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Bitter-süße Short Story zu Weihnachten
Hallelujah
Scheiße. Das darf doch nicht wahr sein. Oder doch. In fünf Tagen ist Weihnachten, also. Ich hievte mich von der gepolsterten Bank hoch, wo ich zwei Stunden mit Kathrin und Doro geplaudert hatte und fühlte mich, als ob ich seit dreißig Jahren auf dem Bau gearbeitet hätte. Nicht dass ich wusste, wie man sich nach dreißig Jahren auf dem Bau gefühlt hätte, es handelte sich natürlich um eine reine Vermutung. Dennoch fühlten sich meine Beine wie zwei Klötze an, mir war schwindelig und nebenbei hatte ich leichte Kopfschmerzen. Um nicht von der beschissenen Aufregung zu sprechen, die mich schon den ganzen Tag wegen dieser mickrigen Chor-Aufführung am Nachmittag fertig gemacht hatte. Zugegeben, ich hatte zwei Strophen von „Hallelujah“ solo gesungen und konnte nur hoffen, dass sich Leonard Cohen wegen mir nicht im Grab herumwälzte, aber angesichts dieser Tatsache musste ich trotzdem feststellen, dass ich enorm übertrieb. Mensch, Anna-Lena, du singst in einem unbekannten Chor einer noch unbekannteren Musikschule für ein paar durstige Rentner, die nur Augen für ihren Orangenpunsch haben, hatte ich mir die ganze Zeit vor der Aufführung eingeredet. Aber richtig geholfen hatte es nicht. Im Gegenteil, als ich mit zittrigen Schritten auf das Mikrofon zugegangen war, glaubte ich, brechen zu müssen. Schon malte ich mir in einer Millisekunde auf, wie ich vor der ganzen Senioren-Menge umfallen würde, während ich mein schillerndes, schwarzes Jackett vollkotzte und mich dafür entschuldigte. Oh Gott, wie peinlich. Trotz der nicht hervorragenden erbrachten Leistung war ich im nach hinein dankbar gewesen, dass alles reibungslos und ohne größere Unfälle verlaufen war. Nichtsdestotrotz ärgerte ich mich über die Tatsache, dass ich selbst nach der Aufführung immer noch wie eine Zehnjährige aufgeregt war, die ein zwei-minutiges Stück auf dem Akkordeon im Rahmen eines Abschlusskonzertes der fünften Klasse zu spielen hatte. Ich seufzte. „Hey, Girls, nehmt mir das nicht übel, aber ich bin echt fertig“, sagte ich meinen beiden Freundinnen, um den frühen Abgang zu rechtfertigen. Doro starrte mich fassungslos an. „Echt jetzt, Anna-Lena? So kenne ich dich nicht“, gab sie zurück, während sie zu ihren schweren Taschen griff. Kathrin dagegen schien von meiner Äußerung nicht sonderlich betroffen zu sein. „Tja, du hattest einen echt anstrengenden Tag“, sagte sie mir, während sie meinen Arm liebevoll streifte. Ihre Berührung hatte wie immer etwas Beschützendes, fast Mütterliches, was mir an diesem Abend besonders gut tat. „Tja, was soll´s, ich bin nicht Montserrat Caballero, werde voraussichtlich in diesem Leben nie in der Mailänder Scala als Solo-Sängerin auftreten - und trotzdem, Mädels, ob ihr es mir glaubt oder nicht, wegen dieses mickrigen Chor-Auftritts im Pfarrhaus-Saal fühle ich mich total beschissen. Ich sollte besser damit aufhören und statt einmal die Woche proben wieder laufen. Ja, das ist es. Mich abreagieren. Alles hinter mir lassen. Meiner rechten Gehirnhälfte den Mittelfinger zeigen.“ Ich schnaubte, während ich meine mit Geschenken vollgestopften Taschen sammelte. Doro und Kathrin tauschten besorgte Blicke aus, während sie meine Bewegungen genau beobachteten. „Laufen kannst du sowieso, das eine schließt das andere nicht aus“, sagte Doro in einem beschwichtigenden Ton und wischte sich dabei eine Haarsträhne von der Stirn weg. Ich machte eine abwinkende Geste. „Nö, vergiss es. Meine Nerven liegen blank. Erst dieser Rentner-Auftritt, übermorgen steht das Firmen-Weihnachtsessen an, am 24. ist die Bescherung mit meiner ganzen Familie angesagt und so wie´s ausschaut, lässt sich das heuer nicht vermeiden. Puh. Wenn ich das überlebe“, seufzte ich und schaute dabei Richtung Ausgangstür, da ich den Lärm in dem überfüllten Lokal nicht mehr ausstehen konnte.
