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  • Die Deadline für die aktuelle Challenge Schmeiß die Oma vom Balkon naht. Veröffentlicht eure Geschichten bis Mittwoch Mitternacht!

Hackordnung

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08.01.2024
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Hackordnung

Als ich um kurz vor acht zur Baustelle kam, standen sie schon da. Zwei große Kerle Ende zwanzig. Einer mit zu viel auf den Rippen, der andere mit rasierten Seiten und Zöpfchen am Hinterkopf.
Ich stieg aus und grüßte: „Morgen!“
Der mit der eigenwilligen Frisur kam näher, streckte mir die Hand entgegen: „Karol!“
Ich schlug ein: „Heinrich!“
„Maxi“, sagte der andere ohne mir die Hand zu reichen.
„Habt ihr den Plan bekommen?“, fragte ich und nickte in Richtung des gefalteten Papiers in Maxis Hand.
„Sieht so aus“, antwortete er in einem Ton, der mir missfiel.
Er begann den Plan zu entfalten, aber ich winkte ab: „Passt schon, wollte nur wissen, ob ihr ihn bekommen habt.“
„Ja, klar“, warf Karol ein, „achtzehn Paneele hier auf der Ostseite und zwölf hinten.“
„Genau“, sagte ich, „aber auf der Westseite rücken wir raus bis zum Ortgang, wegen der Verschattung durch den Kamin.“
Karol folgte mir um den Rohbau nach hinten. Ich zeigte nach oben und er nickte.
Maxi blieb stehen, drehte sich eine Kippe und rauchte.

Auf halbem Weg zurück rief ich nach ihm: „Maxi!“
Schwerfällig kam er zu uns.
„Das Gerüst auf den Giebelseiten kommt heut noch weg“, begann ich. „Die streichen noch und bauen dann ab.“
Beide sahen nach oben.
„Wie gesagt, mir müssen raus bis zur Dachkante, wenn das ein Problem ist, müssen wir selber was stellen.“
„Nö“, meinte Karol, „passt schon! Haben wir schon schlimmer gehabt, was?“ Er grinste und stieß Maxi mit dem Ellbogen in die Seite.
„Lass den Scheiß!“, fauchte der und Karol zupfte an seiner Jacke und lachte: „Was los, Dickerchen? Schlecht geschlafen?“
„Ach, fick dich!“, zischte Maxi, wandte sich ab und ging zum Transporter, mit dem ich gekommen war.
„Passt das für dich?“, rief ich ihm nach.
„Bestens! Kein Problem!“, kam es zurück.
„Was ist denn mit dem?“, wollte ich von Karol wissen.
„Ah“, machte er und winkte ab. „Der passt, der macht sein Zeug schon!“
„Na, dann“, sagte ich und wir gingen ebenfalls zurück.

„Ich bin mal so frei und sag an!“, meinte ich und zog die Schiebetür auf. „Karol und ich zeichnen an, und du bringst schon mal Werkzeug und Material hoch!“
„Okay“, kam es von Karol. Maxi lehnte gegen die Beifahrertür und schnippte die aufgerauchte Zigarette weg; kommentarlos griff er sich zwei Maschinenkoffer.

Mit Kreide und Maßband stiegen wir über das Gerüst aufs Satteldach. Wie sich herausstellte, war Karol Pole und Maxi sein Schwager.
Wir vermaßen die Dachfläche und markierten die Ziegel, die bearbeitet werden mussten. Maxi legte alles bereit und steckte die Ersatzakkus am Baustromkasten an.
„Wer flext und wer mit Haken montiert, könnt ihr unter euch ausmachen“, sagte ich und schnitt mit dem Cuttermesser den ersten Karton auf.
„Schnick, Schnack, Schnuck?“, fragte Karol an Maxi gewandt und hob die rechte Faust vor den Körper.
„Ich flex“, meinte Maxi und machte sich sogleich daran, die Trennscheibe vom Winkelschleifer zu wechseln.

Zwanzig Minuten lang arbeiteten wir ohne groß zu quatschen.
„Wo kommst du her?“, fragte ich Karol irgendwann; nicht weil es mich interessierte, einfach um die Zeit zu verkürzen.
„Gdynia“, antwortete er, „gleich bei Danzig.“
„Und warum bist du jetzt hier?“
„Maxis Schwester!“ Er grinste.
Ich sah zu Maxi runter. In einem Nebel aus Staub und Zigarettenrauch schnitt er Ziegel auf dem Gerüst.
„Wieso ist der so scheiße drauf?“, wollte ich von Karol wissen und er meinte: „Keine Ahnung.“
„Maxi!“, rief er nach unten, „warum bist du so scheiße?“ Karol lachte und sah mich an. Ich schnaubte, schüttelte den Kopf und arbeitete weiter.
„Wie alt bist du?“, wollte Karol dann wissen.
„Fünfundfünfzig.“
„Bist du verheiratet? Kinder?“
„Ja, mein Sohn –“
„Fuck!“, schrie Maxi, dann verklang das Kreischen des Winkelschleifers.
„Was ist los?“, rief ich nach unten und klemmte den Schlagschrauber hinter die Dachlatte vor mir. Karol machte sich sogleich auf den Weg, lief trittsicher über die Pfannen und sprang über die Dachrinne auf den Gerüstboden.
„Lass sehen!“ Mit beiden Händen griff er nach Maxis Kopf.
„Nimm deine Griffel weg!“, keifte der und schlug Karols Hände beiseite. Mit dem Handballen rieb er übers linke Auge.
„Nicht reiben!“, sagte Karol.
Maxi drehte ihm den Rücken zu und nuschelte irgendwas von wegen: „Lass mich in Ruh, ich brauch deine Hilfe nicht!“
„Alles okay?“, erkundigte ich mich von oben.
„Ja“, antwortete Maxi und streckte den erhobenen Daumen über den Kopf.
„Da is ne Schutzbrille im Koffer“, sagte ich, „die könnte man aufsetzen!“
Maxi blinzelte missmutig nach oben und kramte sie heraus.
„Gib her!“, befahl Karol und riss ihm die Brille aus der Hand. „Ich mach hier weiter!“
Maxi starrte ihn an und streckte die offene Hand aus.
„Du bist so ein sturer Sack!“, zischte Karol und gab sie ihm zurück.
Maxi wandte sich um und stellte den Winkelschleifer wieder an.

