Was ist neu

Happy End

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10.07.2007
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Happy End

Treffen sich zwei Planeten.
Fragt der ältere:
„Und, wie geht’s?“
Sagt der jüngere:
„Schlecht. Ich hab Homo sapiens.“
Sagt der ältere:
„Ach, keine Sorge.
Das geht vorbei.“​

1. Alles wird gut

Das Schwerste war es gewesen, an die Waffe zu kommen. Die neue Weltordnung sah es nicht vor, dass man Dinge besaß oder erwerben konnte, die zum Töten gedacht waren. Und mit der guten alten Korruption war es auch nicht mehr besonders weit her.
Aber dank ein paar alter Verbindungen hatte er es geschafft. Und nun war er hier, und das was jetzt kam, würde einfach sein. SIE glaubten, SIE hätten alle Waffen abgeschafft und SIE glaubten, niemand wolle ihnen schaden, und deshalb waren ihre Sicherheitsvorkehrungen äußerst lasch. Keine Metalldetektoren. Wenige Sicherheitskräfte.
Was ihm Sorgen gemacht hatte, war die Vermutung, SIE könnten vielleicht auch Gedanken lesen, aber das schien nicht der Fall zu sein. Zumindest seine Gedanken nicht.
Er saß in einer perfekten Schussposition. Und er war bereit. Vielleicht war noch nicht alles zu spät. Und zumindest sollten SIE nicht kampflos gewinnen. Auch wenn sonst niemand die Wahrheit sehen wollte, er wusste Bescheid. Und er würde sich wehren.
Das war eine Revolution, nie zuvor hatte sich jemand gegen SIE gewehrt. Zugegeben, eine Ein-Mann-Revolution, noch dazu von einem, dessen Beruf es mal gewesen war, Dinge, wie er sie jetzt vorhatte, unbedingt zu verhindern. Aber außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen.

Der Saal war voll. Die Leute liebten die Bundeskanzlerin. Die erste Frau, die in der Bundesrepublik dieses Amt innehatte. SIE hatten die Gleichberechtigung aller Menschen verwirklicht, nicht nur pro Forma im Gesetz stehen. Es gab keine Diskriminierung mehr. Weltweit. In einigen Ländern war man auch vor IHNEN schon relativ weit gewesen, obwohl eine deutsche Bundeskanzlerin und ein schwarzer US-Präsident schon ungewöhnlich gewesen wären. Aber eine afghanische oder saudi-arabische Präsidentin? Das wäre einfach nur unmöglich gewesen.
SIE waren wirklich verdammt gerissen. Was hatten SIE nicht alles erreicht, mit ihrem „Lasst uns die Erde zu einem besseren Ort machen“. Keine Kriege mehr (das hatte ihn quasi arbeitslos gemacht, aber damals war es ihm als Segen für die Menschheit erschienen, wie allen anderen auch). Keine Armut mehr, zumindest keine lebensbedrohliche, von Hungersnöten und Seuchen begleitete. Kein Umweltproblem mehr, jedenfalls kein globales, das die ganze Zivilisation gefährdete, auch wenn es noch dauern würde, bis die Atmosphäre sich von der Ära der fossilen Energieträger erholen und die vernichteten Urwälder nachwachsen würden.
SIE hatten die Erde zu einem besseren Ort gemacht. Aber er wusste, was IHR eigentliches Ziel war. Er wusste, wer SIE in Wirklichkeit waren.
Was SIE in Wirklichkeit waren.
Und deshalb würde er so viele von IHNEN töten, wie er konnte. Zuerst die Kanzlerin. Aber es konnte noch dauern, bis sie auftreten würde. Der Lokalfuzzi von den Grünen, die aktuell mit der SPD als kleinerem Koalitionspartner regierten und die nächste Wahl mit ziemlicher Sicherheit auch haushoch gewinnen würden, weshalb sich jeder wunderte, warum sie überhaupt Wahlkampf machten, wurde und wurde mit seiner „Danke für Ihr Vertrauen - sehen Sie unsere politischen Erfolge - wählen Sie uns wieder“-Rede nicht fertig.
Er war ungeduldig. Und wurde langsam nervös. Wenn sie nun doch nicht auftrat? Sie war noch nicht zu sehen. Er könnte einfach einen der anderen auf dem Podium erschießen, aber er war sich nicht bei allen ganz sicher, ob es welche waren.
Manche Politiker waren bloß Geblendete, die an die schöne neue Welt glaubten und helfen wollten, sie zu vollenden. Nicht, dass die es nicht auch verdient hätten, aber er musste als erstes einen von IHNEN erwischen. Jemand Wichtigen.
Endlich: „... Und nun möchte ich Sie bitten, die Person zu begrüßen, wegen der Sie vermutlich alle hierher gekommen sind: Anja Stern, unsere Bundeskanzlerin.“ Donnernder Applaus, obwohl sie noch gar nicht zu sehen war. Zum Teil wohl Erleichterung, dass der Typ endlich aufgehört hatte zu schwafeln. Wer von den Leuten hier (sofern es keine von IHNEN waren) interessierte sich denn ernsthaft für die internationalen Bemühungen, die Bodenerosion einzudämmen?
Die wollten alle nur sie sehen und ihre Stimme hören. Und da war sie. Frenetischer Applaus, als sie an das Rednerpult trat, das mit dem überaus dämlichen Slogan „2038 - Alles wird gut“ verziert war. Obwohl, vielleicht gar nicht so dämlich. Immerhin wurde für SIE ja wirklich alles gut, langsam aber sicher.
Es war also nicht ganz so verlogen wie „Lasst uns die Erde zu einem besseren Ort machen“, das zudem noch von den Amerikanern geklaut war. Die hatten das "Let’s make the earth a better place" zuerst gehabt. Er kannte sich aus, er hatte IHREN Wahlkampf auf der ganzen Welt verfolgt. SIE hatten immer und überall gewonnen, obwohl SIE sich (anders als viele ihrer politischen Gegner) an die demokratischen Spielregeln gehalten hatten.
Es lag an dieser Ausstrahlung. SIE hatten sie alle, aber bei den Wichtigen war sie besonders stark. Sogar er konnte sich der Wirkung dieser Aura nicht sofort entziehen, selbst jetzt nicht. Er sah die Kanzlerin da stehen, eine attraktive Frau Mitte vierzig mit kurzen roten Haaren, und war plötzlich bereit, ihr zu vertrauen. Er hörte ihrer angenehmen Stimme zu, ohne wahrzunehmen, was sie eigentlich sagte. Und fragte sich allen Ernstes, ob er sich vielleicht geirrt hatte. Sie war vielleicht keine von IHNEN. Vielleicht existierten SIE ja gar nicht und er hatte sich die ganze ungeheure Verschwörung nur eingebildet. Ja, das musste so sein. Er war verrückt. Saß hier und wollte sie erschießen, und dabei war sie so ungeheuer sympathisch, und die Leute waren alle so begeistert von ihr, wie ...
... wie hypnotisiert. Er riss sich zusammen. Sie war eine von IHNEN. Die Beweise waren ganz eindeutig. Und jetzt würde sie sterben. Er stand auf und schoss.

Er war nicht schnell genug. Es war eine fürchterliche Erkenntnis, aber glasklar: er war viel zu alt für diesen Scheiß. Er hatte ihre beiden Bodyguards gesehen, aber deren Reaktionszeit weit unterschätzt.
Der eine warf die Kanzlerin auf den Boden, noch bevor der Schuss sich überhaupt gelöst hatte. Der andere fing die Kugel ab.
Die neue Weltordnung sah es nicht vor, dass jemand eine Waffe hatte. Demzufolge hatte der Leibwächter auch keine schusssichere Weste. Sein Job hatte vor allem darin bestanden, allzu aufdringliche Fans, die die Bundeskanzlerin unbedingt mal umarmen wollten, freundlich fernzuhalten, aber seine Reflexe waren trotzdem gut trainiert. Der Bodyguard war offensichtlich keiner von IHNEN.
Er blutete und starb ganz normal.
Als die Leute den ersten Schock überwunden hatten, begannen sie hysterisch zu schreien. Nicht so sehr, weil sie ihr eigenes Leben gefährdet sahen. Sondern weil er versucht hatte, die Kanzlerin zu töten.
Und natürlich, weil er den armen Leibwächter erwischt hatte. Das tat ihm leid, aber zu seiner Zeit hatte es ein sehr passendes Wort für so etwas gegeben: Kollateralschaden.
Es war eindeutig schief gelaufen.
Er konnte nicht noch einmal auf jemanden schießen, er durfte keinen weiteren Fehler riskieren. Aber die Leute sollten wenigstens von seiner Mission erfahren.
Er brüllte „Seht ihr denn nicht, dass SIE es verdient haben! Das sind keine Menschen! Seht doch genau hin! SIE SIND UNSER UNTERGANG!“ und noch andere Dinge in der Art, aber niemand hörte ihn. Die meisten Leute schrieen ja selbst, und viele weinten auch.
Auch die Frau, die ihn von hinten mit einem Stuhl k.o. schlug, hatte Tränen in den Augen.

Als er wieder zu sich kam, hatte ihm tatsächlich jemand Handschellen angelegt. Er hatte gar nicht gewusst, dass es so etwas noch gab.
„Wer sind Sie?“
Der Saal war geräumt worden. Nichts mehr zu sehen von der Kanzlerin, auch nicht von dem unglücklichen Bodyguard.
„He, hören Sie mich? WER SIND SIE! Warum haben Sie das getan, Sie Arschloch?“
Der Polizist war keiner von IHNEN. SIE hätten niemals Wörter wie Arschloch benutzt. Aber egal, was der Polizist war, SIE hatten ihn. SIE hatten gewonnen. Er begann zu schreien und, so gut es ging, um sich zu schlagen.
„He, aufhören! Hör auf, du durchgeknallter Wichser!“
Der Polizist hatte offenbar noch ein paar mehr der schönen alten Beleidigungen auf Lager. Erfrischend.
Sein Kollege dagegen war fast sicher einer von IHNEN, oder total von IHNEN vereinnahmt: „Hey, ganz ruhig. Niemand tut Ihnen was. Alles wird gut.“

2. Das Syndrom

Paul Körner hatte noch nichts gegessen und absolut keine Lust, zur Uni zu gehen. Heute gleich zwei verdammt anstrengende Vorlesungen, und dann hatte er noch eine Menge schrecklichen Verwaltungskram vor sich.
Aber er war Professor, und das bedeutete, dass keine Lust und nicht gefrühstückt kein guter Grund war, um nicht zur Vorlesung zu erscheinen. „Mama, ich will nicht in die Schule!“, dachte er. „Die Lehrer hassen mich und die Kinder machen sich über mich lustig! Nenn mir einen Grund, warum ich da hingehen muss! - Weil du vierzig Jahre alt und der Direktor bist!“
Er dachte morgens oft an diesen alten Witz. Er hatte in seinem Leben gigantische Umwälzungen erlebt, seine Generation war Zeuge von so großen Veränderungen gewesen, wie wohl keine Generation davor. Nicht einmal die Menschen im 20. Jahrhundert, die die Weimarer Republik, das Dritte Reich, den real existierenden Sozialismus und die Wiedervereinigung Deutschlands erlebt hatten, hatten Veränderungen in solchem Ausmaß und solchem Tempo verkraften müssen. Aber einige Dinge waren gleich geblieben: Vorlesungen waren anstrengend und Verwaltungskram war schrecklich, genau wie zu der Zeit, als er studiert hatte.
Wenigstens waren die Studenten ein Lichtblick. Er konnte sich nicht erinnern, dass es zu seiner Zeit so viele brillante, aufgeschlossene und sympathische junge Leute an der Universität gegeben hätte. Auch er selbst war nicht so gewesen.
Er war ein guter, angesehener Psychologe, aber er hatte sich nie erklären können, warum sich Anfang des 21. Jahrhunderts plötzlich so viele Menschen dafür entschieden hatten, in Zukunft nur noch vorausschauend, rücksichtsvoll und friedfertig zu handeln, nachdem fast die gesamte vorangegangene Menschheitsgeschichte aus Kriegen, furchtbaren Verbrechen und rücksichtslosem Umgang mit der Natur bestanden hatte.
Ein Freund von ihm, Professor für Philosophie, hatte einmal geschrieben „...tatsächlich sind damals charismatische Politiker und geniale Wissenschaftler geradezu wie Pilze aus dem Boden geschossen und haben die Menschheit wahrscheinlich im letzten Moment vor dem Untergang bewahrt. Man ist fast versucht, an die Vorsehung zu glauben, wenn man sich vor Augen hält, dass innerhalb weniger Jahrzehnte die gigantischen Probleme der Umweltzerstörung, der schrecklichen Situation der damals so genannten Entwicklungsländer und nicht zuletzt der immer drohenden Gefahr eines Krieges mit Massenvernichtungswaffen nahezu vollständig gelöst worden sind.“
Und die junge Generation würde sicher dazu beitragen, auch die letzten Überbleibsel dieser Probleme zu beseitigen und den Planeten Erde in einen wahrhaft lebenswerten Ort zu verwandeln. Vielleicht würden sie es sogar schaffen, die Universitätsverwaltung zu reformieren. Körner war so in Gedanken versunken, dass er nicht wenige seiner von ihm so bewunderten Studenten auf seinem Weg in den Hörsaal angerempelt hätte, wenn diese nicht so übermenschlich aufmerksam gewesen wären.

Es war nicht zu überhören, worum sich das Pausengespräch im Hörsaal drehte: das Attentat auf die Kanzlerin. „Wo kann man heute überhaupt noch eine Pistole bekommen? Hat er die aus einem Museum geklaut?“ ... „Der arme Leibwächter. Der Schuss hätte sie nicht mal getroffen, auch wenn er sich nicht davor geworfen hätte!“ ... „Ich versteh’ das einfach nicht. Wie kann ein Mensch ... ich meine, wie hat er das fertiggebracht, auf sie zu schießen?“ - „Vielleicht sieht er ... ich meine vielleicht - oh, Guten Morgen, Professor Körner!“
Er grüßte zurück und ging nach vorn. Obwohl die Studenten offensichtlich sehr aufgewühlt waren, wurde es schnell ruhig. Es war erstaunlich, er hielt sich eigentlich nicht für einen tollen Dozenten, aber seine Vorlesungen waren meistens ziemlich überfüllt und wurden mit großer Aufmerksamkeit verfolgt.
Diese Vorlesung besonders.
„Guten Morgen, meine Damen und Herrn, ich begrüße sie zur Vorlesung ,Psychologie des einundzwanzigsten Jahrhunderts‘“, begann er. „Wir sind bisher noch nicht bei unserem eigentlichen Thema angekommen, sondern befinden uns immer noch am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts.“
Das lag daran, dass die Diskussionen zu diesem Thema in den letzten Vorlesungen sehr lebhaft und ausdauernd gewesen waren. Die Studenten hatten eine Menge Fragen über das 20. Jahrhundert. Kein Wunder. Es musste ihnen etwa so fern und fremd vorkommen wie ihm selbst zum Beispiel das dritte Jahrhundert vor Christus.
„Ich habe versucht, Ihnen einen Eindruck zu vermitteln, wie es vor vierzig Jahren noch auf der Welt ausgesehen hat, aber wahrscheinlich können Sie es sich immer noch nicht wirklich vorstellen. Sie sind in einer ganz anderen Welt aufgewachsen. Versuchen Sie aber, sich in diese Menschen von gestern hineinzuversetzen und sie ein bisschen zu verstehen. Bitte, ich bin schließlich einer davon!“
Gelächter. Aber es war die Wahrheit: Es lagen Welten zwischen ihm und ihnen.
„Sie lachen, aber das ist eigentlich nicht komisch. Die Lage damals war ernst. Eigentlich so gut wie hoffnungslos. Es gab sechs Milliarden Menschen, und das Wachstum der Weltbevölkerung verlief immer noch exponentiell. Dem größten Teil der Menschheit ging es nicht besonders: Kein ordentliches Trinkwasser, nicht genug zu Essen, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen oder überhaupt keine Arbeit. Viele Länder der Welt wurden von Verbrechern regiert, und damit meine ich nicht nur die, die keine Demokratien waren. Vielen Menschen wurden elementare Rechte vorenthalten, weil sie zum falschen Volk gehörten, die falschen Dinge glaubten, das falsche Geschlecht hatten. Die Umwelt war in einem fürchterlichen Zustand: die Meere waren überfischt, die Böden erodierten, die Urwälder wurden regelrecht zerstückelt, unsere Emissionen hatten zunehmenden Einfluss auf das globale Klima, wir bedrohten viele Tier- und Pflanzenarten in ihrer Existenz, wir verschwendeten unsere Rohstoffe auf Teufel komm raus. Es gab Kriege, die zwar vordergründig mit irgendwelchen politischen Dingen begründet wurden, die aber nüchtern betrachtet Kriege um Ressourcen waren. Kriege um Öl. Konflikte um Trinkwasser. Alles sah danach aus, dass die Menschheit sich selbst zugrunde richten würde. Vielleicht kennen einige von Ihnen noch diesen Witz mit den zwei Planeten, in dem sich der eine beklagt, dass er Homo sapiens hat und der andere sagt ,Keine Sorge, das geht vorbei‘.“
Wieder Gelächter. Sie hatten eben keine Ahnung, wie wahr dieser Witz damals gewesen war.
„Und dann, im 21. Jahrhundert, hat sich plötzlich alles geändert. 2006 wird oft als das Jahr genannt, in dem alles anfing, aber natürlich gab es keinen Stichtag. Es hat früher begonnen, aber das waren bescheidene Anfänge, um die zäh gerungen werden musste: internationale Abkommen, bestimmte Waffen nicht mehr einzusetzen oder die Kohlendioxidemissionen um lächerliche Beträge zu senken. Aber 2006 gab es eine unglaubliche Revolution: sämtliche Länder der Welt wurden Demokratien. Mustergültige Demokratien. Das Ende von Willkür, Folter, der Todesstrafe. Für Sie ist das ganz normal, Sie kennen nichts anderes, aber bitte denken Sie daran, was Sie in den Geschichtsvorlesungen und bei mir über das 20. Jahrhundert gehört haben. 2005 war eine solche Vorstellung noch undenkbar. Lächerlich. Und 2006 passierte es einfach - völlig unblutig. Die Leute sagten einfach: wir wollen die Demokratie und wir wollen diesen oder jene als Staatsoberhaupt, und die fürchterlichsten Diktatoren gaben einfach nach und traten ab. Und diese neuen Staatsoberhäupter waren alle miteinander ein Segen für die Menschheit! Sie schafften innerhalb von ein paar Jahren sämtliche Waffen ab und danach ihr Militär - die Gefahr, irgendwer könnte einen Krieg anfangen, bestand ja nicht mehr. Es wird oft gesagt, dass seit dieser Zeit die Nationalstaaten nur noch pro forma existieren, weil sich die Regierenden der Welt alle so einig sind. Sie taten aber noch mehr: Sie schlossen wirksame Verträge zum Schutz der Umwelt und zur Sanierung bereits zerstörter Ökosysteme. Und wie auf Bestellung gab es zu dieser Zeit auch noch enorme Fortschritte in den Naturwissenschaften, die diese Maßnahmen erst ermöglichten und die vor allem die Energieversorgung endlich von den fossilen Brennstoffen unabhängig machten. Sie beschlossen, endlich international gegen Armut und Hunger vorzugehen, und sie waren damit erfolgreich. Da die Militärhaushalte gestrichen worden waren, stand ihnen ja auch eine ganze Menge Geld für die Umsetzung ihrer Pläne zur Verfügung. Es gelang ihnen sogar, das Bevölkerungswachstum zurückzufahren, ohne demographische Katastrophen zu verursachen. Kurz, die Welt wurde immer besser: gerechter, friedlicher und nachhaltiger, und das mit atemberaubender Geschwindigkeit. Warum erzähle ich Ihnen das alles? Weil es einen Schönheitsfehler an dieser Geschichte gibt, und ich möchte, dass Sie den registrieren: Sie ist total unglaubwürdig. Wenn sich jemand so eine Geschichte ausdenken würde, würden Sie alle sagen, das sei völlig überzogen und schrecklich kitschig. Aber sie ist passiert. Das ist nicht irgendeine weltfremde Utopie, es ist die Weltgeschichte der letzten Jahrzehnte. Trotzdem kommt es eben vielen Menschen so vor, als ob etwas damit nicht stimmt. Als wäre das etwas zuviel des Guten, als müsste es irgendwo einen Haken geben. Sie, die Sie nur die Früchte der Revolution genießen, sie aber selbst nicht erlebt haben, halten das wahrscheinlich für beschränkt. Aber versuchen Sie noch mal, sich vorzustellen, wie das zwanzigste Jahrhundert war. Wie die ganze Weltgeschichte vor 2006 war. Und dann sehen Sie sich die heutige Welt an. Es ist kein allzu abwegiger Gedanke, dass da noch etwas anderes dahinter stecken könnte. Eine Verschwörung. Der Illuminatenorden. Die Marsianer vielleicht.“
Sie lachten schon wieder. Sie waren leicht zu erheitern, fand er. Aber ob sie auch verstanden hatten, was er ihnen klar machen wollte, wenigstens ein paar von ihnen? Irgendwie klang das Lachen merkwürdig, aber er kam nicht darauf, woran es lag.
„Wirklich, jeder, der die Zeit vor 2006 noch erlebt hat, macht sich von Zeit zu Zeit solche Gedanken. Ich selbst habe als Jugendlicher gedacht, dass diejenigen, die in die höchsten Staatsämter gewählt wurden, eine Technik zur Gedankenkontrolle besäßen. Sie waren alle zu kompetent und sympathisch, um wahr zu sein. Man konnte sich ihrer Ausstrahlung nicht entziehen - das gilt auch für viele der heutigen Politiker. Ich dachte damals, das müsste etwas mit Hypnose zu tun haben.“
Hahahaha. Nahmen sie ihn nicht ernst oder lachten sie nur über die Art, wie er es erzählte? Egal. Er musste endlich zur Sache kommen, er hinkte seinem Zeitplan für dieses Semester ohnehin hoffnungslos hinterher.
„Was ich sagen will, ist, dass solche Gedanken normal sind, aber manche Menschen erlitten durch die radikalen Veränderungen einen solchen Schock, dass derartige Gedanken bei ihnen zu einer fixen Idee wurden. Sie misstrauen dem Ganzen dermaßen, dass sie lieber den Zustand vor der Revolution wieder hätten, trotz Kriegen und allem. Und das kann tatsächlich krankhaft sein. Dieses Syndrom wird von den meisten Psychologen als ,Brave New World Paranoia‘ oder kurz BNWP bezeichnet. Der Begriff bezieht sich auf den Roman ,Schöne Neue Welt‘ von Aldous Huxley und ist, wie ich gestehen muss, auf meinem Mist gewachsen.“
Hahahahihihi. Das wussten sie natürlich. Das Buch über BNWP hatte Körner international bekannt gemacht. Nun schienen sie wieder eine Menge Fragen zu haben: Mindestens zwanzig Studenten meldeten sich.
„Bitte?“
- „Ich verstehe das nicht richtig. Ich meine, ja, es waren sehr gravierende Veränderungen, aber sie waren doch rein positiv. Niemandem ging es hinterher schlechter. Wieso macht das die Leute krank?“
Mist, dachte er. Die hatte anscheinend gar nichts verstanden. Aber sie schien die Gedanken vieler anderer formuliert zu haben: Die meisten Arme gingen nach unten. Er bemühte sich: doch, es gab eine Menge Leute, denen es hinterher subjektiv schlechter ging, zum Beispiel all die, deren Geschäft der Krieg gewesen war. Und das war auch nicht das Entscheidende.
„Weitere Fragen? – Ja, bitte?“
„Glauben Sie, dass der Mann, der die Bundeskanzlerin umbringen wollte, auch unter BNWP leidet?“
Das war eine bessere Frage. Der Junge hatte etwas verstanden. Und natürlich hatte er selbst schon darüber nachgedacht. Das Dumme war: er wusste es nicht. Es gab jede Menge Geisteskrankheiten, und viele davon konnten einen im Extremfall zum Amokläufer werden lassen.

