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Hans-Jürgen, der Mistkäfer

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05.04.2008
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Hans-Jürgen, der Mistkäfer

Der Tag deutete an, dass er eigentlich keine Lust hatte, heute Tag zu sein. Wolken verdeckten die Sonne und wenn auch der Wind kaum wehte, so spürte man doch seinen kalten Atem.

Hans-Jürgen, der Mistkäfer, hatte keine Lust aufzustehen. Er lag in seiner kleinen Sandkuhle, die ihm als Bett diente, und starrte an die Dungdecke, die er vor Tagen in mühevoller Arbeit verdüngt hatte. Else, Hans-Jürgens Gattin, lag neben ihm in einer zweiten Kuhle und schnarchte vor sich hin. Die Stimmung unter den beiden war zu dieser Zeit nicht sehr gut. Hans-Jürgen war oft gereizt, weil er einfach überarbeitet war. Kein Käfer hatte in den letzten Tagen soviel Mist gemacht, wie er.
Hans-Jürgen überfiel, auf dem Rücken liegend, plötzlich ein starker Hustenreiz, dem er nachgeben musste und der wiederum seine Gattin Else aufwachen ließ.
Else drehte sich herum, blickte Hans-Jürgen scharf in die Augen und zischte: „Geht das auch leiser?“ Jaja, wie schon bemerkt, die Stimmung war nicht gut. Hans-Jürgen erschrak so sehr, dass er nicht mehr weiter husten konnte. Er röchelte noch kurz, atmete einmal tief durch und brummte zu Else: „Immer dasselbe, nie lässt du mich richtig abhusten!“ Ein Mistkäfer muss regelmäßig abhusten, denn wenn er auf diesen Misthaufen sitzt, atmet er viele Gase und Dämpfe ein, und dieser Mist muss irgendwann wieder raus.
Hans-Jürgen stemmte seine beiden Flügel fest in sein Sandkuhlenbett und dreht sich mit einem eleganten Schwung auf seine sechs Beine. Er wusste, dass es heute wieder viel Arbeit gab. Gestern Abend war noch ein Heuschreckenschwarm durch die Landschaft gezogen und hatten sich über nahe liegendes Blätterwerk hergemacht. Und wer viel isst muss auch viel......., na ja, das ist nun mal von der Natur so gegeben. Und diesen ganzen Mist hatte Hans-Jürgen heute vor der Brust. Else und er hatten direkt neben ihrem Höhlengang einen kleinen Verkaufstand. Hier boten sie täglich Mist an, den Hans-Jürgen liebevoll zu Kugeln, die so groß waren wie er, verarbeitet hatte. Das Geschäft florierte, denn Else und Hans-Jürgen boten mit Abstand den besten Mist an, der in dieser Gegend zu kriegen war. „Else“, sagte Hans-Jürgen, „schau auf die Uhr, du musst in den Laden.“
Else mochte nicht, wenn er so mit ihr redete. Sie war eine selbstbewusste Mistkäferfrau und ließ sich deshalb ungern von ihrem Mann maßregeln. „Kümmere du dich um deinen eigenen Mist“, giftete sie zurück. Und Hans-Jürgen wusste, mit Else war nicht zu spaßen und so schwieg er und beschloss, sich an die Arbeit zu machen.
Er krabbelte flink durch den kleinen Gang, der nach draußen führte. „Vor der Arbeit noch mal tief einatmen“, murmelte leise vor sich hin, und als er draußen angelangt war, holte er tief Luft und breitete seine Flügel aus. Gerade wollte er zum Heuschreckenmist fliegen, da ließ ihn eine Stimme erschrecken! „Naaa, was ist denn das für ein Leckerbissen?“. Hans-Jürgen war starr vor Schreck. Ganz langsam drehte er sich um, und als er merkte, wer ihn da von hinten angesprochen hatte, wurde er wütend. „Ulf, verdammt noch mal, Ulf, wie kannst du mich so erschrecken. Stimme verstellen und Mistkäfer erschrecken gehört sich einfach nicht!“ Vor ihm stand Ulf, der Gekko. Die beiden kannten sich schon seit der Krabbelstube. Natürlich hat ein Gekko eigentlich in einer Mistkäferkrabbelstube nichts zu suchen, aber Ulf’s Eltern wollten immer unbedingt einen Käfer haben, also steckten sie Ulf, als er noch ganz klein war, in eine Mistkäferkrabbelstube. Keiner konnte damals so gut krabbeln wie Hans-Jürgen. Aber ein Gekko kann das nicht. Doch Ulf`s Eltern waren ganz stolz auf ihren kleinen Gekko. Dafür hatte Ulf eine flinke, klebrige Zunge, an der oft Fliegen und Heuschrecken hängen blieben, wenn er sie heraus streckte. Für Ulf herrliche Delikatessen. Auch Hans-Jürgen klebte schon einmal an Ulf’s Zunge. Ach, war das eine Aufregung. Ulf musste damals gähnen. Und wenn er gähnt, streckt er seine Zunge weit heraus. Er hatte beim Gähnen aber Hans-Jürgen nicht gesehen und schon war es passiert. Fünfzehn Mistkäfer mussten damals Hans-Jürgen wieder von Ulf’s Zunge reißen. Seitdem hat Hans-Jürgen im linken Flügel manchmal so ein Ziehen, und er kann immer sicher sein, wenn es zieht, gibt es bald Regen. Natürlich hat Hans-Jürgen Ulf verziehen, wie das unter Freunden üblich ist. „Das hab ich doch nicht mit Absicht getan“, sagte Ulf schon etwas reumütig zu Hans-Jürgen. „Glaubst du wirklich, ich will dich plötzlich, nach so vielen Jahren, verspeisen?“ „Du Mistgekko!!“, giftete Hans-Jürgen und kitzelte Ulf mit dem Flügel, in dem es manchmal zieht, an der Nase, so, dass Ulf einmal kräftig niesen musste. Dabei spritzte eine ordentliche Portion Nasenschleim in den Sand. Blitzschnell machte Hans-Jürgen aus Sand und Nasenschleim eine mittelgroße Kugel. Die Technik, auch aus Nasenschleim Kugeln zu machen, hatte Hans-Jürgen in einem Seminar gelernt und er besaß sogar eine Urkunde darüber, das in der Wohnstube an der verdüngten Wand hing. „Jetzt sind wir quitt“, meinte Ulf und beide schauten sich an und lachten. Es war eben eine echte Männerfreundschaft.