Gegen zehn stapelten die Maler unter uns Farbeimer neben dem Gerüst. „Hey!“, rief einer von ihnen, „Dreck nicht gut!“
„Wo fangt ihr an?“, fragte ich ihn, und bedeutete Maxi, mit dem Flexen aufzuhören.
„Dreck!“, wiederholte er und deutete mit einer Kelle auf die Staubwolke, die der Wind ums Haus trieb.
„Wo?“, fragte ich noch einmal und zeigte zuerst zur südlich gelegenen Giebelseite und dann nach Norden.
„Alles!“, kam es zurück und ich gab auf.
Karol lachte und stieg vom Dach. Auf dem Gerüst angekommen beugte er sich darüber und sprach mit dem Mann. Ich verstand kein Wort.
Nach kurzem kehrte er zurück.
„Die müssen erst noch abkleben und fangen dann auf der Nordseite mit dem Streichen an. Wenn der Wind so bleibt, kann Maxi vorerst da stehen bleiben.“
Es ärgerte mich, dass er mich hat auflaufen lassen; zudem fühlte ich mich übergangen.
„Maxi, Maxi!“, rief er nach unten, „flexi, flexi!“
Maxi starrte ihn an und setzte sich ruckartig in Bewegung. Er kam das Dach heraufgestürmt und baute sich vor Karol auf. Der wich zurück und geriet dadurch verdammt nahe ans Dachende.
Maxi stieß ihm den Zeigefinger vors Gesicht: „Ich frag das nur ein Mal! Warst du Samstag Nacht bei Katrin?“
„Leute“, mischte ich mich ein, „kommt da weg!“ Ich drehte mich zu ihnen und geriet außer Balance. Zwar fing ich mich, aber mir entglitt der schwere Schlagschrauber. Das Ding schepperte über die Ziegel und verschwand hinter der Dachkante.

Danach erinnere ich nicht mehr viel. Die beiden stürmten sogleich nach unten und ich setzte mich auf eine Dachlatte. Ich hörte die Schreie des Malers, das Durcheinander der fremden Worte, und blieb einfach sitzen.
Auf dem Rohbau gegenüber saß eine Krähe neben dem dürren Gestrüpp auf der Firstpfette. Eine Kralle fixierte die Überreste eines Nagers, der Schnabel riss ihm die Eingeweide raus.

 
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Hallo @Sammis,

nachdem ich deinen Text hineingelinst hatte, war ich neugierig geworden, denn ich konnte mir den Gedanken nicht verkneifen: Man könnte meinen, hier hat er sich von meinem Challenge-Text "Aasfresser" inspirieren lassen. Was nicht schlecht ist. Im Gegenteil! Wenn es so sein sollte – und auch, wenn nicht – interessiert mich natürlich, wie andere Autoren mit ähnlichen Stoffen und Themen umgehen. Hier also mein Kommentar.

Ich kommentiert beim ersten Lesen:

Als ich um kurz vor acht zur Baustelle kam, standen sie schon da. Zwei große Kerle Ende zwanzig. Einer mit zu viel auf den Rippen, der andere mit rasierten Seiten und Zöpfchen am Hinterkopf.

Der Einstieg gefällt mir.

„Die sind okay“, meinte mein Chef; wird schon passen.

Würde ich streichen. – Alternative, wenn es wichtig ist: So ausweiten, dass eine Sub-Szene im Auto/Laster draus wird. In der jetzigen Form checkt man nicht, was Sache ist.

Ich stieg aus und grüßte: „Morgen!“
„Morgen!“, sagten sie im Chor. Der mit der eigenwilligen Frisur kam näher, streckte mir die Hand entgegen: „Karol!“

Da ich mich in letzter Zeit mit Dialogen beschäftige, kann ich vielleicht den Tipp geben, dass man weglassen muss, was nicht unbedingt notwendig oder gewitzt ist. Sonst verschleppt man den Dialog. Ich glaube, hier ist die Kunst zu wissen, wie viel Eigenleistung man dem Leser zutrauen kann. Im Zweifel ist es – so meine Erkenntnis – meisten mehr, als man zunächst meint.