Die zweite Vorlesung war für die Erstsemester, Einführung in die Psychologie für Nebenfächler. Er mochte diese Vorlesung nicht besonders, obwohl auch die Erstsemester ausgesprochen aufmerksam und leicht zu begeistern waren. Sie hinterließ immer ein komisches Gefühl bei ihm.
Diese jungen Leute waren sehr intelligent und wirklich aufgeschlossen für das Fach, aber trotzdem erschienen sie ihm manchmal geradezu begriffsstutzig.
Er riss sich ein Bein aus, um ihnen verschiedene psychologische Phänomene an Alltagsbeispielen zu erklären, und unweigerlich meldeten sich dann mehrere Studenten (oder Studentinnen - die besonders) und sagten, dass sie sich in so einer Situation aber anders verhalten würden oder dass Menschen doch gar nicht so schlecht seien, wie er sie hinstellte. Es war fast unmöglich, ihnen etwas über die psychologischen Mechanismen von Neid, Rachegefühlen oder Eifersucht beizubringen. Ihren Glauben an das Gute in allen Ehren, aber einigen schienen die simpelsten Grundlagen der Menschenkenntnis zu fehlen.
Nach dem Ende der Vorlesung war seine Laune deshalb auf einem ziemlichen Tiefpunkt angekommen. Außerdem hatte er inzwischen wirklich Hunger (zwei Tassen Kaffee ersetzen nun einmal kein Frühstück, auch wenn sie umweltschonend produziert und fair gehandelt sind).
Aber ich sollte noch mal im Büro vorbeischauen“, dachte er „Mal sehen, ob es was Neues gibt. Essen kann ich dann immer noch.“
Der vulgärpsychologische Ausdruck für einen Fall wie ihn lautete „Workaholic“, vermutete Körner, aber solche Schubladenbegriffe schätzte er nicht.

Er betrat sein Büro und überflog seinen Kalender.
„Chef?“ Emma, seine Sekretärin. „Du hattest einen wichtigen Anruf! Der Generalstaatsanwalt!“
„So? Will mich meine Exfrau mal wieder verklagen?“
Emma schüttelte den Kopf. „Nein. Wirklich wichtig. Sie wollen, dass du dir den Attentäter ansiehst.“
„Welchen ... den Attentäter?“
„Ja, den Kerl, der versucht hat die Kanzlerin zu erschießen. Sie denken, er ist ein Paradebeispiel für dein Syndrom. Ehemaliger Militär, überflüssig geworden, enttäuscht und so weiter. Jedenfalls kommen sie nicht weiter, weil er im Verhör einfach nichts Brauchbares von sich gibt. Sie wollen wissen, ob er Hintermänner hat und so weiter, aber er redet wohl nicht mit ihnen, oder nur wirres Zeug. Sie wollen dich als Experten hinzuziehen, weil sie glauben, dass du vielleicht mehr aus ihm herausbekommst, weil du halt weißt, wie solche Leute ticken.“
Das hatte grade noch gefehlt.
Er hatte noch nichts gegessen, den Arsch voller Verwaltungstermine, und da rief der Generalstaatsanwalt an und wollte, dass er sich um einen Mörder kümmerte, der angeblich unter „seinem“ Syndrom litt. Trotzdem ... sein wissenschaftlicher Ehrgeiz war geweckt. Wenn der Mann wirklich ein Paradebeispiel für BNWP sein sollte und er könnte den Ermittlern helfen ... bei all der Aufmerksamkeit, die jetzt dem Attentäter gewidmet wurde, würde seine Theorie ungeheuer an Renommee gewinnen.
„Er war beim Militär, sagst du?“, fragte er.
„Ja. Ein General. - A.D.“ Sie kicherte.
Das gesamte Militär war heutzutage a.D. Ihr mit ihren 25 Jahren musste allein die Idee eines Heeres wie ein rückständiger Brauch aus dem finsteren Mittelalter vorkommen. Körner war Jahrgang 1987 und hatte zu seiner Zeit noch zähneknirschend Zivildienst geleistet, um der Bundeswehr zu entgehen.
Zwei Jahre danach war die Wehrpflicht und einige Zeit später das gesamte Militär abgeschafft worden. Weltweit. „Man vergisst das so schnell“, dachte er. „Vor vierzig Jahren wurden auf der Welt noch Kriege geführt.“
„Rufst du den Mann zurück?“, fragte Emma und riss ihn aus seinen Gedanken. „Ich rufe nicht so gern bei so wichtigen Typen an.“
„Daran solltest du dich aber gewöhnen, als Sekretärin der Koryphäe für BNWP-Fälle.“ Er grinste. Das Geplänkel mit Emma munterte ihn meistens wieder auf, wenn er schlechte Laune hatte. „Vielleicht versucht morgen einer, den Bundestag zu sprengen, und wer muss dann wieder ran?“
„Chef, du bist ein Zyniker. Das ist überhaupt nicht lustig.“
„Du hast Recht. Das liegt daran, dass ich heute noch nichts gegessen habe. Ich gehe Mittagessen und danach bin ich wieder nett. Versprochen.“
„Schon gut. Geh, du Koryphäe.“
Beim Gehen fiel ihm etwas an ihr auf, das ihn wieder daran erinnerte, dass er sie schon seit einiger Zeit etwas fragen wollte.
„Emma, darf ich dich was Indiskretes fragen?“
Sie sah auf und lächelte. „Nur zu.“
„Bist du schwanger?“
Jetzt war es raus. Er hoffte sehr, dass er nicht im wahrsten Sinne des Wortes ins Fettnäpfchen getreten war. Wenn er sich irrte, dann würde sie jetzt wahrscheinlich eine Version des Stücks „Du findest also, ich sehe fett aus“ zum Besten geben, das ihn bei seiner Exfrau immer zur Weißglut getrieben hatte.
Das wäre schade, denn er mochte Emma. Zu seiner Erleichterung lächelte sie noch mehr und wurde etwas rot. „Ja. Du merkst aber auch alles.“
Puh. Glück gehabt.
„Ich bin schließlich ein hochangesehener Psychologe, berühmt für meine Menschenkenntnis. Welcher Monat?“
„Achtzehnte Woche.“
„Herzlichen Glückwunsch. Es ist schön zu sehen, dass es doch noch junge Frauen auf der Welt gibt, die Kinder bekommen.“
„Danke.“ Sie spielte verlegen mit ihren blonden Haaren herum und wurde noch röter. Weil er angesprochen hatte, dass Schwangerschaften in letzter Zeit nicht gerade häufig waren? Sie freute sich über ihre Schwangerschaft, kein Zweifel, aber es schien ihr auch irgendwie peinlich zu sein.
„Machst du’s nun?“, fragte sie. „Den Attentäter untersuchen, meine ich?“
„Ja, ja, natürlich. Ich rufe nachher zurück. Aber vorher brauche ich dringend was zu Essen.“

3. Ein General a.D.

„Unterliegt das, was er Ihnen sagt, der Schweigepflicht?“
Körner schüttelte den Kopf. „Falls er mir etwas sagt, wofür ich nicht garantieren kann, dann kann und werde ich das an Sie weiter geben. Er ist kein Patient, und ich bin nicht sein Psychiater. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen, ihn zu verhören.“
„Sie sind kein Psychiater?“, fragte der Polizist.
„Ich bin Psychologe. Ein Psychiater ist ein Arzt, der auf psychische Krankheiten spezialisiert ist. Ich bin Wissenschaftler.“
„Na Hauptsache, Sie helfen uns weiter“, sagte der Polizist. „Ich hatte noch nie mit ’nem Mörder zu tun, so was gibt es ja kaum noch. Jedenfalls ist der völlig durchgeknallt. Wenn Sie sich mit Psychos auskennen und uns auch noch sagen dürfen, was Sie rausfinden, dann können wir Sie echt brauchen, egal, wie Sie sich nennen.“
Er gab Körner den Bericht über das Attentat und die Protokolle der bisherigen Verhöre. „Viel Spaß“, sagte er. „Das ist echt das haarsträubendste Motiv, von dem ich je gehört hab. Was wir unbedingt rausfinden müssen, ist, ob es noch mehr von dieser Sorte Verrückter gibt. Ob wir es demnächst mit noch anderen zu tun kriegen.“
„Hat er etwas in der Richtung gesagt?“, fragte Körner.
„Er hat eine Menge gesagt, nur nichts, was uns weiterhilft. Lesen Sie die Protokolle. Ich kann’s nicht so wiedergeben, wie dieser Spinner sich aufgeführt hat. Und er hat schon dreimal versucht zu fliehen. Man sollte nicht glauben, dass so’n alter Kerl noch so ’ne Energie hat.“ Körner hörte unfreiwillige Bewunderung in der Stimme des Polizisten.

Jetzt kamen SIE also mit einem Psychologen. Das heißt, mit dem Psychologen. IHR Hauspsychologe sozusagen. Der Leute wie ihn, die Bescheid wussten oder zumindest die Wahrheit ahnten, als Verrückte abgestempelt hatte, die die Realität mit diesem uralten Roman von Huxley verwechselten.
Na, sollte er kommen. Er glaubte nicht, dass der Psychologe selbst einer von IHNEN war, der war nur zu blöd um richtig hinzusehen, wie die meisten anderen Menschen. Und selbst wenn es einer von IHNEN sein sollte: IHRE Psychotricks und IHR Hypnosescheiß funktionierten bei ihm schon lange nicht mehr.
Er saß seit einer Woche in Untersuchungshaft in einem der letzten verbliebenen Gefängnisse der BRD. Er schätzte, dass es insgesamt vielleicht noch fünf im ganzen Land gab. Mehr waren aber auch nicht erforderlich, weil es seit 2006 wirklich extrem wenige Verbrechen gab. Weltweit.
Er glaubte nicht an das Geschwafel von wirksamer Resozialisierung. Die Leute begingen weniger Verbrechen, weil SIE nicht wollten, dass es Verbrechen gab. Wenn SIE erst einmal IHR Ziel erreicht hätten, würde es überhaupt keine Verbrechen und überhaupt keine Gefängnisse mehr geben, nach dem Militär würde auch die Polizei überflüssig werden. Die perfekte Gesellschaft.
Wie er SIE hasste! Aber er hatte es zu spät gemerkt. Zu viele Jahre hatte er sich einlullen lassen und war IHNEN brav in allem gefolgt. Er hatte es wieder gut machen wollen, er hatte IHNEN zeigen wollen, dass SIE nicht so weitermachen könnten, ohne auf Widerstand zu treffen.
Nur war das, was er getan hatte, dumm gewesen, eine überstürzte, verzweifelte, völlig sinnlose Aktion. Er hatte einen Menschen auf dem Gewissen und würde für den Rest seines Lebens hier in diesem Drecksloch festsitzen, falls SIE ihn nicht in die Klapse steckten.
Und gebracht hatte es nichts, außer dass er SIE unnötigerweise darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er sehen konnte, was SIE vorhatten und was SIE waren.
SIE würden ihm nichts tun, jedenfalls nichts, was über das Einsperren hinausginge: Er war keine echte Gefahr für SIE. Und selbst wenn er es gewesen wäre: SIE waren Pazifisten. Gegen jede Form von Gewalt. Zum Kotzen.
Er hätte gern seinen Kopf gegen die Wand geschlagen, aber das wäre genauso dumm gewesen wie sein Attentatsversuch. SIE würden kommen, beruhigend auf ihn einreden (Alles wird gut) und ihm irgendein Beruhigungsmittel verpassen.
Er beschränkte sich darauf, die Wand anzustarren. Jemand hatte in eine Ecke geschrieben: Gibt es intelligentes Leben auf diesem Planeten? Ja, aber wir sind nur zu Besuch hier.
Waren SIE das gewesen? Bestimmt hatte nie einer von IHNEN hier drin gesessen. Wollten SIE sich über ihn lustig machen? Oder war es bloß ein Zufall, hatte irgendein Idiot etwas hingekritzelt, was er lustig fand?
Letzteres war wahrscheinlicher, beschloss er. Er musste aufpassen, dass er nicht paranoid wurde. Er war nicht verrückt. Und er hatte nicht vor, es zu werden. Aber das ist gar nicht so einfach, wenn man in einer Gefängniszelle dahinvegetiert, während draußen an der Vernichtung der Menschheit gearbeitet wird, und man kann nichts dagegen tun.
Er war froh, als endlich jemand kam, um ihn zum Verhör zu bringen. Das erste mit Unterstützung IHRES Schoßpsychologen. Wenigstens eine kleine Ablenkung. Und jemand, auf den er seine Wut konzentrieren konnte.

Der Attentäter hieß Konrad Hauptmann. „Was für ein passender Name für einen General“, dachte Körner. Er hatte einen tadellosen, unauffälligen Lebenslauf. Hatte nicht zu der Sorte Militärs gehört, die sich mit Händen und Füßen gewehrt hatten (ihre Waffen hatten sie ja vorher abgeben müssen), als der Globale Friedensvertrag der Vereinten Nationen 2014 in Kraft getreten war und die Bundeswehr aufgelöst wurde.
Obwohl er erst kurz zuvor zum General befördert worden war und sicher weiterhin eine glänzende Karriere gemacht hätte. Er hatte sich klaglos mit der neuen Situation abgefunden und wie die meisten Ex-Militärs auf Katastrophenschutz umgesattelt.
Eine Zeit lang hatte er auch mal als Leibwächter eines ehemaligen afrikanischen Diktators gearbeitet (der 2006 sein Land in die Demokratie entlassen hatte, ohne selbst richtig zu verstehen, warum, sich aber vor Racheakten fürchtete).
„Er hat also einen Kollegen erschossen“, dachte Körner.
Hauptmann war kein Alkoholiker und hatte auch sonst, soweit man wusste, nie Drogen konsumiert (seit 2006 war das schließlich auch schwierig, denn seitdem gehörte der Handel mit illegalen Drogen der Vergangenheit an. Körner konnte sich nicht erinnern, danach je wieder etwas von Drogensüchtigen gehört zu haben).
Er hatte keinen Hirntumor oder so etwas, der Arzt, der ihn untersucht hatte, schloss jegliche organische Ursache aus. Er schien auch keine Veranlagung zur Geisteskrankheit zu besitzen: in seiner Familie waren keine Fälle von Depression, Schizophrenie oder ähnlichem bekannt, und die Familie schien auch sonst völlig in Ordnung zu sein. Keine schlimme Kindheit.
Er hatte, abgesehen von der Abschaffung des Militärs, keine Schicksalsschläge erlitten, die ein Trauma hätten verursachen können.
Seine Frau war vor vier Jahren an Krebs gestorben, aber Körner glaubte eigentlich nicht, dass das Hauptmann, den Freunde und Bekannte (die allerdings seit einiger Zeit keinen Kontakt mehr mit ihm hatten) als ausgeglichen und psychisch sehr stark beschrieben, in den Wahnsinn getrieben haben könnte.
Aber der Mann war wahnsinnig, oder er war ein sehr gewiefter Schauspieler, der einen auf unzurechnungsfähig machte. Aber was sollte dann sein Motiv dafür sein, Anja Stern ermorden zu wollen? Die Ermittler hatten sorgfältig überprüft, ob es irgendwelche persönlichen Bezüge gab. Es gab keine.
Körner hatte Hauptmann zwar noch nicht leibhaftig gesehen, aber er glaubte nicht, dass eine Psychose in diesem Ausmaß vorgetäuscht sein konnte. Er glaubte vielmehr, dass die Vermutung der Polizei und der Staatsanwaltschaft zutraf: Das war ein klassischer (und sehr schwerer) Fall von BNWP.
Ob er deshalb etwas dazu beitragen könnte, Hauptmanns Motive zu verstehen und diese Geschichte zu klären, würde sich zeigen.

„Und Sie wollen ganz sicher allein mit ihm reden?“
„Ich halte das für erfolgversprechender, als wenn Sie dabei sitzen. Aus den Verhörprotokollen geht hervor, dass er mindestens einen Ihrer Kollegen für einen von ,IHNEN‘ hält. Ich hoffe, dass ich sein Vertrauen eher gewinnen kann, wenn ich möglichst polizeiunabhängig daherkomme.“
Körner war selbst nicht ganz überzeugt davon, dass er allein mit Hauptmann reden wollte. Er hatte es noch nie mit einem echten Psychopathen zu tun gehabt. Na ja, abgesehen von seiner Exfrau.
Aber der Polizist gab nach: „Okay, wie Sie wollen. Ich bin froh über jede Minute, in der ich mir das irre Geschwafel nicht anhören muss. Und falls er Sie irgendwie bedrohen sollte: Wir sitzen nebenan und sehen Sie durch den Spiegel.“
„Aber Sie hören nicht, was wir sagen?“ - „Nee. Das Ding funktioniert mal wieder nicht.“
Die Ausstattung der Polizei war nicht besonders modern. Sie stand auf der Liste der politischen Prioritäten ziemlich weit unten, und bis vor einer Woche, als Hauptmann gezeigt hatte, dass es auch heute noch Mörder gab, war fast jeder, inklusive der meisten Polizisten, der Meinung gewesen, das sei auch ganz richtig so.
Na schön, er würde das Gespräch aufzeichnen, falls Hauptmann einverstanden war, und wenn nicht, würde er eben aus dem Gedächtnis Protokoll schreiben.
„Also gut“, sagte er und setzte sich. „Bringen Sie ihn rein.“

