Hassliebe
Sie starrt mich an, ihre weißen Augen leer und fahl. Ihr bleicher Mund fordert mich zum Duell heraus. Mein Herz rast, der Schweiß rinnt mir den Rücken hinab. Der Ventilator neben mir läuft auf vollen Touren, schon den ganzen Tag. Ich starre an ihr vorbei in das grelle Licht des vergehenden Tages, doch ihr taillenloser Körper zieht mich wieder und wieder in seinen Bann. Ihre aschfahle Haut blendet mich, ich will sie beschmutzen, will ihr die Unschuld nehmen. Will sie beherrschen, sie zerstören. Wir haben uns schon zu oft gesehen, sind schon zu lange zusammen. Ich ertrage sie nicht mehr. Ihre Art, mich anzusehen, mich zu erniedrigen. Ich fühle mich wertlos, machtlos. Die Hitze sticht mir in die Stirn, vertreibt jeden klaren Gedanken. Die Eiswürfel in meinem Drink sind längst geschmolzen. Ich leere ihn in einem Zug. Vielleicht hilft das. Ich muss Argumente finden, muss sie umschmeicheln, damit sie mich ranlässt. Ich darf nur nicht aufgeben, muss weitermachen, immer weiter, um meinen Traum zu leben. Für einen Moment schließe ich die Augen, genieße die Finsternis meines Innern. Ich atme tief ein, doch keine Erfrischung wartet in der pollenverseuchten Luft. Ich huste trocken, so lange, bis mir Tränen in die Augen steigen. Darauf erst einmal ein weiterer Drink. Auf der Ablage im Flur wartet eine Schachtel Zigaretten. Eigentlich wollte ich aufhören, aber ich muss endlich kreativ werden. Vielleicht helfen die Kippen. Ich setze mich auf die Terrasse, lasse sie zurück, will nichts von ihr hören oder sehen. Verdammt, reiß dich zusammen. Der Gedanke verfliegt ebenso schnell wie all die anderen. Sie sind wie ein reißender Fluss, der durch meine Hirnströme fließt und nie länger als einen Wimpernschlag lang verweilt. Die Kippe verglüht so schnell in meiner Hand, dass ich mich frage, ob ich überhaupt daran gezogen habe. Dennoch stehe ich auf, laufe zurück zu ihr. Sie sitzt noch immer am selben Ort, starrt mich an. Ich hasse sie. Ich will sie nie wiedersehen. Sie widert mich an, schmettert mir mein Versagen ins Gesicht und lacht darüber. Blindlings und voller Wut setze ich mich, genieße noch einmal ihr unschuldiges Weiß. Dann prügle ich auf sie ein, Wort für Wort ringe ich sie nieder, beherrsche sie. Jetzt bin ich derjenige, der zu lachen hat. Ein König, Kaiser und Gesandter. Der Erschaffer fremder Welten.