Hamburg Hauptbahnhof!
„Hamburg Hauptbahnhof, Gleis 10, der eingelaufene Eurocity aus Kopenhagen endet hier - bitte alles aussteigen!"
Der Schaffner lächelte mich an, während er mir beim Aussteigen mit meinem Gepäck half, und wünschte mir schöne Ferien. So stand ich mitten auf dem überfüllten Bahnsteig und kam mir ziemlich einsam und verlassen vor. Um mich herum ein Surren und Summen und Murmeln vieler verschiedener Stimmen: „Ist das der EC aus Kopenhagen?" - „Hallo Schatz, endlich bist du da!" - „Mensch, beeil dich, wir verpassen unseren Anschlusszug!" - „Hasso, nein, du scheißt jetzt nicht hierhin, los, komm her, du wartest, bis.... Mist!" Ich sah zu, wie Hassos Besitzer verstohlen um sich schaute, um sich dann ungeachtet des Malheurs schnell zu entfernen.
Inzwischen hatte ich mich auf meinen Koffer gesetzt und wartete immer noch auf meine Abholer.
Ein Mann nähert sich mir: „Da bist du ja, ich habe auf dem falschen Bahnsteig gewartet. Ich soll dich abholen und zu deinen Leuten bringen!" Zu meinen Leuten? Aha, er meinte offensichtlich meine Au-Pair-Familie, zu der ich unterwegs war. Komisch, wir hatten doch ausgemacht, dass sie mich persönlich abholen wollten? Ich ließ mir meinen schweren Koffer abnehmen und folgte dem Mann, den ich auf ungefähr 50 Jahre schätzte. Vielleicht war es der Butler der Familie? Ich malte mir aus, wie er den Herrschaften das Frühstück bereitete, während die kleine Susi, auf die aufzupassen ich hierher gekommen war, zusammen mit ihren Eltern am Tisch saß und sich bedienen ließ. Ja, ich freute mich auf meinen Aufenthalt in Hamburg! Erst vor 14 Tagen hatte ich die Schule in Kopenhagen abgeschlossen, und nun wollte ich ein ganzes Jahr in Deutschland verbringen, bevor ich mein Jura-Studium beginnen würde. Ein ganzes Jahr ohne Pauken und ohne Druck, ein ganzes Jahr, um neue Menschen kennen zu lernen und neue Erfahrungen machen zu dürfen und nebenher meine Deutsch-Kenntnisse aufzubessern.
Vor dem Bahnhofsgebäude stand ein silbergrauer Mercedes. Der Herr - eigenartig, er hatte sich noch nicht einmal mit Namen vorgestellt - hievte mein Gepäck in den Kofferraum und hielt mir höflich die Beifahrertür auf.
Er fuhr Richtung Hafen. Ich kramte in meiner Handtasche, um die genaue Adresse meiner Gastfamilie, ihre Fotos sowie den Hamburger Stadtplan herauszufischen. Sie wohnte in der Nähe vom Mühlenkamp nicht weit von der Alster entfernt.
Der Mercedes kam am Hafen zum Stehen, und ich verstand nicht recht, wieso ich mitsamt meinem Gepäck nun auf eines der großen Schiffe geführt wurde, die das Hafenbecken säumten.
„Steig nur ein", ermunterte mich mein Abholer. „Du bist gleich da, wo du hin willst!"
Ein wenig mulmig war mir zwar zumute - aber ich folgte ihm erwartungsvoll auf das Schiff.
Dort angekommen ließ er mir den Vortritt, um mich plötzlich eine Treppe herunter zu schubsen und in eine Kabine hinein zu stoßen, die er anschließend hinter mir abschloss. Mein Herz begann wild zu rasen. Was passierte hier mit mir?
Die unumstößliche Wahrheit drang immer tiefer in mein Bewusstsein: mein Abholer hatte nichts mit meiner Gastfamilie zu tun, ich war hier einem Entführer auf den Leim gegangen, der irgend etwas mit mir vor hatte. Bloß, was? Ich kriegte Panik, mir wurde übel, ich bekam kaum noch Luft.