Von wegen cool bleiben. Wie soll das gehen. Freiwillig hätte ich mir meine Familie nie ausgesucht. Ach, was soll´s, zu Weihnachten muss man im Kreis seiner Liebsten feiern. Sich gegenseitig beschenken. So tun, als ob man sich gerne hätte. Während die Gedanken in meinem Kopf wie lästige Geister herumspukten, atmete ich immer schneller, immer flacher, bis ich wie ferngesteuert vor dem Hauptbahnhof stand. Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen. Erst jetzt wurde mir klar, dass es zu spät war, um mit dem Bus nach Hause zu fahren, da es schon zehn am Abend war und daher nur die Nachtlinie fuhr. Verdammt, der nächste Bus kommt erst in einer halben Stunde. Wieso wohne ich in diesem Scheiß Vorort. Oh Gott, ich bin kaputt, ich bin so was von kaputt, wie soll das jetzt gehen, eine halbe Stunde warten. Ich hätte wie Doro und Karina mit dem Fahrrad zur Aufführung fahren sollen, anstatt mich von Anastasia mit dem Auto kutschieren zu lassen. Scheiße. Verdammte. Erschöpft ließ ich meine beiden Taschen, die sich wie zwei Sandsäcke anfühlten, auf den Boden fallen, während ich nach irgendetwas Ausschau hielt, das nach nichts aussah. Bis ich ein Taxi erspähte, dessen gelb in der Dunkelheit schimmerte und nur ein,- zweihundert Meter von mir entfernt war. Ich ging schnell, dann immer schneller. Egal, was mich das gekostet hätte, ich wollte nach Hause und zwar sofort. Ich klopfte an der vorderen rechten Glasscheibe und der Taxifahrer nickte mir zu. Schnell öffnete ich die hintere Tür und ließ mich erschöpft auf den Sitz fallen „Wow. Vielleicht ist heute doch mein Glückstag. Um die Zeit und bei dem Wetter seid ihr normalerweise Mangelware“, sagte ich ihm und seufzte erleichtert. Er lächelte freundlich. „Tja, in der Regel schon, aber ich hätte jetzt jemand mitnehmen sollen, der es sich angeblich in letzter Minute anders überlegt hat, so dass ich wieder zum Bahnhof zurückgefahren bin. Heute ist sowieso alles anders.“ Hm. Wem sagst du das. „Und wo geht´s hin?“, fragte er mich, und sah mich im Spiegel an. „Äh – ach ja, Loretostr. 31“, während ich entsetzt feststellte, dass meine Leggings Hose einen Riss auf dem rechten Knie hatte. „Normal fahre ich auch nicht mit dem Taxi nach Hause, aber heute hätte ich es echt nicht geschafft, eine halbe Stunde auf diesen blöden Bus zu warten“, sagte ich und setzte instinktiv meine Hand auf dem Knie. Er sagte nichts, stattdessen fing er an, zu pfeifen. Boah. So cool will ich auch sein. Ich machte einen zweiten Versuch, schließlich wollte ich reden. „Eins musst du mir erklären. Wieso werden sie alle hysterisch, wenn es in dieser verdammten Stadt regnet? Es sind ja nur ein paar Tropfen, ich meine, es regnet nicht wie aus vollen Kübeln. Und trotzdem fahren sie alle mit dem Auto, um von A nach B hundert Meter zu fahren. Und was ist mit mir, hä? Ich fahre das ganze Jahr mit meinem Roller, auch wenn es in Strömen regnet. Denn ich hab zum Beispiel kein beschissenes Auto“, platzte ich heraus und erhaschte aus dem Augenwinkel einen Blick auf sein Gesicht. Wieder sagte er eine gefühlte Ewigkeit nichts, während er langsamer fuhr. „Hast einen schlechten Tag gehabt, hm?“ Ich schnaubte. „Schlecht ist gut. Ein total beschissener Tag war das“, antwortete ich, während ich mich am Haaransatz kratzte. Er zog eine Augenbraue hoch und sagte: „Eins musst du mir jetzt erklären. Was ist denn zurzeit los, verdammt. Ich bin ehrlich gesagt froh, wenn diese Feiertage vorbei sind.