Hier ist es im Grunde egal, ob sie den Gruß erwidern, denn direkt im Anschluss zeigst du ja szenisch, dass der eine zugänglich und freundlich ist, der andere nicht. Das "Morgen!" fügt dieser Differenzierung nichts hinzu, im Gegenteil: Sie verwässert eher.

Ich ergriff sie: „Heinrich!“

Das klingt einen Tick dramatisch. "Er rutschte über die Klippe und ich ergriff im letzten Moment seine Hand" ;-) Vielleicht eher: Ich schlug ein.

„Maxi“, sagte der andere ohne mir die Hand zu reichen, was mir nur recht war.

Das ist nicht selbsterklärend, finde ich. Wenn du den Erzähler/Protagonisten als missmutigen Typen, der seine Ruhe haben will, zeichnen willst, kann das ein Hinweis auf seinen Charakter sein. Aber es geht ja eher so weiter, dass er den einen Typen für seine Manieren und seine unzugängliche Art kritisiert. Das ist nicht ganz konsistent. Würde es also streichen.

„Habt ihr den Plan bekommen?“, fragte ich und nickte in Richtung des gefalteten Papiers in Maxis Hand.

Maxi wurde noch nicht als Name eingeführt. Das ist verwirrend. Lernt er die beiden gerade kennen oder kennt er sie schon? Ich glaube, Ersteres, also muss irgendwie eine Vorstellung oder Einführung rein.

„Ja“, antwortete er in einem Ton, der mir missfiel. Was glaubst du, was das hier sonst sein soll?

Meiner Meinung nach solltest du eher den Ton beschreiben und das Missfallen als Interpretation dem Leser überlassen.

Der kursive Satz ist für mich ein Bruch: Einmal ganz formal – sonst ist nichts kursiv. Dann zeitlich: Warum ist er plötzlich im Präsens unterwegs? Und auch noch mal formal: Wenn ich das beim Überfliegen korrekt sehe, ist das das einzige innere Gespräch des Erzählers.

Er begann den Plan zu entfalten, aber ich winkte ab: „Passt schon, wollte nur wissen, ob ihr ihn bekommen habt.“

Passt hier besser, weil er das Abwinken dem Entfalten als Negation entgegenstellt.

Ja, klar“, warf Karol ein, „achtzehn Paneele hier auf Ostseite und zwölf hinten.“
Ja“, sagte ich, „aber auf der Westseite rücken wir raus bis zum Ortgang, wegen der Verschattung durch den Kamin.“
„Okay“, meinte Karol, „am Plan sind beide Seiten mittig.“
Ja, ursprünglich sollte der Kamin am First sitzen, ist jetzt aber vier Ziegelreihen weiter unten.“
Karol folgte mir um den Rohbau zur Westseite. Ich zeigte nach oben und er nickte. Maxi verlor zu all dem kein Wort. Er drehte sich eine Kippe und rauchte.

Könnte meinem Empfinden nach gestrafft werden. Es ist einen Tick zu detailliert. Du kannst etwas schneller klarmachen, dass die beiden fachsimpeln und der andere sich raushält.

Übrigens fällt mir hier auf, dass Maxi der hellere Name ist und darum assoziativ vielleicht besser zum Proaktiven passt, während das dunklere Karol besser zum Missmutigen passt. Maxi ist ja erstens eine Art Verniedlichung und kann zweitens auch noch ein Mädchenname sein – das würde ich nicht für den unzugänglichen und schwerfälligen "Bösewicht" wählen. "Maxi" ist offen und zugänglich, man spricht das aus wie nichts. Ka-rol hingegen ist sperriger und kratziger.

Gleichzeitig ist Karol auch irgendwie ernsthaft und weich im Ausklang, passt also schon auch zur aktuellen Figur. Darum vielleicht Maxi durch einen anderen Namen ersetzen. Vielleicht etwas Polnisches mit ungewöhnlicher Schreibweise und fremden Klang – nicht um seine Art auf seine Herkunft zu schieben, sondern um eine klangliche Barriere zur Figur zu schaffen. Piotr oder so was.

Nachtrag: Habe beim Weiterlesen erfahren, dass Maxi gar kein Pole ist – das mit dem Klang etc. stimmt aber trotzdem.

Auf halbem Weg zurück rief ich nach ihm: „Maxi!“
Schwerfällig kam er zu uns.
„Das Gerüst auf den Giebelseiten kommt heut noch weg“, begann ich. „Die haben gestern den Edelputz aufgezogen, streichen heut Nachmittag und bauen dann ab.“
Beide sahen nach oben.
„Wie gesagt, mir müssen raus bis zum Ortgang, wenn das ein Problem ist, müssen wir selber was stellen.“
„Nö“, meinte Karol, „passt schon! Haben wir schon schlimmer gehabt, was?“ Er grinste und stieß Maxi mit dem Ellbogen in die Seite.
„Lass den Scheiß!“, fauchte der und Karol zupfte an seiner Jacke und lachte: „Was los, Dickerchen? Schlecht geschlafen?“
„Ach, fick dich!“, zischte Maxi, wandte sich ab und ging in Richtung der Autos.
„Passt das für dich?“, rief ich ihm nach.
„Bestens! Kein Problem!“, kam es zurück.
„Was ist denn mit dem?“, wollte ich von Karol wissen.
„Ah“, machte er und winkte ab. „Der passt, der macht sein Zeug schon!“
„Na, dann“, sagte ich und ging zum Transporter, mit dem ich gekommen war. „Ich bin mal so frei und sag an!“, meinte ich und zog die Schiebetür auf. „Karol und ich zeichnen an, und du bringst schon mal Werkzeug und Material hoch!“
„Okay“, kam es von Karol, Maxi schnippte die aufgerauchte Zigarette weg und griff sich kommentarlos zwei Maschinenkoffer.

