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Handlanger

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13.04.2006
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Handlanger

Mein Geliebter will nicht mehr Hand an mich anlegen. Kein Zweifel.
Es wird also Zeit, dass ich mich nach neuen Handlangern umsehe.
Ich ging in unseren Kurpark, wo sich die Möwen tummeln. Da traf ich den Gärtner. Sogleich kamen wir ins Gespräch. Er legte seine Gartenschere, mit der er Buchsbäume beschnitt, aus der Hand und diese auf meine Schulter. Er lud mich ein, mit ihm den Park zu begehen, die Pflanzen, Vögel und die Spaziergänger zu bestimmen und ihm dabei meine Lebensgeschichte zu erzählen. Ich kam dem sehr gern nach.
Mein Geliebter, begann ich, erklärt, er könne nicht mehr Hand an mich legen, weil ich nicht Golf spielen will und deshalb nichts aus mir wird.
Ist das wahr, fragte der Gärtner total entzückt.
Er sagt, mein Geliebter, mir fehlt der Glanz des Ruhms, der Glanz des Geistes und der Glanz des Körpers.
Welch eine Logik, rief der Gärtner und zog mich unter einen Buchsbaum, wo er mir unregelmäßigen Bewuchs zeigte und mich nach allen Regeln des Gartenbaus zu trösten versuchte.
Vieles spricht nicht gegen das Golfen. Es ist eine angenehme Tätigkeit an der frischen Luft, die von kreativen Momenten unterbrochen wird, laberte ich den Gärtner voll, der schnell ermüdete und einschlief.
Kichernd näherte sich ein Gruppe Psychologen, die einen so fröhlichen Eindruck auf mich machte, dass ich mich ihnen unbedingt anschließen wollte. Ich strich meinen Zipfelrock glatt und hakte mich bei einem von ihnen einfach unter. Er war, wie sich an der ersten Biegung herausstellte, kein Psychologe sondern ein Schuhhändler und führte ein recht kurzweiliges Leben.
Wir kamen gleich ins Gespräch und erörterten unsere Vorliebe für dreieckige Schuhe. Er staunte über den Gleichklang unserer Vorlieben und lud mich spontan zum Abendessen im Kurhaus ein, was die Möwen aufkreischen ließ. Die Sonne stand noch nicht tief genug, um Abschied voneinander zu nehmen. Heiß kroch sie mir unter meinen Zipfelrock.
Wir betraten Arm in Arm mit großem Appetit das Kurhaus.
Man kannte ihn, den Schuhhändler, ein gerngesehener Gast, denn alle drei Kellner hielten uns die Speisekarte so dicht vor die Augen, das ich mich einfach nicht entscheiden konnte. Nach langem Hin und Her entschied ich mich für den dritten. Wir zogen uns ins Billardzimmer zurück, wo ich ihm sogleich meine Lebensgeschichte erzählte, während aus dem Restaurant das laute Schmatzen des Schuhhändlers zu uns herüberdrang.
Der Kellner war ein behutsamer Zuhörer, stellte nur ab und an eine Frage, kam aber immer seiner Berufspflicht nach. Doch, ich kann sagen, dass ich an jenem Abend sehr gut gegessen habe. Was hinterher zu einem Streit mit dem Schuhhändler führte. Ich sprach mit dem Wirt und auch der meinte, die Stammkundschaft macht immer wieder Ärger, hoch die Erwartung, groß die Enttäuschung! Schließlich ist man gezwungen, Hand anzulegen und Personal freizustellen, ohne es zu wollen.
Oh, wie gut ich das alles verstehe, rief ich aus luftiger Höhe, da mich die Kellner auf ihren Schultern aus dem Lokal trugen. Der Schuhhändler starrte auf die kreischenden Möwen und bestellte den dritten Nachtisch.
Sie setzten mich vor dem Musikpavillon im Park ab, wo eine dünnbemannte Kapelle spielte. Ich setzte mich direkt gegenüber vom Dirigenten auf einen orangefarbenen Holzstuhl und starrte ihn an, warf ihm unentwegt Kusshände zu und kreischte laut. Ich berauschte mich an seinen Gesten und an der Enge seines Fracks, viel zu eng für diesen fantastischen Körper.
Ich denke mal, ich werde den Rest meines Lebens an der Seite des Dirigenten verbringen, der abends um 10 Uhr seinen Taktstock aus der Hand legt, um sie für die restliche Nacht erneut anzulegen.