Plötzlich fiel Ulf auf, dass Hans-Jürgen seine Flügel ausbreitete und angstvoll in die Richtung hinter ihm schaute. „Ulf......Ulf, nicht bewegen!! Hinter Dir schleicht........“
Weiter kam Hans-Jürgen nicht, denn Ulf drehte seinen Kopf herum und schrie im gleichen Moment vor Schmerz auf. Gisela, die Wüstennatter, hatte sich an Ulf herangeschlichen und ihm in den Schwanz gebissen. „Frühstück, so ein leckeres Frühstück!!“, juchzte sie dabei. Ulf blickte Hans-Jürgen flehend mit seinen großen Augen, die dreiviertel seines Gesichts für sich beanspruchten, an. „Weg mit dem Schwanz, Ulf, wirf deinen Schwanz weg!!!!“ Ulf stand völlig unter Schock und hörte Hans-Jürgen überhaupt nicht. Gisela hatte schon fast den ganzen Schwanz in sich hinein gewürgt. Hans-Jürgen blieb nur noch eine Möglichkeit. Er breitete seine Flügel aus schlug damit Ulf einmal kräftig auf das rechte, dann auf das linke Auge und.........der Schwanz war ab. Ulf lief schreiend, völlig orientierungslos immer im Kreis herum und schrie wie am Spieß und wollte sich nicht beruhigen. Gisela schluckte den Schwanz herunter und sperrte ihr Maul ganz weit auf, um nun Hans-Jürgen zu verspeisen. Sie war ihm schon bedrohlich nahe und Hans-Jürgen hätte nie eine Chance gegen Gisela gehabt, wenn.........! Hans-Jürgen, vor Angst zitternd, schnappte sich die Nasenschleimkugel und schleuderte sie mit letzter Kraft in Giselas Maul. „Pfui!“, schrie Gisela angewidert, „...pfui! So eine Sauerei!“ Sie hatte in ihrer Wut die Nasenschleimkugel auch noch herunter geschluckt. Nun wälzte sie sich vor Ekel im Sand und schrie und spuckte. „Ich krieg euch noch! Wartet es nur ab! Das macht man nicht mit einer Natter und schon gar nicht mit Gisela!“ Rot vor Zorn und mit Ulf’s Nasenschleim im Magen machte sie sich davon. Ulf lag im Sand, alle vier krummen Beine von sich gestreckt. Und das sieht man bei einem Gekko wirklich ganz selten. „Ulf, komm, Kopf hoch. Ist doch alles noch mal gut gegangen“, versuchte Hans-Jürgen ihn zu beruhigen. Ulf blickte sich schwer atmend um. „Es ist alles in Ordnung“, sagte Hans-Jürgen. „Das mit dem Schwanz, das wird schon wieder. Der wächst wieder nach. Und dann wird er noch schöner und prächtiger.“ Ulf wollte das nicht glauben, aber Hans-Jürgen erzählte ihm, das er bei einem Bildungsurlaub in Gekkoland auch einiges über Gekkos erfahren hat...und das bei Gekkos Schwänze nachwachsen. Hans-Jürgen gehörte wirklich zu den wenigen gebildeten Mistkäfern in der Gegend. „Weißt du, Ulf, wenn bei mir ein Flügel ab ist, dann ist der ab, für immer, verstehst du? Aber dein Schwanz, der kommt wieder. In zwei bis drei Wochen siehst du wieder aus, wie ein richtiger Gekko.“ Und da Ulf Hans-Jürgen vertraute, konnte er wieder lächeln. Die beiden verabschiedeten sich und Ulf musste Hans-Jürgen versprechen, heute besser nicht mehr aus dem Haus zu gehen. Gisela würde ihn sicher suchen, sobald sie sich vom Nasenschleimschock erholt hat. Ulf rannte also, so schnell er konnte, zu seiner Behausung. Hans-Jürgen schaute nach dem Stand der Sonne. „Oh man, schon Mittag und nichts geschafft. Naja, mal schauen was Else leckeres gekocht hat“, sprach er zu sich und verschwand wieder durch den gedüngten Gang in seine kleine Höhle. Else stand in der Küche und auf dem Tisch lagen einige saftige Blätter.