Wie schon erwähnt, das Kommen mit dem Transporter sollte besser am Anfang schon klar gemacht sein.

Ich persönlich bin an der Stelle etwas aus der Handlung geflogen, denn Maxi geht erst theatralisch weg – und schwups stehen alle drei doch wieder zusammen. Auch dass Karol dann mit beim Transporter steht, obwohl nur der Erzähler dahin geht, ist erst mal seltsam.

Du müsstest klarer machen, auf welchem Raum sich das alles abspielt und wie die Positionierungen genau sind. Vielleicht hier etwas Beschreibung der Baustelle mitsamt Atmosphäre einflechten – beispielsweise (natürlich aus der Luft gegriffen):

„Ach, fick dich!“, zischte Maxi, wandte sich ab und ging in Richtung der Autos.
„Passt das für dich?“, rief ich ihm nach.
„Bestens! Kein Problem!“, kam es zurück.
„Was ist denn mit dem?“, wollte ich von Karol wissen.
„Ah“, machte er und winkte ab. „Der passt, der macht sein Zeug schon!“
„Na, dann“, sagte ich und ging zum Transporter, mit dem ich gekommen war.
Die Baustelle lag in einem Neubaugebiet mit Einfamilienhäusern, die ... Es war noch nichts gepflastert und der Mutterboden war vom Regen der letzten Tage matschig geworden. Die verschiedenen Gewerke hatten nicht nur überall ihr Werkzeug und ihre Maschinen verteilt, sondern auch ihre Abfälle hinterlassen. Es lagen leere Zementsäcke herum, Kellen mit festgebackenem Mörtel, solche Dinge, die alle erst verschwinden würden, wenn die Schlüsselübergabe kurz bevorstand.
„Ich bin mal so frei und sag an!“, meinte ich und zog die Schiebetür auf. „Karol und ich zeichnen an, und du bringst schon mal Werkzeug und Material hoch!“
„Okay“, rief Karol. Maxi, der an der Motorhaube lehnte, schnippte die aufgerauchte Zigarette weg und griff sich kommentarlos zwei Maschinenkoffer.

Mit Kreide und Maßband stiegen wir über das Gerüst aufs Satteldach. Wie sich herausstellte, war Karol Pole und Maxi sein Schwager. [Kein Zeilenwechsel]
Routiniert [Wir] vermaßen wir die Dachfläche und markierten die Ziegel, die bearbeitet werden mussten. Maxi legte alles bereit und steckte am Baustromkasten die Ersatzakkus an; wenigstens dachte er mit.
„Wer flext und wer mit Haken montiert, könnt ihr unter euch ausmachen“, sagte ich und schnitt mit dem Cuttermesser die ersten Kartons auf. Das gab oft Stress, keiner war scharf drauf, Ziegelstaub zu fressen.

Der letzte Satz ist nur für den Leser geschrieben. Entweder streichen oder szenisch einbauen, würde ich sagen.

„Schnick, Schnack, Schnuck?“, fragte Karol an Maxi gewandt und hob die rechte Faust vor den Körper.
„Ich flex“, meinte Maxi und machte sich sogleich daran, die Trennscheibe vom Winkelschleifer zu wechseln. Zwanzig Minuten lang arbeiteten wir ohne groß zu quatschen. Die beiden wussten, was sie taten – das war schon mal gut!
„Wo kommst du her?“, fragte ich Karol. Nicht weil es mich interessierte, einfach um die Zeit zu verkürzen.
„Gdynia“, antwortete er, „gleich bei Danzig.“
„Und warum bist du jetzt hier?“
„Maxis Schwester“, antwortete er und grinste.

Das mit dem Nicht-Interessieren macht den Erzähler unnötig unsympathisch. So wie oben das "War mir nur recht." – Sehe den Gewinn von dieser Taktik nicht.

Die Stelle selbst geht mir zu schnell und ich finde sie ein wenig gewollt. Ein Pole, der in Deutschland im Handwerk oder auf dem Bau arbeitet, ist ja eine Normalität, sodass man doch für sich denken würde: Ist ja klar, warum der hier ist – besseres Geld. Fände es eleganter, wenn der Erzähler das im Gespräch voraussetzt und dann eines Besseren belehrt wird. Ungefähr so:

„Wo in Polen kommst du her?“, fragte ich Karol.
„Gdynia“, antwortete er, „gleich bei Danzig.“
„Viele Polen auf dem Bau.“
„Ja.“
„Willst du später zurück?“
„Ist schwer.“
„Warum?“
„Seine Schwester“ Er nickte in Richtung Maxi und grinste.
„Verstehe!" Ich grinste auch.

