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Hass
Charly spannte jeden ihrer Muskeln an. Ihr Herz raste, forderte Raum und zwang sie zu flachem Atmen. Ihr Mund zitterte, es war ihr kaum möglich, die Lippen halbwegs ruhig aneinanderzuhalten. Sie spürte wie sich zwischen Nase und Mund Schweiß ansammelte. Fahrig wischte sie darüber. Ihr Blick flackerte. Das Blut pulsierte in den Adern. Zornig wischte sie eine herabfallende Haarsträhne aus der Stirn. Sie glaubte zu ersticken. Mit einem unterdrückten Aufschrei sog sie fast ansatzlos gierig den Sauerstoff in ihre Lungen, presste die Luft wieder heraus, hyperventilierte fast. Ihre hellbraunen Augen, deren Blick sich meist mit sanfter Ruhe im Gegenüber verlor, war unstet. Sie fühlte durch jede Pore den Angriff näher kommen. Die Lider zuckten. Sie blinzelte, spürte lähmende Angst in sich hochkriechen. Konnte nicht vermeiden, dass sich die Augen mit Tränen der Verzweiflung füllten. Soviel Wut und Zorn, Unausgesprochenes hatte sich aufgestaut, verlangte nach Ausbruch.
Sie beobachtete ihre Gegnerin, versuchte sie durch Bewegungen ihres Körpers zu verunsichern. Diese machte es ihr gleich, kam ihr herausfordernd und geschmeidig entgegen. Ihr Grinsen war gemein, der Mundwinkel schräg nach oben gezogen. Ihre Miene drückte nur eines aus, blanken Hass. Charly kochte innerlich, die Frau ihr gegenüber widerte sie an wie nichts sonst auf der Welt.
Charly spürte es, sah es in dem verzerrten Gesicht der anderen, wusste, der Schlag würde kommen. Möglicherweise würde er sie zerschmettern, gespeist von abgrundtiefen Verachtung. Mit triefender Verhöhnung blickte ihr Gegenüber sie an. Diese Frau konnte kaum den Ekel verbergen, die Gegnerin berühren zu müssen, um sie endlich zu vernichten. Charly sah ganz langsam die Bewegung entstehen, das Emporschnellen des ausholenden Armes konnte sie fast in Zeitlupe beobachten. Die Feindin schlug Charly mit einem ungebremsten und gemeinen Schlag mitten ins Gesicht.
Es war weniger der Schmerz selbst, als vielmehr das seltsam krachende Geräusch das dieser mit aller Kraft geführte Schlag verursachte, welcher sie bis tief ins Mark ihrer Knochen erschütterte. Charly hielt sich fassungslos die Hände vor das Gesicht. Sie war entsetzt, trotzdem sie den Schlag erwartet hatte, überraschte sie doch seine Wucht. Tränen des Zorns liefen über ihre Wangen. Blut rann jetzt über ihre Arme, tropfte auf den Boden, bildete schnell ein Lacke. Charly blickte mit Erstaunen auf dieses blutige Rinnsal.
Irgend etwas in Charly wurde freigesetzt, entglitt völlig ihrer Beherrschung. Sie kannte kein Halten, keinerlei Zurücknahme mehr. All ihr aufgestauter Hass brach ungebremst hervor. Als hätte Dämonen von ihr Besitz ergriffen, drosch sie mit ungeheurer Gewalt und einem nicht enden wollenden Befreiungsschrei, wie eine Besessene der Gegnerin unaufhörlich in deren ungeschütztes Gesicht. Ihr Hände platzen auf, überall rann Blut aus den vielen Wunden, hervorgerufen durch nicht eindämmbaren, ungezügelten Hass. „Ich hasse dich. Alle hassen dich, aber keiner mehr als ich, keiner! Niemand verstehst du, niemand hasst dich mehr als ich. Gott wie ich dich verachte."
Sie kochte förmlich über, spie ihr Gift und ihre Galle nach außen, hatte die letzte Hemmschwelle längst überschritten. Der Speichel triefte aus ihrem Mund, das Gesicht war zu einer Fratze der Wut verzerrt. „Ich hasse dich. Und die welche dich geboren haben, die hasse ich auch. Ich hasse dich so sehr. Hörst du? Du bist so widerlich. Ich hasse dich." Ein Schlag und noch ein Schlag. "Ich hasse dich. Gott wie sehr hasse ich dich."
Ihre Wut war unbezähmbar, Ströme von Blut sammelten sich zu ihren Füßen. Sie schrie und schlug und tobte und schluchzte. Und sie schlug, schlug immer wieder auf diese Frau ein, die ohne Deckung, ohne Vorsicht dem blindem Hass ausgeliefert war.
Charly heulte, zitterte, war wie in einem Fieberwahn, machtlos ihrer eigenen Wut ausgeliefert. Nach einiger Zeit ließ ihre Energie nach, sie hob die Arme, wollte einen neuerlichen Schlag ansetzen und ließ die blutenden Hände kraftlos wieder sinken. Sie winselte und bebte, keuchte und blutete, war wie in Trance.
Langsam, ganz langsam ging sie auf die Knie. Der Kopf sank auf die Brust, unterlag nicht mehr ihrem Willen. Ihr Körper brach ohne Gegenwehr, völlig verausgabt in sich zusammen, konnte sich nicht mehr aufrecht halten. Mit einem verschleierten Blick des Unverständnisses, bleiern vor Schmerz glitt sie ohnmächtig in die Scherben des Wandspiegels. Ihre Gegnerin lag zersplittert unter ihr begraben.