“ Ich fuhr auf meinen Sitz hoch, als ob mich eine Biene gestochen hätte. Wow. Er hat für Weihnachten auch nichts übrig. Ich lächelte und atmete erleichtert auf. „Und ich sag dir noch was. Die spinnen nicht, weil es regnet. Schön wär´s. Es ist Weihnachten, ganz einfach“. Mit der rechten Hand gestikulierte er, während er mit der linken das Lenkrad umfasste. Ich biss mir in die Lippen und spürte, wie mir Tränen in die Augen schossen. Der Damm war gebrochen. Lass es raus. Lass alles raus. „Hey. Ich. Bin. Fertig.“, sagte ich mir gebrochener Stimme, während ich aus dem Fenster schaute, um seinen Blick zu vermeiden. „Dieser…dieser Scheiß-Auftritt heute hat mir überhaupt keinen Spaß gemacht, weil ich mich wie eine 10-Jährige aufgeregt habe und…äh…dann habe ich mich mit meinen besten Freundinnen getroffen, um Geschenke auszutauschen, wobei ich mir wie im falschen Film vorgekommen bin…und…äh… in ein paar Tagen feiere ich Weihnachten mit meiner Familie…und… ob du es mir glaubst oder nicht…äh…am liebsten würde ich einen 10-Stunden-Dienst einlegen, um nicht dabei zu sein.“ Ich spürte, wie meine Wangen glühten. Puh. Vielleicht sollte ich jetzt lieber aussteigen. Wieder einmal sagte er nichts. Wieso habe ich ihm das alles erzählt. Es ist ihm sowieso scheißegal. Ich schaute beschämt aus der Autoscheibe heraus, weil es mir einfach zu peinlich war, seinem Blick im Spiegel zu begegnen. Nur noch fünf Minuten, dann bin ich eh angekommen. Ich seufzte. Schlimmer hätte dieser Tag nicht sein können. Den Tiefpunkt hatte ich spätestens jetzt erreicht. „Äh – ich kann hier aussteigen, wenn es dir nichts...“ Auf einmal drehte er sich zu mir um und zeigte mir seine rechte Hand, um sie abzuklatschen. Er lachte laut los, während ich in einer Millisekunde auf gut drauf umschaltete und mit ihm einschlug.
Endlich sprach er. „Weißt du was? Ich habe heute auch keinen Bock mehr auf diesen ganzen Scheiß.“ Hä? Seine Augen leuchteten, als er das sagte und mich im Spiegel musterte. Plötzlich kam er mir fremd vor, was er in der Tat war. Hat er das echt gesagt? Mein Herz klopfte schneller. Und wenn der Typ eine Macke hat? Raus hier. In der Zwischenzeit fiel mir auf, dass wir angekommen waren und seufzte erleichtert. Er hielt an. Puh. Arsch gehabt. Er drehte sich zu mir um. „So. Du kannst jetzt aussteigen oder mit mir weiterfahren.“ Was? Ich machte den Mund auf, um ihn wieder kurz darauf zu schließen. Dann sah ich ihm zum ersten Mal in die Augen. Hmm, was hat er für lange, schwarze Wimpern. Und smaragdgrüne Augen. Ich hielt kurz den Atem an. Und wenn er ein Serienmörder ist? Ich hatte die Wahl, den restlichen Abend in meiner tristen Einzimmerwohnung zu verbringen und mich auf meine triste Weihnachtszeit einzustimmen, oder aber eine Runde mit dem geilsten Taxifahrer zu drehen, dem ich je begegnet war. Ach Quatsch. Und ob ich mit ihm weiterfahre. „Äh – hast du jetzt Feierabend?“, krächzte ich, während ich an einem Fingernagel knabberte. Er fuhr mit einer Hand durch seine dunkelbraune Haarmähne. „Spätestens ab jetzt, ja“ und lächelte übers ganze Gesicht. Ich errötete. Hallo, was geht denn hier ab? Wieso lächelt er mich so an? Und wo will er hinf… „Hast du Bock, ans Meer zu fahren?