Hauptmann war ziemlich groß. Blaue Augen, unbewegte Gesichtszüge, straff nach hinten gekämmte Haare. Vor allem aber sah er überraschend alt aus. Körner hatte ihn sich irgendwie jünger vorgestellt. Aber natürlich, er wusste es doch aus dem Polizeibericht - 1970 geboren: Der Mann war 68. Er saß da, schaute auf seine Handschellen, und schwieg. „Sie wissen, wer ich bin?“, fragte Körner.
„Mhm.“
„Sind Sie einverstanden, wenn ich ...“
„Nein.“
Körner steckte das Diktiergerät weg. Er hatte sich das schon gedacht. Er hätte es trotzdem tun können, aber er wollte schließlich, dass Hauptmann ihm vertraute. Okay. Jetzt konnte es losgehen.
„Sie haben versucht, die Bundeskanzlerin zu erschießen, weil Sie glauben, sie sei eine Außerirdische.“
„Nein.“
„Nein?“
„Nein. Weil ich es weiß.“
„Und woher haben Sie dieses Wissen?“
Das hatte Hauptmann in keinem der bisherigen Verhöre erzählt.
„Ich kann es sehen. Wenn SIE sich nicht konzentrieren, kann man hinter IHRE Fassade sehen. Manche sind zwar sehr gut darin, sich zu tarnen, aber SIE machen alle Fehler. SIE blinzeln zu selten. IHRE Pupillen passen sich dem Licht nicht an. Solche Sachen.“
„Sie wollten die Kanzlerin erschießen, weil sie zu selten blinzelt?“
Oh oh! Wenn Blicke töten könnten!
Es war Körner herausgerutscht. Er sollte sich lieber zusammenreißen, wenn er der Polizei eine Hilfe sein wollte. Vielleicht war es gar keine so gute Idee gewesen, ihn hinzuzuziehen: Er war berühmt, weil er die Ursachen und Symptome der BNWP so klar und zusammenhängend wie niemand vor ihm beschrieben hatte. Nicht, weil er mit diesen Kranken wirklich gut umgehen könnte.
„Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich verstehe es nur nicht. Sie hassen all diejenigen, die für die Revolution von 2006 und ihre Folgen verantwortlich sind, weil Sie glauben - wissen, dass es Außerirdische sind. Aber wenn dem so ist, dann sind uns diese Außerirdischen doch offensichtlich wohlgesonnen. Warum wollen Sie sie töten?“
Hauptmann grinste humorlos. „Sie sind keiner von IHNEN. Aber Sie sind so gründlich auf SIE hereingefallen, dass es weh tut.“
Für einen Moment glaubte Körner, das Gespräch sei beendet und er habe völlig versagt, aber Hauptmann überraschte ihn.
Er sah Körner plötzlich sehr freundlich an, wie jemand, der einem Kind etwas erklärt. „Haben Sie sich noch nie gefragt, warum die Weltbevölkerung seit 2006 stetig abgenommen hat und wir trotzdem keine Probleme mit unserer Alterspyramide bekommen? Nein, haben Sie nicht. Nicht ernsthaft. Denn SIE wollen nicht, dass wir uns darüber Gedanken machen. Und SIE haben so ihre Methoden, uns am Denken zu hindern. Aber ich werde Ihnen sagen, woran das liegt: Seit 2006 hat keine einzige Frau mehr ein Kind bekommen. Wir sind alle unfruchtbar. Ich vermute, das haben SIE mit ihren tollen Trinkwasseraufbereitungsanlagen geschafft. Wir sterben aus! Aber wir werden ersetzt, so dass niemand es mitkriegt.“
„Das stimmt nicht“, sagte Körner. Vorsichtig, um Hauptmann ja nicht wieder auf die Palme zu bringen. „Es werden zwar weniger Kinder geboren, aber das ist ja auch gut so, die Erde hat nun mal nur eine begrenzte Kapazität. Aber meine Sekretärin zum Beispiel ist schwanger.“
Hauptmann grinste wieder. Es sah mehr aus wie eine Grimasse von jemandem, der Bauchschmerzen hat. „Natürlich. Sie erforschen ein Thema, das für SIE sehr wichtig ist: Das Verhalten von Leuten, die etwas gemerkt haben. Es ist klar, dass SIE jemanden auf Sie angesetzt haben, um Sie zu beobachten. Bestimmt ist sie schwanger. Aber sie ist kein Mensch.“
Körner musste sich anstrengen, um sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen. Seine nette, schüchterne kleine Emma kein Mensch! „Der Mann ist krank“, dachte er, „Reiß dich zusammen. Sei professionell.“
„Die Bundeskanzlerin hat einen Sohn.“ sagte er.
„Jaaha.“ Wenn der Kerl doch nur sein schreckliches Gegrinse sein lassen würde! „Ja, sie hat einen Sohn. Und der US-Präsident hat ein Kind mit der Präsidentin der Weltbank, und die Premierministerin von Großbritannien hat zwei Kinder mit dem UNO-Generalsekretär, und so weiter und so weiter. SIE haben Kinder. Und SIE haben die Macht. Aber SIE sind uns wohlgesonnen. SIE bringen uns nicht einfach alle um, wie in den alten Science-Fiction-Filmen. SIE lösen all unsere sozialen Probleme, hindern uns daran, die Erde weiter runter zu wirtschaften und uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, und warten einfach ab, bis sich die Sache von selbst erledigt hat.“
„Und wenn Sie es geschafft hätten, die Bundeskanzlerin zu töten, dann hätten Sie die Invasion gestoppt? Die Menschheit gerettet?“
Hauptmann starrte ihn an. Körner sah tiefe Verzweiflung in seinem Gesicht. Zum ersten Mal tat der Mann ihm ehrlich leid.
„Nein. Natürlich nicht. Ich glaube, es ist schon zu spät.“ Hauptmann flüsterte fast. „Aber irgendwas musste ich doch tun! Soll ich einfach zusehen, wie SIE uns unseren Planeten wegnehmen und dafür von uns auch noch angehimmelt werden? Irgend jemand muss sich doch gegen SIE wehren! Ich dachte immer, wenigstens die Amerikaner mit ihren tollen NASA-Programmen und ihren fünfzig Geheimdiensten könnten sich gegen solche Sachen wirksam verteidigen, aber von wegen! Ich glaube, die waren besonders leicht zu hypnotisieren! Keiner sieht, was ich sehe. Der einzige, von dem ich weiß, dass er es auch gesehen hat, hat sich umgebracht. Ich weiß, dass es dumm war, was ich getan habe. Ich habe diesen armen Jungen erschossen, der nichts dafür konnte.“
Körner traute seinen Augen kaum: Hauptmann weinte.
„Ich habe erst an dem Blut gemerkt, dass er keiner von IHNEN war! Wenn SIE sterben, sieht man, wie SIE wirklich aussehen, dann können SIE einen nicht mehr hypnotisieren.“
„Haben Sie das etwa ausprobiert?“, fragte Körner. „Haben Sie schon mal einen von IHNEN getötet, vor dem Attentat?“
So etwas wie Stolz erschien in Hauptmanns Gesicht. „Nicht nur einen. Aber diesmal wollte ich es in der Öffentlichkeit tun. Ich wollte den Leuten zeigen, was SIE in Wirklichkeit sind. Bei den anderen ging das nicht, sie sind extrem schnell verwest, und man hätte mir ja auch nicht geglaubt, wer das vorher war.“
„Wer war es denn?“, fragte Körner.
„Unwichtig. Es waren auch nur drei.“
Körners Mitleid schwand. Aber wer weiß, vielleicht hatte Hauptmann diese Morde nur in seiner Phantasie begangen. Er litt ja offensichtlich unter Halluzinationen.
„Hören Sie mir zu“, sagte Hauptmann.
„Dazu bin ich hier“, antwortete Körner.
„Sie sind intelligent und Sie sind in einer guten Position, Sie könnten vielleicht mehr erreichen als ich. Sie betreiben eine der wenigen Wissenschaften, in denen SIE uns nicht überlegen sind. Die menschliche Psychologie scheint IHNEN fremd zu sein.“
Körner dachte an seine Studenten. Ja, wenn man wollte (wenn man verrückt war), konnte man denken, die menschliche Psychologie sei ihnen fremd. Die Menschen, die nach 2006 geboren waren, waren eben ganz anders sozialisiert. Sie waren wirklich völlig anders als alle, die noch das 20. Jahrhundert erlebt hatten: dem Himmel sei Dank! Sie kamen ihm selbst manchmal wie Außerirdische vor: So liebenswürdig, so intelligent ... so ahnungslos, wie schlecht Menschen sein konnten.
„Sehen Sie genau hin“, sagte Hauptmann. „Wenn SIE sich nicht konzentrieren, wird ihre Tarnung manchmal für einen Moment durchsichtig. Und wenn man das einmal erlebt hat, dann können SIE einen nie wieder völlig hypnotisieren. Ich bin nicht immun dagegen, das nicht, aber ich kann mich wehren. Also, man kann SIE erkennen. Und jeder, der nach 2006 geboren ist, ist sowieso einer.“
„Trau keinem unter 33“, dachte Körner.
„Sehen Sie IHNEN in die Augen. SIE blinzeln fast nie. Und ihre Pupillen haben immer die gleiche Größe. SIE sehen alle ein bisschen zu perfekt aus. Keine Muttermale, keine Pickel und so weiter. Und SIE strahlen eine Wärme aus ... Sie sind einem sofort sympathisch, diese jungen Leute heutzutage, nicht wahr? SIE sind Telepathen, aber ich glaube nicht, dass SIE unsere Gedanken lesen können, auch wenn SIE uns manipulieren. Man kann aber manchmal sehen, dass SIE sich unterhalten, ohne den Mund aufzumachen, wenn SIE glauben, unter sich zu sein. Und SIE können eben Kinder bekommen.“
„Wann ist Ihnen das erste Mal aufgefallen, dass sie keine Menschen sind?“, fragte Körner. „Und wie haben Sie es gemerkt?“
„Vor etwa zehn Jahren. Nur durch Zufall. Einer von IHNEN hat nicht aufgepasst und ich konnte durch seine Tarnung sehen. SIE machen eben auch Fehler. SIE sind uns ziemlich ähnlich. Auch biologisch - SIE basieren auf Kohlenstoff, atmen Sauerstoff, SIE brauchen Wasser und essen das Gleiche wie wir. Das heißt, natürlich sind SIE Vegetarier. Und man kann SIE genauso umbringen wie Menschen. Sogar leichter: SIE wehren sich nicht. Denken Sie daran. Ich kann nichts mehr tun. Aber Sie.“
„Sie sind ein kranker Mann“, sagte Körner.
„Sie sind hypnotisiert. Sehen Sie genau hin. Mehr verlange ich gar nicht. Und denken Sie dran: Man kann SIE genau so umbringen wie Menschen.“

4. SIE sind unter uns!

„Sie haben ihn zum Heulen gebracht“, sagte der Polizist bewundernd zu Körner. „Sie haben ihn geknackt, was?“
„Er bereut, dass er den Leibwächter erschossen hat. Aber er ist wirklich schwer gestört. Und er hat möglicherweise noch andere Morde begangen. Er sagte, er habe drei ,Außerirdische‘ umgebracht. Aber es wäre möglich, dass das nur Halluzinationen waren. Ich werde Ihnen einen ausführlichen Bericht schreiben.“
„Sie haben es nicht aufgenommen, oder?“
Nein. Aber er hatte sich Notizen gemacht, und das würde reichen. Er war so froh, endlich diesem Verhörraum entkommen zu sein, als sei er derjenige, der einem Verhör unterzogen worden war. Aber es hatte sich gelohnt: Sie wussten jetzt, dass Hauptmann ein Einzeltäter war. Ein verzweifelter, einsamer Verrückter, der sich einer furchtbaren, weltumspannenden Verschwörung ausgesetzt sah und sich nur noch durch Mord zu helfen wusste.
Gut, dass er sich ein prominentes Opfer ausgeguckt hatte. Die Bundeskanzlerin war wenigstens gut bewacht. In seinem Glauben, dass alle nach 2006 Geborenen Aliens waren, hätte Hauptmann ja auch auf die Idee verfallen können, in die Universität zu kommen...
Körner schüttelte sich. Aber Hauptmanns Verrücktheit und Mordlust waren nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war, dass er Körner in seinen Bann gezogen hatte. Paranoid oder nicht: er hatte eine unheimliche Suggestionskraft und er spielte außerordentlich geschickt mit den Gefühlen, die jeder Mensch, der vor 2006 geboren war, mit sich herumschleppte: Dass alles zu gut war, um wahr zu sein. ... Dass etwas nicht stimmte.

Er hatte eigentlich seine Wut an dem Psychologen auslassen wollen. Aber der Typ war ihm so vertrauenerweckend vorgekommen - und er war einfach froh gewesen, mal mit jemandem reden zu können, der weder einer von IHNEN noch dieser selten dämliche Polizist war.
Dieser Körner hatte dumme Fragen gestellt, aber er hatte zugehört.
Hauptmann hatte ihm weit mehr erzählt, als er vorgehabt hatte. Fast sein gesamtes Wissen über SIE, um genau zu sein. Natürlich würde der Psychologe das alles petzen. Aber vielleicht hatte er damit auch etwas erreicht.
Sicher, Körner hatte ihn zum Schluss als krank bezeichnet. Aber er hatte dabei sehr beunruhigt ausgesehen. Nicht über Hauptmanns Krankheit beunruhigt, sondern darüber, er könnte nicht krank sein. Er wusste nicht genau, warum er das Gefühl hatte, der Psychologe könnte mehr ausrichten als er selbst. Der Kerl war ein Schwafler, einer dieser „Schön das wir drüber gesprochen haben“-Dummschwätzer. Er hätte sicher nicht den Mumm, einen von IHNEN zu töten.
Aber er hätte das Zeug, SIE zu erkennen, wenn er nur auf Hauptmann hören würde. Und er war klüger als Hauptmann, er würde nicht planlos losschlagen und irgendeinen Unschuldigen erwischen. Es war kalt in seiner Zelle. Aber er fühlte sich besser als die ganze letzte Woche. Dann fiel sein Blick wieder auf das kleine Graffiti in der Ecke: Gibt es intelligentes Leben auf diesem Planeten? Ja, aber wir sind nur zu Besuch hier.
Seine Stimmung verfinsterte sich.
Er hatte mehr als einmal an Selbstmord gedacht: Sich diesem furchtbaren Wissen und der Verantwortung, die damit verbunden war, einfach zu entziehen. Wie Kuhn, dieser Feigling.
Gut, es war der einzige seiner alten Freunde gewesen, der ihm überhaupt zugehört und überdies auch noch geglaubt hatte, aber dafür hatte er es nicht verkraftet. Er hatte nur ein einziges Mal hinter die Fassade irgendeines Politikers geblickt - und sich aus dem Fenster gestürzt.
Aber damit tat man IHNEN doch einen Gefallen. Einer weniger, auf dessen Tod SIE warten mussten, um die Erde offen in Besitz nehmen zu können. Er würde es also sein lassen - aber das war auch wirklich der einzige Grund, der ihn davon abhielt.

Körner ging über den Campus und hatte dabei das Gefühl, der Protagonist eines Horrorfilms zu sein, der gerade feststellt, dass er die Warnung vor dem alten Indianerfriedhof lieber hätte ernst nehmen sollen.
Das Verhör mit Hauptmann lag über eine Woche zurück, die Ermittler hatten Körner öffentlich für seine Hilfe gedankt und nun hätte er eigentlich längst wieder zur Tagesordnung übergehen müssen.
Aber das konnte er nicht.
Er konnte nicht aufhören, an Hauptmann zu denken. Schlimmer: er war immer weniger in der Lage, Hauptmanns wahnsinnige Verschwörungstheorie mit einem distanzierten, wissenschaftlichen Blick zu sehen.
Je öfter er daran dachte, je genauer er hinsah, desto weniger verrückt erschien sie ihm. Es war unheimlich: er ertappte sich immer wieder dabei, wie er seinen Studenten in die Augen starrte. Es war Mittag, und die Sonne war ziemlich grell, aber ihre Pupillen schienen absolut keine Reaktion darauf zu zeigen. Faszinierend.
Und sie blinzelten so gut wie nie. Es hätte unangenehm wirken müssen, wie sie alle vor sich hin starrten, aber das tat es nicht, es war ihm vorher noch nie aufgefallen. Sie hatten eine so sympathische Ausstrahlung, man konnte sich in ihrer Gegenwart einfach nicht unwohl fühlen.
Und wie attraktiv sie alle waren! Als wären sie allesamt der Fernsehwerbung des 20. Jahrhunderts entsprungen: Keine Muttermale, keine Pickel.
Er war ziemlich erleichtert, als er eine Studentin sah, die unreine Haut und dunkle Schatten unter den Augen hatte. Bis ihm einfiel: diese Studentin war um einiges älter als die anderen, sie hatte das Studium erst angefangen, nachdem sie schon einige Jahre berufstätig gewesen war. Sie mochte 2002 oder 2004 geboren sein.
Auf jeden Fall vor 2006.
„Du spinnst!“, dachte er. „Hör damit auf, um Himmels willen!“
Eine Gruppe von Studenten saß auf der Wiese vor ihm.
Als er vorbei lief, fingen sie an, lebhaft miteinander zu reden. Als er ein Stück weiter gegangen war, schwiegen sie, wie vorher. Aber er hatte trotzdem das Gefühl, dass sie sich immer noch unterhielten.
„Das ist etwas, das du noch nicht über BNWP wusstest“, dachte er. „Sie ist ansteckend.“ Er ging schneller und war froh, sein Büro zu erreichen, ohne viele Studenten zu treffen. Er fürchtete, ihnen merkwürdig vorzukommen, weil er es nicht lassen konnte, ihre Augen anzustarren.
„Die Saat des Zweifels ist aufgegangen“, dachte er und schämte sich sofort: was für pathetisches, pseudopoetisches Gewäsch. Aber es war doch irgendwie treffend.
Er konnte sich nicht darauf konzentrieren, seinen Bericht zu schreiben. Er hatte schon fünf Tassen Kaffee getrunken und kam trotzdem nicht weiter.
„Chef?“
Emma. Sicher ist sie schwanger. Aber sie ist kein Mensch.
„Geht es dir nicht gut? Du siehst so blass aus. Und du trinkst viel zu viel Kaffee.“
„Ich ärgere mich über mich selbst. Ich war absolut unprofessionell, als ich mit Hauptmann gesprochen habe, hab ihn viel zu nah an mich ran gelassen. Jetzt spukt er in meinem Kopf herum.“
Sie lächelte ihn vorwurfsvoll an. Er fühlte sich augenblicklich besser. „Du warst doch absolut großartig. Die Polizei lobt dich in den höchsten Tönen. Steht in jeder Zeitung. Du hast ihnen sehr geholfen. Aber es war sicher schrecklich, mit ihm zu reden, und du warst auch noch ganz allein. Ist doch klar, dass dich das mitgenommen hat. Komm, mach Schluss für heute. Ich will nicht, dass dich dieser Mensch noch krank macht.“
Klar, dass SIE jemanden auf Sie angesetzt haben, um Sie zu beobachten.
„Du hast Recht, ich könnte eine Pause vertragen. Aber ich habe nachher noch Sprechstunde.“
Sie zuckte die Achseln. „Vielleicht solltest du dich zur Abwechslung mal mit dem ICSWS auseinandersetzen.“
„Hm?“
Wieder vorwurfsvoll lächelnd: „Dem ‘I Can’t Stop Working‘-Syndrome.“
„Oh Emma.“
Er hatte sie wirklich gern.
Aber sie ist kein Mensch.
Egal! Sollte dieser Mistkerl doch weiter die irre Stimme in Körners Kopf spielen. Er würde Emma sogar dann mögen, wenn sie kein Mensch wäre.
Allerdings blinzelte sie wirklich entschieden zu selten.

Seine Wohnung war dreckig, und es musste dringend mal gelüftet werden. Er öffnete alle Fenster und setzte sich auf sein Sofa. Er fühlte sich leer und erschöpft.
„Na, ist ja kein Wunder. Du hast wieder den ganzen Tag Leute angestarrt und darauf gewartet, dass sie sich in kleine grüne Männchen verwandeln. Paranoid sein ist anstrengend.“
Er war wohl wirklich überarbeitet.
Was tut man, wenn man dringend Ablenkung von quälenden Fragen braucht, aber zu kaputt ist, um zu arbeiten oder wenigstens die Wohnung aufzuräumen, und es noch viel zu früh ist, um schlafen zu gehen?
Er fand die Fernbedienung nicht gleich. Es war ein tolles Gerät, unheimlich energieeffizient und komplett aus recycelten Materialien hergestellt, aber er schaltete es selten ein.
Da war die Fernbedienung.
„Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der -“
Nein danke. Keine Politiker. Er würde ihre Augen anstarren. Lieber einen alten Film. Zum Beispiel den da. Was war das?
Er kannte den Film. Natürlich, das war... ausgerechnet! „Independence Day“! Er schaltete ab.
„Das ist ein blöder Film“, dachte er. „Und auf den anderen Sendern läuft womöglich ,Mars Attacks‘ und ,Alien‘.“ Er nahm ein Aspirin.
Seine Sprechstunde war schrecklich gewesen. Die menschliche Psychologie scheint ihnen fremd zu sein.
Und sie hatten nicht geblinzelt. Er hatte selbst aufgehört zu blinzeln, um es genau beobachten zu können, und seine Augen fühlten sich an wie mit Sandpapier ausgekleidet. Keiner. Nicht ein einziges Mal.
Verdammt. Anscheinend hatte er die Phantasien seiner Jugend, dass die Politiker der „Generation 2006“, wie sie der SPIEGEL benannt hatte, die Leute hypnotisierten, nie wirklich aufgegeben.
Er hatte sie unterdrückt, weil sie kindisch waren. Aber Hauptmann hatte sie wieder aufgewühlt und ihm zusätzlich noch ein paar Dinge über die Augen anderer Leute eingeredet. Und jetzt?
„Ich leide selbst unter BNWP“, dachte Körner. „Ich habe sie vielleicht deshalb als erster wissenschaftlich beschrieben, weil ich selbst so ein Fall bin. Anstatt dankbar zu sein, dass die Menschheit solches Glück hatte. Ich habe als Junge nicht bei Greenpeace mitgemacht, weil ich dachte, das bringt sowieso nichts mehr.“
Es wurde kühl, und er machte die Fenster wieder zu. Er beschloss, doch ins Bett zu gehen, siebzehn Uhr dreißig hin oder her.

Er träumte, dass er eine Pistole hatte und Politiker erschoss. Die Bundeskanzlerin. Den Innenminister. Den US-Präsidenten. Den israelischen Ministerpräsidenten und seine Schwester, die Präsidentin von Palästina. Wenn sie starben, verwandelten sie sich in die kleinen grünen Männchen aus „Mars Attacks“. Dann war er in der Universität und hielt eine Vorlesung. Oder eher eine Anklage. „Ich weiß, was ihr seid. Ihr seid eine Verschwörung. Marsianer.“ Seine Studenten fixierten ihn ohne zu blinzeln und lachten. Einige Studentinnen waren schwanger. Eigentlich sogar alle. Außer ein paar älteren Semestern, die offensichtlich vor 2006 geboren waren.

