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Hallo, Annika!
Ganz traurig schaute Sophie aus dem Fenster auf die sonnige Straße.
Ihre Mutter trat hinter sie und strich ihr über das blonde Haar.
„Willst du nicht raus und ein bisschen mit den Kindern spielen?“ fragte sie die kleine Sophie.
Doch Sophie schüttelte nur den Kopf. Ihre Haare warfen lustige Spritzer auf die Fensterscheibe. Früher hätte sie bestimmt darüber gelacht. Aber seit Annika weg war, wollte sie über gar nichts mehr lachen.
Ohne Annika zu lachen war eh nicht das Gleiche, wie mit Annika zu lachen. Sophie würde nichts lieber tun, als mit ihrer Freundin Annika draußen bei den Kindern zu sein und lustiges Fange zu spielen.
Sophie griff nach ihrem Teddybär, der neben ihr auf dem Fenstersims saß und schlich in ihr Zimmer. Ihre Mutter folgte ihr und setzte sich neben sie auf den Boden. Einen schönen Boden hatte sie da. Mit ganz vielen bunten Feen und Elfen drauf. Annika und sie hatten Feen und Elfen nämlich sehr gerne. So gerne, dass sie an jedem Fasching als Fee und Elfe verkleidet waren. Annika immer als grüne Fee und Sophie als rote Elfe. Lustig hatte das ausgeschaut.
Nur dieses Fasching hatte es gar nicht lustig ausgesehen. Ohne Annika sahen nicht mal Feen und Elfen lustig aus.
Lustlos baute Sophie einen Bauklotz auf den Nächsten. Nein, das war kein schöner Turm. Ganz krumm war er. Annika hätte das bestimmt besser gekonnt. Ohne Annika wollte einfach nichts mehr klappen. Sophie warf den bunten Bauklotzturm wieder um.
„Mama?“ Ganz eng kuschelte sie sich an ihre Mutter heran. Sie hatte Sophies Lieblingspulli an; ganz warum und kuschelig war der.
„Ja, mein Schatz?“ Ihre Mutter legte Sophies Kopf auf ihren Schoß und pustete ihr ein Haar aus der Stirn.
„Wann kommt Annika denn wieder?“ Sophie schaute das Mobile an ihrer Decke an. Direkt über ihr hing es und die Glassteinchen warfen tolle Muster an die Wand. Annika hatte ihr das Mobile zum Geburtstag geschenkt.
Ihre Mutter strich ihr über den Kopf und sagte dann: „Sie kommt nicht wieder, Schatz.“
Sophie schaute einem bunten Lichtstern zu, wie er an der Wand hin und her flitzte.
Hin und Her.
Sie setzte sich auf und schaute ihrer Mutter ins Gesicht.
„Warum denn nicht, Mama?“
Ganz leise holte ihre Mutter Luft. Immer wenn es um Annika ging, wurden alle Erwachsenen ganz still und leise. An dem Tag, als Annika das erste Mal nicht mehr zum Spielen gekommen war, hatte Sophie sogar gesehen, wie ihre Mama Annikas Mutter umarmt hat und sie beide geweint haben. Das hat Sophie ganz traurig gemacht und sie hat schnell die Tür hinter sich zugemacht.
Und als sie dann abends gefragt hat, warum Annika nicht zum Spielen da war, da haben ihre Eltern ganz traurig geschaut und ihr gesagt, dass Annika erst mal nicht mehr zum Spielen kommen würde.
Sophie war sehr traurig und hat sogar ein bisschen geweint. Dann hat Mama Sophies Lieblingsnachtisch geholt und abends wurde sie sogar von Mama und Papa ins Bett gebracht. Ganz lange saß Papa noch an Sophies Bett; er hat ihr sogar eine zweite Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen und ihr drei Gute-Nach-Küsse gegeben. Eine Woche war das jetzt her. Und Annika war immer noch nicht zum Spielen gekommen. In der Schule war sie auch nicht gewesen und das war ganz doof für Sophie gewesen.
„Warum denn nicht, Mama? Wo ist Annika denn hingegangen?“ Sophie malte das Muster von Mamas Pulli nach. Ein schönes Muster war das.
Ihre Mutter setzte Sophie auf ihren Schoß und schlang die Arme ganz fest um sie: „Schau mal, Papa und ich haben dir doch erklärt, dass Annika erst mal nicht mehr zum Spielen kommt, ja?“
Sophie spielte mit ihrem Ring. Den hatte sie mit Annika ausgesucht. Sie nickte.
„Und Annika kann nicht mehr zum Spielen kommen, weil sie jetzt wo anders ist. Die Annika ist jetzt nämlich ein Engel.“
Sophie schaute ihre Mutter mit großen Augen an: „Ein Engel? Was für ein Engel?“
Ihre Mutter stand auf, stellte Sophie auf die Füße und nahm ihre Hand: „Komm, meine Kleine. Ich zeig es dir.“
Sophie lief neben ihrer Mutter her, zur Haustür hinaus und auf dem holprigen Feldweg dem Wald entgegen. Kurz vor dem Wald blieben Sophie und ihre Mama auf der bunten Blumenwiese stehen. Annika mochte Blumen sehr gerne.
