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Handlungsfreiheit
Frecks Flaumhaare richteten sich vor Erregung auf. Ihre vier Augen wechselten die Farbe und schimmerten grünlich. Ein Zeichen von besonderer Freude. Eben hatte sie der Anruf erreicht. Sie sollte zur ehrenwerten Grogor kommen. Wenn die Chefin sie rief, gab etwas für sie zu tun. Dies bedeutete Abwechslung. Schließlich war es für eine Kampfpilotin sehr eintönig, auf einer wissenschaftlichen Basis stationiert zu sein.
Freck betrat die Reinigungskabine. Sie nahm die traditionelle Säuberung vor, bevor sie zum Kommandantin der Basis hüpfte.
Die ehrenwerte Grogor war gleich zur Sache gekommen. Eine Entdeckung der Forschungsexpedition durch Fremdintelligenzen stand unmittelbar bevor.
Die Basis der Expedition selbst lag zwar auf der Rückseite eines Mondes, die immer vom zugehörigen Planeten abgewandt war. Das war wichtig, denn der Planet war bewohnt. Die planetare Hauptrasse wies die Merkmale der Intelligenzstufe CA 4 auf, also vergleichsweise primitiv. Sie durften deshalb keinen Kontakt mit den dortigen Lebewesen aufnehmen. Eingriffe in sich entwickelten Zivilisationen waren durch den galaktischen Rat verboten. Daher musste auch absolut vermieden werden, dass diese planetaren Wesen die Expedition entdeckten; das hätte zu erheblichen Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Planetenbewohner geführt.
Nun war von der ehrenwerten Grogor aber einen Trupp zur Vorderseite des Mondes ausgeschickt, um nach neuen Rohstoffen für die Basis zu schürfen. Erst zu spät erreichten sie die abgehörten und �übersetzten Funknachrichten vom Planeten, mit beunruhigenden Informationen. Die Planetaren planten eine bemannte Mondlandung ausgerechnet im selben Gebiet, in dem sich der Schürf-Trupp aufhielt. Ein Rückzug ohne Spuren war zeitlich nicht möglich. Freck bekam den Auftrag, eine Entdeckung zu verhindern.
Freck hüpfte vor Freude auf ihren vier Sprungbeinen umher. Sie konnte mit einem kleinen Raumschiff endlich wieder im freien Raum fliegen! Ob sie das Mondschiff der Planetenbewohner zerstören sollte, fragte Freck. Die ehrenwerte Grogor wackelte nur mit ihren Horchfühlern und gab volle Handlungsfreiheit. Freck kam von einem Glückstaumel in den anderen. Sie durfte das Primitivraumschiff abschießen!
Jetzt saß Freck in der engen Kabine ihres kleinen Raumbootes. Das Mondschiff der anderen kam langsam näher. Freck hatte es genau in der Zieloptik. Sie brauchte nur noch einen Knopf zu drücken und dann war alles vorbei.
Wie primitiv und zerbrechlich das Ding der Planetaren anmutete. Es erinnerte sie an ein Spielzeugraumschiff aus ihrer Kindheit. Als Kommandantin Freckana war sie mit dem Modell in der Hand in ihrer Phantasie durch die Weiten des Alls geflogen, hatte Schurken zur Strecke gebracht, Frieden zwischen verfeindeten Völkern gestiftet und so manchen geheimnisvollen Planeten erkundet. Ja, wirklich, das Mondschiff hatte fast die Form ihres Spielzeugkreuzers. „Oh, ihr Dämonen des Alls! Freck fiel wieder in ihre Kindheit. Längst vergessene Gefühle stiegen in ihr auf. Und sie fragte sich auf einmal nach dem Sinn ihres Tuns. Sollte sie die fremde Raumkapsel abschießen oder nicht? Was war bloß aus ihrem Jagdtrieb geworden? Zeigte der langweilige Dienst auf diesem Außenposten erste psychische Auswirkungen? Freck vermochte nicht, sich selbst diese Frage zu beantworten. Entschlossen wollte sie den Feuerknopf nieder drücken, doch ihre Hand gehorchte kaum, zögerte, dann nahm sie den Arm ganz zurück. Freck überlegte. Die Entdeckung zu verhindern, war oberstes Gebot. Das lag auch im Interesse der Planetaren. Die Mondschiff-Flieger würden für ihre Rasse sterben. Ihre Hand näherte sich wieder den Feuerknopf, zögerte erneut. Das Mondschiff sah wirklich fast so aus wie „ihr“ Schiff damals.
Freck dachte nach. Gab es eine andere Lösung? Bei den Schutzgeistern der Sterne! Ihr kam ein Gedanke. Blitzschnell ließ sie den Kurs der fremden Kapsel vom Bordgehirn nachrechnen. Als sie die Zahlenkolonnen auf dem kleinen Bildschirm sah, wusste Freck, was zu tun war. Alles war erlaubt, sie hatte ja Handlungsfreiheit.
Freck ging näher an das Mondschiff der Planetaren heran. Ihr Raumboot konnten die Anderen nicht orten. Eine Entdeckung brauchte Freck nicht zu befürchten. Sorgfältig zielte Freck auf den Primitivraumer. Ein unsichtbarer Energiestrahl jagte aus der Bordkanone ihres Bootes heraus und zerfetzte ein Stück vom Versorgungsteil des Mondschiffes. Jetzt konnte es zu keiner Landung mehr kommen. Eine Entdeckung der Schürf-Expedition war ausgeschlossen. Freck drehte ab.
Die Planetenbewohner im Mondschiff gaben einen Funkspruch an ihre Heimatwelt ab. Er begann mit den Worten: „Wir haben hier ein Problem..."
Die dramatische Rettungsaktion von Apollo 13 begann.