„Na, hast du ordentlich Mist gemacht?“, fragte Else. Zögernd antwortete Hans-Jürgen: „Also.....weißt du......also das war so........du musst wissen........äh, da war plötzlich Gisela......und die wollte den Ulf.......verstehst du.......die wollte den Ulf......und da musste ich dem Ulf doch helfen........und........“ Weiter kam Hans-Jürgen im Moment nicht. „Hast du Mist gemacht???!!!“, schrie in Else an. „Ich k....konnte keinen Mmmist machen“, stotterte Hans-Jürgen. „Mist!“, wetterte Else. „Wenn ich das immer höre: Ulf hier, Ulf da....immer nur Ulf. Du hast auch noch ein Geschäft und eine Frau. Nicht nur Ulf!“ Hans-Jürgen verstand Else überhaupt nicht. Er hatte wirklich in den letzten Tagen mehr Mist als andere Käfer gemacht. Aber das war eben seine Else. Eigentlich eine treue Seele, aber immer was zu nörgeln. „Else, ich verspreche dir, heute Nachmittag mach ich doppelt Mist......wirklich....versprochen.“ Else verdrehte die Augen und drohte: „Das will ich dir auch geraten haben!“ Hans-Jürgen kaute etwas lustlos und unsicher an einem Blatt herum. Plötzlich hob er seinen Kopf und schaute Else tief und lange in die Augen. „Was guckst du mich so merkwürdig an?“, fragte Else erstaunt. „Sag, Else, sag mir ehrlich: Liebst du mich noch?“
Else musste schlucken. „Was soll eigentlich so eine blöde Frage?“ Hans-Jürgen rutschte tiefer in seinen kleinen Sessel aus Gras. Und nun legte Else los: „Seit zwanzig Jahren putze ich dir die Wohnung, mache dir zu essen, wasche deine Wäsche, beziehe dein Bett, kümmere mich, wenn du krank bist....mache alles hier....!“ Else stockte. Hans-Jürgen hatte sein Haupt demütig gesenkt und so konnte er deshalb nicht erkennen, warum Else plötzlich aufgehört hatte, zu reden. Else macht ein sehr nachdenkliches Gesicht. Hans-Jürgen hob ganz langsam sein Haupt und blickte Else in die Augen. Eine Träne rollte über Elses Gesicht. „Was ist mit dir, Else?“, fragte Hans-Jürgen und seine Stimme zitterte dabei etwas. Else schaute Hans-Jürgen lange an und sagte weicher, zärtlicher Stimme zu ihm: „Weißt du, wenn ich das alles so lange schon tue und ich habe es immer gern getan............“, Else musste einmal schlucken und eine zweite Träne machte sich sichtbar „......dann muss das Liebe sein!“ Beide sahen sich in die Augen. Es war ganz still um sie herum. Hans-Jürgen streckte nach ganz langer Zeit langsam seine beiden vorderen Krabbelbeinchen Else entgegen und berührte die ihrigen. Else erwiderte diese Berührung. Und sie schauten sich an und sagten nichts. Und das war auch nicht mehr nötig. In ihren Augen leuchtete Glück und Vertrauen, Gewissheit und.....................Liebe natürlich!! Und sie glaubten einander zu kennen. So lange Zeit. Sie kannten sich natürlich, weil sie schon so lange zusammen lebten. Aber nun stellten sie fest, dass man sich ab und zu auch mal wieder auf’s Neue kennen lernen kann. Und jetzt schaute Hans-Jürgen Else ganz verliebt in die Augen. Else wurde etwas verlegen. Wann hatte Hans-Jürgen ihr zum letzten Mal so in die Augen geschaut? Und ihre Krabbelbeinchen hielten sich nun ganz fest.
Nein, Mist wurde heute nicht mehr gemacht!
Hans-Jürgen und Else saßen, sprachen und träumten und wünschten sich, dass die Empfindung ihres gemeinsamen Glücks nie vergehen würde.

