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Handlanger
Mein Geliebter will nicht mehr Hand an mich anlegen. Kein Zweifel.
Es wird also Zeit, dass ich mich nach neuen Handlangern umsehe.
Ich ging in unseren Kurpark, wo sich die Möwen tummeln. Da traf ich den Gärtner. Sogleich kamen wir ins Gespräch. Er legte seine Gartenschere, mit der er Buchsbäume beschnitt, aus der Hand und diese auf meine Schulter. Er lud mich ein, mit ihm den Park zu begehen, die Pflanzen, Vögel und die Spaziergänger zu bestimmen und ihm dabei meine Lebensgeschichte zu erzählen. Ich kam dem sehr gern nach.
Mein Geliebter, begann ich, erklärt, er könne nicht mehr Hand an mich legen, weil ich nicht Golf spielen will und deshalb nichts aus mir wird.
Ist das wahr, fragte der Gärtner total entzückt.
Er sagt, mein Geliebter, mir fehlt der Glanz des Ruhms, der Glanz des Geistes und der Glanz des Körpers.
Welch eine Logik, rief der Gärtner und zog mich unter einen Buchsbaum, wo er mir unregelmäßigen Bewuchs zeigte und mich nach allen Regeln des Gartenbaus zu trösten versuchte.
Vieles spricht nicht gegen das Golfen. Es ist eine angenehme Tätigkeit an der frischen Luft, die von kreativen Momenten unterbrochen wird, laberte ich den Gärtner voll, der schnell ermüdete und einschlief.
Kichernd näherte sich ein Gruppe Psychologen, die einen so fröhlichen Eindruck auf mich machte, dass ich mich ihnen unbedingt anschließen wollte. Ich strich meinen Zipfelrock glatt und hakte mich bei einem von ihnen einfach unter. Er war, wie sich an der ersten Biegung herausstellte, kein Psychologe sondern ein Schuhhändler und führte ein recht kurzweiliges Leben.
Wir kamen gleich ins Gespräch und erörterten unsere Vorliebe für dreieckige Schuhe. Er staunte über den Gleichklang unserer Vorlieben und lud mich spontan zum Abendessen im Kurhaus ein, was die Möwen aufkreischen ließ. Die Sonne stand noch nicht tief genug, um Abschied voneinander zu nehmen. Heiß kroch sie mir unter meinen Zipfelrock.
Wir betraten Arm in Arm mit großem Appetit das Kurhaus.
Man kannte ihn, den Schuhhändler, ein gerngesehener Gast, denn alle drei Kellner hielten uns die Speisekarte so dicht vor die Augen, das ich mich einfach nicht entscheiden konnte. Nach langem Hin und Her entschied ich mich für den dritten. Wir zogen uns ins Billardzimmer zurück, wo ich ihm sogleich meine Lebensgeschichte erzählte, während aus dem Restaurant das laute Schmatzen des Schuhhändlers zu uns herüberdrang.
Der Kellner war ein behutsamer Zuhörer, stellte nur ab und an eine Frage, kam aber immer seiner Berufspflicht nach. Doch, ich kann sagen, dass ich an jenem Abend sehr gut gegessen habe. Was hinterher zu einem Streit mit dem Schuhhändler führte. Ich sprach mit dem Wirt und auch der meinte, die Stammkundschaft macht immer wieder Ärger, hoch die Erwartung, groß die Enttäuschung! Schließlich ist man gezwungen, Hand anzulegen und Personal freizustellen, ohne es zu wollen.
Oh, wie gut ich das alles verstehe, rief ich aus luftiger Höhe, da mich die Kellner auf ihren Schultern aus dem Lokal trugen. Der Schuhhändler starrte auf die kreischenden Möwen und bestellte den dritten Nachtisch.
Sie setzten mich vor dem Musikpavillon im Park ab, wo eine dünnbemannte Kapelle spielte. Ich setzte mich direkt gegenüber vom Dirigenten auf einen orangefarbenen Holzstuhl und starrte ihn an, warf ihm unentwegt Kusshände zu und kreischte laut. Ich berauschte mich an seinen Gesten und an der Enge seines Fracks, viel zu eng für diesen fantastischen Körper.
Ich denke mal, ich werde den Rest meines Lebens an der Seite des Dirigenten verbringen, der abends um 10 Uhr seinen Taktstock aus der Hand legt, um sie für die restliche Nacht erneut anzulegen.