Ich sah zu Maxi runter. In einem Nebel aus Staub und Zigarettenrauch schnitt er Ziegel auf dem Gerüst.
„Wieso ist der so scheiße drauf?“, wollte ich von Karol wissen und er meinte: „Keine Ahnung.“ Was für mich nach einer Lüge klang.
„Maxi!“, rief er nach unten, „warum bist du so scheiße?“ Karol lachte und sah mich an. Ich schnaubte, schüttelte den Kopf und arbeitete weiter.
„Wie alt bist du?“, wollte Karol dann wissen.
„Fünfundfünfzig.“
„Bist du verheiratet? Kinder?“
„Ja, mein Sohn –“

Unser Gespräch plätscherte noch ein wenig vor sich, dann ebbte es wieder ab und wir arbeiteten wie zuvor schweigend weiter. Ich bohrte mit der Makita die Löcher in die Aluminiumplatten, Karol rückte mir nach und setzte die Haken ein. Plötzlich ertönte ein lauter Schrei und das Kreischen des Winkelschleifers verklang.
„Was ist los?“, rief ich nach unten und klemmte den Schlagschrauber hinter die Dachlatte vor mir. Karol hingegen sprang sofort auf. Er lief trittsicher über die Pfannen und schwang sich dann über die Dachrinne auf den Gerüstboden. [Zeilenwechsel]
„Lass sehen!“ Er griff mit beiden Händen nach Maxis Kopf.
„Nimm deine Griffel weg!“, keifte der und schlug Karols Hände beiseite. Mit dem Handballen rieb er übers linke Lid, offenbar hatte er etwas ins Auge bekommen.
„Nicht reiben!“, sagte Karol und streckte schon wieder die Hände nach ihm aus. [Zeilenwechsel]
Maxi drehte ihm den Rücken zu und nuschelte irgendwas von wegen: „Lass mich in Ruh, ich brauch deine Hilfe nicht!“
„Alles okay?“, erkundigte ich mich von oben.
„Ja“, antwortete Maxi und streckte den erhobenen Daumen über den Kopf.
„Da is ne Schutzbrille im Koffer“, sagte ich, „die könnte man aufsetzen.“
Maxi blinzelte missmutig nach oben und kramte sie heraus.
„Gib her!“, sagte Karol und riss ihm die Brille aus der Hand. „Ich mach hier weiter!“
Maxi starrte ihn an und streckte die offene Hand aus.
„Du bist so ein sturer Sack!“, zischte Karol und gab sie ihm zurück. Maxi wandte sich um und stellte den Winkelschleifer wieder an.


Den Dialog könntest du raffen bzw. streichen, finde ich. Es plätschert etwas zu sehr dahin, ist nur Smalltalk.

Dann der dramatische Moment. Der reiht sich aktuell einfach an die Ereignisse an, das ist irgendwie rein chronologisch erzählt, ohne Moderation, die das Wesentliche an der Situation herauskehrt. Es mag vielleicht in der Realität so ablaufen, aber das liest sich dann belanglos und auch irgendwie zu verknappt: Sie reden über Maxi, involvieren ihn, dann fallen noch ein paar Sätze und dann passiert Maxi etwas.

Ich habe oben mal versucht, ein Beispiel zu geben, wie du das mehr erzählerisch moderieren kannst, sodass vielleicht ein gewisses Überraschungsmoment entsteht. Manchmal ist der Weg dann doch anders herum: Erzählen, weil das Zeigen zu langatmig wird ;-)

[Absatz]
Gegen zehn stapelten die Maler unter uns Farbeimer neben dem Gerüst. [Zeilenwechsel]
„Hey!“, rief einer von ihnen, „Dreck nicht gut!“
„Wo fangt ihr an?“, fragte ich ihn, und bedeutete Maxi, mit dem Flexen aufzuhören.
„Dreck!“, wiederholte er und deutete mit einer Kelle auf die Staubwolke, die der Wind ums Haus trieb.
„Wo?“, fragte ich noch einmal und zeigte zuerst zur südlich gelegenen Giebelseite und dann nach Norden.
„Alles!“, kam es zurück und ich gab auf.
Karol lachte und stieg vom Dach. Auf dem Gerüst angekommen, beugte er sich darüber und sprach mit dem Mann. Ob auf Polnisch oder in einer anderen slawischen Sprache? Ich verstand kein Wort.
Nach kurzem kehrte er zurück. [Zeilenwechsel]
„Die müssen erst noch abkleben und fangen dann auf der Nordseite mit dem Streichen an. Wenn der Wind so bleibt, kann Maxi vorerst da stehen bleiben.“
Es ärgerte mich, dass er mich hat auflaufen lassen; zudem fühlte ich mich übergangen.
„Maxi, Maxi!“, rief er nach unten, „flexi, flexi!“
Maxi starrte ihn an und setzte sich ruckartig in Bewegung. Er kam das Dach heraufgestürmt und baute sich vor Karol auf. Der wich einen Schritt zurück und geriet dadurch verdammt nahe ans Dachende. Maxi stieß ihm den Zeigefinger vors Gesicht: „Ich frag das nur ein Mal! Warst du Samstag Nacht bei Katrin?“
„Leute!“, mischte ich mich ein. Ich wollte schlichtend eingreifen und geriet außer Balance. Ich fing mich, aber mir entglitt der schwere Schlagschrauber. Das Ding schepperte über die Ziegel und verschwand hinter der Dachkante. Danach erinnere ich nicht mehr viel
. Die beiden stürmten nach unten und ich setzte mich auf eine Dachlatte. Ich hörte das Geschrei, die fremden Worte und blieb einfach sitzen.
Auf dem Rohbau gegenüber saß eine Krähe neben dem dürren Gestrüpp auf der Firstpfette. Eine Kralle fixierte die Überreste eines Nagers, der Schnabel riss ihm die Eingeweide raus.