 

Hallo Jurewa,

daß die Geschichte Dir verschoben wird, darüber brauchst Du Dir wohl keine Sorgen zu machen. Ziemlich seltsames Teil. Wenn ich interpretieren müßte, würde ich sagen, daß es um die erwachsengewordene Alice (im Wundernland) geht. Aber ich will gar nicht. Wie bei dreieckigen Schuhen sind keine Stützkonstruktionen notwendig.

Teilweise sind mir Fehler aufgefallen und beim genaueren Hinsehen war mir dann klar, daß das so sein muß. Fand ich lustig. Das hier ist übriggeblieben.

Kichernd näherte sich ein Gruppe Psychologen, die einen so fröhlichen Eindruck auf mich machten ...
Da es sich um die Gruppe handelt (Einzahl), würde ich hier „machte“ einsetzen.

... zu uns herüber drang.
Schreibt man das nicht zusammen? Herüberdringen? Alte/Neue Rechtschreibung? Hm.

Oh, wie gut ich das alles verstehe rief, ich aus luftiger Höhe, ...
Das Komma da würde ich einsetzen.
Übrigens bemerkenswert, wie die fehlenden Anführungszeichen wirken. Wenn ich versuch, mir die reinzudenken, scheint mir der Lesefluß gestört. Verrückt.

Und zum Schluß noch ein Tippfehler:

Doch, ich kann sagen, dass ich an jenem Abednd sehr gut gegessen habe.

Bei aller Abneigung gegen Reclam, für diese Geschichte würde ich eine Ausnahme machen. Gibt's vielleicht ein paar erhellende Worte?


Allzeit lange Hand und so,
Skraave


Allerletzte Assoziation: Der Finglonger aus Futurama.

 

Hallo Skraafe,

danke für dein Lesen und Kommentieren. Musste etwas schmunzeln!
Erhellende Worte kann ich nicht geben, weil es für mich einfach nur ein Wortspiel war. Kennst du sicher auch, dass plötzlich ein Wort, hundertmal gebraucht, eine besondere Aufmerksamkeit bekommt und man beginnt, darüber nachzudenken. Mehr war es nicht. Der Vergleich mit 'Alice im Wunderland' gefällt mir und schmeichelt ;)-
ist aber sehr hoch gegriffen :D!!
Die Fehler habe ich verbessert.

Lieben Gruß!
jurewa

 

Herrlich, liebe Jurewa, :thumbsup:

was haste geraucht? :D

Das ganze Geschehen wirkt wie ein Traum, ein luftiger Traum von Möwen, Kurparkflattereien deiner Protagonistin, die sich erst den Gärtner, dann den Schuhhändler, aber eigentlich mehr den Kellner, dann den Dirigenten nimmt.
Der Dreiklang, der in den dreieckigen Schuhen mitschwingt, ist für mich nicht so ganz gewahrt, es sei denn, du wolltest den Dirigenten als quasi Schlussakkord des Endes einer längeren Suche beschreiben.

Wieviel Unterbewusstes hat da mitgeschrieben? ;)

Ich fand die Geschichte fluffig...naja also ich fand sie gut, sie hat Spannung, ich habe mich als Leser gefragt, wie es ausgehen könnte, wann gerät die Sache wieder in die Normalität zurück und am Ende kann ich diese Antwort nicht geben, aber bin trotzdem nicht enttäuscht.
Ich glaube, du solltest öfter sowas schreiben oder rauchen. :D

Dies hier

Er sagt, mein Geliebter, mir fehlt der Glanz des Ruhms, der Glanz des Geistes und der Glanz des Körpers
würd ich runder formulieren, so vielleicht: Mein Geliebter sagt, es fehlt mir der Glanz des Ruhms, der Glanz des Geistes und der Glanz des Körpers.

Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Lakita,

was ich geraucht habe? Na, das was wir immer zusammen rauchen :D nur diesmal hat es gezündet!
Danke für dein Lesen und deine Worte. Habe mich sehr gefreut!