Am nächsten Tag fühlte er sich schon besser. Aber er wollte nicht zur Uni. Keine Studenten sehen. Emma nicht sehen müssen. Er rief sie an und meldete sich krank.
„Armer Chef. Ich fand schon gestern, dass du schlecht aussiehst. Du arbeitest zu hart.“
Sie hatte eine unheimlich angenehme Stimme. Noch so etwas, auf das er nie geachtet hatte. Alle jungen Leute hatten wahnsinnig angenehme Stimmen. Man könnte ihnen stundenlang zuhören, ohne mitzukriegen, was sie sagten, nur weil es sich so sympathisch anhörte. Er schämte sich.
„Es geht mir nicht wirklich schlecht, nicht körperlich. Es ist nur ... ich sehe Gespenster, Emma. Ich glaube, ich brauche Urlaub.“
„Ist es wegen deiner Exfrau? Sie ruft dich doch nicht mehr nachts an, oder?“
Nicht mehr, seit seine Nummer nicht mehr im Telefonbuch stand. Aber es war eine gute Ausrede. Er legte auf.
Er sah fern. Es sollte eine Therapie sein: er sah sich Politiker an.
Politiker, die darüber sprachen, wie sie die Welt noch besser machen wollten. Und Wissenschaftler, die auch darüber sprachen, wie die Welt noch besser werden konnte. Es wird Jahrhunderte dauern, bis der tropische Regenwald seinen Originalzustand wieder erreicht, aber wir haben einige Maßnahmen entwickelt, um den Prozess zu unterstützen. Das Wassernutzungskonzept in diesem Teil der Welt lässt sich noch verbessern. Ja, wir glauben, dass dieses mathematische Modell unsere Wirtschaft in punkto Nachhaltigkeit noch optimieren könnte.
Er schaffte es, nicht auf das Blinzeln und die Pupillen zu achten, sondern zuzuhören, was sie sagten. Sehr gut. Wenn er so weiter machte, könnte er morgen wieder zur Uni.
Er ging spazieren. Eine Frau mit einem Kinderwagen kam ihm entgegen. Sie war ganz auf das Baby konzentriert, sprach mit ihm, wischte seinen Sabber weg. Und für einen Moment... großer Gott!
Er bekam keine Luft mehr, war kurz vor einer Panik, als er merkte, dass er vergessen hatte, einzuatmen.
Eigentlich war es nichts gewesen, ein Sekundenbruchteil, in dem sie zu flackern schien wie ein Fernsehbild. Es hätte an seinen überanstrengten Augen liegen können.
Aber nach seinen bisherigen Übungen in Paranoia war das zu viel für ihn. An der nächsten Ecke musste er sich übergeben.
„Du wirst verrückt, alter Junge. Geh zum Arzt. Einem Psychiater. Bevor du auch versuchst, jemanden umzubringen.“

5. Take me to your leader

Nein. Er würde nicht versuchen, jemanden umzubringen. Er würde versuchen, ein paar Antworten zu bekommen. Und wenn die Antwort lautete: Du bist verrückt, du hast dich bei Hauptmann angesteckt, auch wenn das bei Psychosen nicht möglich ist, dann würde er sich in Behandlung begeben. Und wenn nicht ...
Jedenfalls musste er diese Ungewissheit beenden. Er hatte seit drei Wochen nicht mehr richtig schlafen können.
Er fand die Telefonnummer, die er brauchte, im Internet.
„Hallo. Ist da das Bundeskanzleramt? Mein Name ist Paul Körner. ... Ja, der. Ich habe eine ungewöhnliche Bitte: wäre es möglich, einen Termin bei der Kanzlerin zu bekommen? ... Es ist so, ich arbeite immer noch an dem Fall mit, und wir können uns nicht erklären, warum er so auf sie fixiert ist. Ich hätte ein paar Fragen an sie, es würde uns sehr weiterhelfen.“
Der Mann am anderen Ende der Leitung schluckte den Vorwand nicht. „Soweit ich weiß, sind alle wichtigen Fragen geklärt. Die Gerichtsverhandlung wird vorbereitet.“
Der Mann hatte eine furchtbar nette Stimme. Man hätte ihm stundenlang zuhören können.
„Na gut, ich will es mal anders formulieren: ich habe eigentlich eine recht genaue Vorstellung davon, warum er sie so hasst. Ich würde gern überprüfen, ob ich Recht habe. Verstehen Sie?“
Ja, das schien tatsächlich der Fall zu sein.
Der Mann verband ihn mit der Kanzlerin persönlich. „Ja, hier ist Stern?“
Sie hatte erst recht eine tolle Stimme.
„Guten Tag. Hier ist Paul Körner. Ich möchte Sie gern treffen.“
Kurzes Schweigen am anderen Ende. „Zwischen die Augen, Herr Körner? Sie hören sich wütend an.“
„Ich bin keiner, der erst schießt und dann fragt. Ich meine, ich werde überhaupt nicht schießen. Ich will Sie nur ein paar Dinge fragen.“
„Passt es Ihnen am Sonntag? Ich habe an keinem anderen Tag wirklich Zeit.“
Oh Gott. Sie gab ihm einen Termin.
Eine Falle?
„Herr Körner, sind Sie noch dran?“
„Ja. Und ja, ich habe am Sonntag Zeit. Ich komme nach Berlin.“
Sein Herz klopfte so heftig, dass er Angst hatte, es könnte ein Infarkt oder etwas in der Art werden.
„Ich freue mich. Kommen Sie in mein Büro. Sechzehn Uhr.“
Klick. Aufgelegt.
Sicher hatte sie viel zu tun. Aber sie hatte ihm einen Termin gegeben, wegen ein paar seltsamer Andeutungen seinerseits.
Bedeutete das schon, dass er Recht hatte?
Dass Hauptmann Recht hatte?
Nein, sagte er sich. Ohne Eigenlob, er war ein ziemlich bedeutender Wissenschaftler.
Sie betreiben eine der wenigen Wissenschaften, in denen SIE uns nicht überlegen sind.
Es war zwar nicht alltäglich, dass er die Bundeskanzlerin traf, aber es war auch nicht völlig abwegig. Und was war mit seinen Andeutungen?
Ich werde nicht schießen, nur fragen? Na ja, vielleicht hielt sie ihn bloß für exzentrisch. Er selbst hoffte, dass er exzentrisch war.
Ach was, dass er verrückt war. Vollkommen durchgedreht. Das wäre besser als Recht zu haben.

„Ich habe einen Termin bei ...“
„Kommen Sie bitte hier entlang.“
Diese Frau war etwa so alt wie er selbst und wirkte müde und schlecht gelaunt. Sehr beruhigend. Und ganz normale Augen. Aber sein Puls raste: er hatte einen Termin bei der Bundeskanzlerin.
„Take me to your leader“, dachte er.
Da, dieses Büro musste es sein.
Die Frau klopfte und steckte den Kopf hinein. „Er ist hier, Frau Stern.“
Als sie den Kopf zurückzog, sah sie auf einmal jünger und netter aus. Sie hatte wesentlich bessere Laune, nur weil sie einen Blick in dieses Zimmer geworfen hatte. Kein Wunder, dass Anja Stern so tolle Wahlergebnisse erzielte.
Körner hatte sie ja selbst wegen ihres Charismas gewählt, wenn er ehrlich sein sollte.
Er war kurz vor einem Herzanfall. Dieses Tempo konnte seine Pumpe nicht lange durchhalten.
„Na los, geh’n Sie rein“, sagte die Frau.
Er ging hinein.
Die ganze Zeit seit seiner Begegnung mit Hauptmann hatte er sich elend gefühlt. Wenn etwas Wichtiges alltäglich ist, merkt man erst nach seinem Verlust, wie wertvoll es war: Er hatte das Gefühl verloren, das ihn seit 2006 immer begleitet hatte, dass alles gut und richtig war oder zumindest werden würde. Er hatte aufgehört, Wärme und Sympathie zu fühlen, wenn ihm einer seiner Studenten über den Weg lief.
Aber sobald er die Kanzlerin sah, wurde es besser: Sie hatte die gleiche Ausstrahlung wie seine Studenten, nur war sie bei ihr weit stärker.
Er fühlte sich geliebt und getröstet, und die letzten Wochen schienen ihm schon fast wie eine lange zurückliegende Krankheit. Sie hatte auch ein tolles Lächeln.
„Herr Körner, ich freue mich, dass Sie da sind. Auch wenn ich noch nicht so recht weiß, was Sie eigentlich wollen.“
Wusste er es denn selbst?
Er wollte einfach eine Weile in ihrer Nähe sein.
Dann würde alles wieder gut sein und er würde endlich über sein Gespräch mit Hauptmann hinwegkommen.
Aber ... er musste Gewissheit haben. Er musste es testen. Es kostete ihn große Überwindung, aber er brachte es raus:
„Hören Sie auf, mir etwas vorzumachen.“

Und das tat sie. Sie verschwand.
Und er sah, was dort wirklich saß.
Es sah aus wie die Wesen, die man sich im Allgemeinen vorstellt, wenn man an „Begegnungen der dritten Art“ denkt, und auch wieder nicht. Er wusste einfach nicht, womit er es sonst vergleichen sollte.
Ein langgezogenes, dreieckiges Gesicht. Riesige, schwarz glänzende Augen ohne Augenlider. Zwei Löcher statt einer Nase, ein winziger Spalt als Mund. Drei Finger. Gelbliche, feucht aussehende und durchsichtige Haut.
Ja, sie war durchsichtig. Er sah die Organe durchscheinen.
Es war alles wahr, Hauptmann hatte Recht. Auch seine Studenten waren so. Auch die kleine Emma war so: wenn er hinter ihre Tarnung als blonde junge Frau sehen könnte, dann würde er den Fötus in ihrem Bauch sehen.
Er kämpfte mit dem Brechreiz.
Die Kanzlerin schien es zu merken, denn sie begann, ihm wieder etwas vorzumachen. Eine freundlich und intelligent aussehende Frau mittleren Alters mit kurzen, rot gefärbten Haaren.
„Hauptmann hat Sie aus der Hypnose geweckt. Sie waren kurz davor, es von selbst zu sehen.“ Ihre Stimme war voller Mitleid.
„Sie ... Ihr ...“ Er merkte, dass ihm Tränen übers Gesicht liefen. „Ihr lasst uns aussterben. Ihr wechselt uns aus!“
Sie gab ihm ein Papiertaschentuch. Recycling natürlich.
„Es tut mir leid. Es ging nicht anders.“
Das Mitleid in ihrer Stimme war furchtbar. Wenn sie wenigstens ein gefühlloses Monster gewesen wäre! Aber es lag nicht an der Hypnose, er wusste irgendwie, dass die menschliche Fassade ihre wahren Gefühle widerspiegelte. Sie war traurig, es tat ihr wirklich leid.
Es tat ihnen allen leid, wurde ihm klar. Emma hatte sich vor ihm geschämt, als er ihre Schwangerschaft bemerkt hatte.
Schön zu sehen, dass es doch noch junge Frauen auf der Welt gibt, die Kinder bekommen. Das Lachen seiner Studenten in seiner Vorlesung: Es hatte so merkwürdig geklungen, weil sie verlegen waren. Sie hatten ein schlechtes Gewissen.
Aber das war kein Trost. Er wünschte sich sehr, er hätte seinem Impuls von heute Morgen nachgegeben, ein Messer mitzunehmen.
Man kann SIE genau so umbringen wie Menschen.
Aber letztendlich hätte es doch nichts geholfen. Und wahrscheinlich hätte er es auch nicht gekonnt. Er war kein General, sondern Psychologe.

„Setzen Sie sich“, sagte sie. „Sie sind hergekommen, um Fragen zu stellen. Und Sie sollen die Gelegenheit dazu haben.“
Er setzte sich. „Eure Tarnung ist schlecht. Ihr seht nicht aus wie echte Menschen. Warum sehe ich das erst jetzt?“
„Wir geben uns wirklich Mühe. Aber die Details sind schwierig. Wenn Ihr uns vertraut, dann könnt Ihr die Fehler nicht sehen. Aber wenn man zu genau hinsieht ...“
Na schön, er hatte also kein Messer. Dann würde er wenigstens die Fragen stellen, die ihn in letzter Zeit am Schlafen gehindert hatten.
„Warum diese Umstände? Warum bringt Ihr uns nicht einfach alle um?“
„Wir lehnen es ab, andere Lebewesen zu verletzen. Es widerspricht unseren moralischen Grundsätzen.“
Ach wie süß.
„Aber uns unseren Planeten wegzunehmen, uns einfach zu sterilisieren, eine Gehirnwäsche zu verpassen und abzuwarten, bis die Letzten gestorben sind, das widerspricht Eurer Moral nicht?“
Sie sah ihn vorwurfsvoll an. Ein wenig wie Emma, wenn er etwas Zynisches sagte.
„Die Erde ist nicht ,Euer Planet‘. Es war diese Einstellung, mit der ihr Euch selbst an den Abgrund gebracht habt.“
„Wir sind also selbst schuld, ja?“
Wieder das Mitleid.
„Ich verstehe, dass Sie wütend sind. Aber denken Sie doch mal an die Zeit vor 2006, Sie haben es doch noch erlebt. Wenn wir nicht gekommen wären, hättet Ihr weiter Kriege geführt, Eure Umwelt und Euch selbst vergiftet und andere Arten von Lebewesen ausgerottet, bis ihr selber an der Reihe gewesen wärt. Wer hätte vor 2006 gedacht, dass es für die Menschheit ein Happy End geben könnte?“
Ein Wortspiel. Hahaha. Das Messer war doch keine schlechte Idee gewesen.
„Ihr habt all unsere Raumfahrtprogramme gestrichen, weil es angeblich nur verkappte Militärprojekte waren und eine sinnlose Ressourcenverschwendung, und wichtiger, die Probleme auf der Erde zu lösen als zu versuchen, den Weltraum zu erobern. Und Ihr selbst seid mit euren UFOs Lichtjahre geflogen, um ...“
„Nein. Wir sind keine Raumfahrer. Es gibt eine höherdimensionale Verbindung zwischen unseren Planeten. Ein Wurmloch, wenn Sie so wollen. Da durch sind wir gekommen. Wir haben nie verstanden, warum Ihr so auf den Weltraum fixiert seid. Er ist lebensfeindlich und fast leer. Und ihr habt einen so schönen Planeten.“
„So schön, dass ihr ihn für euch haben wollt?“
Sie schüttelte den Kopf. „Darum ging es nicht. Ich werde versuchen, es Ihnen zu erklären. Zugegeben, unser Heimatplanet kann mit der Erde nicht mithalten. Sie ist nahezu perfekt für Leben. Und für eine Zivilisation. Nur wenige von Euch haben je verstanden, was für ein Glück ihr mit diesem Planeten habt. Euer Sonnensystem ist so aufgebaut, dass die Erde selten von Meteoriten oder Kometen getroffen wird, weil die großen Gasplaneten außen mit ihren riesigen Massen den größten Teil abfangen. Sie hat genau den richtigen Abstand zur Sonne, so dass das Wasser hauptsächlich flüssig vorliegt. Sie hat einen Mond, der ihre Umlaufbahn stabilisiert. Sie ist groß genug, um eine Atmosphäre festhalten zu können. Die Atmosphäre enthält die richtige Menge Treibhausgase, um die globale Temperatur im Mittel auf einem ganz lebensfreundlichen Niveau zu halten, aber nicht so viel, dass es zu heiß für Leben wird. Und seit es die Photosynthese gibt, hat sie auch Sauerstoff, der gleich in zweifacher Hinsicht wichtig ist: man kann damit Atmung betreiben, und er wandelt sich in der Stratosphäre in Ozon um, so dass die Erde vor kosmischer Strahlung abgeschirmt wird und Leben außerhalb des Wassers möglich ist. Die Sauerstoffmenge ist aber nie so groß geworden, dass alles permanent Feuer fangen würde. Das Leben auf diesem Planeten hat sich dementsprechend prächtig entwickelt: Ihr habt hier eine unglaubliche Vielfalt an Lebensformen, und die Evolution hat wirklich großartig funktionierende Ökosysteme hervorgebracht. Und dann euch. Nun, ein Planet mit so idealen Bedingungen ist natürlich prädestiniert dafür, eine sehr intelligente, dominante Spezies hervorzubringen. Aber Ihr habt Euch zu sehr dominant und zu wenig intelligent verhalten. Ihr wart so egoistisch, dass Ihr Gefahr lieft, diese phantastischen Voraussetzungen für eine Zivilisation, Eure eigenen Lebensgrundlagen, zu zerstören, noch bevor Ihr richtig angefangen hattet, sie zu verstehen und eine wirklich hoch entwickelte Zivilisation zu werden. Wir wissen nicht, warum, ich denke manchmal, vielleicht konntet Ihr nicht anders. Wir kommen von einem Planeten, der sehr viel lebensfeindlicher ist als die Erde. Wir mussten in unserer Evolution sehr früh lernen, mit Ressourcen sparsam umzugehen, Rücksicht auf kommende Generationen zu nehmen und in Symbiose mit anderen Spezies zu leben, zu kooperieren, um zu überleben. Ihr hattet das alles nicht nötig, bis Ihr so viele wart, dass ihr an Grenzen gestoßen seid. Aber Ihr habt immer so weiter gemacht wie vorher, Ihr wolltet Euch nicht einschränken. Und nichts dazulernen. Ihr seid so ziemlich das Gegenteil von Ameisen: Bei ihnen sind die Individuen ziemlich beschränkt, sie krabbeln herum, fressen, bauen, verteidigen ihr Volk, ohne zu wissen, was sie tun. Aber das Volk als Ganzes verhält sich sehr koordiniert und clever. Bei Euch ist es umgekehrt. Jedes Individuum hat ein einzigartiges Bewusstsein, eine hohe Intelligenz und viele Fähigkeiten. Aber die Menschheit als Ganzes hat sich immer dumm und zerstörerisch verhalten.“
„Wir haben die Erde also nicht verdient. Aber Ihr. Der bessere Planet für die bessere Zivilisation.“
Wieder der vorwurfsvolle und gleichzeitig mitleidige Blick.
„Wir haben nicht aus Neid gehandelt. Wir haben versucht, Euch zu helfen. Immer wieder. Wir haben versucht, Eure Entwicklung zu lenken, Euch den richtigen Weg zu zeigen. Sie werden mir sicher nicht glauben und wieder wütend werden, aber es ist die Wahrheit: Gandhi war einer von uns. Martin Luther King auch. Der Club of Rome, Sie erinnern sich, ,Die Grenzen des Wachstums‘: Das waren wir. Die Frauenbewegung wäre ohne uns vielleicht nie entstanden, oder erst sehr viel später. Die Friedensbewegungen, die Umweltschutzbewegung, alles, was sich bei euch je in die richtige Richtung bewegt hat: Das waren wir. Wir haben die Grünen gegründet, deshalb sind sie jetzt auch die stärkste Partei. Wir waren für die Gründung der Vereinten Nationen verantwortlich. Sogar die Erklärung der Menschenrechte, euer ureigenstes Interesse, hättet ihr von allein wohl nicht auf den Weg gebracht. - Was haben Sie? Geht es Ihnen nicht gut?“
Nein, es ging ihm ganz und gar nicht gut.
2006 wird oft als das Jahr genannt, in dem alles anfing, aber natürlich gab es keinen Stichtag. Es hat früher begonnen.
Er war nicht mehr wütend, jedenfalls nicht mehr auf sie. Er glaubte ihr. Mahatma Gandhi. Martin Luther King. Natürlich. Die hatten dieselbe Ausstrahlung von Güte und Weisheit gehabt.
Und sie hatten noch etwas gemeinsam: Man kann sie genauso umbringen wie Menschen. Seine eigene Spezies hatte immer nur getötet und zerstört. Alles, was ihn immer, auch schon als Jugendlichen, vor 2006, irgendwie an das „Gute im Menschen“ hatte glauben lassen, war eben nicht von Menschen ausgegangen.
Sie beobachtete ihn angespannt, und er sah ihr an, dass sie seinen wütenden Gesichtsausdruck auf sich bezog. Sie konnten nicht Gedanken lesen, untereinander vielleicht, vielleicht waren sie wirklich Telepathen.
Aber seine Gedanken kannte sie nicht, sonst hätte sie nicht so ein Gesicht gemacht. Sie hatte fast eine Rede gehalten, wahrscheinlich hatte sie das im Geist schon ein paar Mal getan. Sie wollte sich rechtfertigen.
Die Eroberer aus dem Weltall hatten allen Ernstes Gewissensbisse.
„Ihr habt nichts erreicht. Wir haben weiter Kriege geführt, weiter die Menschenrechte missachtet und weiter die Umwelt zerstört, und da habt ihr aufgegeben.“
„Wir ... ja.“ Sie war überrascht, sie hatte einen Angriff erwartet. „Wir hatten Angst, dass Ihr nicht nur Euch selbst zugrunde richtet, sondern auch das Leben auf der Erde unmöglich macht. Ihr habt Euch immer schlimmere Waffen ausgedacht, und Ihr wurdet immer mehr. Es ging uns um die anderen Spezies auf der Erde: Sie konnten nichts dafür, und Ihr hättet sie mit ins Verderben gerissen. Ihr habt sie nie so geschätzt, wie sie es verdient haben, dabei seid Ihr extrem von ihnen abhängig. Aber die roten Listen und die Nationalparks haben wir erfunden. Wir haben auch darüber nachgedacht, für Euch so eine Art Reservat einzurichten. Nicht alle waren dafür, Euch völlig aussterben zu lassen. 2005 gab es ein Referendum darüber. Aber eine große Mehrheit war dafür, es endgültig zu beenden, denn unsere Agenten konnten einfach kaum Erfolge vorweisen: Ihr wart wie eine Naturkatastrophe. Ihr habt so viele Arten ausgerottet wie der Meteorit, dem die Dinosaurier zum Opfer gefallen sind. Ihr habt jeden Winkel der Erde mit Chemikalien verseucht. Ihr hattet Einfluss auf das Klima mit eurem Verbrauch von fossilen Brennstoffen, und das habt Ihr gewusst, und trotzdem habt Ihr sogar Kriege um das Öl geführt, anstatt nach Alternativen zu suchen. Nicht einmal mit euren Kriegen habt ihr aufgehört, obwohl es fünf vor zwölf war.“
„Wofür haben Sie gestimmt?“
Er glaubte die Antwort zu kennen: sie schien mit der Entscheidung nicht glücklich zu sein.
„Ich war noch zu jung, um abzustimmen. Aber ich denke oft, dass die Entscheidung vielleicht anders ausgesehen hätte, wenn wir Euch wirklich gekannt hätten. Wir haben nur gesehen, was ihr Euch gegenseitig für entsetzliche Dinge angetan und was Ihr für Schäden an der Natur angerichtet habt. Aber Tatsache ist, Ihr habt den Überfluss, in dem Ihr lebt, nicht nur benutzt um immer schlimmere Waffen zu bauen und damit Kriege zu führen. Ihr habt eine großartige Kultur. Bildende Kunst und Musik gibt es auf unserem Planeten nicht. Wir konnten es uns nicht leisten, so etwas zu entwickeln. In den Wissenschaften sind wir viel weiter als Ihr, aber so etwas wie Kunst haben wir nicht. Es ist ... Wenn man Euch kennt, ist es unmöglich, Euch zu hassen.“
Körner kam ein Gedanke. Ein verrückter Gedanke, aber er musste es wenigstens versuchen.
„Könnte man ... Könntet Ihr es rückgängig machen? Ich meine, noch gibt es Menschen im gebärfähigen Alter. Wenn es Euch jetzt so leid tut, dann könntet Ihr doch unsere Fruchtbarkeit wieder herstellen.“
Oh, nicht schon wieder dieser Blick. Er hätte sie fast gemocht, wenn sie ihn nicht dauernd so mitleidig angesehen hätte.
„Es ist irreversibel. Ihr hattet das in manchen Gegenden schon fast ohne unser Zutun erreicht. All die Umweltgifte, die hormonartigen Stoffe im Wasser. Wir haben nur noch ein bisschen nachgeholfen. Aber selbst wenn man es rückgängig machen könnte, weiß ich nicht, ob ich das wollte, ganz zu schweigen von den anderen. Wenn wir Euren Planeten verließen, würdet Ihr genau da weitermachen, wo Ihr 2006 aufgehört habt. Und all das kaputt machen, was wir schon wieder in Ordnung gebracht haben. Wir bewundern Eure Kunst wirklich und wir werden sie immer in Ehren halten, wenn es Euch nicht mehr gibt. Aber letztendlich sind die paar Picassos und Beethoven-Sinfonien es nicht wert, Euch ungehindert einen ganzen Planeten zerstören zu lassen.“
Ganz sicher war sie sich ihrer Sache aber nicht, glaubte er. Vielleicht könnte er sie überzeugen, und sie könnte die anderen ...
„Ihr müsstet die Erde ja nicht verlassen. Ihr könntet uns weiterhin helfen. Uns daran hindern, Kriege zu führen.“
„Vorhin waren Sie noch empört über die ,Gehirnwäsche‘, jetzt wollen Sie, dass wir Euch in alle Ewigkeit hypnotisieren. Aber das wäre nicht nur Euch gegenüber unfair. Es ist so, diese Art von Hypnose, das Aufrechterhalten unserer menschlichen Erscheinungsbilder und das Unterdrücken all Eurer Zweifel und Eurer negativen Gefühle, braucht sehr viel Energie. Mehr, als wir auf Dauer verkraften. Nach irdischer Zeitrechnung kostet es uns im Schnitt zehn Jahre Lebenszeit. Und unsere Lebenserwartung ist ohnehin geringer als Eure. Für Politiker wie mich ist es besonders anstrengend. Die Wissenschaftler haben es leichter, sie müssen nur die Schäden beseitigen, die Ihr angerichtet habt. Wir müssen rund um die Uhr hypnotisieren. Aber ich will mich nicht beklagen. Als wir 2006 die Kontrolle übernahmen, sind viele von uns an Erschöpfung gestorben. Mittlerweile ist es leichter geworden: Es geht Euch gut, und die meisten von Euch vertrauen uns. Aber trotzdem ist diese Situation für beide Seiten nicht gut. Euch nimmt sie den freien Willen und uns die Lebensenergie. Aber in spätestens achtzig Jahren wird das ein Ende haben. Dann wird es nur noch uns geben.“
Er hatte sich geirrt: Es tat ihr leid um die Menschen, und vielleicht hatte sie hin und wieder ein schlechtes Gewissen, aber sie war trotzdem überzeugt, das Richtige zu tun. Wahrscheinlich sah sie an seinem Gesicht, dass er die Hoffnung verlor.
„Es tut mir leid. Aber ich hoffe, Sie verstehen unsere Motive. Wir werden Sie höchstwahrscheinlich nicht wieder vollständig hypnotisieren können. Das heißt, Sie werden uns als Menschen sehen, was für Sie mit Sicherheit angenehmer ist. Aber Sie werden es weiterhin wissen. Ich hoffe, dass Sie klüger sind als Hauptmann und über dieses Wissen nicht zum Verbrecher werden.“
Hauptmann. An den hatte er gar nicht mehr gedacht.
„Was wird mit Hauptmann passieren?“
„Er wird vor Gericht mit Sicherheit für unzurechnungsfähig befunden und in die Psychiatrie eingewiesen. Falls es uns gelingt, ihn wieder unter Hypnose zu bringen, kann er möglicherweise irgendwann entlassen werden. Aber ich fürchte, er wird den Rest seines Lebens dort verbringen. Er ist alt. Und er hat einen sehr starken Willen. So wie Sie.“
Ja. Aber er glaubte nicht, dass er je so handeln könnte wie Hauptmann. Wenn man Euch kennt, ist es unmöglich, Euch zu hassen, hatte sie gesagt. Er musste zugeben, dass das umgekehrt auch zutraf.
„Ich danke Ihnen. Für Ihre Ehrlichkeit.“
Sie sah ihn ungläubig an.
„Was werden Sie jetzt tun?“
Sie befürchtete Schlimmes, er konnte es deutlich sehen. Sie waren überhaupt nicht fähig, ihre Gefühle zu verstecken. Falls sie wirklich Telepathen waren, würden sie das untereinander ja vielleicht auch gar nicht können.
„Ich denke, ich werde weiterhin versuchen, meinen Studenten etwas darüber beizubringen, wie Menschen denken und fühlen. Wahrscheinlich werde ich ein besserer Lehrer sein, jetzt wo ich weiß, dass ich nicht viel Wissen darüber voraussetzen kann. Ich will nicht, dass Ihr uns nur als kriegsgeile, umweltverseuchende Idioten in Erinnerung behaltet, wenn Ehr ... wenn Ihr dann allein seid.“

