anderen? Würde er jetzt respektiert – nein, erst einmal akzeptiert werden? War er jetzt ein richtiger Lehrer – so wie auch seine Kollegen, die vermutlich in diesem Augenblick Deutsch, Englisch und Mathe unterrichteten, so wie es eigentlich auch verlangt wurde?
Er schaute wieder in den Spiegel. Im nächsten Augenblick waren alle seine glücklichen Gedanken, die er gehabt hatte wieder verschwunden...
Hatte er gerade seine Seele verkauft?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Leona,

und herzlich Willkommen hier bei den Wortkriegern.

Was mir an dem Text gefallen hat, war die Idee, dass es Lehrern auch mal nicht gut gehen kann im Schulbetrieb, nicht nur immer den Schülern.

Was mir jedoch weniger gefiel war die Umsetzung. Sprichwörtlich "an den Haaren herbeigezogen" fand ich die Reaktionen der Lehrer auf die Haarlänge des Kollegen. Gerade Lehrer! Als ich in den 1970-1980-er Jahren in die Schule ging, hatte ungefähr die Hälfte der Lehrer lange Haare :D, das ist also sprichwörtlich ein alter Zopf und holt keinen Hund mehr hinter dem Ofen vor.
Auch finde ich es schade, dass das so an Äußerlichkeiten festgemacht wird.

Viel mehr hätte mich ein Konflikt zwischen Schülern und Lehrer interessiert. So ein kollegiales Schülermobbing einem Lehrer gegenüber, der vielleicht einfach zu schüchtern ist oder irgendwas Besonderes an sich hat und dadurch genug Angriff bietet.

Auch wirkt die Erzählung auf mich, als ginge Andy erst nach zwei Jahren die Augen auf, wie so ein Schulbetrieb läuft. Ich meine, der hat doch auch ein Referendariat gemacht? Also das ist alles etwas unrealistisch erzählt für mich.

Das erste Drittel des Textes war für mich auch ein wenig zu satirisch. Sollte man mit Andy Mitleid haben, weil er so ein Schussel ist, der von einem Mißgeschick in das nächste kommt? Da solltest du dir noch genauer überlegen, wie du dem Leser die Person zeigen willst. Da sollte eine gewisse Linie vorhanden sein.

Deine Geschichte war angenehm zu lesen und erfreulich fehlerfrei, also es liegt nicht an deiner Schreibe, sondern an dem Inhalt, der mich etwas unbefriedigt zurücklässt. Jedoch sehe ich in der Idee viel Potential, wenn du Andy in einen realistischen Konflikt setzt und die Haare nicht als Aufhänger nimmst.

Tack, Tack, Tack.... Tack, Tack, Tack... Ungeduldig trommelte Andy Wulff mit seinen Fingern auf das Lenkrad.

Tack, tack, tack ... tack, tack, tack ... (Leerzeichen vor den Auslassungszeichen, die immer nur drei sein sollten, bitte den ganzen Text durchsehen, das kommt noch mehrfach).

Liebe Grüße
bernadette

 

Liebe Leona,

ich begrüße dich bei den Wortkriegern und hoffe, dass du dich hier wohlfühlen wirst. Ich glaube, man kann hier einiges lernen, was helfen kann, die eigenen Geschichten zu verbessern.

Zu deiner Geschichte:

Letztendlich geht es in ihr um den inneren Konflikt Andys, der, wie viele junge Lehrer, einerseits seinen Schülern gefallen, andererseits aber auch mit seinen Kollegen gut auskommen möchte. Seine langen Haare sind das äußere Zeichen dafür: Den Schülern gefällt das, den Kollegen nicht, besonders der Frau Sonnenkönig. Zum Schluss opfert er seine Haarpracht, ist sich aber dann nicht sicher, ob er damit nicht gleichzeitig seine Seele verkauft hat. Eine schöne Idee für eine Kurzgeschichte.