Ciao!
jurewa

 

Mensch, wie schön! Bloß keine Erklärungen, keine dollen Interpretationen! Einfach so lassen, die Kommasachen sind ja schon geregelt!
Gaaanz schöne Geschichte, ich sehe sie direkt als Film vor mir. Ja, der Frühling bewirkt so einiges, gelle?
LG,
Jutta

 

Hallo Jurewa!
Möchte gar nicht viel interpretieren. War auf eine gewisse art total "geil" zu lesen - herrlich abgedreht und doch immer irgendwie folgbar. fand es total interessant und seltsam ;)

liebe grüße
kröte

 

Hallo Jurewa,

ich finde diese Geschichte schön frech und seltsam, der Lesefluss wird teilweise durch die sperrige Satztechnik beeinträchtigt, was in diesem Fall nicht ganz so stört, weil auch die Handlung/Bilder nicht fließend sind. Liest sich wirklich etwas durchgeknallt, unbekümmert und zweideutig. Ja, sehr unterhaltsam, weil man die unbändige Lust spürt, dass dieser Text so und nicht anders werden sollte.

Hat mir gefallen.

Grüße von Rick

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jurewa,

ich teile mal kritiklos die Frühlingsgefühle Deiner versammelten Kritiker. Wunderbar abgedreht und rundrum stimmig. Merci für das Lesevegnügen.

Sollte ich die einzige sein, die sich an diesen Satzkonstruktionen stört, lass Dich nicht stören.

Mein Geliebter will nicht mehr Hand an mich anlegen

der abends um 10 Uhr seinen Taktstock aus der Hand legt, um sie für die restliche Nacht erneut anzulegen.
der jeden Abend Hand an mich legt, nachdem er seinen Taktstock abgelegt hat.

Variante B: der jeden Abend mit seinem Taktstock Hand an mich legt. :D

Liebe Grüße
melisane

 

dito, besonders der Glanz des Ruhmes, des Geistes und des Koerpers, der mir persoenlich auch abgeht.*

lg
feirefiz


*off-moderner Bescheidenheitstopos

 

Hallo alle zusammen,

bin ganz gerührt über diese Zustimmung, zumal es ein Text war, bei dem ich unsicher war, ob er den teils hochgeistigen Ansprüchen genügen würde ;)
Von den vorgeschlagenen Textveränderungen habe ich etwas Abstand genommen, weil ich es so in diesem Stil gut fand und der Meinung war, hier braucht nicht Hand angelegt zu werden :lol: Rechtschreibung ausgenommen!

Nochmals danke für euer Lesen und Kommentieren.

Heiße Kampfesgrüße zum 1.Mai!
jurewa

 

Hallo jurewa,
irr-witzige Geschichte! Coole zweideutige, verspielte Sprache. Schön, wie sie einfach loszieht und Spaß hat, bis sie den Richtigen findet. Emanzipierte und doch durch und durch weiblich-charmante Frau, auf sympathische Weise durchgeknallt. Die hätte ich gern als Freundin, oder lieber nicht ;-?
LG Damaris.

 

Hallo Damaris,
nimm sie einfach als Freundin und du wirst sehen, dein Leben ist in kürzester Zeit auch so 'durchgeknallt' :D
Danke für deine nette Kritik, über die ich mich sehr gefreut habe.

Lieben Gruß!
jurewa

 

Hallo Jutta!

Boah, ich hab diesen Text erst heute entdeckt, wie konntest du mir den vorenthalten? ;)

Die Geschichte ist so fern aller Muffigkeit, Grübelei und Melancholie, dass sie unbedingt als Therapie eingesetzt werden sollte! :D So luftig, frech, unbekümmert, auch vom Sprachlichen her, ist die!

Hat mir sehr gut gefallen, du solltest unbedingt wieder was schreiben, du Doofe! *schlag*

Er legte seine Gartenschere, mit der er Buchsbäume beschnitt aus der Hand
Komma: beschnitt, aus ...
Welch eine Logik, rief der Gärtner und zog mich unter einen Buchsbaum, wo er mir unregelmäßigen Bewuchs zeigte und mich nach allen Regeln des Gartenbaus zu trösten versuchte.
;)
Oh, wie gut ich das alles verstehe rief ich aus luftiger Höhe
Komma: verstehe, rief ...

Gruß von einer Wetterfee an die andere :p

 

Hallo Jurewa,

sprachlich sehr schön, humorvoll, frisch, seltsam.
Gefällt mir echt gut.