Erfolgt die Orientierung auf dem Bau wirklich mit Himmelsrichtungen? Scheint mir ein ungewöhnlicher Ansatz. Eher doch "Vorderseite", "Hinterseite", "Stirnseite" etc.

Das mit dem Auflaufenlassen ist irgendwie für die Story irrelevant. Der Erzähler erzählt ja im Grunde nicht von sich.

Der Höhepunkt und Schlüsselmoment der Story kommt kurz vor Schluss. Ich finde, du handelst das zu schnell und etwas inkonsistent ab:

Der Erzähler wundert sich selbst über die abweisende Art von Maxi und ahnt, dass da etwas im Busch ist. Er ist neugierig und versucht sogar in Erfahrung zu bringen, was los ist. Dann steht die Auflösung kurz bevor und er greift sofort ein? – Er will doch selbst wissen, worum es geht.

Außerdem ist meine Erfahrung, dass die Reaktionen sich in solchen Momenten nach der Tragweite richten. Würden die beiden wieder anfangen, darüber zu diskutieren, wer flext, wäre es stimmig, wenn der Erzähler sofort eingreift. Aber der Konflikt ist offensichtlich persönlich und groß. Da sagt man nicht beim ersten Wort, das fällt: "Leute!" Denn das ist auf eine Weise ja respektlos – Leute haben ein Recht auf Konflikt und so etwas Großes mit einem onkelnden "Leute!" im Keim ersticken zu wollen, ist eh aussichtslos.

Dann das Straucheln, der verloren gehende Akkuschrauber und die Gedächtnislücken – ich dachte, da kommt jetzt schon direkt der zweite Wendepunkt: Der Erzähler fällt vom Dach als Konsequenz des Konflikts. Ist dann aber nicht so. Stattdessen ist gar nichts: Dass es hier mitten im Kern der Story um ihn geht, ist völlig belanglos, ja geradezu störend.

Am Ende schaffst du noch die Parallele mit der Krähe. Prinzipiell eine gute Idee, in diesem Fall aber zu gewollt. Du fügst an diesen Konflikt der Figuren direkt diesen Konflikt in der Natur an, sodass dein Manöver allzu durchschaubar ist. Was soll der Leser denn hier für eine weitere Bedeutungsebene erreichen?

Außerdem passt für mich die Gegenüberstellung nicht so ganz: Die Krähe ist ihrem Opfer überlegen, steht in der Nahrungskette über ihm, Karol und Maxi sind auf Augenhöhe – und der Erzähler ist die fachliche Leitung der beiden, aber keine Autorität, also im Grunde auch auf Augenhöhe. Für mich ist das alles etwas schief, was auch den Titel miteinschließt. Ich sehe nicht, wie die Story das Thema "Nahrungskette" verhandelt – es geht doch um einen Konkurrenzkampf, also um eine "Hackordnung".

Soweit mal. Insgesamt mag ich an der Story das Setting und auch den anvisierten Stil. In Sachen Dramaturgie ist sie hingegen noch ausbaufähig. Ich finde, dass ist so ein klassischer @jimmysalaryman Stoff – oder anders gesagt: Der Text verfolgt einen realistisch-minimalistischen Ansatz, der im Grunde von zwei Dingen lebt: 1) Der sehr genauen, aber auch fein modillierten Beobachtung der Realität, 2) dem Subtext, aus dem sich erst der Kern des Konflikts sowie die höhere Bedeutungsebene ergibt. Heisst: Der Text muss alles sagen, ohne es zu sagen. Da ist er noch nicht.

Freundliche Grüße

HK

 
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Hallo @H. Kopper!

nachdem ich deinen Text hineingelinst hatte, war ich neugierig geworden, denn ich konnte mir den Gedanken nicht verkneifen: Man könnte meinen, hier hat er sich von meinem Challenge-Text "Aasfresser" inspirieren lassen.
Der Gedanke liegt natürlich nahe, kam mir auch schon, jedoch nicht zu Beginn, eher kurz vor Veröffentlichen des Textes. Wollte schlicht einmal wieder über etwas schreiben, wovon ich etwas verstehe. Aber gut möglich, dass mich deine Geschichte unterbewusst erst auf den Gedanken gebracht hat.

„Die sind okay“, meinte mein Chef; wird schon passen.
Würde ich streichen. – Alternative, wenn es wichtig ist: So ausweiten, dass eine Sub-Szene im Auto/Laster draus wird. In der jetzigen Form checkt man nicht, was Sache ist.
Stimme ich zu: So is es zu wage – wenns drin beleibt, muss es deutlicher werden.