Bei deiner Umsetzung sehe ich allerdings ein paar Probleme. Zuerst das Zeitproblem: Wenn ich es richtig lese, geschieht alles kurz vor der ersten Unterrichtsstunde. Deine Geschichte beginnt vier Minuten vor Anfang der ersten Stunde. Andy muss in dieser kurzen Zeit die Schule erreichen, das Auto parken, zum Lehrerzimmer gehen, auf die Kollegin, die Kopien macht, warten, selber zum Kopierer gehen, um dann festzustellen, dass er aufgefüllt werden muss. Dann gongt es. Das alles kann mMn einfach nicht in vier Minuten passieren. Die Situation an sich ist gut vorstellbar, aber nicht in diesem kurzen Zeitraum. Hier solltest du vielleicht von einer Viertelstunde sprechen. Das ist immer noch eng genug, um das alles zu bewerkstelligen.

Gut hast du die Gefühlssituation Andys beschrieben.

Aus dem Augenwinkel sah er Frau Sonnenkönigs spöttisches Grinsen. Er hatte das Gefühl, dass mit ihm gespielt wurde wie mit einer Marionette. Egal, was er machte – es war falsch. Alles war falsch.
Und dann benennst du sein Dilemma sehr schön:
Man konnte nicht gleichzeitig der beliebteste Lehrer der Schüler sein und gleichzeitig auch im Kollegium respektiert(e) werden (konnte) – oder etwa doch?
Die folgenden Gedanken empfinde ich dagegen als etwas zu allgemein und nichtssagend:
Plötzlich war er sich unsicher. Was wollte er eigentlich? Hatte er vielleicht selbst nie versucht mit den anderen Lehrern auszukommen? Musste man das überhaupt versuchen? Oder war es ein simples soziales Phänomen – manchen gelingt so etwas und anderen wiederum nicht?
Warum wird er unsicher? Und was willst du mit dem 'simplen sozialen Problem' ausdrücken? Wenn ich deine Geschichte bisher richtig verstanden habe, so mögen ihn die (meisten) Kollegen wegen seiner langen Haare nicht so sehr. Du deutest zwar an, dass sein Unterrichtsstil recht locker ist,
Er würde den Test einfach auf morgen verlegen.
,
aber von einem irgendwie gearteten ‚sozialen Problem’ finde ich in deinem Text nichts. Ich würde diese Bemerkung streichen.
Weiter im Schulalltag: Du beschreibst die ganze Szenerie eigentlich gut nachvollziehbar. Aber irgendwie ist das eine Schule ohne Schüler. Sie kommen nämlich in dieser Viertelstunde, die du beschreibst, überhaupt nicht vor.
Er hatte den Klassenraum erreicht und schloss ihn auf, um sich dort auf seinem Pult niederzulassen. …
Er fühlte, wie sich seinen Augen langsam mit Wasser füllten. So etwas durfte nicht passieren. Ein Lehrer durfte nicht weinen – zumindest nicht, wenn es nach Andy ging. Eilig wischte er sich mit dem Handrücken sein Gesicht und blieb mit gesenktem Blick sitzen. Seine Haare blieben auf dem tränenverschmierten Gesicht kleben wie eine Briefmarke, die man auf einen Umschlag geklebt hatte. Er hatte einen Entschluss gefasst. Zumindest glaubte er das.
Stockend erhob er sich und zog eine Schere, sie fast unbenutzt in einer mit Stiften gefüllten Weihnachtstasse auf seinem Pult gestanden hatte, heraus und verließ mit energischen Schritten den Klassenraum.
Ja, und wo sind die Schüler?
Die nächste Szene vor dem Spiegel beschreibst du wieder richtig gut.
Andy genoss das Geräusch der Schere, die nun auch seine restlichen Haare kürzte(n), auf eine Länge, die Andere vielleicht nun „normal“ nennen würden. Andere... Gehörte er jetzt dazu - zu den Anderen? Würde er jetzt respektiert – nein, erst einmal akzeptiert werden?

Unterm Strich hat mir deine Geschichte gefallen, weil du ein wirkliches Problem ansprichst: Was gebe ich von mir auf, um den Ansprüchen der anderen zu genügen, und macht es mich dann wirklich glücklich? Natürlich sind es nicht nur die langen Haare, die Andy von seinen älteren und verknöcherten Kollegen unterscheidet. Vermutlich unterscheiden auch sein lockerer Unterrichtsstil und sein freierer Umgang mit den Schülern ihn von ihnen. Und da wird es viel schwerer für ihn werden, sich dem vorherrschenden Rollenbild anzupassen. Schade, dass du diesen Aspekt in deiner Geschichte nur am Rande erwähnst.