Durch ein winziges Fenster konnte ich erkennen, wie der Mann wieder von Bord ging. Ich setzte mich hilflos auf die Liege und horchte - vernahm jedoch kein Geräusch in unmittelbarer Nähe. Was in aller Welt hatte man mit mir vor? Warum war ich hier?
Eine schier endlos lange Zeit des bangen Abwartens folgte. Wieviele Stunden waren es? Zwei? Drei? Plötzlich spürte ich, wie sich das Schiff in Bewegung setzte.
Meine Angst wuchs. Noch immer saß ich gefangen, und kein Mensch hatte sich blicken lassen.
Wieder schienen Stunden zu vergehen, und draußen vor dem kleinen Fenster begann es langsam zu dämmern.
Auf einmal hörte ich Schritte und Stimmen auf dem Korridor. Die Tür zu meinem Gefängnis wurde geöffnet, und ein riesiger Kerl, so groß wie ein Baumstamm, stand vor mir und reichte mir einen Fetzen Stoff: „Hier, zieh das an!"
Ich schaute ihn ungläubig und fragend an. Was war das hier?
„Ich komme in einer Viertelstunde wieder - dann bist du umgezogen!" befahl der Kerl in barschem Ton.
Die Tür schloss sich wieder und meine Hände versuchten zitternd den Stofffetzen vor mir auszubreiten. Es war etwas wie ein kurzes Negligé, hellrot, ganz und gar durchsichtig. Nie im Leben würde ich das anziehen. Ich versteckte mich in einer Ecke neben dem Schrank - in der kindischen Vorstellung, man würde mich hier nicht finden können und dann einfach vergessen.
Keine Viertelstunde später öffnete sich die Tür wieder, und der Baumstamm erschien im Raum, sah mich unmittelbar in der Ecke stehen - und nun wurde er wirklich böse.
„So, Kleine, jetzt aber keine Mucken, ja? Sonst sollst du mich kennen lernen!" Zur Bekräftigung, dass er es wirklich ernst meinte, zückte er ein Messer und befahl mir, mich auf der Stelle umzuziehen - und zwar vor seinen Augen.
Voller Angst und Scham begann ich mich auszuziehen und drehte mich zur Wand, als ich dieses hellrote Etwas überstreifte.
„Na also, geht doch!" gurrte der Kerl zufrieden, packte mich grob am Arm und fuhr fort: „Und jetzt komm mit, Püppchen, dein erster Kunde wartet auf dich!"
Ich traute meinen Ohren nicht. Das Messer immer noch drohend in der linken Hand, zerrte er mich zu einer anderen Kabinentür, öffnete diese und schubste mich unsanft hinein.
Dort saß ein älterer, fetter, schleimiger Mann auf einem frisch bezogenen Bett und betrachtete mich mit gierig-geilem Blick von oben bis unten, während ich vor ihm stand im Negligé, das meine totale Blöße darunter nur allzu deutlich zur Schau stellte.
„Komm her, Kleine, komm, zier dich nicht so! Ich habe viel Geld dafür bezahlt, dass ich jetzt meinen Spaß mit dir haben darf! Und das schwöre ich dir - ich werde jetzt meinen Spaß mit dir haben!"
Er kam auf mich zu und griff mir mit beiden Händen unter das Negligé und begann mich überall zu betasten. „Ja, wehr dich ruhig - so habe ich es am liebsten!" keuchte er.
In diesem Augenblick gab es einen Ruck und eine laute Stimme ertönte: „Hamburg Hauptbahnhof, der auf Gleis 10 eingelaufene Eurocity aus Kopenhagen endet hier - bitte alles aussteigen!" Ich erwachte und schaute mich benommen um. Vor dem Fenster sah ich meine Gasteltern und die kleine Susi stehen und winken. Fröhlich und erleichtert winkte ich zurück.