Ich stieg aus und grüßte: „Morgen!“
„Morgen!“, sagten sie im Chor. Der mit der eigenwilligen Frisur kam näher, streckte mir die Hand entgegen: „Karol!“
Da ich mich in letzter Zeit mit Dialogen beschäftige, kann ich vielleicht den Tipp geben, dass man weglassen muss, was nicht unbedingt notwendig oder gewitzt ist. Sonst verschleppt man den Dialog. Ich glaube, hier ist die Kunst zu wissen, wie viel Eigenleistung man dem Leser zutrauen kann. Im Zweifel ist es – so meine Erkenntnis – meisten mehr, als man zunächst meint. Hier ist es im Grunde egal, ob sie den Gruß erwidern, denn direkt im Anschluss zeigst du ja szenisch, dass der eine zugänglich und freundlich ist, der andere nicht. Das "Morgen!" fügt dieser Differenzierung nichts hinzu, im Gegenteil: Sie verwässert eher.
Jep, kommt weg.

„Maxi“, sagte der andere ohne mir die Hand zu reichen, was mir nur recht war.
Das ist nicht selbsterklärend, finde ich. Wenn du den Erzähler/Protagonisten als missmutigen Typen, der seine Ruhe haben will, zeichnen willst, kann das ein Hinweis auf seinen Charakter sein. Aber es geht ja eher so weiter, dass er den einen Typen für seine Manieren und seine unzugängliche Art kritisiert. Das ist nicht ganz konsistent. Würde es also streichen.
Ist auch zu dünn, ja – ist eben die Gratwanderung, wann reicht es aus? Gibt im Text noch ein, zwei Stellen mehr, bei welchen ich eher zu knapp gewählt habe.

„Habt ihr den Plan bekommen?“, fragte ich und nickte in Richtung des gefalteten Papiers in Maxis Hand.
Maxi wurde noch nicht als Name eingeführt. Das ist verwirrend. Lernt er die beiden gerade kennen oder kennt er sie schon? Ich glaube, Ersteres, also muss irgendwie eine Vorstellung oder Einführung rein.
Doch, wurde er – ansonsten hättest du natürlich recht.
„Maxi“, sagte der andere ohne mir die Hand zu reichen, was mir nur recht war.

„Ja“, antwortete er in einem Ton, der mir missfiel. Was glaubst du, was das hier sonst sein soll?
Meiner Meinung nach solltest du eher den Ton beschreiben und das Missfallen als Interpretation dem Leser überlassen. Der kursive Satz ist für mich ein Bruch: Einmal ganz formal – sonst ist nichts kursiv. Dann zeitlich: Warum ist er plötzlich im Präsens unterwegs? Und auch noch mal formal: Wenn ich das beim Überfliegen korrekt sehe, ist das das einzige innere Gespräch des Erzählers.
Sind schon noch andere drin, oder? ... wird schon passen. Oder als er sich ärgert, übergangen fühlt. Aber klar, falls das drin bleibt (bin noch unschlüssig) sollte es einheitlich kursiv oder eben nicht sein. Und Zeit ist falsch ...

Ja, klar“, warf Karol ein, „achtzehn Paneele hier auf Ostseite und zwölf hinten.“
Ja“, sagte ich, „aber auf der Westseite rücken wir raus bis zum Ortgang, wegen der Verschattung durch den Kamin.“
„Okay“, meinte Karol, „am Plan sind beide Seiten mittig.“
Ja, ursprünglich sollte der Kamin am First sitzen, ist jetzt aber vier Ziegelreihen weiter unten.“
Karol folgte mir um den Rohbau zur Westseite. Ich zeigte nach oben und er nickte. Maxi verlor zu all dem kein Wort. Er drehte sich eine Kippe und rauchte.
Könnte meinem Empfinden nach gestrafft werden. Es ist einen Tick zu detailliert. Du kannst etwas schneller klarmachen, dass die beiden fachsimpeln und der andere sich raushält. Übrigens fällt mir hier auf, dass Maxi der hellere Name ist und darum assoziativ vielleicht besser zum Proaktiven passt, während das dunklere Karol besser zum Missmutigen passt. Maxi ist ja erstens eine Art Verniedlichung und kann zweitens auch noch ein Mädchenname sein – das würde ich nicht für den unzugänglichen und schwerfälligen "Bösewicht" wählen. "Maxi" ist offen und zugänglich, man spricht das aus wie nichts. Ka-rol hingegen ist sperriger und kratziger.
Ja, is für den kurzen Text viel Blabla – wollte damit den Moment verstärken, wenn der Alltag bricht. Aber ja, ich werde versuchen zu kürzen.
Und die Namen: Klingt schlüssig, wie du das aufdröselst – tu mir dennoch hart damit, weil das Ganze aus dem Leben gegriffen ist, samt Namen. Da muss ich erst noch professionellen Abstand finden.

