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Hasensonntage
Hasensonntage
Heute riech ich nach Hase, heute ist Sonntag. Manchmal kaufen meine Menschen einen Hasen und braten ihn, mit Pilzen und mit Zwiebeln. Dann riecht jeder im Haus nach Hase. Der Duft zieht überall hin. So ist das, wenn man mit Menschen zusammenlebt, die Hasen braten.
Es soll auch Menschen geben, die sowas nicht tun...aber ich sollte mich erstmal vorstellen: Guten Tag, ich heiße Max und bin ein Abessinierkater und lebe in einer Hafengroßstadt mit vielen Menschen und Schiffen.
Die Menschen, die allen Dingen einen Namen geben müssen, haben für diese Stadt auch einen, aber den hab ich vergessen.
Ich kann euch aber die Stadt genau beschreiben:
da ist der Geruch der vielen Autos, der sich dunstig vor die Häuser legt und zwischen ihnen durchstreift, überall riecht es nach Blech und Abgas.
Es gibt unzählige Häuser, die nach gebrannten roten Ziegeln riechen, Mörtelmischungen, die einem in der Nase jucken und den Farbgerüchen an den Wänden, die mit der Zeit verblassen. Wenn sie sich mit dem Duft der davorstehenden Bäume vermischen, riecht es nach Holz und Farbe und Auto.
An manchen Tagen kommt der Wind vom Meer und braust um die Häuser. Er riecht nach Algen und ranzigem Schaum und die Möwen mit ihren frisch gelüfteten Federn fliegen so tief, dass ich mir eine fangen und meine Nase in sie versenken könnte. Ihr Duft nach den triefend aus dem Meer gezogenen Fischen ist verführerisch und es zieht mich hinaus, den Wind zu riechen.
Wenn der Wind vom Westen her kommt, fegt er zusammen mit dem Regen alle Gerüche für ein paar Stunden weg und später riecht es nach dampfendem Asphalt, dunkelschwerer Erde und bemooster Rinde.
Wenn die Erlen und Buchen blühen sind die Steine unter meinen Pfoten klebrig und riechen nach sandigschmutzigem Honig.
Dann locken die vorwitzig an den Laternenpfählen herangewachsenen Grasbüschel mit ihrem saftiggrünem Duft und ich kann nicht widerstehen, herzhaft in sie hineinzubeißen.
Im Laufe des Sommers verwandeln sie sich in verbranntriechendes Stroh und die Sonne kocht den Asphalt auf den Straßen.
Mein Lieblingsplatz ist im Garten im Schatten hinter einer würzigherbriechenden Buchsbaumhecke. Überall verströmen die Lavendel ihren betörenden Duft, von den Hummeln magisch angezogen.
Im Herbst füllen sich die Pfützen ölig schillernd mit dem Geruch von Schlamm und verdorrtem Unkraut. Manchmal riechen sie nach einer Hundeschnauze, die aus ihnen geschlappt hat.
Raschelndes Laub wirbelt durch die Luft, der Geruch von Brombeere und Apfel zieht in meine Nase. Und wenn endlos lang der Regen niederprasselt, riecht das Laub modrig und dort, wo es zu Haufen aufgeschichtet wurde vergoren säuerlich.
Vor die Tür gehe ich dann kaum noch.
Im Haus breitet sich der Duft von Vanille, Zimt, Butter und Nelken aus. Der bleibt tagelang im Haus, sicherlich hat er die gleichen Gründe wie ich, weshalb er nicht raus will.
Draußen tragen nur noch die immergrünen Büsche ihre Blätter und ich kann im Garten bis hinten zur Garage blicken.
Drinnen riecht es nach Tannen-und Kiefernwald. Geschmolzenes Wachs vermischt sich mit dem heißen Brandgeruch des Ofenfeuers. Dünne Schwaden von Orangenduft suchen sich ihren Weg dazwischen.
Das ist die Zeit, in der ich meine Nase in die wollene Decke vergrabe, die immer ein wenig nach Seifenpulver riecht, auch wenn ich meinen Kopf unzählige Male an ihr gerieben habe.
Nicht lange und es kommen die Hasensonntage. Es gibt aber auch Hähnchensamstage und Forellenmontage und jedes Mal riechen alle, mal nach Hähnchen, Forelle oder eben Hase.