Grüße,

f.

 

Hallo Andrea und Foehre,

danke für die lobenden Worte und du hast natürlich völlig Recht, Andrea, anstatt mich permanent mit dem Wetter zu beschäftigen, sollte ich mal wieder etwas schreiben;).
Ich arbeite an mir! Versprochen:D

Ciao,
jurewa

 

Und gleich noch’n älterer Text –

die wahre Entdeckung für mich -

ein wahres Schelmenstück, dass Dich von einer gänzlich andern Seite zeigt als – hoffentlich bin ich politisch korrekt! – eine Tilla (ausgeschrieben: Wilhelmine) Ulenspegel & doch irgendwie zur vorher besprochenen Geschichte zu passen scheint. Ich werd freilich den Teufel tun, die Geschichte hier nachzuerzählen. Lesen muss schon jeder selbst.

Schon der Auftakt,

liebe Jutta,

ist mehrdeutig, spielt mit Begrifflichkeiten und ist darum genau das richtige für einen alten Mann:

Mein Geliebter will nicht mehr Hand an mich anlegen.
Und die Fortsetzung:
Es wird also Zeit, dass ich mich nach neuen Handlangern umsehe.
Wie wollte Hegel solches auf den Begriff bringen?

Aber auch Schöpfungen wie eine

dünnbemannte Kapelle
zu der kontrapünktlich ein
engbefrackter Dirigent
passt.

Der Kleinkrämerseeele gibstu nicht viel Futter.

Einmal wäre einem „das“ ein zwotes s zu gönnen:

…, denn alle drei Kellner hielten uns die Speisekarte so dicht vor die Augen, das ich mich einfach nicht entscheiden konnte.

Und (eher allgemeiner Art):
… abends um 10 Uhr …
Zahlen bis zwölf besser ausschreiben,
ab 13 Uhr nicht mehr unbedingt.

Bisschen Plauderei drum herum in aller Subjektivität:

Er legte seine Gartenschere, mit der er Buchsbäume beschnitt, aus der Hand und diese auf meine Schulter.
Ja, der (Ge-)Zeitenwechsel. Beschnitt er nur „damals“ die Buchsbäume mit der Gartenschere und hätt's dann aufgegeben? Wenn nicht, ginge hier besagter Wechsel mitten im Satz: „Er legte seine Gartenschere, mit der er Buchsbäume [üblicherweise] beschneidet, aus der Hand …“ Unwillkürlich muss ich an die Beschneidungen im Moses-Roman und beim Hamed Abdel-Samad denken ...

Um mit dem ironischen Schlenker weiterzumachen, den

Park zu begehn
,
Spaziergänger zu bestimmen
,
um dann in indirekter Rede zu landen:

Mein Geliebter, begann ich, erklärt, er könne nicht mehr Hand an mich legen, weil ich nicht Golf spielen will und deshalb nichts aus mir wird.
Hier ließe sich der Effekt steigern durch Wechsel der für die indirekte Rede formgerechten Konjunktiv I mit dem Konjunktiv II und – einem scheinbaren Stilbruch – mit Futur. Es wird ein Spiel der Ebenen von Wahrscheinlichkeiten, kurz: Ironie bis zum Platzen – freilich um eine gewisse Gefahr, dass man Seelenklempnern, pardon, Psychologen anvertraut würde und geile Möwen aufkreischen ließe:
Mein Geliebter, begann ich,
"erkläre, er legte nicht mehr Hand an mich, weil ich nicht Golf spielte und deshalb nichts aus mir werde."

Vieles spricht nicht gegen das Golfen. Es ist eine angenehme Tätigkeit an der frischen Luft, die von kreativen Momenten unterbrochen wird, laberte ich …
"Vieles spräche nicht gegen das Golfen. Es wäre eine angenehme Tätigkeit an der frischen Luft, die von kreativen Momenten unterbrochen werde, laberte ich …"

Doch wie war das im letzten Beitrag, um nicht "zuletzt" zu sagen:

danke für die lobenden Worte und du hast natürlich völlig Recht, [lieber Friedel], anstatt mich permanent mit dem Wetter zu beschäftigen, sollte ich mal wieder etwas schreiben

Gruß

Friedel

 

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