Was ist neu

Harry

gox

Seniors
Beitritt
13.02.2004
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891

Harry

Ich heiße Karin. Seit fünfundzwanzig Jahren bin ich glücklich verheiratet. Wir sind nicht reich, aber auch nicht gerade arm. Unser Haus steht im Hamburger Stadtteil Groß-Flottbek.
Mein Mann und ich sind mittleren Alters, sofern hundert Jahre als Ende der Messlatte gelten. Uwe arbeitet im Management einer Baumaschinen-Firma.

Wir führen ein anständiges Eheleben.
Der unanständige Teil beginnt, sobald Uwe das Licht im Schlafzimmer löscht. Nun bin ich mit meinen fünfzig Jahren keine Gina Wild. Wer vermutet, unser Eheleben sei von Anstand und gegenseitigem Respekt geprägt ist, hat uns nur bei Helligkeit gesehen.
Uwes Wunsch nach mehr macht sich mit einem Glimmer in seinen Augen bemerkbar. Er klebt dann immer an mir.
Normalerweise betritt Uwe die Küche nur wegen seiner Hungergefühle. Will er mir jedoch behilflich sein und schafft das nicht, ohne die Finger von mir zu lassen, ahne ich, dass das Licht für uns beide bald wieder ausgeht.

Ich hatte darüber gelesen, trotzdem traf es mich beim ersten Mal unerwartet.
Mit wachsender Begeisterung demonstrierte ich Uwe alle Facetten meiner französischen Kenntnisse. Die ganzen 'ohs' und 'ahs' hatten wir schon durch, aber das Fin fehlte noch. Ich gab mir verzweifelte Mühe bis hin zum Muskelkater, eine Schlangenbeschwörerin bin ich jedoch nicht.
Nach einer halben Stunde gab Uwe erschöpft auf. Harry, so nennen wir den dritten munteren Gesellen in unserem Bett, war nicht zum Höhepunkt zu bewegen.
Uwe murmelte etwas von einem stressigen Arbeitstag. Toll, wenn sich ein Mann so im Mittelpunkt des Geschehens sieht. Uwe glaubte wohl, ich hätte gerade einen halbstündigen Schönheitsschlaf hinter mir. Dabei hatte ich mich völlig verausgabt.

Ich will nicht ungerecht sein:
Es war der erste Hänger nach so vielen Jahren. Und ich bin schon lange keine attraktive Zwanzigjährige mehr. Zu dieser Stunde hätte ich sicherlich ein psychologisches Komm-lass-uns-darüber-reden-Gespräch anbieten sollen. Aber wem ist schon nach Reden zumute, solange die Gesichtsmuskulatur durch Überbeanspruchung nach einem Lifting schreit.
Ohne weitere Worte schliefen wir beide zutiefst unzufrieden ein.

Uwe und ich mieden das Thema und ließen die nächsten Tage ohne dunkle Zwischenfälle passieren.
Am Sonntag darauf ging ich in die Küche, um das Abendbrot herzurichten. Als ich mich bückte, um den Geschirrspüler auszuräumen, berührte mich etwas. Ich richtete mich auf, drehte mich um. Uwe und ich standen uns Auge in Auge gegenüber. Glimmer in seinen Augen.
Das Vorspiel war virtuos. Uwe kennt die Register, die er ziehen muss, fordernd und auch zärtlich. Siegessicher entschieden wir uns für die einfache Erlebensvariante der christlichen Welt. Wir wollten Harry nicht erschrecken.
Harry spielte mit. Erst sehr langsam, dann schneller. Seine Bewegungen wurden so heftig, dass Harry eigentlich hätte schlecht werden müssen. Dazu kam es aber nicht. Langsam und unaufhaltsam trat er den Rückzug an. Mein tapfer-hilfloses Lächeln munterte auch nicht auf. Vielleicht hätte ich darauf verzichten sollen, Uwe zu fragen, ob er einen stressigen Arbeitstag hatte. Ich wollte eine Brücke bauen. Aber es war Sonntag. In solchen Dingen bin ich unbeholfen.

Ich liebe Uwe über alles. Allerdings habe ich bewusst den Gedanken ausgeblendet, wie schlecht er sich wohl fühlt.
Fehlende Diplomatie macht mir vieles schwer, aber ich wurde nicht so geboren. Mein Arbeitgeber ist eine Klempnerei, in der ich als Sekretärin und Mädchen für alles angestellt bin. Nötig hätten wir das schon lange nicht mehr. Die Tätigkeit bereitet mir Freude, deshalb habe ich noch immer diesen Arbeitsplatz.
Als einzige Frau zwischen zweiundzwanzig Rohrlegern werde ich zwar wie ein rohes Ei behandelt, muss mich aber auch durchsetzen können. Daher entwickelte ich eine leicht männliche Denkungsart. Statt des äußeren Dialogs entschied ich mich immer häufiger für den inneren Monolog. Wenn ich sprachlich Stellung beziehen muss, kann ich meine Wünsche nicht mit den Worten beginnen : Ach, würden Sie bitte freundlicherweise...
Nein, ich musste lernen, knallhart zu sagen: Wenn Du Lusche das nächste Mal wieder den Kreuzschlüssel im Büro vergisst, gibt es Ärger!
Zu Hause erwarteten mich mein Mann und meine beiden Söhne. Ich befand mich zwischen zweiundzwanzig Rohrlegern, drei Männern und Harry. Wie sollte ich lernen, gefühlvoll zu sein?

Unseren nächsten Versuch starteten wir vier Wochen später. Aber Harry hatte sich für eine Serie entschieden. Wie ein einarmigen Bandit, der am Ende keine Geldstücke ausspucken mag und dessen Arm erlahmt.

Ich musste das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Ein paar scharfe Dessous und anregendes Parfum kaufen. Ein Paar fleischliche Pfunde ablegen. So könnte ich Uwes und Harrys Interesse zurückgewinnen.
Zur Abwechslung nuckelte ich einige Wochen an Möhrchen, Gurken und Salatblättern herum. Das hob meine Laune nicht. Ich zog durch teure Boutiquen und erwarb Stofffetzen von Briefmarkengröße, das hob meine Laune ein wenig.
Allerdings: Das Porto, das ich für diese Briefmarkenteile bezahlen musste, hätte für den Lufttransport eines Elefanten nach Südafrika gelangt. Nicht anders beim Parfum. Ich entschied mich für die Sorte 'Tresor' und in einem solchen sollte ich den Flakon wegen seines Preises auch lagern.

Plumpes Fleisch-Vorzeigen fand ich schon immer unromantisch. Dezent blitzte gelegentlich nur ein Spitzen-BH aus meiner Bluse. Ein anderes Mal benebelte ich mich mit 'Tresor' und drückte mich wie versehentlich dicht an Uwe vorbei.
Irgendwann, eines Tages, klappte es.
Ich hatte die Dessouskombination von Passionata in apricot gewählt. Uwe wurde unruhig. Das Flämmchen in seinen Augen wurde zur Flamme. Ich erlebte einen intensiven, erotischen Frühlingstag. Dieser Tag war einfach wunderschön. Am Morgen, am Mittag und am Abend. Eine so hohe Taktzahl erreichten wir schon lange nicht mehr.
Ich starrte ungläubig meine apricotfarbenen Briefmarkenteilchen an. Wie viel hatte ich doch mit so wenig erreicht.

Meine Ausstattung erweiterte ich zügig um glutrot, champagner und sündiges Schwarz.

Uwe bestieg mit mir die Achterbahn der Sinnlichkeit. Endlich fühlte ich mich wieder richtig begehrt. Nicht einmal, als Uwe noch als Jungbullenfleisch herumlief, haben wir ein solch ausgefülltes Liebesleben genossen. Unser Verhalten glich dem von Kaninchen. Was in unserem Alter nicht unbedingt gesundheitsförderlich ist, denn Rückenschmerzen plagten mich und unausgeschlafen ließ ich meinen Launen freien Lauf.

Dann kam der heutige Tag.
Ich habe es gefunden.
Das helle Päckchen mit den graublauen Pillen.
Privatrezept von Dr. Schroeder. Er ist Urologe.

Uwe war bereits zur Arbeit gegangen. Ich suchte nach einem Pflaster in seinem Teil des Badezimmerschränkchens und stieß auf das besagte Päckchen. Etikett nach hinten.
Neugierig nahm ich die Verpackung in die Hand, drehte das Etikett nach vorn. Ein aus Funk und Fernsehen allzu bekanntes Produkt.
Wie eine giftige Schlange kroch das Gefühl des Betrogenseins an mir hoch.
Dr. Schroeder, ein Männerarzt - was für ein Verrat!

Ich hatte wirklich geglaubt, glutrot, champagner und sündiges Schwarz würden Uwe scharfmachen. Dabei wirkte nur das Blaugrau.
Wut und Aggression explodierten hinter meinen Schläfen. Jetzt war zwar Mittagszeit, aber ich schnappte mir meinen Mantel und lief aufgeregt in die nahegelegene Praxis von Herrn Doktor. Den würde ich zur Rede stellen.
Die Eingangstür fand ich unverschlossen vor, obgleich um diese Zeit keine Patienten erwartet wurden. Ich zischte an der unbesetzten Rezeption vorbei und stürmte durch die lederbezogene Tür des Behandlungsraums.

Das verdutzte und verschwitze Gesicht von Herrn Dr. Schroeder werde ich nie in meinen Leben vergessen. Er war allein. Angespannt saß er auf einem Stuhl. Sein Gesicht war mit Schweißperlen übersät und hektisch gerötet.
Offenbar unterhielt er sich mit einem weiblichen Wesen auf der anderen Seite der Leitung, eine Hand am Hörer. Nur eine, dieses Schwein!

Ist es wirklich wichtig für das polizeiliche Protokoll, in welcher Reihenfolge ich das Zimmer von Herrn Doktor zerlegt habe? Oder darf ich jetzt nach Hause gehen ?

 

Hallo gox,

wenn du denn die Einleitung erst mal hinter dir hast mausert sich deine Geschichte zu einem echten Schmunzler über ein ernstes Thema, wird trotz einiger Klischees und einiger eher alter Scherze (Rohrverleger) witzig, unterhaltsam und flüssig. Die ersten beiden Absätze solltest du aber dringend noch einmal überarbeiten. Der Einstieg in eine Geschichte ist schließlich ihre Visitenkarte.
Vielleicht startest du die Geschichte über Harry auch gleich mit einem seiner Hänger?
Oder mit einem vorausnehmenden Dialog, in dem Karin zu ihren persönlichen Angaben befragt wird. Ihr Gegenüber muss da ja nicht gleich als Polizist geoutet werden. ;)

Lieben Gruß, sim

 

Hello Sim!

Dank für Deine hilfreiche Kritik - ich habe auch schon überlegt, ob ich nicht den Anfang des Polizeiprotokolls nach vorn stelle. Ich möchte ja nicht, dass sich die Leser über eine Einleitung quälen müssen. Offen gesagt, ist der Part mit den Rohrverlegern nicht als Hinweis auf verweste Scherze gedacht, es ging mir mehr um richtig harte Jungs ;-)
Ich wollte zunächst Bauarbeiter nehmen, aber auf Baustellen arbeiten kaum Frauen...

Viele Grüsse vom gox

 

hallo gox,

ich kenne eine Frau, die als Tischlerin auf dem Bau arbeitet. Glaube mir, das wäre ein anderes Thema ;)

Was die Rohrverleger betrifft war meine Fantasie dann wohl zu platt und unanständig ;)

Lieben Gruß, sim

 

Also damit hier auch mal eine Frau etwas sagt:
gox, mir hat auch diese Geschichte gefallen. Ich habe stellenweise nicht nur gegrinst, ich habe sogar gelacht. Klar ist es nichts Neues, so eine Geschichte im Nachhinein als Verhörmitschrift zu entlarven, aber das finde ich in keiner Weise schlimm. Man kann auf so vielen Gebieten das Rad nicht neu erfinden, und die Geschichtenschreiberei gehört eindeutig dazu.

Deine Karin ist eine handfeste, pragmatische, unerschrockene Person, nur... wie schon bei deiner Kondomgeschichte habe ich schon wieder was an diesem Frauentyp zu meckern. Warum zerlegt sie die Praxis des Andrologen? Was kann er dafür? Da könnte sie genauso die nächste Niederlassung von Pfizer Pharma attackieren, die wird zwar weiter weg sein, aber das wäre ebensowenig schlüssig. Sind Frauen wirklich so unlogisch in ihren Reaktionen? Zumal Karin vom Temperament her nicht der Typ der tellerschmeißenden Neapolitanerin zu sein scheint. ;)

 

Hello chica + danke,
endlich eine Frau, die mich versteht ;-)
Karin war doch ziemlich geschafft vom permanenten 'geliebt werden', da kann es schon mal zu unschönen und wenig durchdachten Handlungen kommen, denke ich. Selbst ein gestandener Mann macht ja in Streßsituationen Fehler ;-)
Aber endlich lernen Frauen das Leid der Herren kennen, die nie sicher waren, ob die Herzdame sie nun um ihrer selbst willen oder wegen des Geldes liebt. Nun dürfen die Mädels überlegen, ob sie anziehend sind oder ob da nur etwas funktioniert - wohl keine so angenehme Überlegung...

Viele Grüsse vom gox

 

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