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hasso-germania
Hasso
Die erste Wohnung, die ich mir heute ansehen will, liegt auf dem Berg.
25m², Küche, Bad, Flat rate, 105 € warm.
Klingt verdammt gut, dachte ich mir. Die Wegbeschreibungen der Leute sind allesamt nicht ganz überzeugend. Die Studenten geben nach ein paar Kneipen, die sie mir als Orientierungspunkte nennen, zu, daß sie es eigentlich auch nicht genau wissen. Die alten Damen sind sehr hilfsbereit, wissen aber meist noch weniger als die Studenten, geben es aber nicht zu, sondern machen genaue Angaben, die sich jedoch meist nach ein paar Strassenecken verlaufen. Ein betrunkener Bauarbeiter weiß schliesslich bescheid. Er spricht zwar sehr undeutlich, doch er ist sich seiner Sache sicher. Ein Junge in Bermudashorts und T-shirt wartet an der Tür. Das Haus ist eher altmodisch eingerichtet, an der Wand hängen Fotos von älteren Herren, die stolz mit Hund vor einem Bergmassiv stehen oder erhobenen Hauptes nebeneinander posieren. Scheint eine traditionsbewußte Familie zu sein. Das Zimmer hat hohe Wände, scheisse, es ist so billig, ich nehme es. Begeistert bereite ich in Gedanken meine Einwilligungsrede vor, die das Lob für den billigen Preis und den tollen Raum sowie eine Entschuldigung für meine Verspätung enthalten soll. Meine Zunge lockert sich.
Das Einzige ist halt, das das hier ein Verbindungshaus ist.
Ah, Verbindung, schon mal gehört, klingt irgendwie blöd, hab ich bestimmt keinen Bock drauf. Ich schalte um auf die Verzichtrede, habe jedoch noch keinen Inhalt dafür, weil ich über Verbindungen nichts weiß. Ich will nicht einfach gehen und sagen, daß ich das Zimmer nicht nehme. Ich muß einen Grund haben. Also frage ich ihn ein bischen aus über seine Verbindung.
Frauen mitbringen wird nicht so gern gesehen. Monatliche Treffen sind Pflicht. Dort wird getrunken und einer hält eine Rede über irgendein Thema.
Klingt, lass mich überlegen, klingt scheisse. Klingt nach Pflichtsaufen, nach Bund, klingt nach Knast. Schade eigentlich, war doch so billig. Rufe zurück, sage ich, ruf nicht zurück und finde am Abend was anderes, ganz unverbindlich für 250€ in der Innenstadt. Kein Flat rate-anschluß, doch ich kann jeden mit heim nehmen und saufen wann ich Bock hab.
Das kannst du bei uns auch, so ist das nicht. Es geht nur darum, das wir regelmäßige Treffen abhalten, um gewisse Dinge zu besprechen. Das da dann auch das ein oder andere Bier getrunken wird ist, denke ich, ganz normal. Wir unterstützen dich auch, wenn du Schwierigkeiten im Studium hast und wenn es dir nicht gut geht, auch privat, kannst du bei Hasso-Normania mit jedem reden. Die andere Sache ist das mit den Frauen. Wir wollen da einfach eine gewisse Disziplin in die einzelnen Häuser bringen und es ist eben gerade in den Anfängen immer wieder zu Ausseinandersetzungen gekommen wegen, naja, der Frauen. Also, ich plädiere da immer ganz gern für das sogenannte Auswärtsspiel, damit sind wir bisher bei Hasso-Normania immer am besten gefahren, auch der Hygiene in den Häusern wegen. Und wenn du mal in eine fremde Stadt fährst, findest du dort immer leicht Anschluß. Wir sind fast überall vertreten. Stuttgart, Hamburg, Berlin, München, die Liste ist lang. Viele Jungs in deinem Alter haben einfach Schwierigkeiten, wenn sie die Familie verlassen und von zu hause wegziehen. Hasso-Normania ist das neue zuhause, die neue Familie. Und wenn du hier mal aus Versehen die Bude vollkotzt, steht nicht gleich Mutti mit dem Nudelholz da.
Einen Monat später lande ich dann doch irgendwie auf einer Verbindungsparty in der neuen Stadt. Irgendein Hasso macht die Tür auf, als wir besoffen anklopfen. Bei Hasso kaufe ich Marken, die ich zu Hasso an die Theke trage, um dann neben den Hassos dieser Welt zu trinken und zu tanzen. Hasso mag Frauen, Hasso trägt ein Halsband, Hasso ist adrett gekleidet. Ich falle mit einem grauen KapuzenPulli und Jeans völlig aus der Reihe. Hasso hat das gebügelte Polohemd in der Faltenhose stecken und lästert wie ein Weib über mich. Es gibt Hassos mit ganz vielen bunten Halsbändern. Sie reden nur mit wenigen anderen Hassos, werden aber von den meisten anderen Hassos beobachtet, wenn sie mit ihrem Bier herumstehen und sich kaum unterhalten. Sie sind in diesen Momenten besonders stolz auf ihr Halsbandarsenal, haben vergessen wo sie herkommen und grinsen grau. Auf dem Klo verteilt Hasso Aufkleber, um Werbung für seine Halsbänder zu machen. Ich gehe bald. Auf der Strasse vor dem Haus liegt Hasso vollgekotzt und schläft. Ein Hund kommt vorbei und pinkelt ihn an. Der Hund trägt kein Halsband.