Zum Abschied gab er ihr die Hand, obwohl er das Bild von dem schleimigen, durchsichtigen Gebilde mit drei statt vier Fingern, das er in Wirklichkeit schüttelte, nur allzu deutlich vor Augen hatte.
Er hoffte, dass er diese Erinnerung im Laufe der Zeit verdrängen könnte. Ob er wirklich in sein altes Leben zurück könnte, einfach weitermachen und ignorieren, dass er zu den letzten Exemplaren einer aussterbenden Art gehörte?
„Natürlich“, sagte er sich. „Der Homo sapiens ist verdammt anpassungsfähig.“ Und wenn er doch nicht durchhielte, würde er vielleicht eine Gummizelle neben Hauptmann bekommen und könnte sich mit ihm über SIE unterhalten. Wenn das kein Ansporn war, sich zusammenzureißen.

6. Homo sapiens geht vorbei. Epilog

Körner ging über den Campus. Seine Studenten grüßten ihn, er grüßte zurück. Seine Vorlesungen waren immer noch voll, obwohl über die Hälfte des Semesters herum war. Voll von Studenten, von denen die meisten nichts verstanden.
Aber inzwischen fand er es rührend, wie sie sich anstrengten, die menschliche Psychologie zu verstehen: es war schließlich nicht ihre eigene. Wenn er vorbei kam, begannen sie meistens miteinander zu reden und hörten wieder auf, wenn er ein paar Meter weiter war, um ihre eigene Form der Kommunikation zu pflegen (er war mittlerweile davon überzeugt, dass sie Telepathen waren).
„Achtung, Homo sapiens geht vorbei“, dachte er.
Manche versuchten aber auch nicht mehr, ihm etwas vorzumachen (abgesehen vom Erscheinungsbild, wofür er dankbar war). Wie viele von ihnen wussten, dass er es wusste?
Jedenfalls gab es eine unausgesprochene Übereinkunft, nicht offen darüber zu reden. Er hatte sogar aufgehört, in seinen Vorlesungen die Marsianer zu erwähnen.

Sein Büro war ein ziemliches Chaos, überall verstreute Papiere. Emma stand auf einem Stuhl und sortierte irgendwelche Ordner ins Regal. Die Schwangerschaft war jetzt nicht mehr zu übersehen. Sie dauerte bei ihnen weniger als neun Monate.
„Um Himmels willen, Emma, lass das. Du könntest runterfallen! Außerdem sind die Dinger schwer.“
„Was ist denn mit dir los, Chef? Darf ich denn überhaupt nichts mehr machen, bloß weil ich ein bisschen schwanger bin?“
„Nicht solche Sachen. Bitte.“
Er würde nie Enkelkinder haben. Warum also sollte er sich nicht wenigstens um Emmas Kind sorgen? Manchmal hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er „SIE“ so gar nicht hasste und nicht das Geringste gegen sie unternahm.
„In den alten Science-Fiction-Filmen haben wir uns immer heldenhaft gegen die Invasion gewehrt“, dachte er. „Meistens haben wir sogar gewonnen. Und dann so weitergemacht wie davor.“
Aber das eine war: Er konnte nichts unternehmen. Die meisten Menschen würden nie aus ihrer Hypnose aufwachen. Selbst wenn Hauptmann sein Attentat gelungen wäre, hätten viele wahrscheinlich nicht gesehen, dass das Opfer kein Mensch war. Bei ihren Agenten (Gandhi. Martin Luther King. Man kann sie genauso umbringen wie uns.) hatte es ja auch niemand gesehen, auch als sie ermordet wurden nicht.
Und das andere war: Er konnte sie verstehen. Sie hatten es wirklich versucht und viel Geduld mit der Menschheit gehabt. Und als sie der Meinung waren, die Menschheit sei nicht mehr zu retten, hatten sie beschlossen, wenigstens den Planeten zu retten.
Nachts hatte er manchmal Zweifel. Und in seinen Träumen erschoss er oft Politiker. Aber tagsüber tat er einfach so, als ob er von nichts wüsste, und fühlte sich meistens relativ wohl dabei.
Das Gefühl unter voller Hypnose, dass alles gut war, fehlte ihm zwar (er hatte schließlich den größeren Teil seines Lebens damit zugebracht), aber er kam zurecht.

Emmas Kind würde vielleicht schon eine Zeit erleben, in der sie niemandem mehr etwas vormachen mussten. Die Vorstellung, wie sie alle ohne Tarnung herumlaufen würden (kleine durchsichtige Männchen) gefiel ihm überhaupt nicht, aber Herrgott, für ihr Aussehen konnten sie schließlich nichts.
Vielleicht würden sie irgendwann sogar eine Kultur entwickeln, in der auch Platz für Kunst war, auf einem Planeten, der sie nicht zwang, sich permanent nur mit ihrem Überleben unter schwierigen Bedingungen und der Optimierung ihrer Ressourcennutzung zu beschäftigen.
„Hauptsache, sie entwickeln keine Kultur, in der auch Platz für Krieg ist“, dachte Körner. „Und für all die anderen Fehler, die wir gemacht haben. Hauptsache sie behalten die moralischen Grundsätze, wegen der sie es nicht mehr ertragen konnten, uns zuzusehen und begehen nicht irgendwann die gleichen Fehler, weil es ihnen zu gut geht.“
„Chef?“
„Emma?“
„Bevor du hier nur nutzlos herumstehst und vor dich hin denkst, könntest du auch die restlichen Ordner da rauf stellen und damit eine schwangere Frau entlasten.“
Sie hatte so ein nettes Lächeln. Schade, dass es nicht echt war.
„Wenn du weiter so frech bist, dann werde ich gezwungen sein, eine schwangere Frau zu entlassen.“
Plötzlich wurde sie ernst. „Ihr werdet uns fehlen. Keiner von uns hat so einen Humor wie du.“
Na so was. Sie hielt sich nicht an die ungeschriebene Abmachung.
„Ach, und ich dachte, ich bin ein Zyniker.“
Sie blieb ernst. „Siehst du, das ist auch so was. Selbstironie gibt es bei uns nicht, sie macht keinen Sinn, wenn man keine Fehler hat. Es hilft zwar nichts, aber ich möchte dass du’s weißt: Ich finde, wir hätten es nicht tun sollen. Ihr hättet noch eine Chance verdient gehabt. Vielleicht hättet Ihr die Kurve noch gekriegt.“
Aua. Sie verstanden wirklich kein bisschen von der menschlichen Psychologie.
Aber es war lieb gemeint.

Sein Nachhauseweg führte durch einen Park: vorbei an vielen alten Leuten, die nichts mehr zu tun hatten, als auf Bänken zu sitzen und sich über das Wetter zu unterhalten. Es gab wirklich ein ziemliches demographisches Ungleichgewicht, aber das fiel nur wenigen auf.
Sie hatten wahrscheinlich das Ziel, die Weltbevölkerung auf drei oder vier Milliarden zurückzufahren und sie dann mehr oder weniger konstant zu halten. Wenn sie dieses Ziel erreichten, würde die Weltbevölkerung nur noch aus ihnen bestehen. Er fühlte sich melancholisch. In ein paar Jahren würde er selbst dort sitzen. Und zusehen, wie sich die Welt weiter in rasendem Tempo veränderte. Verbesserte.
Seine Wohnung sah nicht besser aus als sein Büro, aber er hatte keine Lust, sie aufzuräumen. Heute war wieder Sprechstunde gewesen, und er war verdammt müde.
Er sah fern.
Der Wahlkampf war in vollem Gange. Die Opposition war ihm unsympathisch: ziemlich verbissene Leute. Nicht wenige Fälle von BNWP darunter.
„Die Regierung betreibt eine Politik, die immer nur das abstrakte ,Wohl des Planeten‘ im Auge hat und die wahren Bedürfnisse der Menschen ignoriert! Das kann kein gutes Ende nehmen!“
Er lächelte müde. Wenn die wüssten!
Er mochte sie sich nicht länger anhören. Das war doch alles ziemlich vergeblich: Sie würden nie über zwanzig, maximal fünfundzwanzig Prozent kommen. Gegen politische Gegner, die in der Lage sind, den größten Teil der Bevölkerung zu hypnotisieren, kann man nicht viel ausrichten.
Er beschloss, lieber einen Film anzusehen, und schaltete um.
Das kann kein gutes Ende nehmen.
Von wegen! Er wusste: Es würde auf jeden Fall ein Happy End geben.

ENDE

 

Kleine Anmerkung:

Diese Geschichte habe ich vor zwei Jahren, Anfang 2005 geschrieben und jetzt nur noch mal rechtschreibtechnisch überarbeitet. Das merkt man unter anderem daran, dass viele Dinge inzwischen von der Realität überholt wurden (die erste Frau ist nicht erst 2038 Bundeskanzlerin geworden, und meines Wissens gab es letztes Jahr auch keine Revolution :D). Aber trotzdem wäre ich an euren Meinungen dazu interessiert.
Die Geschichte ist nicht das erste, was ich je geschrieben habe, aber das andere Zeugs ist nicht für KG.de geeignet (keine Prosaform). Sie ist verdammt lang, und jeder, der sie durchliest, hat meine Hochachtung. Ich würde mich echt freuen, von euch Kritik und Verbesserungsvorschläge zu bekommen, dann raffe ich mich vielleicht zu einer aktualisierten Fassung auf.

 

Hy Perdita,

ich habe deine Geschichte zwar noch nicht ganz bis zum Ende gelesen - bin bei Kapitel 3 - aber ich darf dir jetzt schon mal ein Lob spendieren. Es ließt sich sehr gut und ist hoch interessant. Eine schöne Zukunftsvision und ich bin gespannt über den Ausgang. Mir ist aufgefallen, dass du das Buch "Schöne Neue Welt" von Aldous Huxley gelesen hast und es dich bestimmt auch dazu inspiriert hat (du hast schon mal guten Geschmack ;) ). Auf jeden Fall ist das eine gute Grundlage, die ich auch hier rauserkenne. Doch vorsicht: Eine solche Weltanschauung muss gut durchdacht sein und ich sehe schon ein paar Lücken darin, die mir auf den ersten Blick unlogisch erscheinen. Ich hoffe, dass sie sich vielleicht noch im Laufe der Geschichte lösen, aber wenn dem nicht so ist, werde ich sie anschließend auflisten, wenn ich fertig bin mit Lesen (das heißt, du musst noch ein wenig darauf warten :D ).
Aber bis hier hin, eine sehr gute und spannende Geschichte. Ich freu mich auf den Rest.

Gruß
Bantam

 

Hallo Bantam!

Wow, meine allererste Kritik hier! Und dann auch noch so 'ne nette! Da muss ich mich schon mal zwischendurch bedanken! :huldig:

Toll, dass du dich an dieses lange Ding rangewagt hast. Ich bin sehr gespannt, was du vom Rest hältst.

Mir ist aufgefallen, dass du das Buch "Schöne Neue Welt" von Aldous Huxley gelesen hast und es dich bestimmt auch dazu inspiriert hat (du hast schon mal guten Geschmack

Na, wer hat DAS nicht gelesen? Es war aber gar nicht der direkte Auslöser. Ich hab früher oft mit Freunden zusammen geschrieben, und irgendwann hatten wir mal die Idee: Wir sollten eine Geschichte schreiben, in der alle Probleme auf der Welt gelöst sind und es allen gut geht, und dann stellt sich heraus, dass die Ursache eine außerirdische Invasion ist. Dann hatten meine Freunde aber keine Zeit, und ich war so frech, die Geschichte einfach allein zu schreiben. An Huxley habe ich erst wieder bewusst gedacht, als ich einen Namen für das Syndrom gesucht habe. :)

ich sehe schon ein paar Lücken darin, die mir auf den ersten Blick unlogisch erscheinen.

Wenn sie sich nicht beim weiterlesen auflösen: Immer her damit! Als ich die Geschichte geschrieben habe, war ich in einem richtigen Rausch, bin nachts aufgewacht, weil ich eine neue tolle Idee hatte und so. Jetzt, wo ich Abstand dazu habe, mag ich sie zwar immer noch, aber ich fange selbst an, Schwächen zu sehen. Zum Beispiel kommt die Moral irgendwie mit der Subtilität eines Vorschlaghammers rüber :D
Ich würde die Geschichte aber gern verbessern. Also nochmal danke, dass du mir dabei hilfst :D

Grüße von Perdita

 

Sooooooo, mein lieber Gesangsverein,

ich bin eigentlich schon seit gestern fertig mit Lesen, aber jetzt erst so richtig in Form, eine Kritik irgendwie einigermaßen zu formulieren.
Dein Schreibstil ist sehr gut, lässt sich einfach lesen, so gut wie gar keine Fehler. Mir hat es Spaß gemacht, und es ließ sich für mich sehr flüssig zu verfolgen. Erinnerte mich ein wenig an Michael Crichton oder Frank Schätzing, die schreiben ähnlich, nur dass bei dir noch die seitenweisen Erläuterungen zu der und der Wissenschaft fehlt.
Der Geschichte hätte es gut getan, wenn du noch ein wenig mehr recherchiert hättest, um uns noch etwas Wissenswertes über manche unschlüssige Dinge zu erkäutern, wie z.B. das mit dem Trinkwasser und warum es die Menschen steril macht. Wie funktioniert das? Was wurde dem Wasser beigemischt? So klingt das ein wenig zu weit dahergeholt. Es wird nicht genau geklärt, WARUM das so ist.
Aber das sind nun keine richtigen Fehler, sondern mehr Lücken... die allerdings bei einem Crichton oder Schätzing nicht entstehen. Aber das sind ja auch Profis und sowieso viel zu große Intelligenzbestien, als dass sie Menschen sein könnten. Ich glaube ja seit deiner Geschichte, dass die beiden auch Außerirdische sind.
Ein weiterer Kritikpunkt wäre, dass am Ende deiner Geschichte noch irgendwie der richtige Knackpunkt, wo noch ein wenig Action passiert. Das Ende ist irgendwie... unbefriedigend. Es passiert nichts weiter, als dass am Anfang jemand erschossen wird.
Die Story ist gut durchdacht, aber in gewisser Weise zu lasch. Das Ende hat mich nicht vom Hocker gehauen, weil es nichts gab, was dem Protagonisten noch einen richtigen Konflikt gibt. Meine Vorschläge wären:
Paul Körner beobachtet zwei Außerirdische dabei, wie sie sich streiten und fast halb tot schlagen. Dass sie auf der Erde nun DOCH Schwächen entwickeln, weil dieser Planet einfach den besten Nährstoff bietet für Neid und Gier etc. DAS fände ich ein spannendes Ende, sogar mit offenem Ausgang.

Vielleicht könnte es sich Körner aber doch am Ende anders überlegen und wird vielleicht DOCH noch selber zum Attentäter. Er erschießt die Kanzlerin, trifft sie und alle Welt sieht die Wahrheit.
Auch ein spannendes Open-End, denn es bleibt offen, wie sich die letzten noch lebenden Menschen jetzt entscheiden. Bleiben sie hypnotisiert oder fangen sie eine Revolution an.

Ansonsten muss ich ehrlich zugeben, hast du echt Ambitionen, in diesem Forum noch ein paar sehr interessante und spannende Geschichten abzuliefern. Ich werde dich beobachten.
Bis dahin. Mach weiter so und mögen die Ideen mit dir sein.:thumbsup:

Gruß
Bantam

 

Hallo Bantam,

Danke, danke, danke! So was

Dein Schreibstil ist sehr gut, lässt sich einfach lesen, so gut wie gar keine Fehler. Mir hat es Spaß gemacht

von jemandem zu lesen, der mich nicht kennt und den ich deshalb als unvoreingenommen betrachten kann :) ist schon mal sehr, sehr motivierend.

Und deine Kritikpunkte kann ich sehr gut nachvollziehen.

Der Geschichte hätte es gut getan, wenn du noch ein wenig mehr recherchiert hättest, um uns noch etwas Wissenswertes über manche unschlüssige Dinge zu erkäutern, wie z.B. das mit dem Trinkwasser und warum es die Menschen steril macht. Wie funktioniert das? Was wurde dem Wasser beigemischt? So klingt das ein wenig zu weit dahergeholt. Es wird nicht genau geklärt, WARUM das so ist.

Das hat bisher noch niemand bemängelt, der die Geschichte gelesen hat, aber ich gebe dir Recht. Es ist zwar so, dass die Protagonisten eigentlich selbst nicht genau wissen, wie die Außerirdischen das angestellt haben (*rausred*), aber ich werde versuchen, bei der Überarbeitung mehr "science" einzubauen. :)

Der zweite Kritikpunkt, das lasche Ende, war mir schon bewusst und den haben mir auch die wenigen Leute, denen ich bisher die Geschichte zu lesen gegeben hatte, schon genannt. Mir war bisher einfach nichts Besseres eingefallen.

Ich hatte zwar schon über so eine Lösung nachgedacht:

Vielleicht könnte es sich Körner aber doch am Ende anders überlegen und wird vielleicht DOCH noch selber zum Attentäter.

Aber ich fand, dass das nicht zu Körner passt. Er ist kein gewalttätiger Typ und insgesamt eher passiv. Er denkt zwar darüber nach, Außerirdische umzubringen, aber in Wahrheit hätte er das nicht drauf. Außerdem wollte ich eben kein "die Menschheit kämpft heroisch gegen die Aliens"-Ende, das so viele Invasionsgeschichten haben.

Aber dein anderer Vorschlag:

Paul Körner beobachtet zwei Außerirdische dabei, wie sie sich streiten und fast halb tot schlagen. Dass sie auf der Erde nun DOCH Schwächen entwickeln, weil dieser Planet einfach den besten Nährstoff bietet für Neid und Gier etc. DAS fände ich ein spannendes Ende, sogar mit offenem Ausgang.

Gefällt mir. Das ist wirklich klasse, denn das löst auch mein Problem, dass die Geschichte mit so wahnsinnig erhobenem Zeigefinger rüberkommt, diese schwarz-weiß-Zeichnerei "die Menschheit ist ja so schrecklich böse und die Aliens sind ja so was von nett, pazifistisch und umweltfreundlich, dass einem ganz schlecht wird".

Du glaubst nicht, wie sehr ich mich ärgere, dass MIR das nicht eingefallen ist! :bonk:

Ansonsten muss ich ehrlich zugeben, hast du echt Ambitionen, in diesem Forum noch ein paar sehr interessante und spannende Geschichten abzuliefern. Ich werde dich beobachten.

Das freut mich sehr. Ich werde mir Mühe geben. Wenn ich meine Diplomarbeit und -verteidigung über die Bühne gebracht habe, werde ich diese Geschichte hier gründlich überarbeiten, und dann hoffentlich auch neue zu schreiben (die dann vielleicht mal nicht ganz so lang werden. Ich muss zugeben, ich habe ein echtes Problem damit, KURZE Sachen zu schreiben).

Noch einmal ein großes Dankeschön und Grüße von Perdita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Perdita,

ich werde es wie mein Vorschreiber halten und meine Kritik in zwei Blöcke aufteilen ;-) Die Geschichte ist wirklich sehr lang.

Nun zum Text:

Treffen sich zwei Planeten.
Fragt der ältere:
„Und, wie geht’s?“
Sagt der jüngere:
„Schlecht. Ich hab Homo sapiens.“
Sagt der ältere:
„Ach, keine Sorge.
Das geht vorbei.“
Ich habe das Sprichwort schon gekannt, aber dennoch ist das ein sehr schöner Einstieg.

SIE hatten die Erde zu einem besseren Ort gemacht. Aber er wusste, was IHR eigentliches Ziel war. Er wusste, wer SIE in Wirklichkeit waren.
Was SIE in Wirklichkeit waren.
Das ständige "SIE" und "IHNEN" hat mich am Anfang etwas gestört. Ich finde, der sonst sehr flüssige Schreibstil wird dadurch einen wenig gestört. Später hatte ich mich allerdings daran gewöhnt.

...bis die Atmosphäre sich von der Ära der fossilen Energieträger erholen und die vernichteten Urwälder nachwachsen würden.

Also die Ära der fossilen Energieträger dauert meiner Meinung nach schon tausende bzw. millionende von Jahren an. Die Ära der Nutzung der Fossilen Energieträger würde eher passen ;-)
Vernichtete Urwälder wachsen nicht nach. Sie wachsen neu ;-)

Der eine warf die Kanzlerin auf den Boden, noch bevor der Schuss sich überhaupt gelöst hatte. Der andere fing die Kugel ab.
Die neue Weltordnung sah es nicht vor, dass jemand eine Waffe hatte. Demzufolge hatte der Leibwächter auch keine schusssichere Weste. Sein Job hatte vor allem darin bestanden, allzu aufdringliche Fans, die die Bundeskanzlerin unbedingt mal umarmen wollten, freundlich fern zu halten,../
QUOTE]
Obwohl die neue Weltordnung nicht vorsieht, dass jemand eine Waffe hat, reagiert der Leibwächter so aufmerkam? Und das obwohl er sonst nur freundlcih die Fans fernhält. Also bei dieser Szene musste ich an Bodyguard denken und wieviel Aufmerksamkeit, ja fast schon ein bißchen Verfolgungswahn dazugehörte, damit der gute alte Kevin sich vor Mrs. Housten werfen konnte, um die Kugel abzufangen. Hier würde vielleicht eine kleine Erklärung helfen, warum der Leibwächter gerade in dieser Situation besonders aufmerksam war.

Er blutete und starb ganz normal.
Ist das normal? ;-) Hoffentlich sterbe ich an Altersschwäche...

Er konnte nicht noch einmal auf jemanden schießen, er durfte nicht noch mal so einen Fehler riskieren.
Wieso? War doch nur ein Kollateralschaden. Wobei mir das mit dem Kollateralschaden sehr gut gefiel. Zeigt was der Protagonist für ein harter Hund ist. Dann würde ich aber eine andere Erklärung für das Verzichten auf eine weitere Salve anführen.

WER SIND SIE!

Wer sind Sie?

er Polizist war keiner von IHNEN. SIE hätten niemals Wörter wie Arschloch benutzt. Aber egal, was der Polizist war, SIE hatten ihn. SIE hatten gewonnen. Er begann zu schreien und, so gut es ging, um sich zu schlagen.
„He, aufhören! Hör auf, du durchgeknallter Wichser!“
Der Polizist hatte offenbar noch ein paar mehr der schönen alten Beleidigungen auf Lager. Erfrischend.
Sein Kollege dagegen war fast sicher einer von IHNEN, oder total von IHNEN vereinnahmt: „Hey, ganz ruhig. Niemand tut Ihnen was. Alles wird gut.“

Super Dialog. Knallhart, sehr temporeich. Gefällt mir gut.

meine Damen und Herrn

meine Damen und Herren

wir bedrohten viele Tier- und Pflanzenarten in ihrer Existenz
Nicht nur "bedrohten". ;-)

„Und dann, im 21. Jahrhundert, hat sich plötzlich alles geändert. 2006 wird oft als das Jahr genannt, in dem alles anfing, aber natürlich gab es keinen Stichtag. Es hat früher begonnen, aber das waren bescheidene Anfänge, um die zäh gerungen werden musste: internationale Abkommen, bestimmte Waffen nicht mehr einzusetzen oder die Kohlendioxidemissionen um lächerliche Beträge zu senken. Aber 2006 gab es eine unglaubliche Revolution: sämtliche Länder der Welt wurden Demokratien. Mustergültige Demokratien. Das Ende von Willkür, Folter, der Todesstrafe. Für Sie ist das ganz normal, Sie kennen nichts anderes, aber bitte denken Sie daran, was Sie in den Geschichtsvorlesungen und bei mir über das 20. Jahrhundert gehört haben. 2005 war eine solche Vorstellung noch undenkbar. Lächerlich. Und 2006 passierte es einfach - völlig unblutig. Die Leute sagten einfach: wir wollen die Demokratie und wir wollen diesen oder jene als Staatsoberhaupt, und die fürchterlichsten Diktatoren gaben einfach nach und traten ab. Und diese neuen Staatsoberhäupter waren alle miteinander ein Segen für die Menschheit! Sie schafften innerhalb von ein paar Jahren sämtliche Waffen ab und danach ihr Militär - die Gefahr, irgendwer könnte einen Krieg anfangen, bestand ja nicht mehr. Es wird oft gesagt, dass seit dieser Zeit die Nationalstaaten nur noch pro forma existieren, weil sich die Regierenden der Welt alle so einig sind. Sie taten aber noch mehr: Sie schlossen wirksame Verträge zum Schutz der Umwelt und zur Sanierung bereits zerstörter Ökosysteme. Und wie auf Bestellung gab es zu dieser Zeit auch noch enorme Fortschritte in den Naturwissenschaften, die diese Maßnahmen erst ermöglichten und die vor allem die Energieversorgung endlich von den fossilen Brennstoffen unabhängig machten. Sie beschlossen, endlich international gegen Armut und Hunger vorzugehen, und sie waren damit erfolgreich. Da die Militärhaushalte gestrichen worden waren, stand ihnen ja auch eine ganze Menge Geld für die Umsetzung ihrer Pläne zur Verfügung. Es gelang ihnen sogar, das Bevölkerungswachstum zurückzufahren, ohne demographische Katastrophen zu verursachen. Kurz, Die Welt wurde immer besser: gerechter, friedlicher und nachhaltiger, und das mit atemberaubend...

Mir ist die Wichtigkeit dieser Passage bewußt. Allerdings zieht sie sich ein wenig. Vielleicht kann man, dass ein oder andere Detail weglassen. Das würde den gesamten Text auch ein wenig verkürzen.

Seufz.
Ich finde das passt nicht in die sonstige Erzählperspektive.

Diese jungen Leute waren sehr intelligent und wirklich aufgeschlossen für das Fach, aber trotzdem erschienen sie ihm manchmal geradezu begriffsstutzig.

Bißchen widersprüchlich. Wer intelligent und aufgeschlossen ist, sollte nicht begriffsstutzig sein.

(oder Studentinnen, die besonders)
Wäre nicht besser: oder Studentinnen - die besonders ?

IHRE Psychotricks und IHR Hypnosescheiß funktionierten bei ihm schon lange nicht mehr.
Die von der Kanzerlin aber schon. Zumindest hatte ich Anfangs kurz den Eindruch, er hätte mit sich kämpfen müssen.

Oder war es bloß ein Zufall, hatte irgendein Kiffer etwas hin gekritzelt, was er lustig fand?
Körner konnte sich nicht erinnern, danach je wieder etwas von Drogensüchtigen gehört zu haben).

Kleiner Widerspruch.

So, vorerst genug zum Text. Insgesamt hat mir die Geschichte bis hierher gut gefallen und ich werde sie am Wochenende auf jeden Fall zuende lesen. Ein schöner flüssiger Schreibstil, den man gerne liest.
Die ein- oder andere Ungereimtheit ist noch drin, aber das sollte keine Schwierigkeit bereiten, diese zu ändern.

Die Länge des Textes wird sicher den ein oder anderen abschrecken. Vielleicht wäre auch eine Idee die Geschichte in eine Serie mit drei Teilen umzuschreiben.

Freue mich jedenfalls aufs weiterlesen.

VG

Allysieh

 

Hallo Perdita!

Wow. Da ist Dir wirklich eine tolle Geschichte gelungen, die ich sehr gern gelesen habe! :)
Erst mußte ich mich ja ein bisschen überwinden, weil Science Fiction nicht so ganz meins ist, aber es kommt eben immer drauf an, manches gefällt mir dann doch. Und so bin ich froh, daß in Deiner Geschichtenliste noch nichts anderes stand, sonst wäre mir dieses Werk womöglich entgangen.

Erst dachte ich, es würde eine der typischen Geschichten über Verschwörungstheorien, doch dann fand ich sie sehr spannend und auch gut zu lesen.
Was mir etwas unstimmig erscheint, ist, daß es ja schon seit einigen Jahren möglich ist, Menschen im Labor zu züchten, d. h., es müßte eigentlich möglich sein, die Unfruchtbarkeit in der nächsten Generation wieder rückgängig zu machen. Aber ich bin sicher, das kriegst Du irgendwie hin, z. B. indem die Marsianer eben strikt gegen jegliche Gentechnik sind, weil es ein zu großer Eingriff in die Natur ist, den man nicht mehr rückgängig machen kann.
Die Erklärungen für die Unfruchtbarkeit finde ich etwas zu mager:

Ihr hattet das in manchen Gegenden schon fast ohne unser Zutun erreicht. All die Umweltgifte, die hormonartigen Stoffe im Wasser. Wir haben nur noch ein bisschen nachgeholfen.
Hier könntest Du ruhig noch ein bisschen ausbauen bzw. genauer werden. Was meinst Du mit hormonartigen Stoffen? Pestizide, die über die Landwirtschaft ins Wasser kommen, wirken sich jedenfalls auf die Fruchtbarkeit aus. Auf der Seite von global2000 kannst Du viel zum Thema nachlesen. :)

Bantam schrieb:
Die Story ist […] in gewisser Weise zu lasch. Das Ende hat mich nicht vom Hocker gehauen, weil es nichts gab, was dem Protagonisten noch einen richtigen Konflikt gibt. Meine Vorschläge wären:
Paul Körner beobachtet zwei Außerirdische dabei, wie sie sich streiten und fast halb tot schlagen. Dass sie auf der Erde nun DOCH Schwächen entwickeln, weil dieser Planet einfach den besten Nährstoff bietet für Neid und Gier etc. DAS fände ich ein spannendes Ende, sogar mit offenem Ausgang.
Ich finde das Ende überhaupt nicht lasch. Ich hoffte bis zum Schluß, daß Körner eine Idee hat, wie er die Menschheit retten kann. So war der Schluß – besonders …
… kann man nicht viel ausrichten.
Er beschloss, lieber einen Film anzusehen, und schaltete um.
… fast wie ein Schlag in den Magen, das ist besser als jede Action (mit der Du die Geschichte meiner Meinung nach abwerten würdest), weil es genau das Typische am Menschen zeigt.
Das vorgeschlagene Ende finde ich deshalb nicht gut, weil es die Menschen entlasten würde, indem man den Eindruck bekommt, es ginge offenbar sowieso nicht anders, also können wir ruhig so weitermachen.

Sie hatten ein schlechtes Gewissen.
Das finde ich nicht so ganz ins Bild passend, das Du von den Marsianern vermittelst. Also ich würde es irgendwie anders beschreiben, denn »schlechtes Gewissen« gibt es nur in der menschlichen Psyche, und Du sagtest ja, daß die Menschen den Marsianern in dem Punkt weit überlegen sind, daher nehme ich an, daß es solche eigentlich recht komplizierten psychischen Vorgänge bei ihnen nicht möglich sind.
Schlechtes Gewissen hieße ja auch, daß sie eigentlich der Meinung sind, etwas Falsches zu tun, es also gar nicht tun sollten. So oder so gesehen paßt schelchtes Gewissen nicht gut in die Geschichte.
Sowas wie Mitleid würde ich ihnen gerade noch zugestehen, das funktioniert einfacher, aber trotzdem sollte das rationale Denken überwiegen, sie also von der Richtigkeit ihres Handelns der Erde und den anderen Lebewesen gegenüber überzeugt sein. Also mehr so auf die Art »Du tust mir leid, aber es geht eben nicht anders, weil es das einzig Richtige ist«.
Wobei man sich dann natürlich auch fragen muß, was ihnen das Recht gibt, sich als Richter zu betätigen – das Aussterbenlassen der Menschen ist ja praktisch eine Todesstrafe …
„Aber uns unseren Planeten wegzunehmen, uns einfach zu sterilisieren, eine Gehirnwäsche zu verpassen und abzuwarten, bis die letzten gestorben sind, das widerspricht eurer Moral nicht?!“
Sie sah ihn vorwurfsvoll an. Ein wenig wie Emma, wenn er etwas Zynisches sagte.
„Die Erde ist nicht ,euer Planet‘. Es war diese Einstellung, mit der ihr euch selbst an den Abgrund gebracht habt.“
… und das, ohne Ansehen der Schuld des Einzelnen. Damit gibst Du dem Für auch ein Wider und somit einen guten Diskussionsstoff.

Was den erhobenen Zeigefinger bzw. den Holzhammer betrifft: Natürlich ist er da, aber ich fand ihn nicht störend, weil man daran auch erkennt, wie wichtig Dir das Thema ist. Mir ist das Thema auch wichtig, und deshalb stört mich der Zeigefinger keine Spur. Ein Thema, bei dem mir egal sein kann, wie andere drüber denken, das kann man subtil verarbeiten und jedem selbst überlassen, was er sich herausholt. – Subtiles für subtile Themen. Aber wenn mir ein Thema derart wichtig ist, will ich es nicht dem Zufall überlassen, ob der Leser meine Aussage erkennt oder nicht.
Wenn ich etwas aussagen will, sage ich es auch deutlich und nicht irgendwie verschlüsselt und schwammig vor mich hin. Daß die Leute heute alles so subtil wie möglich wollen, liegt doch nur daran, daß sie sich die Möglichkeit offenhalten wollen, nicht hinzuschauen, es schnell wieder wegzuschieben. Das fände ich unpassend für so eine engagierte Geschichte, die ja genau das Gegenteil will – so habe ich jedenfalls den Eindruck.
Willst Du aufwecken oder Menschen nur ein bisschen in ihrem Dämmerzustand berühren und dann selig weiterschlafen lassen?
Eben diesen Effekt hätte es auch, wenn die Marsianer dann handeln würden, wie von Bantam vorgeschlagen. Mit einem »Es geht offenbar nicht anders, hat eh keinen Sinn, irgendwas zu tun« kann man gut weiterschlafen. Ich will, daß auch noch meine Urenkel auf dieser Welt noch Luft zum Atmen, Wasser zum Trinken und Früchte zum Essen haben, da muß auch eine Geschichte nicht so klingen, als wäre es mir egal. Oder? ;)
Aber mir ist natürlich klar, daß ich punkto Zeigefinger nicht die Meinung der Allgemeinheit vertrete (die ja gerne weiterschläft).

Du hast mehrere gute Beobachtungen in Deine Geschichte eingebaut, die man tatsächlich da und dort findet, auch ohne Marsianer. Um nur eine zu nennen:

Man könnte ihnen stundenlang zuhören, ohne mitzukriegen, was sie sagten, nur weil es sich so sympathisch anhörte.
Hat mir als eins von vielen Details sehr gefallen. :)
(Allerdings würde ich auf »weil sie sich so sympathisch anhörten« ändern. ;-))

Noch eine Kleinigkeit: Depressionen usw. sind keine Geisteskrankheiten sondern psychische Störungen, die haben nichts mit den Genen zu tun, und darum kümmert sich der Psychologe, während es der Psychiater mit richtigen Geisteskrankheiten zu tun hat. Es gibt keine familiäre Veranlagung zu Depressionen – wenn es in einer Familie mehrere Fälle gibt, liegt das an der von Generation zu Generation weitergegebenen Form der Erziehung.
Auch z. B. »Er hatte, abgesehen von der Abschaffung des Militärs, keine Schicksalsschläge erlitten, die ein Trauma hätten verursachen können.« – Sowas würde kein ernsthafter Psychologe oder Psychiater sagen. Traumen entstehen hauptsächlich in der Kindheit, sie sind ein Selbstschutz vor zu großen Angstsituationen, die zur Zeit des Erlebens nicht verarbeitet werden können. Niemand kann also wissen und so einfach beurteilen, ob jemand an Traumen leidet oder nicht – nicht einmal derjenige selbst, solange er sich nicht dessen bewußt wird.


Und noch ein paar noch kleinere Kleinigkeiten:

Dinge, die ich nicht einzeln aufzähle:
– Bei den Doppelpunkten hast Du es fast immer genau verkehrt gemacht: Folgt ein ganzer Satz nach dem Doppelpunkt, schreibt man groß weiter, ist er das nicht: dann klein. Im Zweifelsfall ändere es, da es in der Mehrzahl falsch ist. ;))
– bei der direkten Rede: Wenn die beiden per Sie sind, gehören auch »Ihr«, »Euer« etc. groß (»euch« nicht).

»und die Leute waren alle so begeistert von ihr, wie ...
wie hypnotisiert.«
– da würde ich entweder in der selben Zeile weiterschreiben oder vor das zweite »wie« ebenfalls drei Punkte setzen

»Er hatte gesehen, dass sie zwei Bodyguards hatte, aber deren Reaktionszeit hatte er weit unterschätzt.«
– die vielen »hatte« bekommst Du weg, indem Du anders formulierst, z. B.: Er hatte ihre beiden Bodyguards gesehen, aber deren Reaktionszeit weit unterschätzt.

»aufdringliche Fans, die die Bundeskanzlerin unbedingt mal umarmen wollten, freundlich fern zu halten,«
– statt »mal« gefiele mir »einmal« besser
– zusammen: fernzuhalten

»Er konnte nicht noch einmal auf jemanden schießen, er durfte nicht noch mal so einen Fehler riskieren.«
– auch, wenn Du das »ein« wegläßt, bleibt es eine Wiederholung: einmal/mal – Vorschlag: er durfte keinen weiteren (solchen) Fehler riskieren.

»Er brüllte: „Seht ihr denn nicht, dass SIE es verdient haben! Das sind keine Menschen! Seht doch genau hin! SIE SIND UNSER UNTERGANG!“ und noch andere Dinge in der Art,«
– in dem Fall ohne Doppelpunkt

»Auch die Frau, die ihn von hinten mit einem Stuhl K.O. schlug, hatte Tränen in den Augen.«
– klein: k.o.

2. Das Syndrom

»Aber er war Professor, und das bedeutete, das keine Lust und nicht gefrühstückt kein guter Grund war,«
– bedeutete, dass keine Lust und nicht gefrühstückt zu haben kein guter Grund waren, …

»seine Generation war Zeuge von so großen Veränderungen gewesen, wie wohl keine Generation davor. Nicht einmal die Menschen im 20. Jahrhundert, die die Weimarer Republik, das Dritte Reich, den real existierenden Sozialismus und die Wiedervereinigung Deutschlands erlebt hatten, hatten Veränderung in solchem Ausmaß und solchem Tempo verkraften müssen. Aber einige Dinge hatten sich nicht geändert:«
– Veränderungen/Veränderungen/geändert – »Umwälzungen« hattest Du glaub ich noch nicht, wäre eine Möglichkeit, einmal »Veränderungen« zu ersetzen, und statt »hatten sich nicht geändert«: »blieben gleich«

»Vorlesungen waren anstrengend, und Verwaltungskram war schrecklich,«
– ohne Beistrich nach »anstrengend«

»„...tatsächlich sind damals charismatische Politiker und geniale Wissenschaftler geradezu wie Pilze aus dem Boden geschossen«
– Leertaste nach den drei Punkten
– wie Pilze aus dem Boden schießen eigentlich eher Gebäude, keine Lebewesen; eher vielleicht etwas mit »Invasion« oder »wie eine Seuche ausgebreitet«?

»Hat er die aus einem Museum geklaut?“...«
– Leertaste (wenn die drei Punkte keinen Wortteil ersetzen, werden sie fast immer wie ein Wort behandelt)

»Der Schuss hätte sie nicht mal getroffen, auch wenn er sich nicht davor geworfen hätte!“«
– nach »nicht einmal« ist das »auch« überflüssig
– auch hier würde ich das (ein)mal ausschreiben

»ich meine, wie hat er das fertig gebracht, auf sie zu schießen?«
– zusammen: fertiggebracht

»„Guten Morgen, meine Damen und Herrn, ich begrüße sie zur Vorlesung ,Psychologie des Einundzwanzigsten Jahrhunderts‘“,«
– Herren
– des einundzwanzigsten Jahrhunderts (wobei Du es sonst eher mit Zahlen geschrieben hast, weshalb ich das hier auch tun würde: des 21. Jahrhunderts)

»wie es vor 40 Jahren noch auf der Welt ausgesehen hat,«
– »vierzig« würde ich hingegen ausschreiben, da es recht kurz ist

»Es lagen Welten zwischen ihm und ihnen.«
– würde schreiben »zwischen ihm und den Studenten«

»Es gab Kriege, die zwar vordergründig mit irgendwelchen politischen Dingen begründet wurde, die aber nüchtern betrachtet Kriege um Ressourcen waren.«
– begründet wurden
– Vorschlag: …, nüchtern betrachtet jedoch Kriege um Ressourcen waren.

»Das Ende von Willkür, Folter, der Todesstrafe.«
– »der« würde ich streichen, evtl. »Folter und Todesstrafe«

»Kurz, Die Welt wurde immer besser: gerechter, friedlicher und nachhaltiger, und das mit atemberaubender Geschwindigkeit.«
– entweder einen Doppelpunkt nach »Kurz« (dann würde ich den anderen durch einen Beistrich ersetzen) oder »Die« klein

»Als ob das etwas zuviel des Guten sei, als ob es da irgendwo einen Haken geben müsste.«
– Vorschlag: Als wäre das etwas zuviel des Guten, als müsste es irgendwo einen Haken geben.

»Niemandem ging es hinterher schlechter. Wieso macht das die Leute krank?“
Seufz. Die hatte anscheinend gar nichts verstanden. Aber sie schien die Gedanken vieler anderer formuliert zu haben: Die meisten Arme gingen nach unten. Er bemühte sich: doch, es gab eine Menge Leute, denen es hinterher subjektiv schlechter ging, zum Beispiel all die, deren Geschäft der Krieg gewesen war. Und das schlechter gehen war auch nicht das Entscheidende.«
– dreimal »schlechter«
– das Schlechtergehen
»Seufz« finde ich etwas comicmäßig

»Sie hinterließ immer ein komisches Gefühl bei ihm.«
– Sie hinterließen immer ein komisches Gefühl in ihm.

»weil sie glauben, dass du vielleicht mehr aus ihm heraus bekommst,«
– zusammen: herausbekommst

3. Ein General a.D.

»Aber er hatte es zu spät gemerkt.«
– ich wäre da eher für »bemerkt«

»dass SIE nicht so weiter machen könnten, ohne auf Widerstand zu treffen.«
– zusammen: weitermachen

»hatte irgendein Kiffer etwas hin gekritzelt, was er lustig fand?«
– zusammen: hingekritzelt

»während draußen an der Vernichtung der Menschheit gearbeitet wird, und man kann nichts dagegen tun.«
– würde da ein »selbst« einfügen: und man selbst kann …

»Eine Zeit lang hatte er auch mal als Leibwächter eines ehemaligen afrikanischen Diktators gearbeitet«
– das »mal« würde ich streichen

»Seine Frau war vor vier Jahren an Krebs gestorben, aber Körner glaubte eigentlich nicht, dass das Hauptmann, den Freunde und Bekannte (die allerdings seit einiger Zeit keinen Kontakt mehr mit ihm hatten) als ausgeglichen und psychisch sehr stark beschrieben, in den Wahnsinn getrieben haben könnte.«
– Das würde sich vielleicht als zwei Sätze (und ohne Klammer) besser lesen. ;) Evtl. könntest Du auch statt der Klammererklärung einfach »den entfernte Freunde und Bekannte« schreiben.

»wenn ich als möglichst Polizei-unabhängig daherkomme.“«
– »als« würde ich streichen
– »polizeiunabhängig« – oder vielleicht einfach »neutral«?

»und wenn nicht, würde er eben aus dem Gedächtnis Protokoll schreiben.«
– würde er eben ein Gedächtnisprotokoll schreiben.

»„Sind Sie einverstanden, wenn ich...“«
– Leertaste …

»Jetzt konnte es ja losgehen.«
– »ja« würde ich streichen

»die Erde hat nun mal nur eine begrenzte Kapazität.«
– statt »nun mal« gefiele mir »eben« besser (ist natürlich Geschmackssache)

Bei dem Dialog …

Aber meine Sekretärin zum Beispiel ist schwanger.“
Hauptmann grinste wieder. Es sah mehr aus wie eine Grimasse von jemandem, der Bauchschmerzen hat. „Natürlich. Sie erforschen ein Thema, das für SIE sehr wichtig ist: das Verhalten von Leuten, die etwas gemerkt haben. Es ist klar, dass SIE jemanden auf Sie angesetzt haben, um Sie zu beobachten. Bestimmt ist sie schwanger. Aber sie ist kein Mensch.“
Körner musste sich anstrengen, um sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen. Seine nette, schüchterne kleine Emma kein Mensch! „Der Mann ist krank“, dachte er. „Reiß dich zusammen. Sei professionell.“
„Die Bundeskanzlerin hat einen Sohn“, sagte er.
„Jaaha.“
Wenn der Kerl doch nur sein schreckliches Gegrinse sein lassen würde!
„Ja, sie hat einen Sohn. Und der US-Präsident hat ein Kind mit der Präsidentin der Weltbank, und die Premierministerin von Großbritannien hat zwei Kinder mit dem UNO-Generalsekretär, und so weiter und so weiter. SIE haben Kinder. Und SIE haben die Macht. Aber SIE sind uns wohlgesonnen. SIE bringen uns nicht einfach alle um, wie in den alten Science-Fiction-Filmen. SIE lösen all unsere sozialen Probleme, hindern uns daran, die Erde weiter runter zu wirtschaften und uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, und warten einfach ab, bis sich die Sache von selbst erledigt hat.“
„Und wenn Sie es geschafft hätten, die Bundeskanzlerin zu töten, dann hätten Sie die Invasion gestoppt? Die Menschheit gerettet?“
… hatte ich fallweise Probleme mit der Zuordnung, was vor allem daran liegt, daß Du Zeilenwechsel machst, obwohl der Sprecher nicht wechselt. Helfen könnte auch, wenn Du beim »Die Bundeskanzlerin«-Satz statt »sagte er« »sagte Hauptmann« schreibst.
– außerdem: »runterzuwirtschaften« zusammen

»Zum ersten Mal tat der Mann ihm ehrlich Leid.«
leid

»Ja, wenn man wollte (wenn man verrückt war) konnte man denken,«
– Beistrich nach der Klammer

»„Wann haben Sie das erste Mal gemerkt, dass sie keine Menschen sind?“, fragte Körner. „Und wie haben Sie es gemerkt?“«
– abgesehen davon, daß ich b[/b]emerkt passender fände, wiederholt es sich. Vielleicht den ersten Satz umformulieren? Z. B. »Wann ist Ihnen das erste Mal aufgefallen, …«

4. SIE sind unter uns!

»Gut, dass er sich ein prominentes Opfer ausgeguckt hatte. Die Bundeskanzlerin war wenigstens gut bewacht gewesen.«
– »gewesen« kannst Du streichen

»Dass alles zu gut war, um wahr zu sein.
Dass etwas nicht stimmte.«
– drei Punkte zwischen den beiden Sätzen fände ich wirkungsvoller als den Zeilenwechsel

»Aber vielleicht hatte er auch etwas erreicht.«
– fehlt da nicht ein »damit« zwischen »er« und »auch«?

»Sich diesem furchtbaren Wissen und der Verantwortung, die damit verbunden war, einfach entziehen.«
– einfach zu entziehen

»Aber das konnte nicht.«
– da fehlt ein »er«, oder vielleicht besser: Aber das funktionierte nicht.

»Klar, dass SIE jemanden auf Sie angesetzt haben, um Sie zu beobachten.«
– müßte meiner Meinung nach heißen: Klar, dass SIE jemanden auf sie [Emma] angesetzt haben, um mich zu beobachten.

»„Vielleicht solltest du dich zu Abwechslung mal mit dem ICSWS auseinandersetzen.“«
– zur Abwechslung

»„Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der -“«
– nach so grundlegenden Veränderungen würde ich nicht annehmen, daß die Fernsehsender noch die selben sind wie vorher. ;)

»Und sie hatten nicht geblinzelt. Er hatte selbst aufgehört zu blinzeln, um es genau beobachten zu können, und seine Augen fühlten sich an wie mit Sandpapier ausgekleidet. Keiner. Nicht ein einziges Mal.«
– vermutlich hast Du den Mittelteil später eingefügt, jedenfalls würde ich sagen, daß »Keiner. Nicht ein einziges Mal.« direkt nach »Und sie hatten nicht geblinzelt.« stehen sollte.

»Ich habe als Junge nicht bei Greenpeace mitgemacht, weil ich dachte, das bringt sowieso nichts mehr.“«
– »das würde sowieso nichts mehr bringen« oder »das brächte sowieso nichts mehr«

»aber wir haben einige Maßnahmen entwickelt, um den Prozess zu unterstützen.«
– »Maßnahmen entwickelt« finde ich nicht ganz richtig, »Methoden entwickelt« oder »Maßnahmen ergriffen« fände ich besser

»Ja, wir glauben, dass dieses mathematische Modell unsere Wirtschaft in punkto Nachhaltigkeit noch optimieren könnte.«
– wenn ich es richtig verstehe, müßte es glaub ich heißen »Ja, wir glauben, dass unsere Wirtschaft dieses mathematische Modell in punkto …«

5. Take me to your leader

»Und wenn nicht...«
– Leertaste vor die drei Punkte

»Ach was, dass er verrückt war. Völlig gaga. Das wäre besser als Recht zu haben.«
– »Völlig gaga« finde ich sehr unpassend, würde ich auf jeden Fall streichen

»„Take me to your leader“, dachte er.«
– warum denkt er plötzlich englisch? Ich finde das auch in der Kapitelüberschrift eher störend.

»Er war kurz vor einem Herzanfall. Dieses Tempo konnte die Pumpe nicht lange durchhalten.«
– wäre da für »seine Pumpe«

»und die letzten Wochen schienen ihm schon fast wie eine lange zurück liegende Krankheit.«
– zusammen: zurückliegende

»„Sie... Ihr...“ Er merkte, dass ihm Tränen übers Gesicht liefen.«
– Sie_… Ihr_…

»bis die letzten gestorben sind, das widerspricht eurer Moral nicht?!“«
– die Letzten
– das Rufzeichen würde ich rausnehmen

»Und ihr selbst seid mit euren UFOs Lichtjahre geflogen, um...“«
– Leertaste vor die drei Punkte

»Euer Sonnensystem ist so aufgebaut, dass sie selten von Meteoriten oder Kometen getroffen wird, weil die großen Gasplaneten außen mit ihren riesigen Massen den größten Teil abfangen.«
– so, wie der Satz da steht, ist jedenfalls das »sie« falsch, weil es sich nicht auf das Sonnensystem, sondern auf die Erde bezieht, die Du stattdessen nennen solltest. Aber der Mars ist im selben Sonnensystem, es müßte also heißen »Unser Sonnensystem ist so aufgebaut, dass die Erde selten …«

»Ihr wart so egoistisch, dass ihr Gefahr lieft, diese phantastischen Voraussetzungen für eine Zivilisation, eure eigenen Lebensgrundlagen, wieder zu zerstören,«
– das »wieder« ist fehl am Platz, da sie sie vorher noch nicht zerstört haben. Abgesehen davon gefällt mir dieses »Gefahr lieft« nicht, weil es so wirkt, als hätte man es durch den Egoismus nicht bemerkt. Mein Vorschlag wäre: Euch war es egal, dass Ihr dabei wart, diese phantastischen Voraussetzungen … zu zerstören.

»Und nichts dazu lernen.«
– zusammen: dazulernen

»Ihr habt so viele Arten ausgerottet wie der Meteorit, dem die Dinosaurier zum Opfer gefallen sind.«
– ich würde eher die Eiszeittheorie vorziehen.

»Vielleicht könnte er sie überzeugen, und sie könnte die anderen...«
– Leertaste vor die drei Punkte

»Als wir 2006 die Kontrolle übernahmen, sind viele von uns an Erschöpfung gestorben.«
– müßte meiner Meinung nach »übernommen haben« heißen

»Er musste zugeben, dass das für SIE auch zutraf.«
– schöner fände ich »dass das umgekehrt auch zutraf«

»Ich will nicht, dass ihr uns nur als kriegsgeile umweltverseuchende Idioten in Erinnerung behaltet,«
– kriegsgeile, umweltverseuchende Idioten

6. Homo sapiens geht vorbei. Epilog

»Und dann so weitergemacht wie davor.“«
– »zuvor« fände ich schöner

»auch als sie ermordet wurden nicht.«
– wurden, nicht

»die nichts mehr zu tun hatten als auf Bänken zu sitzen«
– hatten, als

»aber er hatte keine Lust, sie aufzuräumen. Er war müde, er hatte wieder Sprechstunde gehabt.
Er sah fern.«
– vielleicht gehts ja auch ohne dem einen oder anderen »er«?


Liebe Grüße,
Susi :)


@Allysieh & Bantam: Was zwingt Euch, zu posten, bevor Ihr die Kritik fertig habt?

 

Hallo Allysieh, Hallo Susi

Wow, noch zwei positive Kritiken! Wohin soll ich denn das Bestechungsgeld überweisen? :D Vielen, vielen Dank, dass ihr euch die Mühe gemacht habt. Ihr seid echt aufmerksame Leser, das ist ja jede Menge Veränderungsbedarf zutage getreten! Ich weiß noch nicht, ob ich alle Vorschläge übernehmen (außer natürlich bei Formfehlern :)), aber natürlich werde ich mir alles genau ansehen.

Also mal im einzelnen:

Allysieh

Das ständige "SIE" und "IHNEN" hat mich am Anfang etwas gestört.

Mich auch! Ich hab lange überlegt, ob ich das so mache. Aber ich wollte gern eine paranoide Atmosphäre erzeugen, so dass der erste Gedanke des Lesers "Verschwörungstheorie" ist. Hat ja offenbar auch geklappt :)

Also die Ära der fossilen Energieträger dauert meiner Meinung nach schon tausende bzw. millionende von Jahren an.

Ja, aber "die Ära der Nutzung fossiler Energieträger" ist ein bisschen umständlich ausgedrückt, und man weiß auch so, was gemeint ist, oder? Na ja, ich überleg mir was.

Obwohl die neue Weltordnung nicht vorsieht, dass jemand eine Waffe hat, reagiert der Leibwächter so aufmerkam?

Ja... da hast du irgendwie recht. Mal sehen, was ich da machen kann. Vielleicht ist Hauptmann auch einfach ein schlechter Schütze *g*

Bißchen widersprüchlich. Wer intelligent und aufgeschlossen ist, sollte nicht begriffsstutzig sein.

Ja, deshalb fällt es Körner ja so auf. Das begriffsstutzig bezieht sich ja auch nur auf das Fach Psychologie. Ich dachte eben, Menschen können das mit ihrer Alltagserfahrung und ihren eigenen Gefühlen in Verbindung bringen - aber die Außerirdischen ticken nun mal ganz anders...

Zitat:
Oder war es bloß ein Zufall, hatte irgendein Kiffer etwas hin gekritzelt, was er lustig fand?
Zitat:
Körner konnte sich nicht erinnern, danach je wieder etwas von Drogensüchtigen gehört zu haben).
Kleiner Widerspruch.

Mann, bist du aufmerksam! Werde den Kiffer durch "Idiot" oder so was ersetzen.

Die Länge des Textes wird sicher den ein oder anderen abschrecken. Vielleicht wäre auch eine Idee die Geschichte in eine Serie mit drei Teilen umzuschreiben.

Die Regeln für Serien sind ja, dass alle Episoden in sich abgeschlossen sein müssen - ich glaube, das wäre sehr schwierig. Außerdem werden Serien anscheinend auch weniger gelesen als einzelne abgeschlossene Geschichten - die Abschreckungswirkung würde sich also wahrscheinlich nicht verringern *g*. Es gibt auch noch ein paar Texte hier, die länger sind. Außerdem habt ihr sie doch trotzdem gelesen :). Ich hab nur die Befürchtung, dass die Überarbeitung sie noch länger macht...


Susi

Die Erklärungen für die Unfruchtbarkeit finde ich etwas zu mager:

Ja, das hat ja auch Bantam schon angemerkt. Da kommt auf jeden Fall noch was.

Ich finde das Ende überhaupt nicht lasch. Ich hoffte bis zum Schluß, daß Körner eine Idee hat, wie er die Menschheit retten kann. So war der Schluß – besonders …

Das find ich toll! Genau das wollte ich erreichen! Ich werde auch keinen "Action"-Schluss daraus machen. Aber die Idee, die moralische Überlegenheit der Außerirdischen am Schluss ein bisschen in Frage zu stellen, gefällt mir wirklich. Ich meine, immerhin rotten sie die Menschheit aus, da kann ich sie doch nicht als unantastbare Sympathieträger rüberkommen lassen *g*. Ich finde es eigentlich noch fieser, wenn man sich am Ende fragen muss: War das Ende der Menschheit jetzt auch noch völlig sinnlos, weil die "Nachfolger" sich langsam in die selbe Richtung entwickeln? Körner überlegt ja schon, dass so was passieren könnte. Ich werde halt irgendwie andeuten, dass es tatsächlich so eine Tendenz gibt.

»schlechtes Gewissen« gibt es nur in der menschlichen Psyche,

Sehr guter Punkt. Das sollte einem Psychologen auch auffallen, verdammt! Wie hat der Typ nur seinen Professorentitel bekommen? :D Das muss echt überarbeitet werden!

Zum moralischen Zeigefinger:

Willst Du aufwecken oder Menschen nur ein bisschen in ihrem Dämmerzustand berühren und dann selig weiterschlafen lassen?

Natürlich will ich die Botschaft vermitteln "Rettet den Planeten, bevor es jemand anderes tut! :), aber ich will nicht oberlehrerhaft wirken, weil man dadurch bei vielen Menschen das Gegenteil erreicht und sie abblocken. Inhaltlich werde ich auf keinen Fall etwas ändern, nur vielleicht manche Formulierungen... vielleicht aber auch nicht, je nachdem, wie gut meine Alternativideen sind *g*

Depressionen usw. sind keine Geisteskrankheiten sondern psychische Störungen,

Argh, schon wieder bei schlechter Recherche erwischt... Die Geschichte wollte halt schnell geschrieben werden :bla: Das wird natürlich geändert.

»„Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der -“«
– nach so grundlegenden Veränderungen würde ich nicht annehmen, daß die Fernsehsender noch die selben sind wie vorher.

Oh doch, die Tagesschau wird es immer geben. Das ist wie mit den Kakerlaken, die überstehen auch alle Katastrophen ;)

Vielen Dank für die ganzen formalen Anmerkungen! Das war bestimmt mühsam. Wird alles berücksichtigt.

@Allysieh & Bantam: Was zwingt Euch, zu posten, bevor Ihr die Kritik fertig habt?

Och, lass sie doch, so krieg ich mehr Kommentare *g*

Grüße von Perdita

 
Zuletzt bearbeitet:

@Allysieh & Bantam: Was zwingt Euch, zu posten, bevor Ihr die Kritik fertig habt?
Ja, was zwingt mich dazu, es nicht zu tun?
Sorry, dass ich hier vom Thema abkomme, aber eine Diskussion wird ja wohl noch erlaubt sein...
Wieso muss es eigentlich für jeden Humbug eine Regel in diesem Forum geben? Ich finde sowieso, dass die Vorschriften hier ein wenig verschärft sind, da brauchen wir nun echt keine Regel, die besagt: "Bitte nur posten, wenn ihr eine Geschichte oder Kritik fertig habt!"

Ich wollte doch mit meinem ersten Post nur einen Zwischenstand abgeben. Wenn mir ein Buch gefällt, kann ich es doch nach der Hälfte doch auch schon weiterempfehlen, auch wenn ich das Ende noch nicht gelesen habe.

Hoffe, du nimmst das jetzt nicht zu persönlich, ist nicht böse gemeint. Aber ich will mich nur verteidigen. Und das hat auch nichts mit Spammen zu tun...
Und wenn ich für jedes Kapitel einen Extra-Post angefertigt hätte, na und?

So, noch mal was anderes: Wegen diesem alternativen Ende, das ich vorgeschlagen hatte: Es gibt natürlich Leute, die brauchen keine Action am Ende. Aber mich hat es ein wenig unbefriedigt zurückgelassen. Ob Perdita meinen Vorschlag annimmt, das ist allein ihre Sache.
Es ist nun mal leider so, dass sich Geschichten ohne Pointe oder wenigstens großem Finale nicht verkaufen. Deswegen würde ich ein Ende vorziehen, das die gesamte Geschichte und das, was wir Kapitel für Kapitel gelernt haben, noch einmal in Frage stellt. Dass man Ende sitzt und wie vor dem Kopf gestoßen ist, so "BAMM!!! Ist vielleicht doch nicht alles so Friede, Freude, Eierkuchen, wie wir glaubten!"

Der endgültige Ausgang, Happy End oder nicht... Das kann man immer noch offen lassen. Aber ich glaube, dass selbst die sozialsten und friedlichsten Lebewesen, sollten sie noch so weit von unserem Planeten entfernt leben, Schwächen haben.
Denn so bleibt es eine Utopie, etwas, das ich mir unmöglich vorstellen kann.
DESWEGEN habe ich nachher noch Hunger gehabt. Deswegen denke ich, dass man hier inhaltlich noch etwas rütteln könnte.

SO!

Ich danke vielmals für die Aufmerksamkeit! Hoffentlich habe ich es jetzt bei niemandem verschissen, aber das musste einfach mal raus. Frage geklärt?

Schönste und liebste Grüße :)
Bantam

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Perdita,

nun folgt der zweite Teil (wieder ein Kommentar mehr ;-))

Na ja, abgesehen von seiner Exfrau.

Das "Na ja" würde ich weglassen. Dann kommt der Witz besser.

Er war berühmt, weil er die Ursachen und Symptome der BNWP so klar und zusammenhängend wie niemand vor ihm beschrieben hatte.
Nicht, weil er mit diesen Kranken wirklich gut umgehen könnte.
Gehört zusammen. Würde ich keinen Zeilenumbruch machen.

Ich dachte immer, mindestens die Amerikaner mit ihren tollen NASA-Programmen
Heißt es nicht "wenigstens" die Amerikaner?

Hauptmann weinte.
Dieser knallharte Soldat? Weinte wegen des Kollateralschaden? Hmm.

SIE blinzeln fast nie. Und ihre Pupillen haben immer die gleiche Größe. SIE sehen alle ein bisschen zu perfekt aus. Keine Muttermale, keine Pickel und so weiter.
Das müsste aber schon einigen aufgefallen sein. Hier ist die Hypnose die Erklärung oder? Dann ist es stimmig.

Und er war klüger als Hauptmann, er würde nicht planlos losschlagen und irgendeinen Unschuldigen erwischen.
Dies sind die Gedanken von Hauptmann. Würde er wirklich denken, dass Körner klüger zu Werke gehen würde? Hauptmann hat schließlich auch überlegt gehandelt. Er sah nur keine Alternative.

Aber das konnte nicht.
Aber das konnte er nicht.

Er fand die Fernbedienung nicht gleich. Es war ein tolles Gerät, unheimlich energieeffizient und komplett aus recycelten Materialien hergestellt, aber er schaltete es selten ein.
Vielleicht könnte man diesen Abschnitt streichen?

„Guten Tag. Hier ist Paul Körner. Ich möchte Sie gern treffen.“
Kurzes Schweigen am anderen Ende. „Zwischen die Augen, Herr Körner? Sie hören sich wütend an.“
„Ich bin keiner, der erst schießt und dann fragt. Ich meine, ich werde überhaupt nicht schießen. Ich will Sie nur ein paar Dinge fragen.“
„Passt es Ihnen am Sonntag? Ich habe an keinem anderen Tag wirklich Zeit.“
Oh Gott. Sie gab ihm einen Termin.
Eine Falle?
„Herr Körner, sind Sie noch dran?“
„Ja. Und ja, ich habe am Sonntag Zeit. Ich komme nach Berlin.“
Sein Herz klopfte so heftig, dass er Angst hatte, es könnte ein Infarkt oder etwas in der Art werden.
„Ich freue mich. Kommen Sie in mein Büro. Sechzehn Uhr.“
Hier bekommt Körner ein bißchen zu leicht den Termin. Er begründet seinen Besuch gar nicht. Seine Argumentation besteht nur darin, dass er ein paar Fragen hat. Vielleicht könnte er hier eine Finte vorbringen, um den Termin zu bekommen. Zum Beispiel, dass er herausgefunden hätte, dass es noch mehr von der Sorte Hauptmann gibt...

»Ich will nicht, dass ihr uns nur als kriegsgeile umweltverseuchende Idioten in Erinnerung behaltet,«

...kriegsgeile, umweltverseuchende Idioten...

Genug Textkram. Insgesamt hat sich bestätigt, was ich schon bei der ersten Hälfte gedacht habe. Eine tolle Idee, eine tolle Geschichte! Mein Kompliment.

Aber: Mit dem Ende kann auch ich mich nicht anfreunden.

Ich werde auch keinen "Action"-Schluss daraus machen.

Ich versuche trotzdem mal dafür zu argumentieren ;-):
Körner macht eine unheimliche Entwicklung im Laufe der Geschichte durch. Nicht nur, dass er die Wahrheit heraus bekommt - er erkennt auch die daraus resultierenden Folgen. Welcher Mensch würde tatenlos zusehen, wie seine eigene Rasse ausstirbt. Auch wenn die nachfolgende Rasse "moralischer" agiert. Und vor allem nicht Körner. Dieser zielgerichtete, clevere Bursche will die Welt irgendwelchen durchsichtigen Wesen überlassen? Als Prämisse für die gesamte Geschichte würde sich doch eignen: Gewalt kämpft gegen Unterdrückung (Hauptmann), Cleverness befreit die Welt (Körner).

Du siehst Deine Geschichte hat mich sehr angesprochen und Deinen Protagonisten habe ich ins Herz geschlossen ;-)

Alles in allem bleibt es aber Deine Geschichte und Dir sollte das Ende gefallen ;-)

Viele Grüße,

Allysieh

 

Hallo liebe Kritiker,

Ich bin noch mal drüber gegangen. Rechtschreibfehler wie Groß/Kleinschreibung nach Doppelpunkten, falsche Getrenntschreibung, fehlende Worte etc. habe ich jetzt hoffentlich alle beseitigt.
Von deinen Formulierungsvorschlägen, Susi, habe ich nicht alles umgesetzt, auch wenn manchmal die grammatische Korrektheit vielleicht ein wenig leidet. Aber ich habe versucht, relativ umgangssprachlich zu schreiben (manchmal, z.B. mit dem "Seufz", habe ich das wohl auch übertrieben *g*). Und ich finde, an manchen Stellen würde es irgendwie das Tempo rausnehmen, wenn ich in absolut korrektem Hochdeutsch formuliere :) Trotzdem bin ich dir sehr dankbar, dass du so detailliert auf diese Sachen eingegangen bist, maches ändere ich eventuell später noch.

Zu dem:

»„Take me to your leader“, dachte er.«
– warum denkt er plötzlich englisch? Ich finde das auch in der Kapitelüberschrift eher störend.

Hm. Du hast einerseits schon Recht, ich finde unmotivierte englische Zitate auch nicht so schön. Aber "Take me to your leader" ist quasi sprichwörtlich - normalerweise sagen das in der SF halt die Aliens, die auf der Erde landen, zu den Menschen, und nicht umgekehrt. "Bringt mich zu Eurem Anführer" ist zwar prinzipiell das Gleiche - aber es klingt einfach nicht so cool. :) Deshalb kann ich mich von "Take me to your leader" nicht trennen. Mir selbst geht es auch hin und wieder so, dass mir bei manchen Gelegenheiten englische Zitate einfallen (Songzeilen oder so), deshalb denke ich, es ist nicht total abwegig, dass ihm so was einfällt.

Über die Anmerkungen zu den inhaltlichen Sachen muss ich noch länger nachdenken, wo und wie ich sie ändere. Und an manchen Stellen muss ich, wie schon erwähnt, besser recherchieren. Das wird länger dauern (vermutlich wird sich eine andere Geschichte dazwischen schieben, bevor ich eine überarbeitete Fassung poste :)), aber ich verspreche, dass Eure Arbeit mit der Geschichte nicht umsonst war!
Wo ich auch noch am überlegen bin, ist, ob ich die Sachen ändere, die inzwischen von der Wirklichkeit überholt wurden. 2005 hab ich eben nicht damit gerechnet, dass es Neuwahlen geben würde und wir schon jetzt unsere erste Bundeskanzlerin bekommen *g*. Das heißt, dieser Teil stimmt nicht mehr und 2038 wird auch gar kein Wahljahr sein, es sei denn, es gibt noch mal irgendwann dazwischen unplanmäßige Neuwahlen :) Aber eigentlich halte ich das für die Geschichte und die Aussage für ziemlich unwichtig, also wird das wahrscheinlich doch so bleiben.

So, noch mal was zu den einzelnen Anmerkungen von Allysieh:


Zitat:
Hauptmann weinte.
Dieser knallharte Soldat? Weinte wegen des Kollateralschaden? Hmm.

Na ja, er weint wahrscheinlich mehr deshalb, weil er einfach fertig ist. Er weiß, dass er nie wieder eine Chance bekommen wird, irgendwas zu unternehmen, und sein Versuch war ein totaler Fehlschlag: Der Falsche ist tot (auch wenn er nicht so wichtig war), und niemand hat das gesehen, was er den Menschen zeigen wollte. Aber du hast schon recht, Hauptmann sollte eigentlich etwas mehr Haltung bewahren als alter Soldat. Ich muss noch drüber nachdenken.

Zitat:
SIE blinzeln fast nie. Und ihre Pupillen haben immer die gleiche Größe. SIE sehen alle ein bisschen zu perfekt aus. Keine Muttermale, keine Pickel und so weiter.

Das müsste aber schon einigen aufgefallen sein. Hier ist die Hypnose die Erklärung oder? Dann ist es stimmig.


Ja, genau. Wenn man so richtig hypnotisiert ist, wird man auch daran gehindert, diese Sachen zu bemerken.

Zitat:
Er fand die Fernbedienung nicht gleich. Es war ein tolles Gerät, unheimlich energieeffizient und komplett aus recycelten Materialien hergestellt, aber er schaltete es selten ein.

Vielleicht könnte man diesen Abschnitt streichen?


Kann man und sollte man wahrscheinlich auch. Ich habe nicht viele Worte über neue Technologien in der veränderten Welt etc. verloren, aber halt an einigen Stellen versucht, nebenbei zu erwähnen, was sich alles verändert hat. Aber es ist wohl nicht sehr glaubwürdig, dass er an dieser Stelle so über seinen Fernseher philosophiert. Fliegt in der überarbeiteten Version wahrscheinlich raus.

Hier bekommt Körner ein bißchen zu leicht den Termin. Er begründet seinen Besuch gar nicht. Seine Argumentation besteht nur darin, dass er ein paar Fragen hat. Vielleicht könnte er hier eine Finte vorbringen, um den Termin zu bekommen. Zum Beispiel, dass er herausgefunden hätte, dass es noch mehr von der Sorte Hauptmann gibt...

Ich bin mal ganz ehrlich: Mir war an der Stelle nichts richtiges eingefallen. Das ist echt unglaubwürdig, dass man ihn so einfach zur Kanzlerin vorlässt. Die Szene wird auf jeden Fall geändert.

Aber: Mit dem Ende kann auch ich mich nicht anfreunden.

Ich versteh dich ja. Es gibt für beide Varianten des Endes gute Argumente. Und mir gefällt es ja auch, wenn eine Geschichte mit einem richtigen Knall endet. Aber bei dieser Story gibt es das nicht, basta! :)

Die Resignation des Protagonisten, die Erkenntnis "Ich kann nichts machen", wird bleiben - eben weil ich die Hoffnungen der Leser auf ein richtiges Happy End für die Menschheit enttäuschen will :baddevil:
Aber Bantams Vorschlag, anzudeuten, dass das Leben auf der Erde auch die Moral der Außerirdischen "verdirbt", werde ich umsetzen (ich weiß allerdings noch nicht, wie genau, es läuft vermutlich auf eine weitere Szene hinaus und damit auf eine noch längere Geschichte *g*) - ich will ja nicht, dass mir noch einer vorwirft, ich würde die Ausrottung der Menschheit befürworten :shy: Deshalb ist so ein Schluss bestimmt besser:

Zitat von Bantam: Dass man Ende sitzt und wie vor dem Kopf gestoßen ist, so "BAMM!!! Ist vielleicht doch nicht alles so Friede, Freude, Eierkuchen, wie wir glaubten!

Aber das wird eben nicht dadurch passieren, dass irgendwas explodiert (ich hab auch gar nicht so ein großes Budget für Special Effects *g*)

Du siehst Deine Geschichte hat mich sehr angesprochen und Deinen Protagonisten habe ich ins Herz geschlossen ;-)

:bounce: Juhu!

Noch mal vielen Dank an euch drei, dass ihr euch so intensiv mit der Geschichte befasst habt. Das hat mir sehr viel weiter geholfen. War wirklich Glück, dass ich kg.de entdeckt habe, kostenloses Lektorat und "Kreatives Schreiben"-Seminar in einem *g*

Grüße von Perdita

 

Liebe Perdita,

ah... sehr schön. Ich mag Geschichten, die in einer künftigen Welt spielen. Natürlich dachte ich zuerst (das hast du wahrscheinlich beabsichtigt) auch an Brave New World oder 1984. Du verweist ja auch selbst auf diese Werke.

Ok, womit fange ich an?
Die Dialoge haben mir ausgesprochen gut gefallen. Echt klasse. Da hört man richtig das gesprochene Wort.

Insgesamt bekommt deine Geschichte durch die vielen Erklärungen (z. B. im Unterricht des Dozenten) auch einen sehr realistischen Anstrich. Der Verweis auf Ghandi und King hat mir dann auch sehr gut gefallen und das passt auch wunderbar ins Bild.

Während es Lesens hatte ich natürlich einige Fragezeichen im Kopf, aber die haben sich alle am Ende aufgeklärt. Es ist natürlich Geschmackssache, aber ich hätte es vielleicht ein bisschen besser gefunden, wenn das eine oder andere im Dunkeln geblieben wäre. Dass hätte dem Leser etwas mehr Raum für eigene Interpretationen gegeben.

Ansonsten greifst du aber ein paar tolle Ideen/ Fragestellungen auf.
Ob der Mensch von Natur aus schlecht ist. Ob er gar nicht anders kann, als sich selbst und seinen Planeten zu zerstören. Deine Geschichte antwortet darauf mit einem ganz deutlichen "ja". Alles Gute kam ja von IHNEN.

Ich weiß nicht, ob beabsichtigt oder nicht ... aber ich habe SIE so ein bisschen mit den USA verglichen. Die Weltpolizei (in diesem Fall die Universumspolizei), die überwacht, was passiert und für sich selbst das Recht herausnimmt, entsprechend zu handeln.

Zwei Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:

Er begann zu schreien und, so gut es ging, um sich zu schlagen.

Hier war ich einen Augenblick lang irritiert, weil ich dachte, dass mit "er" der Polizist gemeint ist

Aber das ist gar nicht so einfach, wenn man in einer Gefängniszelle dahinvegetiert, während draußen an der Vernichtung der Menschheit gearbeitet wird, und man kann nichts dagegen tun.

Ich würde evtl. das zweite "kann" an das Ende des Satzes stellen. Bin da gerade drüber gestolpert, weil ich finde, dass es ein bisschen holpert.

Es grüßt
Lau

 

Hallo Lau,

Da hast du ja tief im Archiv gegraben :D.

Das ist ganz lustig, dass ausgerechnet jetzt ausgerechnet diese Geschichte wieder ans Tageslicht gerät, ich habe in der letzten Zeit immer mal an sie gedacht, weil ich gerade über einer neuen Science Fiction-Idee mit einem Umweltthema brüte.

Und es ist ganz eigenartig für mich, die wieder zu lesen. Auf der einen Seite seh ich da mich von vor sechs, sieben Jahren und denke: Mensch, was war das für ein naives junges Ding. Die hat geglaubt, eine Frau als Kanzler und ein schwarzer US-Präsident wären irgendwie Anzeichen von Fortschritt oder so. Und guck uns jetzt an :lol:

Auf der anderen Seite find ich die Geschichte zum großen Teil immer noch gut. Ich denke, dass sich mein Schreibstil seit damals weiterentwickelt hat, und es gibt einiges, was ich heute anders machen würde. Aber der Text hat jetzt für mich quasi eine Art Denkmalschutz, da werde ich nichts mehr dran ändern. Das war schon ein Meilenstein für mich, in vieler Hinsicht. Das war so ziemlich erste mal, dass ich an eine Idee von mir so sehr geglaubt habe, dass ich eine ganze Geschichte geschrieben habe und nicht bloß ein Textfragment, weil ich mir auch selbst zugetraut habe, die Geschichte zu erzählen. Und dann war ich mit dem Ergebnis auch noch zufrieden genug, um zu denken: Ja, ich kann die anderen Menschen zeigen, ohne vor Scham zu sterben. :) Also die bedeutet mir schon sehr viel.

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren! Ich freue mich, dass sie dir gefallen hat. Besonders dass dir die Dialoge glaubwürdig vorkommen. Da lege ich viel Wert drauf, und ich empfinde es nach wie vor als eine der schwierigsten Herausforderungen beim Schreiben.

Liebe Grüße

 

Hi chricken,

dein Kommentar ist mir irgendwie durch die Lappen gegangen. Schön, dass es dir gefallen hat!

 

Hi Perdita,

das ist buchstäblich Jahre her, dass ich diese Geschichte gelesen hab. Detailkritik ist nach der langen Zeit eh witzlos, aber ich wollte dich endlich mal wissen lassen, dass ich die Geschichte mochte. Was bei mir kleben geblieben ist die ganze Zeit:

Wir kommen von einem Planeten, der sehr viel lebensfeindlicher ist als die Erde. Wir mussten in unserer Evolution sehr früh lernen, mit Ressourcen sparsam umzugehen, Rücksicht auf kommende Generationen zu nehmen und in Symbiose mit anderen Spezies zu leben, zu kooperieren, um zu überleben. Ihr hattet das alles nicht nötig, bis Ihr so viele wart, dass ihr an Grenzen gestoßen seid. Aber Ihr habt immer so weiter gemacht wie vorher, Ihr wolltet Euch nicht einschränken. Und nichts dazulernen.
Also die Idee ist hier so ungefähr: Viele Ressourcen --> harter Konkurrenzkampf --> gering entwickelte Spezies (wie die Menschen auf der Erde) VERSUS geringe Ressourcen --> Kooperation statt Konkurrenzkampf --> hoch entwickelte Spezies (wie deine Aliens hier).
Meiner Meinung nach müsste es genau umgekehrt sein. Eine Ressource, die knapp ist, der begrenzende Faktor für Leben, wird immer hart umkämpft sein und zwar mit tödlicher Gewalt. Die Vernunft, die nötig wäre, um Kooperationen zu entwickeln und "Rücksicht auf kommende Generationen" zu nehmen, die könnte sich unter solchen Umständen gar nie entwickeln.
Eine so weise, friedliebende und vorausschauende Spezies wie deine Aliens kann eigentlich nur eine Umgebung mit großem Überfluss an allem Lebensnotwendigen hervorbringen.
Wer ums nackte Überleben kämpft, kommt nie so weit, der wird immer auf dieser niedrigsten dog-eat-dog-Stufe stehen bleiben.

 

Hallo Perdita,

da die Geschichte nun schon mal abgestaubt worden ist, ... und ich wollte ja schon mindestens seit Frühjahr 2012 und ach ... jetzt aber!

Ich gehe mal davon aus, dass Du hier nicht mehr nachlegen magst und klemme mir daher Textarbeit. Aber ich muss mal sagen, dass ich es bewundere, wie Du hier ein wirklich sehr komplexes Szenario entwickelt hast. Das liest sich für mich so rund, so glaubhaft und nachvollziehbar und ich weiß jetzt nicht mal, ob es Utopie oder Dystopie ist. Da geht es mir wie dem Herrn Professor. Also klar, wenn die Menschheit verschwindet, damit jemand anders den Planten besetzt, ist das ja erst mal dystopisch. Auf der anderen Seite, wenn sich der Mensch mal nicht so wichtig nehmen würde, und man die Erde und deren Flora und Fauna als gleichwertige Lebensform begreift, dann ist es gar nicht mehr so dystopisch. Eine Spezies stirbt aus und mehrere andere überleben dafür. Die Rechnung gibt den Marsianern eigentlich moralisches Recht. Spannendes Thema, jawohl.

Ich fand das alles auch wirklich sehr spannend. Wie sich da so langsam die "neue" Gesellschaft entblättert. Weiß nicht, ob ich wirklich die Rechtfertigung der Frau Bundeskanzlerin (Frau Stern - sehr guter Name!) gebraucht habe; ich glaube, dass hätte Körner sich auch selbst so zusammenreimen können. Also, ich weiß nicht, ob sie sich dafür wirklich rechtfertigen und entschuldigen sollte, sie handelt ja aus ihrer Überzeugung heraus und die wird ja auch ohne diesem Gespräch klar. Das war so die einzige Szene, die ich wirklich als Länge empfunden habe und mir gewünscht habe, ja mach mal hinne hier.
Überhaupt fand ich manchmal etwas "überzeichnet", immer wieder die Wiederholungen von keine Kriege mehr, Umweltaufbau, Ressourcenschonung. Also, da hab ich so gedacht, hier ginge etwas mehr Tempo, wenn man auf die immer wieder selben Erkläreinschübe verzichten würde. Leser weiß ja schon - so nach dem Motto.

Aber unterm Strich - sehr schöne Geschichte wie ich finde. Feines Thema - kann man sicher viel drüber reden und diskutieren, finde es toll, dass hier Utopie und Dystopie so Hand in Hand gehen. Eigentlich wird alles gut, nur Menschen darf es halt nicht mehr geben ... Tja.

Was Möchtegern angemerkt hat, ging mir auch durch den Kopf. Aber da die Wesen ja der menschlichen Psychologie so fern sind und ja auch so hochentwickelt - habe ich das mal als außerirdische Superintelligenz abgelegt, so beim Lesen. Genauer mag ich darüber jetzt nicht nachdenken, dann kippt das vielleicht wieder. Aber wenn die da nur so ein paar Sachen für die Ernährung haben, kann man die eben nicht alle auffuttern, sondern muss hübsch warten, bis wieder ein Überschuss vorhanden ist. Was natürlich nicht heißt, dass der Nachbar nicht die Rüben klaut ... aber wenn die jetzt Pazifisten von Natur aus sind, dann kommt denen die Idee vom Rübeklau ja wieder nicht. Deshalb kann man denen an der Uni auch nicht Aggression vermitteln. Deshalb gucken die auch wie die Schäfchen, wenn es um die Vermittlung menschlichen Verhaltens geht. Der Stärkere überlebt, klar, aber Stärke muss ja nicht immer Kampf bedeuten. Ich weiß es nicht ...

Liebe Grüße, Fliege

 

Hi Möchtegern und Fliege,

Vielen Dank für eure Kommentare!

Manchmal wurmt es mich ein bisschen, dass ich diese Geschichte schon geschrieben habe. Ich denke, jetzt habe ich ein bisschen dazugelernt, was das Handwerkliche angeht, und bin etwas besser geworden beim Überarbeiten und Kürzen. Und jetzt hab ich die Idee schon verbraten - zu einem Zeitpunkt, als ich viel weniger Übung hatte. :)
Denn die Idee gefällt mir wirklich immer noch sehr. Na ja, man kann sich das nicht wirklich aussuchen, manche Ideen wollen raus.

Möchtegern schrieb:
Also die Idee ist hier so ungefähr: Viele Ressourcen --> harter Konkurrenzkampf --> gering entwickelte Spezies (wie die Menschen auf der Erde) VERSUS geringe Ressourcen --> Kooperation statt Konkurrenzkampf --> hoch entwickelte Spezies (wie deine Aliens hier).
Meiner Meinung nach müsste es genau umgekehrt sein.

Ist eine nachvollziehbare Kritik. Letzten Ende ist das natürlich alles total spekulativ. Wir kennen bloß ein einziges Beispiel für einen Planeten mit Leben, man hat nicht wirklich einen Vergleich - man kann sich höchstens Gebiete auf der Erde mit unterschiedlicher Ressourcenverteilung ansehen. Tropische Regenwälder wären ein Beispiel für ein Ökosystem mit sehr knappen Ressourcen - auch wenn es nicht so aussieht. Da sind kaum Nährstoffe in den Böden gespeichert, alles was dort stirbt, wird ganz schnell zersetzt und wieder in den Nährstoffkreislauf eingebaut. Aber die Wälder haben eine ganz enorme Artenvielfalt und es gibt ganz viele Symbiosen zwischen diesen Arten. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch ein ungeheures Hauen und Stechen um die Ressourcen, und viele Arten sind ganz hervorragend daran angepasst, andere auszutricksen, zu vergiften oder zu parasitieren, also könnte man das Beispiel genausogut nehmen, um deine Argumentation zu stützen. :D

Da ist vielleicht der pädagogische Ansatz ein bisschen mit mir durchgegangen, da steckt halt so drin: "seht her, die Aliens hatten es viel schlechter als wir und benehmen sich viel besser". :)

Fliege schrieb:
Also, da hab ich so gedacht, hier ginge etwas mehr Tempo, wenn man auf die immer wieder selben Erkläreinschübe verzichten würde. Leser weiß ja schon - so nach dem Motto.
Das finde ich auch voll gerechtfertigt. Das ist so ein Beispiel für etwas, wo man ein bisschen Schreiberfahrung braucht, beziehungsweise Erfahrungen damit, wie die eigenen Texte aufgenommen werden. Viele die anfangen zu schreiben, machen glaube ich den Fehler, die Leser erst mal zu unterschätzen. Da denkt man, man muss alles vorkauen, weil es sonst nicht verstanden wird, und wenn man dann Feedback bekommt, merkt man: Die Leser sind nicht schwer von Begriff, denen kannst du mehr zutrauen. Bei mir war das auf jeden Fall ein Lernprozess. :)

 

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