Handwerker im Haus
„He, sind sie da unten gestorben?“
Sie stand an der offenen Kellertür und fragte vorsichtig ins Dunkel hinein. Der blöde Klempner war nun schon seit mindestens fünf Stunden dabei, die maroden Rohre wieder flott zu kriegen, und dennoch war von ihm weder etwas zu hören noch zu sehen.
Gegen elf Uhr vormittags hatte er plötzlich vor der Tür gestanden, obwohl sie ihm am Telefon deutlich gesagt hatte, sie sei von halb zwölf bis etwa vier Uhr nachmittags unterwegs, und er solle doch – wenn möglich – vorher kommen.
Sie mochte es nicht, wenn in ihrer Abwesenheit fremde Leute das Haus auf den Kopf stellten. Das machte sie nervös. Nicht, weil sie Angst um ihren Schmuck oder andere wertvolle Sachen gehabt hätte, nein, sie empfand es als Verletzung ihrer Intimsphäre und fühlte sich ganz einfach unwohl bei dem Gedanken daran. Nun, offensichtlich war es ihm nicht möglich gewesen zu einem anderen Zeitpunkt bei ihr aufzukreuzen. Das war ärgerlich, aber nicht zu ändern. Er hatte sie tausendmal um Entschuldigung gebeten und lang und breit von Terminen und unvorhergesehenen Komplikationen bei der Materialbeschaffung erzählt, Sachen, die sie nicht im geringsten interessierten. Dann war er mit einem Werkzeugkasten und einem Arm voller Ersatzteilen im Keller verschwunden, und sie hatte sich aufgemacht, um in die Stadt zu fahren und einzukaufen.
Sie hatte geahnt, daß die Straßen voll sein würden, und so war sie tatsächlich erst wieder gegen vier Uhr in ihre Einfahrt eingebogen und erstaunt gewesen, seinen alten Kastenwagen immer noch dort geparkt vorzufinden.
Als sie die Haustür aufschloß, bemerkte sie, daß der Bewegungsmelder nicht reagierte und sie im Dunkeln stehen ließ.
Das konnte nur bedeuten, daß mal wieder der Strom ausgefallen war.
Das passierte leider des öfteren, und insgeheim bedauerte sie es, aus der Stadt aufs Land gezogen zu sein, auch wenn es hier sehr viel ruhiger und weniger hektisch zuging. Trotzdem war es lästig und vor allen Dingen unheimlich, wenn man plötzlich im Dunkeln stand. Besonders jetzt im Winter, wenn die Dämmerung früh einsetzte und nicht der gewohnte Straßenlärm durch das Fenster heraufklang, fühlte man sich ziemlich verlassen und angreifbar.
Noch mehr beschäftigte sie allerdings die Frage, warum der verdammte Klempner noch hier war. Er hatte ihr versichert, es sei kein Problem, und die Reparatur dauere höchstens eine Stunde. Hoffentlich hatte es keine Schwierigkeiten gegeben. Sie hatte genug davon, auf einer Baustelle zu wohnen und freute sich auf ein Ende der ewigen Arbeiten, aber es war nunmal ein sehr altes Haus und da kam einigs zusammen. Sie verdiente nicht schlecht, aber das Geld für die Reparaturen hätte sie auch besser verwenden können.
Jetzt stand sie an der oberen Stufe der Kellertreppe und lauschte angestrengt in die Schwärze. Es herrschte eine geradezu ohrenbetäubende Stille.
Was zum Teufel machte der Kerl da bloß?
Sie traute sich nicht nachzusehen. Sie hatte immer schon Angst im Dunkeln gehabt, und der Keller war wirklich besonders dunkel.
Sie wollte gerade in die Garage gehen, um sich den Sicherungskasten vorzunehmen und eine Taschenlampe zu holen, als sie Schritte von unten hörte. Endlich regte er sich. Jetzt würde er ankommen und sagen, eine riesige Reparatur stehe an. Das gesamte Leitungssystem neu und das zu Weihnachten. Prima.
„Hallo!“
Der Blödmann antwortete immer noch nicht. Das machte sie wirklich rasend. Dafür schlurfte er. Er ließ seine Füße über den Boden schleifen, als sei er zu schwach zum Laufen. Außerdem klang es, als habe er nasse Schuhe an, ein Quietschen und Patschen hallte von den Backsteinwänden wider. Hoffentlich hatte er nicht den gesamten Keller unter Wasser gesetzt. Dazu kam ein fauliger Gestank, der sie an tote Katze denken ließ. O Gott, wahrscheinlich war eines der Abwasserrohre geborsten!
„Hallo!“
Himmelherrgott, konnte der Idiot nicht sprechen?
Ein Lichtkegel begann an den Kellerwänden herumzutanzen. Er hatte also eine Lampe dabei. Sie war erleichtert, endlich ein Lebenszeichen von ihm zu bekommen. Gleichzeitig war sie aber auch wütend, weil er sie so lange hatte warten lassen.
Vielleicht schämte er sich, herauszukommen, weil er Mist gemacht hatte? Er war jetzt an der Treppe angelangt und leuchtete zu ihr herauf. Das Licht traf genau ihre Augen, und sie hielt ihre Hand vor das Gesicht, um etwas sehen zu können, konnte aber nur einen undeutlichen Schatten am unteren Treppenabsatz ausmachen.
„Was ist los?“ fragte sie, etwas verärgert wegen seiner Lichtspielchen. „Wie sieht´s da unten aus?.....Nicht so gut, was? Sie waren ja ein paar Jahre da unten, ich dachte schon, sie seien gestorben!“
Er begann zu lachen.
„Tja, wissen sie“, hallte seine Stimme hohl aus dem Dunkel herauf, während er mit seltsam linkischen Bewegungen begann, die Treppe zu erklimmen, „wissen sie, da könnten sie recht haben.“
Dann schaltete er die Taschenlampe aus.