 

Hallo elmarrasch!

Die Idee einen Tag aus Mistkäfersicht zu schildern, finde ich interessant. Aber die Umsetzung dieser Idee spricht mich nicht an. Ich finde sie nicht kindgerecht.

Hans-Jürgen überfiel, auf dem Rücken liegend, plötzlich ein starker Hustenreiz, dem er nachgeben musste und der wiederum seine Gattin Else aufwachen ließ.
Der Satz ist so gestelzt und umständlich. Wieso nicht "plötzlich musste er so laut husten, dass Else erschrocken hochschoss".


Sie war eine selbstbewusste Mistkäferfrau und ließ sich deshalb ungern von ihrem Mann maßregeln.
"Sie war eine selbstbewusste Frau und hasste es, wenn Hans-Jürgen ihr Befehle gab" oder so etwas in der Art fände ich kindgerechter.

Die Rückblenden in die Kinderstube finde ich unnötig. Ein Mistkäfer und ein Gekko sind befreundet. Aus Kindersicht bedarf dies sicherlich keiner Erklärung. Es ist einfach so.

Auch denke ich, dass die Eheprobleme zwischen Hans-Jürgen und Else für Kinder nicht interessant sind.

Ich fände es schöner, wenn Hans-Jürgen im Laufe seines Mistkäfertags mehr (kindegerechte) Abenteuer erlebt, z.Bsp. an Ulf's Zunge zu kleben. Die Idee ist zu lustig, um sie nur kurz in der Vergangenheit anzureißen.

Noch eine Kleinigkeit:

Ulf blickte Hans-Jürgen flehend mit seinen großen Augen, die dreiviertel seines Gesichts für sich beanspruchten, an.
Ich denke, ein halbaufgefressener Gecko schaut eher panisch.


Viele Grüße

bluebird

 

Hey elmarrasch,

ich kann mich bluebird eigentlich nur anschließen, wenn man für Kinder schreiben möchte, dann sollte man sich auch in ihrer Welt bewegen. Eheprobleme gehören da sicher auch zu, aber die erleben die Kinder nicht selbst, sondern aus der Sicht des Dritten. Von daher dürftest Du aus Deiner Schreibsicht wenig bieten können, womit sich Kinder identifizieren. Und eine Identifizierungsfigur ist das Ah und Oh in Kindergeschichten. Anders, wenn Hans-Jürgen ein solches Ehepaar erleben würde. Also mit den Auswirkungen konfrontiert wird.
Ja schade, dass sich dass Verhältnis von Ehe und Erleben hier so die Waage hält, denn was der Käfer so mit seinem Freund den Gekko erlebt, dass ist sicher das Spannendere für die Minis.

Soviel zu Deinem Text. Noch ein Hinweis zum Forum im allgemeinen.
Du hast hier eine Reihe von Geschichten zu stehen, die gelesen und kommentiert wurden. Da hat sich wer Zeit genommen für Dich und Du bringst es nicht mal fertig, Dich dafür zu bedanken. Du musst es ja nicht richtig finden, was Leute unter Deine Texte schreiben, aber eine Null Reaktion ist nicht nur unhöflich, sondern auch ignorant.
Vielleicht haben wir aber auch nur verschiedene Vorstellungen von dem Sinn des Forums. KG.de lebt von dem Werkstattcharakter. Es ist weniger eine Lesestube. Geschichten einstellen, Meinungen austauschen, anderen Autoren die eigene Lesart mitteilen, damit sie an ihren Geschichten und ihrer Schreibe arbeiten können. Aber das funktioniert auch nur, wenn sich Autoren ebenfalls als Kritiker einbringen. Ansonsten wäre dieses Forum tot, und das würde ich zumindestens als sehr schade empfinden.

Wie auch immer Du das siehst -
hab einen schönen Tag Fliege

 

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