Ich hoffe, dass dir meine Anmerkungen helfen konnten.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Beziehungs- Aus
:confused:

Warum eine Scheidung neuerdings nimmer Scheidung heißen soll, sondern Ehe-Aus, und eine Trennung nimmer Trennung, sondern Liebes-Aus oder Beziehungs-Aus (noch dazu, wo diese Neologismen nicht nur lautklanglich schrecklich sind, sondern darüber hinaus so bescheuert konstruiert, dass sie ohne den elendigen Bindestrich schlicht unverständlich wären), wird mir wohl auf ewig ein Rätsel bleiben.
Aber da diese Journalistendummwörter mittlerweile auch in die Diktion einstmals seriöser Medien Eingang gefunden haben, war es im Grunde nur eine Frage der Zeit, sie irgendwann auch in einem literarischen Text lesen zu müssen.

Sorry, Leona, das ist vermutlich nicht gerade der Empfang, den du dir hier vorgestellt hast, aber was soll ich machen? Also nicht, dass ich ein alter, verbitterter Sprachreaktionär wäre - im Gegenteil, ich mag den permanenten Wandel, dem unsere Sprache unterliegt, dass sie sich verjüngt und quasi immer wieder neu erfunden wird. Keine Frage, Wortneuschöpfungen können ungemein bereichernd für eine Sprache sein. Aber überhaupt nicht mag ich, wenn ernsthafte Autoren, also Menschen, die sich per se um Sprachkreativität bemühen sollten, gedankenlos und unhinterfragt das hirnbefreite Geschwafel irgendwelcher pseudoorigineller Zeitungschreiberlinge übernehmen. Oder, noch leidenschaftlicher: Die deutsche Sprache zeichnet sich nicht nur durch einen ungemein großen Wortschatz aus, sondern bietet darüber hinaus auch eine schier unendliche Vielzahl an Möglichkeiten, durch Zusammenfügung zweier oder mehrerer Wörter ein neues Wort mit einer eigenen Bedeutung zu kreieren.
Und wenn wir uns dieser Möglichkeiten beim Schreiben (behutsam und besonnen!) bedienen, wird es uns immer und immer wieder gelingen, Texte zu erschaffen, die nicht nur individuell und originär klingen, sondern die darüber hinaus auch schön zu lesen sind.
Also vergiss bitte schnell wieder solch unsäglichen Zeitungsschlagzeilendummschwätz.

Willkommen hier, Leona.

offshore

 

Hallo Leona,
mir gefällt die Idee, die der Geschichte zugrunde liegt, der Konflikt eines Lehrers, der von den Kollegen gemobbt wird. Ich glaube jedoch, diese Idee käme besser zur Geltung, wenn Du einiges an "Beiwerk", das Du Deinem Prot mitgegeben hast, weglassen würdest. Dafür seine Schwierigkeiten mit den Kollegen (und vielleicht sein Verhältnis zu den Schülern) etwas besser herausarbeiten. Momentan macht sich der ganze Konflikt eigentlich nur an einem einzigen Satz der Kollegin Sonnenkönig fest und das ist ein bißchen dürftig. Seine Beliebtheit bei den Schülern wird nur durch die Behauptung dargestellt, aber nicht durch tatsächlich stattfindende Handlung oder Dialoge. Über einiges in den Formulierunen bin ich gestolpert, Beispiel:

Vier Minuten um mit seinem alten Renault zur Schule zu fahren, die Erdkundearbeitsblätter (die vermutlich in den Taschen vier Schüler nur wenige Stunden unbeschadet überleben würden) zu kopieren und die bekritzelten Trennwände, die er zweifellos vergessen würde, aufzutreiben.
An dem Satz scheint mir einiges nicht ganz zu stimmen. "in den Taschen vier Schüler"? Sollte das "in den Taschen der Schüler" heißen? Und was ist mit den Trennwänden gemeint, wer hat sie bekritzelt und warum muss er sie auftreiben?
Ansonsten, wie erwähnt: die Idee gefällt mir, die Qualität der Umsetzung lässt sich sicher noch steigern. Gruß vom Blaustrumpf

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom