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Happy Hour im Abseits

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19.01.2008
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Happy Hour im Abseits

«Unsere Gäste sollen sich verlieben und viel trinken», hat Margret einer Lokaljournalistin in den Block diktiert, als sie damals die Bar übernommen hat; der Artikel müsste hier irgendwo hängen. Margrets simples Konzept blieb seitdem unverändert, wie auch der Name der Bar: Das Abseits blieb das Abseits, weil Margret partout kein neuer Name einfallen wollte. Nur die Musik ist leiser geworden, sie dudelt kaum hörbar im Hintergrund. Wegen eines chronischen Pfeifens im linken Ohr meidet Margret jeden Lärm. Sie will kein Risiko eingehen. Wenn die Chefin anwesend ist, wird die Musik leiser gedreht. Da gibt es keine Diskussion.

Happy Hour ist von 20:00 bis 21:30 Uhr und am Wochenende noch einmal von 23:30 bis 01:00 Uhr. Die Stunde hat neunzig Minuten. Und obwohl die Bar Abseits heißt, zeigen sie hier längst keinen Fußball mehr: Margret hat nichts für Ballsport übrig.

Auch Louis ist hier, um zu trinken. Mit dem Verlieben hat es bisher leider nicht geklappt, dabei ist er öfter hier. Eigentlich kommt Louis jedes Wochenende her und oft auch donnerstags, direkt nach der Arbeit. Gerade raucht Louis, weil sich niemand unterhalten will. Schlampig hängt ihm die Zigarette im Mundwinkel, beharrlich tränen ihm die Augen. Es ist ziemlich stickig im Abseits, obwohl zwei Deckenventilatoren routiniert für unsichtbare Unordnung sorgen. Die Wände sind tapeziert mit Spiegeln, in denen Mädchen ihre Frisuren kontrollieren und, wenn nötig, schnelle Korrekturen vornehmen und flüchtende Strähnen einfangen. Männer verziehen sich dafür lieber auf die Toilette, wohin sie sowieso müssen, weil sie müssen: Das viele Bier rauscht direkt durch den Körper und füllt ohne Verzögerung die Vesica urinaria.

Auch bei Louis verhält es sich so. Er hat sein drittes Bier ausgetrunken, all seine Zigaretten aufgeraucht und macht sich jetzt auf den Weg zum Zigarettenautomat, schlurft vorbei an der Theke, wo Margret und ein junger Mann Bierflaschen köpfen und Cocktails zusammenschütten. Der Mann wirkt müde, die Schatten unter seinen Augen verraten ihn. Auf seinem Namensschild steht: Antonio. Das Cocktailmixen und Flaschenöffnen ist längst Teil seiner selbst geworden, die Minimalbewegungen laufen automatisiert ab und bedürfen keines Denkens mehr. Antonio ist der zweite Automat im Abseits – und wer nett fragt, bekommt sogar eine Zigarette von ihm.
Louis bezahlt lieber und drückt den rechteckigen Knopf, auf dem seine Billigmarke abgebildet ist. Er schiebt die erste Münze in den Schlitz – doch sie will nicht und rutscht klackernd durch den Metallkasten. Louis fummelt die Münze aus der Schale, rubbelt sie am Metall und schmeißt sie wieder rein. Sie rutscht durch die Eingeweide der Maschine, wie das Bier durch menschliche Körper.
«Verarsch mich nicht», droht Louis. Ihn beschleicht allmählich das Gefühl, dass sich Münze und Automat gegen ihn verschworen haben, weil sie sich um seine Lunge sorgen. Als die Münze ein drittes Mal durch den Automaten fällt, betreten Victoria und ihre beiden Freundinnen das Abseits. Umständlich schieben sie sich an Louis vorbei. Die deutliche Wölbung seines Bauches verursacht einen erhöhten Platzbedarf. Er steht da wirklich ungünstig: nämlich voll im Weg und ohne es zu merken.
«Dahinten», sagt Jennifer und deutet auf einen freien Hochtisch, an dem drei Barhocker stehen. Jennifer steht nie im Weg: eine Konsequenz ihrer strikten Diät und des täglichen Trainings. Im Fitnessstudio hat sie Victoria kennengelernt, die beim Onlinedating ihren Körper als «kurvig» beschreibt. Melinda hingegen geht immer seltener ins Fitnessstudio. Lieber entspannt sie im Kino, wo sie französische Filme mit Untertiteln liest.
«Wollt ihr Salzstangen?», fragt die Bedienung und sammelt die leeren Flaschen vom Tisch.
«Klar», sagt Melinda. Die Salzstangen sind umsonst und kommen im Glas.
«Wisst ihr schon, was ihr trinken wollt?», fragt das Mädchen mit vier leeren Flaschen auf dem Tablett.
Victoria und Melinda bestellen sich bunte Cocktails, die Antonio ihnen im Tiefschlaf mixen könnte.
«Und ein Wasser, bitte», ergänzt Jennifer.
«Wasser wie in: Mineralwasser, wie in: alkoholfrei?», sagt Victoria.
«Mit Kohlensäure?», fragt die Bedienung, die eine Schwäche für Deonyme hat und Mineralwasser immer Selters nennt. Margret sagt, dass müsse sie sich unbedingt abgewöhnen, damit die Gäste sie auch verstehen.
«Ja, bitte.»
«Es ist Freitagabend, was ist los mit dir!»
«Nichts ist los … und du kannst dich doch trotzdem betrinken.»
«Alkohol hat wohl seinen Reiz verloren», sagt Melinda.
«Alleine betrinke ich mich nicht.»
«Was gibt’s denn Neues bei euch?», fragt Jennifer. Sie will am nächsten Morgen unbedingt fit sein, um mit Gregor laufen zu können.
Melinda erzählt von ihrem stillen Dozenten, der ihr nicht in Augen gucken will/kann, und Victoria berichtet von ihrem letzten Geschlechtsverkehr mit einem Mann, der sie hartnäckig Jonas (sic) nannte, und Jennifer hört beiden nicht zu, lacht aber trotzdem an den richtigen Stellen. Wenn sie sich treffen, geht es oft um Männer, dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Zu unterschiedlich sind ihre Interessen, zu oberflächlich ihre Beziehung. Trotzdem ist es häufig lustig, etwa dann, wenn sie betrunken in die Disko gehen. Lustig ist es also an anderen Abenden, nicht heute, nicht jetzt, nicht im Abseits.

Jennifer hat das alles schon gehört und ist mit den Gedanken ganz woanders. Dass sie letzte Woche bei Kilometer 7,6 ihrer üblichen Route (= 11,2 Kilometer) einen attraktiven Jogger kennengelernt hat, will sie nicht erzählen.
Den Zufall, Gregor zu treffen, hat Jennifer sofort als Schicksal (miss)verstanden. Gregor läuft nie am Vormittag, sondern immer, immer vor dem Frühstück – ohne Ausnahme, seit drei Jahren. Doch letzten Mittwoch kam es anders: Als Gregor morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt. Weil er nur ein einziges Paar Laufschuhe besitzt, aber plötzlich vier lange, dürre Beinchen, musste er warten, bis er wieder zu einem Menschen mit zwei Füßen wurde, die in seine Schuhe passten. Die Verwandlung dauerte bis zum Vormittag, als Gregor es mit großer Verzögerung schließlich in seine Laufschuhe schaffte. Am Berührungspunkt seiner Route (= 9,8 Km) mit der von Jennifer rannte er das schlanke Mädchen über den Haufen, was er sofort auf die vormittäglichen Lichtverhältnisse schob, an die er einfach nicht gewöhnt war. Umständlich aufstehend entschuldigte er sich mehrfach bei dem Mädchen, das beteuerte, dass ihr nichts passiert sei, alles halb so schlimm – und: Wie heißt du eigentlich?

Morgen früh wollen sie gemeinsam Jennifers Route laufen, elf Komma zwei Kilometer Gemeinsamkeit bei gemütlichen zehn km/h. Louis bewegt sich mit vier km/h und passiert den Tisch der Mädchen. Heute trägt er ein gelbes Shirt ohne Muster, was ihn jünger erscheinen lässt. Hofft er zumindest.
«Der ist immer hier», sagt Victoria. Louis könnte Ähnliches über Victoria behaupten, wenn ihn jemand fragen würde. Sein Typ ist Victoria nicht, Louis mag blonde Männer. Seine Blicke galten daher nicht Victoria oder Melinda oder Jennifer, sondern Malte, der seit zwei Bier mit seinen beiden Freunden am Tisch neben den Mädchen sitzt und sich vor einigen Sekunden zum Pinkeln entschuldigt hat. Ein Moment, auf den Louis nur gewartet hat. Malte ahnt nichts von seinem Verfolger, seine Gedanken kreisen angestrengt um eine mögliche Ausrede, warum er zeitnah verschwinden müsse. Wie bei vielen Besuchern des Abseits war auch bei ihnen das Gespräch schnell zum Erliegen gekommen. Das Wenige, was besprechenswert war, war schnell ausdiskutiert. Meistens reden sie über Probleme mit Autos, Frauen und schwierigen Endgegnern. Im Moment sind alle Single und Mitglied im ADAC. Der TÜV war vollen Lobes, als Malte neulich da war.

Steinberg schaut in seinem Mobiltelefon nach, ob sich dort etwas tut, und tatsächlich kann er sich in die Beantwortung einer Nachricht stürzen. Der dritte Mann am Tisch heißt Sascha und nutzt die Gunst des Augenblicks: Gerade guckt das schöne Mädchen in seine Richtung.
«Hey, hast du mal … Feuer?», fragt er einem unüberlegten Impuls nachgebend. Seine Frage ist nicht nur äußerst unoriginell, sondern zugleich auch völlig absurd: Sascha ist Nichtraucher, ist er immer gewesen.
«Willst du wirklich Feuer?», fragt Victoria.
«Nein», sagt er, ich will dich.
Victoria kann seine Gedanken hören und freut sich schon auf den späteren Sex.
«Tut mir leid, ich bin Sascha», sagt Sascha und reicht ihr die Hand zur ersten Berührung.
«Victoria.»
«Hallo Victoria», sagt Sascha, der sich durch lautes Aufsagen Vornamen besser merken kann. Melindas und Jennifers Namen braucht er nicht laut aussprechen, die interessieren ihn nicht. Trotzdem emigrieren sie nach einigen Minuten Blabla geschlossen an den Tisch der Jungs. Sie hinterlassen einen Hochtisch ohne Stühle. Melinda unterhält sich mit Jennifer und Jennifer kurz mit Steinberg, der ebenfalls gern läuft, neuerdings aber lieber Motorrad fährt und Tennis spielt. Sascha berichtet Victoria von seinem letzten Urlaub, den er mit Malte auf Ibiza verbracht hat: langes Feiern, viel Alkohol und kein einziges Landschaftsfoto.
Nach einer ganzen Weile kehrt Malte an den Tisch zurück und kommentiert seine ungewöhnlich lange Abwesenheit nicht, sondern nutzt die allgemeine Unaufmerksamkeit, um sich ohne Zeitverlust von seinen beiden Freunden zu verabschieden. Er hat sich entschlossen, als Grund ein frühes Aufstehen anzugeben, was der abgelenkte Sascha gar nicht hört.
Steinberg hat auch schon die Jacke an.
«Ich komm dann gleich mit», erklärt er und begründet seinen Abgang nicht, weil er weiß, dass Saschas komplette Aufmerksamkeit dem schönen Mädchen gilt.
Beide Männer legen etwas Geld auf den Tisch und verabschieden sich von Sascha, der erst mit einigen Sekunden Verzögerung begreift, dass ihn seine Freunde gerade sitzen lassen. So sabotieren sie ihn wenigstens nicht mit peinlichen Anekdoten und Bemerkungen.
Jennifer beneidet augenblicklich die beiden Männer, die schnellen Schrittes dem Ausgang entgegensteuern.
Melinda gähnt und steht zu Jennifers Überraschung auf, zieht sich die Jacke an und nimmt ihre Umhängetasche in die Hand.
Louis steht wieder an seinem Platz und raucht, weil sich weiterhin niemand unterhalten will.
«Ich muss jetzt auch weg», sagt Melinda.
Jennifer verspürt eine warme Freude in Anbetracht der Entwicklung. Mit etwas Glück wird sie in zwanzig Minuten im Bett liegen und noch ein, zwei Kapitel lesen.
«Du willst bestimmt auch los?», vermutet Victoria.
Jennifer nickt und steht auf. Sie verabschieden sich mit Umarmungen und bezahlen bei Antonio ihre Drinks. Bleiben Victoria und Sascha. Sie sitzen sich gegenüber und gleichen ihre Biografien ab. Sie trinkt Long Island Iced Tea, er ein Bier aus der Flasche.
«Was machst du denn beruflich?»
«Ich arbeite bei der Lufthansa», sagt Sascha und hofft, nicht weiter ins Detail gehen zu müssen.
«Als Pilot?»
«Nun ja, nicht ganz.»
«Co-Pilot?»
Jetzt kommt der Moment, den Sascha jedes Mal fürchtet: Er wird ihr die Wahrheit sagen.
«Ich bin Flugbegleiter.»
Stewardess. Saftschubse. Tomatensaft.
Die Enttäuschung ist Victoria anzusehen: Sie löst den Augenkontakt mit Sascha und schaut einige Augenblicke zu lange in ihren Iced Tea. Nach jedem Geständnis sagen die Frauen ihm immer, dass er die ganze Welt sehen würde, was er längst weiß. Sascha bestätigt die offensichtliche Feststellung und lächelt, schließlich will er die Mädchen zu sich nach Hause locken, am besten noch am Abend des Kennenlernens. Wenn Sascha großes Glück hat, fragen sie ihn nicht weiter und akzeptieren seinen wagen Hinweis, bei der Lufthansa zu arbeiten. Einige Mädchen haben ihren Freundinnen voller Stolz berichtet, sie hätten die Nacht mit einem Piloten verbracht. Victoria wird dieser Fehler nicht unterlaufen.
«Wie interessant», sagt sie schließlich. «Dann hast du ja die ganze We—»

Ein Tumult unterbricht jede Konversation und sorgt in der Bar für grobe Unruhe. Mit erhöhtem Alkohol- und Nikotinspiegel hat Louis das Trinken mit dem Inhalieren verwechselt und ertrinkt an seinem vierten Bier.
«Der ist immer hier», sagt Victoria und Sascha nickt.
Gerade will ein Mädchen von ihren Freundinnen ein Foto machen, als Louis sterbend ins Bild kracht und den Moment ruiniert. Die Fotografin drückt ab, das Blitzlicht reflektiert im Spiegel und sieht aus wie eine kleine Sonne. Das Foto zeigt groteske Fratzen und einen verschwommen Louis, der wie ein gelber Pinselstrich einmal durchs Bild gezogen ist. Louis stolpert und fällt in den Schoß der Mädchen und speit einen Bierschwall aus, was die ganze Sitzbank samt Handtaschen einsaut.
Das Kreischen der Mädchen weckt den Barmann aus seiner Starre. Antonio wird gebraucht, er muss handeln, muss dem Ertrinkenden zur Hilfe kommen. Einen halben Sommer lang hat er als Bademeister gearbeitet, Antonio weiß, was er tut und springt ohne Zögern über den Tresen. Das sieht wirklich elegant aus und erregt staunende Blicke. Diese plötzliche Energieeruption steht im krassen Gegensatz zu seinen automatisierten Bewegungen: Mit mechanischen Handgriffen hat er die durstigen Männer und Frauen und Mädchen und Jungen bedient. Ein dezentes Lächeln schien in sein Gesicht gebrannt, es konnte jedoch nicht seinen wahren Gemütszustand verschleiern. Stammkunden wissen um seine Wandlung, sie alle haben amüsante Gespräche mit Antonio geführt, haben mit ihm gelacht und getrunken. Jetzt nennt er lustlos Preise und nuschelt «bitte sehr», wenn er Alkohol kredenzt und Wechselgeld zurückgibt.
Dieser müde Bademeister a. D. hechtet nun über den Tresen, schafft es nicht ganz rüber und schlittert das letzte Stück über die gut gewischte Oberfläche, reißt dabei ein Glas Salzstangen um und landet schließlich auf der anderen Seite. Antonio federt seine Landung leicht ab, geht in die Knie und sprintet das kurze Stück rüber zu Louis, der hustend und blubbernd aufsteht. Louis hält Antonio prompt für einen Angreifer, will ihm an die Gurgel, stürzt sich auf ihn, reißt ihn um. Beide fallen direkt in die Bierwasserkotzepfütze. Louis hat seinen vermeintlichen Widersacher hustend im Griff, er ist bereit, zu töten.
«Ich will dir doch helfen, Mann!», brüllt Antonio. Louis wuchtet ihm seinen Ellenbogen trotzdem in den Magen. Antonio stöhnt und atmet in einem Stoß heftig aus und Louis haut schnell ab, vorbei an den staunenden Gästen, vorbei am Automaten – und weg ist er. Bezahlt hat er auch nicht.
«Ich wohne gleich um die Ecke», sagt Sascha und verlässt mit Victoria die Bar.

 

Hallo Schlomo Goldberg,

eine Geschichte wie ein Telefonbuch, oder besser, ein Fotoalbum, das die Schnappschüsse verschiedener Menschen vereint.
Du formulierst ansprechend, gekonnt.
Aber der Aufbau deiner Story ist anstrengend, so, als ob man selbst in einer Kneipe sitzt und sich die Schicksale der vorbeikommenden Typen ausdenkt, bloß, damit kann man aufhören, sobald es zu verschwurbelt wird.
Für mich ist das zu viel, so viel, dass ich Absätze beim Lesen auch mal übersprang.
Ein paar Dinge sind auch nicht stimmig, wer sterbend ins Bild fällt (nette Szene ansonsten übrigens) müsste späterhin auch tot sein, finde ich. Wobei die Geschehnisse rund um Louis, wiewohl von mir nicht bis ins Letzte verstanden (wieso will der Barmann ihn killen statt retten?), noch die interessantesten sind.
Aber wie gesagt, es ist auch Ansprechendes in deiner Geschichte dabei, gute Formulierungen. Ein paar Beispiele von vielen:
" .. die Minimalbewegungen laufen automatisiert ab und bedürfen keines Denkens mehr. Antonio ist der zweite Automat im Abseits."

"In der Küche steht ein Automaten, in den Victoria ein Pad einlegt, einen Knopf drückt und abwartet, bis das Gerät heißes Wasser durchs Pad pustet und schließlich duftenden Caffè latte auspullert. Victoria trinkt in schnellen Zügen und verbrennt sich dabei die Zunge. Nicht so schlimm."

Schöne Beschreibungen ... wenn sie bloß Teil einer wirklichen Geschichte wären :-).

Viele Grüße,

Eva

 

Jetzt bin ich endlich mal dazu gekommen, hier zu antworten!

@myisrael: Dein Vorschlag gefällt mir, ich bin mit dem Anfang auch nicht wirklich glücklich gewesen. Und ja, viel zu viel Tabak! Deine Idee, mit Magret einzusteigen, finde ich gut. So wird's gemacht! Vielen Dank :)

@Eva: Die Schnappschüsse waren genau meine Idee. Das kann natürlich alles ziemlich konfus und oberflächlich werden - oder im schlimmsten Fall: langweilig. Da werde ich noch straffen und überarbeiten, bis es passt. Dann sind hoffentlich alle Absätze lesenswert :)

Der Barmann will ursprünglich die Mädels vor Louis retten. Ich habe es aber inzwischen umgeschrieben, weil ich es origineller fand, dass er Louis tatsächlich helfen will, so als ehemaliger Bademeister. Das ist derzeit noch etwas undeutlich formuliert, das stimmt.

Vielen Dank für die Anregungen! Mal sehen, ob ich zeitnah eine überarbeitete Fassung posten kann.

 

Lieber Schlomo,

bist du bereit für eine ehrliche, aber ziemlich vernichtende Kritik?

Ich habe die erste Version nicht gelesen, kann aber sagen, dass mir der Anfang gefallen hat. Das, und der recht sichere handwerkliche Umgang mit der Sprache, sind jedoch leider auch die einzigen beiden Dinge, die mir an der Geschichte positiv aufgefallen sind.

Der Inhalt ist für mich nicht greifbar. Da ist kein roter Faden, keine kohärente Handlung. An Figuren mangelt es der Geschichte dagegen nicht, im Gegenteil: Da ist eine Margret, ein Louis, ein Malte und ein Antonio; ein Gregor, der wirkt in der Szene, als sollte er nur dem Bedürfnis des Autors genüge tun, ein kafkaeskes Versatzstück unbedingt und egal wieso in die Geschichte einzuflechten und mich beschleicht der Verdacht, diese Geschichte ist nicht mehr als das Ergebnis einer entsprechenden Schulaufgabe; ein Steinberg und ein Sascha; auch das schönere Geschlecht ist wohl repräsentiert, sie heißen Victoria, Melinda und Jennifer und ich gehe kurz noch mal die Geschichte durch, um auch keine Figur zu vergessen, hab da echt den Überblick verloren.

Stell dir mal die Frage, was du erzählen willst. Dabei muss ich, deutsche Grammatik sei schuld, betonen, dass ich mit »was« hier als Einzahl verstanden wissen will. In einer Kurzgeschichte geht es, noch mehr als in anderen Gattungen, im Grunde aber auch da, genau um eine Gegebenheit, eine »Message«.

Nur die Musik ist leiser geworden, sie dudelt kaum hörbar im Hintergrund. Wegen eines chronischen Pfeifens im linken Ohr meidet Margret jeden Lärm. Sie will kein Risiko eingehen. Wenn die Chefin anwesend ist, wird die Musik leiser gedreht. Da gibt es keine Diskussion.
  • Müssen echt fünf Sätze erklären, dass die Musik leise ist, weil die Chefin einen Tinnitus hat? Wär es wenigstens in einem kurzen Dialog eingebunden, aber so ist das überflüssig, bringt die Story keine Spannungsbogensekunde weiter.

Lieber entspannt sie im Kino, wo sie französische Filme mit Untertiteln liest.
  • Dieser Gag hat bei mir immerhin für ein Schmunzeln gesorgt.

Melinda erzählt von ihrem stillen Dozenten, der ihr nicht in Augen gucken will/kann, und Victoria berichtet von ihrem letzten Geschlechtsverkehr mit einem Mann, der sie hartnäckig Jonas (sic) nannte, und Jennifer hört beiden nicht zu,
  • was hat das (sic) hier zu suchen? Vermutlich gäb es schon längst ein eigenständiges Zeichen dafür, würde es nach jeder banalen Absurdität in der Literatur gebraucht. Nimm Anführungszeichen, fertig. Und sorry, so banal ist das nicht, durchaus wirklich absurd. ;)

Morgen früh wollen sie gemeinsam Jennifers Route laufen, elf Komma zwei Kilometer Gemeinsamkeit
  • ein paar Absätze vorher hast du Ziffern benutzt, da war es noch richtig, da nur die einsilbigen Ganzzahlen eins bis zwölf in der Literatur ausgeschrieben werden. Die Zahl ist auch wumpe, vor allem für einen Mann, der unterwegs unvermittelt auf ein Mädel trifft, ich glaub der schaut gar nicht mehr auf seinen Entfernungsmesser.

«Nein», sagt er, ich will dich.
  • entweder tust du das »ich will dich« auch noch in Anführungszeichen (übrigens zeigen die Guillemets im Deutschen nach innen), oder schreibst sowas wie >> »Nein«, sagt er und denkt: Ich will dich.

«Hallo Victoria», sagt Sascha, der sich durch lautes Aufsagen Vornamen besser merken kann.
  • Über die ganze Geschichte hinweg schwanke ich, ob du in der personalen oder in der auktorialen Perspektive erzählst. Irritierend und ablenkend.

Ein Tumult unterbricht jede Konversation und sorgt in der Bar für grobe Unruhe. Mit erhöhtem Alkohol- und Nikotinspiegel hat Louis das Trinken mit dem Inhalieren verwechselt und ertrinkt an seinem vierten Bier.
«Der ist immer hier», sagt Victoria und Sascha nickt.
  • Häh?! Was soll das hier. Weiß ich übrigens schon von weiter oben.

Die Fotografin drückt ab
  • Ist sie wirklich eine Fotografin? Das ist schließlich nicht jede, die mal eben einen Schnappschuss macht. Und selbst wenn, was tut das hier noch zur Sache? >> Sie – reicht.

Und am Ende erstickt fast ein Säufer an Bier, anscheinend nur, damit der Autor wie in einer Kür beweisen kann, das ihm Dramaturgie nicht fremd ist, ob es nun noch drauf ankommt oder nicht, Hauptsache noch schnell aus dem Ärmel geschüttelt, sogar mit einer Prise Ironie, wenn ich es mir nicht gerade einbilde. Und mit einem gewaltigen Plopp kollidierender Quarks löst sich die ganze frische Wendung dann auch in Wohlgefallen auf. Ne, also ganz im Ernst, beim besten Willen.


Gelesen,
-- floritiv

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey floritiv!

... bist du bereit für eine ehrliche, aber ziemlich vernichtende Kritik?

Bring it on!

Ich habe die erste Version nicht gelesen, kann aber sagen, dass mir der Anfang gefallen hat.

Meinst du den Anfang von der alten Version?

diese Geschichte ist nicht mehr als das Ergebnis einer entsprechenden Schulaufgabe

Ja, den Eindruck kann man leider bekommen. (Fuck!) Ich habe mich aber längst entschlossen, die ganze Jogging-Geschichte zu entfernen. Damit fliegt auch Kafka wieder raus.

In einer Kurzgeschichte geht es, noch mehr als in anderen Gattungen, im Grunde aber auch da, genau um eine Gegebenheit, eine »Massage«.

Sicherlich ist das ein Problem der Geschichte: dass sie keinen roten Faden hat. Was ich will, ist eine (typische?) Nacht im Abseits zu schildern. Mit all den Figuren und Charakteren. Mein Anspruch wäre also, dass die Geschichte trotz (oder wegen) der Vielzahl an Figuren funktioniert und spannend ist und originell und auch witzig (und, und, und).

Müssen echt fünf Sätze erklären, dass die Musik leise ist, weil die Chefin einen Tinnitus hat?

Du hast recht: fünf sind viel zu wenig! ;)

was hat das (sic) hier zu suchen?

Vgl. David Foster Wallace.

ein paar Absätze vorher hast du Ziffern benutzt, da war es noch richtig, da nur die einsilbigen Ganzzahlen eins bis zwölf in der Literatur ausgeschrieben werden.

Vgl. ebd. (Übrigens hat der Duden diese Quatsch-Regel längst gekillt: Eine früher gültige Buchdruckerregel [...], gilt heute nicht mehr!

übrigens zeigen die Guillemets im Deutschen nach innen

In Deutschland wartet man auch an der roten Ampel ... ;) Was du meinst, sind keine Guillements, sondern Chevrons (= umgekehrt französische Anführungszeichen). Ich mach's gern richtig: nämlich französisch. (Hihihihihihi.)

Über die ganze Geschichte hinweg schwanke ich, ob du in der personalen oder in der auktorialen Perspektive erzählst.

Exakt! Das ist, glaube ich, auch legal. Siehe: How Fiction Works von James Wood.

Ist sie wirklich eine Fotografin?

Stimmt. Gutes Detail!

Und am Ende erstickt fast ein Säufer an Bier, anscheinend nur, damit der Autor wie in einer Kür beweisen kann, das ihm Dramaturgie nicht fremd ist, ob es nun noch drauf ankommt oder nicht, Hauptsache noch schnell aus dem Ärmel geschüttelt, sogar mit einer Prise Ironie, wenn ich es mir nicht gerade einbilde. Und mit einem gewaltigen Plopp kollidierender Quarks löst sich die ganze frische Wendung dann auch in Wohlgefallen auf. Ne, also ganz im Ernst, beim besten Willen.

Mhja, ach ... hm. Ich mag das Ende. Doch! Doch, doch, doch. Also, perfekt ist das noch nicht. Aber dass da einer am Bier ertrinkt und von einem depressiven ehemaligen Bademeister "gerettet" wird ... Doch! Doch, doch, doch. Oder? Hm. Ach. Mal sehen. Ne?

Vielen Dank fürs Lesen & deine Anmerkungen, die mir sehr weiterhelfen. Merci beaucoup!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi, schlauer Schlomo!

Unterhaltsam, interessant, prägnant!

Deine Geschichte gefällt mir sehr gut :)

Hier ein paar Stellen die mich besonders beeindruckten:

...obwohl zwei Deckenventilatoren routiniert für unsichtbare Unordnung sorgen...
Sehr schönes Kopfkino!

Auf seinem Namensschild steht: Antonio.
Ich war noch nie in einer Bar (die nicht Franchise ist) in der Angestellte Namensschilder tragen. Vielleicht gibt es sowas ja wirklich, dann entschuldige ich mich.

Lieber entspannt sie im Kino, wo sie französische Filme mit Untertiteln liest.
Rofl!

Doch letzten Mittwoch kam es anders: Als Gregor morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt. Weil er nur ein einziges Paar Laufschuhe besitzt, aber plötzlich vier lange, dürre Beinchen, musste er warten, bis er wieder zu einem Menschen mit zwei Füßen wurde, die in seine Schuhe passten.
Verstehe ich nicht. Hatte mich irritiert dieser Abschnitt!

Das Foto zeigt groteske Fratzen und einen verschwommen Louis, der wie ein gelber Pinselstrich einmal durchs Bild gezogen ist.
Sehr schön!

Antonio wird gebraucht, er muss handeln
Süß, hehe! (Vielleicht: Antonio wird gebraucht! Er muss handeln,... gibt der Sache meiner Meinung nach NOCH mehr BANG!)

Louis hält Antonio prompt für einen Angreifer, will ihm an die Gurgel, stürzt sich auf ihn, reißt ihn um. Beide fallen direkt in die Bierwasserkotzepfütze. Louis hat seinen vermeintlichen Widersacher hustend im Griff, er ist bereit, zu töten.
Roflcopter!

Zu der ganzen Barkeeperszene möchte ich anmerken das du hier für mich einiges an Speed rausgenommen hast. ACTION! Die Ereignisse überschlagen sich. Er hechtet über den Tresen!!!!! Bäm!!!... ...Nun folgt Antonios Background, der erwartet das ich folge und mich in ihn hineinversetze... aha, aha, depressiv in Routine versunken... glücklich das endlich was abgeht... BÄM! Antonio springt (nochmal??) über den Tresen!! Es kann weitergehn, yehaw!

Wenn du den Teil mit Antonios Background geschickt an früherer Stelle einbaust, erinnert sich der Leser bei Beginn des Biervorfalles sofort daran und du nimmst der (einzigen!) Actionsequenz nicht genau in dem Moment in der sie beschleunigen will wieder den ganzen Speed.

Super Story! Chapeau!

(und als kleiner Bonus wieder Antonio und Protagonisten mit lockeren Zigaretten in Mundwinkeln, hehe)

Grüße,

Die Krähe

 

Hallo Schlomo,
Die Frage um Guillemets oder Chevrons ist ja interessant. Es geht hier wohl um den bevorzugten Schriftsatz. In Frankreich und anderen romanischen Sprachen werden die Anführungszeichen mit der Spitze nach «außen» verwendet, im Deutschen aber genau umgekehrt mit der Spitze nach »innen«. Eine Ausnahme ist dabei die Schweiz, dort wird auch im Deutschen die bei den romanischen Sprachen übliche Form verwendet. In Frankreich werden zudem die Anführungszeichen mit « Raum » vor und nach dem angeführten Text gesetzt. Vielleicht müsste man hier konsequent sein: Französisch mit Zwischenraum, Deutsch umgekehrt mit Spitze nach innen oder Schweizerdeutsch, dann aber bitte keine „ß“.

Irgendwie schon ein interessantes Durcheinander in der Bar. Es erinnert mich an diese Wuselbilder.

Ich jogge auch gerne vor dem Frühstück und war dann enttäuscht, dass die genauen Kilometerangaben die Geschichte nicht weiter gebracht haben. Haben sie eine besondere Bedeutung?

Dass der Barmann-Automat zum rettenden Bademeister mutiert und über den Tresen hechtet, finde ich amüsant.

Ich frage mich, ob man ihn nicht erst zur Herzdruckmassage ansetzen lassen sollte ehe Louis hustend und blubbernd aufsteht.
Gruß
JoeK

 

Hey Krähe,

jetzt hab ich mir schon wieder ganz schön viel Zeit für meine Antwort gelassen. Ups. Aber ich hab so viel zu tun, blablabla, Arbeit, blabla. Jedenfalls vielen Dank für deine Kritik!

Ich war noch nie in einer Bar [...]

Ich weiß gar nicht, wie das in der Cocktail-Bar ist, die für meine Geschichte Pate stand. Ich glaube, die Leute da haben auch keine Namensschilder. Im Supermarkt tragen die Kassiererinnen aber Namensschilder! Warum auch immer. Oder soll mich das dazu anregen, mal ein Gespräch mit einer der Damen zu beginnen? Die Leute in der Schlange lynchen mich doch!

Verstehe ich nicht. Hatte mich irritiert dieser Abschnitt!

Der Absatz ist auch schlecht. Muss dringend raus.

Wenn du den Teil mit Antonios Background geschickt an früherer Stelle einbaust [...]

Genau das habe ich in meiner Überarbeitung schon gemacht; da fehlt dann auch Gregor. Aber ich bin noch nicht fertig. Wie gesagt: Ich hab soooo viel zu tun, blablabla.

wieder Antonio

Ich brauch für mehr Abwechslung unbedingt so ein 1001-Baby-Namen-Buch ... ;)

Gruß
Daniel

 

Hey JoeK!

Die Frage um Guillemets oder Chevrons ist ja interessant [...]

Finde ich auch. Aber dass die Franzosen da noch ein Leerzeichen lassen, ist doch bescheuert ... Wie sieht das denn aus?! ;) Jedenfalls machen es ja einige Verlage so, wie ich es auch machen: Chevrons aber ohne Leerzeichen. Ich hab mich dran gewöhnt und find's chic.

Es erinnert mich an diese Wuselbilder.

Ja, genau! Das hatte ich im Kopf.

Ich jogge auch gerne vor dem Frühstück [...]

Vor dem Frühstück?! Ein Kumpel von mir macht das auch. Ihr seid doch Serienkiller!!! :P

Haben sie eine besondere Bedeutung?

Nö. ;) Die ganze Jogging-Szene schmeiß ich auch raus, die führt zu nichts. Die heb ich mir für eine andere Geschichte auf, in der ich meine Jogging-Erlebnisse verarbeite. Zum Beispiel den Bussard-Angriff, den ich nur um Haaresbreite überlebte!

Danke fürs Lesen & für die Anmerkungen!

Gruß
Daniel

 

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