Sophie riss die Augen auf; ganz weit. Aber da war keine Annika. Da waren nur ein paar Kinder, die Drachen steigen ließen. Ganz hoch flogen die.
Ihr Mutter kniete sich neben Sophie hin und zeigte auf einen der vielen bunten Drachen: „Schau, so wie der Drache, so fühlt sich Annika jetzt. Annika ist jetzt im Himmel und sie schaut von da oben auf uns hinunter und passt auf uns auf.“
Sophie blinzelte angestrengt in die Sonne. Sie sah keine Annika. Da war nur ein blauer Himmel und sonst nichts. Enttäuscht schaute Sophie ihre Mama an: „Aber Mama, ich sehe Annika gar nicht.“
Ihre Mutter zog sie wieder auf ihr Knie und wippte damit auf und ab: „Nein, Sophie. Du kannst sie auch nicht sehen. Annika ist jetzt unsichtbar und nur der liebe Gott kann sie sehen.“
Sophie kniff die Augen wieder zusammen und schaute zum Himmel.
„Aber warum ist sie denn beim lieben Gott und nicht bei mir? Der liebe Gott weiß doch gar nicht, was Annika am liebsten spielt, das weiß doch nur ich.“
Ihre Mama lächelt ihr liebevoll zu. Ganz lieb gibt sie Sophie einen Kuss auf die Stirn: „ Ja, meine Süße. Aber weißt du, der liebe Gott hat die Annika ganz arg lieb und hat sie deshalb zu sich geholt.“
Sophie zog die Augenbrauen zusammen. Das hatte sie bei Papa gesehen; immer wenn er sich über etwas ärgerte oder wunderte zog er seine Augenbrauen so toll zusammen.
„Hat mich der liebe Gott denn nicht so lieb wie Annika?“
„Natürlich hat er dich lieb. Er hat dich ganz genauso lieb wie die Annika. Aber weißt du, das ist wie bei dir und deinem Bruder. Papa und ich haben euch beide gleich lieb, obwohl du noch bei uns wohnst und dein Bruder nicht mehr. Aber wir haben euch trotzdem beide ganz arg lieb.“
Sophie schaute zu den Drachen hoch und dann wieder in den Himmel. Das hörte sich alles gar nicht so schlimm an. Bestimm gefiel es Annika im Himmel. Da gab es bestimmt Elfen und Feen!
„Gibt es im Himmel denn Elfen und Feen?“
Ihre Mutter schaute auch in den Himmel: „Ja, ich glaube im Himmel gibt es alles, was sich Annika wünscht. Sie hat es dort sehr gut.“
Sophie nickte. Das verstand sie. Feen und Elfen, das hatte sich Annika immer gewünscht. Da wurde Sophie ganz traurig und schaute auf den Boden: „Warum hat mich Annika denn nicht mitgenommen? Ich kann doch gar nicht mehr mit ihr reden, wenn sie ein durchsichtiger Engel ist.“
Ihre Mutter zog Sophie in ihre Arme und wiegte sie hin und her.
Hin und Her.
„Annika hätte dich bestimmt gerne mitgenommen. Aber einer von euch muss doch hier bleiben, um den Elfen- und Feengarten zu pflegen.“
Sophie schaute ihre Mama mit großen Augen an: „Was für ein Elfengarten denn?“
Ihre Mama hob sie auf den Arm und lief mit ihr wieder zu ihrem Haus zurück und den steinigen Weg zu ihrem Garten entlang.
„Das hat mir Annika heute Nacht verraten.“
Sie zeigte auf ein kleines Beet; ganz viele bunte Blumen waren da eingepflanzt und Sophie konnte sogar einen kleinen Teich sehen. Sophie schaute ihre Mama an: „Wie hat Annika dir das denn gesagt, wenn sie beim lieben Gott ist?“
Ihre Mutter stellte sich neben sie und sie betrachteten beide das Blumenbeet: „Du kannst immer mit Annika reden, wann immer du willst. Und manchmal, aber das passiert nur ganz ganz selten, da darf dir Annika sogar antworten.“
Sophie schaute von dem Beet zu ihrer Mama und wieder zu dem Beet. Ein wirklich schönes Beet war das.
Sophie zupfte ihre Mama an dem schönen kuschligen Pulli.
„Mama, darf ich Annika Hallo sagen?“
Ihre Mutter schaute sie einen Moment an, dann nahm sie Sophies kleine Hand in ihre Große und sagte: „Auf 3. 1 … 2 … 3!“
Und beide schauten sie in den Himmel und winkten mit der jeweils freien Hand:
„Hallo, Annika!“