“ Oh Gott, bitte-bitte sag mir, dass es wahr ist. Mein Herz setzte ein paar Schläge aus. „Äh - ans Meer?“ Meine Unterlippe zitterte. Ich holte zitternd Luft. „Das letzte Mal ist ziemlich lange her. Ich …ich fahre nie ans Meer.“ Er lachte. „Echt jetzt? Dann ist es höchste Zeit, dass du das machst. Heute oder nie.“ Ich schaute ihn mir besser an. Seine braunen, glatten, kinnlangen Haare standen ihm verdammt gut. Abgesehen davon war er der einzige Typ weit und breit, der keinen Bart trug und allein das versetzte mich in Euphorie, denn ich fand bärtige Männer zum Kotzen. Hm. Er schaut echt geil aus. Ich räusperte mich. „Tja, dann…lass uns fahren“. Er schmunzelte. „Willst du die ganze Zeit hinten sitzen oder was? Ich bin ab jetzt nicht mehr im Dienst. Und – ja, vor Sonnenaufgang werden wir nicht angekommen sein. Nordsee oder Ostsee?“, zwinkerte er mir zu. Oh Gott, ich habe es mir so lange gewünscht. Ich wusste es, ich habe es immer gewusst, es gibt dich doch. „Ich…äh…ich bin als Kind nach Büsum gefahren und seitdem… gibt es für mich keinen schöneren Ort auf der ganzen Welt.“ Er schnipste mit den Fingern. „Ganz deiner Meinung. Wenn ich an das Meer denke, dann an die Nordsee.“
Er hatte die Beleuchtung des Taxi-Schildes ausgeschaltet und ich saß auf dem Beifahrersitz vorne neben ihm, während wir in die Autobahn einfuhren. Hm. Und wann fahren wir zurück? morgen und übermorgen habe ich frei, aber immerhin. Abgesehen davon habe ich niemandem was gesagt, nicht einmal Doro oder Kathrin. „An was denkst du?“, fragte er mich, während die Gedanken ratterten. Dass du super geil ausschaust. Ha. Und dass ich total crazy bin. „Äh – keine Ahnung, mir gehen so viele Sachen durch den Kopf.“ Er schluckte. „Hm. Mir auch.“ Er umfasste das Lenkrad fester. Hmm, hat er schöne Finger. „Weißt du, ich habe auch keinen Bock auf Weihnachten.“ Das war mir klar. „Echt jetzt? Und ich dachte mir, alle freuen sich auf Weihnachten, außer mir“, während ich ihn von der Seite anschaute. Er lachte bitter. „Dann freuen sie sich alle außer dir und mir.“ Er legte eine Pause ein. Boah, fährt er schnell. Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen, der Himmel war sternenklar, dafür war es arschkalt bei -10 C Außentemperatur. „Meine Ex-Freundin hat mich nämlich genau vor einem Jahr ein paar Tage vor Weihnachten mit meinem besten Freund betrogen. Genauer gesagt habe ich sie ertappt, als sie auf unserer Couch am helllichten Tag miteinander Sex hatten.“ Er holte tief Luft. Oh Gott nein. Deswegen haut er mit mir an die Nordsee ab. Ich verspürte den Drang, seinen Arm zu berühren. Er zuckte zusammen. „Hey, es…es tut mir leid. Das ist echt Scheiße. Ich…was soll ich dazu sagen. Es ist einfach Scheiße.“ „Du brauchst nichts zu sagen“, antwortete er müde. Dann schaute er kurz auf meine Hand, die immer noch auf seinem Arm lag. Was tue ich denn da? Schnell zog ich sie wieder zurück. Seine Stimmung schien sich plötzlich aufzuhellen. „Wie heißt du denn eigentlich?“, fragte er mich, während er kurz zu mir rüber sah. Wenn ich nicht total übergeschnappt bin. Ich weiß nicht einmal seinen Namen, stimmt. „Anna-Lena, und du?“ Er lächelte. „Anna-Lena. Hm. Gefällt mir.