Halbstark und Stolz
Halbstark und Stolz
Meine Schuhe sind Doc Martens, so richtig große mit 12 Loch und Stahlkappe. Die Schuhbänder natürlich weiß, und nicht überkreuz geschnürt. Fred Perry Polohemd und Harrington Jacke sind für mich Pflicht. Ob ich ein Nazi bin? Nein natürlich nicht, ich bin Skinhead und stolz darauf!
Mit 18 rasierte ich mir das erste mal den Schädel, damals hatte ich nicht viel Ahnung von der Szene oder dem way of life. Ich wuchs im Umfeld eines Fußballvereins auf, dort gehörte Skinheads und Punks zum normalen Erscheinungsbild. Der Verein ist für seine Besonderheit weltweit bekannt, und ich war seit meiner frühsten Kindheit fast jedes Wochenende dort. Faschisten oder Rassisten gab es dort fast nie, und sie prägten zur keiner Zeit das Erscheinungsbild des Vereins. Das auftreten des Skinheads war es, was mich davon überzeugt hatte dem Kult beizutreten, prollig, meistens recht arrogant und nicht selten brutal. Nach einem Heimspiel war ich noch in unserer Stammkneipe, wir hatte gewonnen und der Alkoholkonsum hatte jede Grenze überschritten. Ich war noch nicht betrunken aber gut angetrunken und konnte schon den ganzen Abend meine Augen nicht von einer Punkerin lassen, sie war schwarz und hatte lange dreadlogs, doch was Frauen anging, so war mein sonst sehr stark ausgeprägtes Selbstbewusstsein nur noch geringfügig vorhanden.
Doch das Wunder geschah, Sie sprach mich an, bot mir ihr Bier an, und kurze Zeit danach Küssten wir uns und suchten das heimische Bett auf. Am Tag darauf erwachte ich mit einem ziemlichen Kater und Stiefeln, die ich wohl vergessen hatte auszuziehen. Als ich mich um blickte, stellte ich fest, das ich neben dem Bett lag und die Punkerin in meinem Bett lag. Ich ging in die Küche und holte mir ein Bier aus meinem Kühlschrank, meine Mitbewohnerin schaute mich ziemlich angewidert an, doch das war mir egal. Es war der dritte Februar und ich erinnerte mich, das unsere zweite Mannschaft heute ein Spiel gegen die verhassten Blauen hatte. Ich zog mir meine Turnschuhe an, suchte meine Fred Perry Trainingsjacke und mein Lonsdale T-Shirt raus. Ich legte nie sehr viel Wert auf die so genannte Szenekleidung. Meistens zog ich eh Sportkleidung vor, die Skinheadszene geht bis hin in die Hooliganszene. Ich bewegte mich meistens zwischen den beiden, doch in meinen Herzen war ich immer Skinhead. Außerdem waren schwere Jacken oder Stiefel nur hinderlich wenn man sich prügelte. Als sich meine S-Bahn dem verabredeten Treffpunkt näherte, stieg mein Adrenalinpegel langsam aber sicher in die Höhe, es war noch ein weiter Fußmarsch bis zum Stadion und reichlich Gelegenheiten auf den Gegner zu treffen. Wir waren ca. 15 Leute, fast alle mit Sandhandschuhen und Sturmmaske dabei. Als ich meine Handschuhe anzog durch fuhr meine Rechte Hand ein brennender Schmerz, und ich erinnerte mich an meine aufgeschlagenen Fingerknöchel von der letzten Schlägerei. Sascha haute mir freundschaftlich auf die Schulter, in seinen Augen sah ich die gleiche Abgespanntheit und Vorfreude auf eine Schlägerei wie ich sie verspürte. Unser Trupp war der Polizei nicht entgangen und so war es auch klar das die Zivis in weitem Abstand, aber dennoch hinter uns waren. Es dauerte nicht lang und bis es los ging, der Bus der Gegnerischen Fans stand nicht weit von der Haltestelle wo wir losgegangen waren, wir zerstachen die Reifen und die Windschutzscheibe zerbrach nachdem einige Steine ihren Weg gefunden hatten. Jetzt war klar das es nicht mehr lange dauern würde bis die Polizei mit ihrer Gnüppelgarde eintreffen würde. Es ging im Laufschritt weiter bis aus einer Seitenstraße einige Flaschen auf uns ein flogen, ein Mob von ca. 20 Blauen stand dort und schrie uns entgegen. „ Ey ihr Wichser! Kommt doch her wenn ihr was wollt!“ Wir zeigten ihnen akustisch Laut was wir von ihnen hielten und schon flogen die Flaschen hin und her, während man aufeinander zu rannte. Ich erwischte den ersten von ihnen mit einem Schlag ins Gesicht der ihn umwarf. Das Adrenalin hatte sämtliche logischen Gedanken, wie sich selbst zu schützen völlig in den Hintergrund rücken lassen. Auf einmal packte mich jemand von hinten und ich landete mit dem Gesicht auf dem Asphalt. Die Polizei hatte unsere aufeinander treffen mitbekommen und machte dem Spaß schnell ein ende. Die angerückte Polizei war jedoch so überfordert das der Polizist mich wieder los lies und ich wieder aufstehen konnte.
Die Polizei hatte nun einen Kessel um die Blauen gebildet, die daraufhin eine Schlägerei mit der Polizei anfingen. Wir machten uns auf dem Weg zum Stadion, natürlich nicht ohne Lauthals über die Blauen her zuziehen. Mein Gesicht schmerzte ziemlich stark, doch störte es mich nicht sonderlich. Die Ordner versuchten nicht mal uns zu durchsuchen und wichen auch gleich aus als wir uns den Eingangstoren näherten. Eins war klar, es gab bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine Festnahmen, und die Chance auf die Blauen nach dem Spiel zu treffen sehr groß. Denn die würden es sich bestimmt nicht nehmen lassen uns wieder anzugreifen. Der Spaß ging schon während des Spiels weiter, die Blauen waren so sauer, dass sie nun versuchten unsere Kurve zu stürmen, wo dran sie aber die Polizei und einige Ordner hinderten. Wir verpönten sie abermals lauthals. Nach einiger Zeit Gaben sie es auf und wartenden wie wir bis das Spiel zu ende war. Wir gewannen zwei zu Null und zogen laut singend aus dem Stadion Richtung S-Bahn, unser Mob war inzwischen auf ca. 40 Mann angewachsen und wir hofften inständig das die Blauen noch einmal ihr Glück versuchen würden. Doch bis auf einige Beleidigungen und Flaschenwürfe aus vorbeifahrenden Autos geschah nichts. Wir hatten gewonnen, das Spiel und die dritte Halbzeit.