“ Drei Stunden später hielt Sebastian an einer Raststätte an und holte uns zwei große, dampfende Kaffee Becher. Wahnsinn, ich kenne ihn erst seit ein paar Stunden und habe ihm bereits mein halbes Leben erzählt. Er mir übrigens auch. Ich sah, wie er aus der Raststätte Richtung Auto hinaus ging und beobachtete ihn genau. Eigentlich ist er total mein Typ. Ob ich ihm auch gefalle? Sonst hätte er nicht angeboten, mich ans Meer mitzunehmen. Ach was. Es geht ihm dreckig, diese Abwechslung hat er bitter nötig. Wir hatten während der ganzen Strecke geredet, mal ich, mal er, ohne irgendwelche stille, peinliche Intermezzi. Und ich fühlte mich in seiner Nähe immer besser. „Wann hast du das letzte Mal so was Abgefahrenes gemacht?“, fragte er mich, während er mir meinen Kaffee Becher reichte. Pff. Keine Ahnung. Ich verzog mein Gesicht. „Äh…ich weiß nicht, ist schon länger her, oder ich muss total besoffen gewesen sein, denn ich kann mich nicht daran erinnern“, sagte ich und prustete los. Ich lachte und lachte und hätte beinahe meinen Becher umgeschmissen, wenn er ihn mir nicht von der Hand genommen hätte. Dann begann er ebenfalls zu lachen, beide Becher in den Händen, keine Ahnung, wie er das machte. Wir lachten, bis uns die Tränen in die Augen schossen. Oh Gott, wie geil ist das denn. Wann habe ich das letzte Mal so gelacht? Als wir beide damit aufhörten, reichte mir Sebastian zum zweiten Mal meinen Kaffee. Dann wischte er sich die Tränen aus den Augen. „Hey, diese Nacht ist echt geil. Bei mir ist es auch länger her“, sagte er, während er mir zum ersten Mal richtig in die Augen sah. Bitte-bitte, lass uns für immer dableiben. Ich erwiderte seinen Blick, während mein Bauch rumorte. Er rückte ein wenig näher. Mir wurde heiß. Wird er mich jetzt küssen? Oder sollte ich das tun? „Wir fahren jetzt besser weiter, sonst verpassen wir den Sonnenaufgang in Büsum“, sagte er, während ich mir ausmalte, wie seine Lippen meine berührten. Pff. Er hat sicher nichts für mich übrig. Und so fuhren wir weiter, während ich meinen warmen Kaffee schlürfte und die Gedanken Tango tanzten. Später, als ich ausgetrunken hatte, ließ ich erschöpft meinen Kopf nach hinten fallen und schlief ein.
Boah. Ich muss aufstehen und das Fenster schließen. Als ich die Augen öffnete, fröstelte ich. Jetzt steh auf und schließ das verdammte Fenster. Bäm. Sebastian war aus dem Auto ausgestiegen und hatte die Tür zugeschlagen. Aha. Ich war nicht zu Hause. Und das ist nicht mein Zimmer. Puh. Ich hatte geträumt, wie ich in meinem Bett lag und bei offenem Fenster eingeschlafen war. Stattdessen saß ich ziemlich zerknautscht in Sebastians Taxi und sah mit halb geöffneten Augen zu, wie er vor dem Auto stand und vor sich hinblickte. Es ist hell. Für einen Augenblick setzte mir der Atem aus. Rechts und links Kohlfelder. Plattes Land, von endlosem Himmel umrahmt. Und ein nebeliger Schleier, der alles umhüllte. Ich zog mir meine Jacke über, während ich vor Freude zitterte. Oh Gott, ist das geil. Ich stieg aus dem Taxi und sog die eiskalte, salzige Meeresluft ein. Dann sah ich zu Sebastian. Wie er da stand, die kinnlangen, braunen Haare zerzaust, in einer knallengen Jeans, die verdammt sexy war. Er schaute zu mir hinüber und strahlte. „Wir sind angekommen, Anna-Lena.“ Dann ging er ein paar Schritte auf mich zu und nahm meine Hände in seine. Er. Mag. Mich. „Wie wär´s mit einer Toten Tante und einer Friesentorte?“ Seine smaragdgrünen Augen lachten. „Das wollte ich schon immer mal ausprobieren“, zwinkerte ich ihm zu.