Wie schon erwähnt, das Kommen mit dem Transporter sollte besser am Anfang schon klar gemacht sein. Ich persönlich bin an der Stelle etwas aus der Handlung geflogen, denn Maxi geht erst theatralisch weg – und schwups stehen alle drei doch wieder zusammen. Auch dass Karol dann mit beim Transporter steht, obwohl nur der Erzähler dahin geht, ist erst mal seltsam. Du müsstest klarer machen, auf welchem Raum sich das alles abspielt und wie die Positionierungen genau sind. Vielleicht hier etwas Beschreibung der Baustelle mitsamt Atmosphäre einflechten
Ja, das dachte ich mir beim Schreiben/Überarbeiten auch schon: Komme ich ohne große Beschreibung der Örtlichkeit aus? Wollte auf Reaktionen diesbezüglich warten – schon die erste spricht dagegen.

Mit Kreide und Maßband stiegen wir über das Gerüst aufs Satteldach. Wie sich herausstellte, war Karol Pole und Maxi sein Schwager. [Kein Zeilenwechsel]
Routiniert [Wir] vermaßen wir die Dachfläche und markierten die Ziegel, die bearbeitet werden mussten. Maxi legte alles bereit und steckte am Baustromkasten die Ersatzakkus an; wenigstens dachte er mit.
„Wer flext und wer mit Haken montiert, könnt ihr unter euch ausmachen“, sagte ich und schnitt mit dem Cuttermesser die ersten Kartons auf. Das gab oft Stress, keiner war scharf drauf, Ziegelstaub zu fressen.
Der letzte Satz ist nur für den Leser geschrieben. Entweder streichen oder szenisch einbauen, würde ich sagen.
Den zähle ich ebenso zum inneren Monolog – daher sollte er, falls er bestehen bleibt, kursiv stehen.

Das mit dem Nicht-Interessieren macht den Erzähler unnötig unsympathisch. So wie oben das "War mir nur recht." – Sehe den Gewinn von dieser Taktik nicht. Die Stelle selbst geht mir zu schnell und ich finde sie ein wenig gewollt. Ein Pole, der in Deutschland im Handwerk oder auf dem Bau arbeitet, ist ja eine Normalität, sodass man doch für sich denken würde: Ist ja klar, warum der hier ist – besseres Geld. Fände es eleganter, wenn der Erzähler das im Gespräch voraussetzt und dann eines Besseren belehrt wird. Ungefähr so: „Wo in Polen kommst du her?“, fragte ich Karol.
„Gdynia“, antwortete er, „gleich bei Danzig.“
„Viele Polen auf dem Bau.“
„Ja.“
„Willst du später zurück?“
„Ist schwer.“
„Warum?“
„Seine Schwester“ Er nickte in Richtung Maxi und grinste.
„Verstehe!" Ich grinste auch.
Dass der Erzähler nicht im besten Licht steht, hat schon nen Hintergrund – komme ich noch dazu ...
Und ja, das ist zu dünn, da darf ruhig etwas mehr gequatscht werden.

Ich sah zu Maxi runter. In einem Nebel aus Staub und Zigarettenrauch schnitt er Ziegel auf dem Gerüst.
„Wieso ist der so scheiße drauf?“, wollte ich von Karol wissen und er meinte: „Keine Ahnung.“ Was für mich nach einer Lüge klang.
„Maxi!“, rief er nach unten, „warum bist du so scheiße?“ Karol lachte und sah mich an. Ich schnaubte, schüttelte den Kopf und arbeitete weiter.
„Wie alt bist du?“, wollte Karol dann wissen.
„Fünfundfünfzig.“
„Bist du verheiratet? Kinder?“
„Ja, mein Sohn –“
Unser Gespräch plätscherte noch ein wenig vor sich, dann ebbte es wieder ab und wir arbeiteten wie zuvor schweigend weiter. Ich bohrte mit der Makita die Löcher in die Aluminiumplatten, Karol rückte mir nach und setzte die Haken ein. Plötzlich ertönte ein lauter Schrei und das Kreischen des Winkelschleifers verklang.
„Was ist los?“, rief ich nach unten und klemmte den Schlagschrauber hinter die Dachlatte vor mir. Karol hingegen sprang sofort auf. Er lief trittsicher über die Pfannen und schwang sich dann über die Dachrinne auf den Gerüstboden. [Zeilenwechsel]
„Lass sehen!“ Er griff mit beiden Händen nach Maxis Kopf.
„Nimm deine Griffel weg!“, keifte der und schlug Karols Hände beiseite. Mit dem Handballen rieb er übers linke Lid, offenbar hatte er etwas ins Auge bekommen.
„Nicht reiben!“, sagte Karol und streckte schon wieder die Hände nach ihm aus. [Zeilenwechsel]
Maxi drehte ihm den Rücken zu und nuschelte irgendwas von wegen: „Lass mich in Ruh, ich brauch deine Hilfe nicht!“
„Alles okay?“, erkundigte ich mich von oben.
„Ja“, antwortete Maxi und streckte den erhobenen Daumen über den Kopf.
„Da is ne Schutzbrille im Koffer“, sagte ich, „die könnte man aufsetzen.“
Maxi blinzelte missmutig nach oben und kramte sie heraus.
„Gib her!“, sagte Karol und riss ihm die Brille aus der Hand. „Ich mach hier weiter!“
Maxi starrte ihn an und streckte die offene Hand aus.
„Du bist so ein sturer Sack!“, zischte Karol und gab sie ihm zurück. Maxi wandte sich um und stellte den Winkelschleifer wieder an.
Das überzeugt mich (noch) nicht. Beschreibung anstatt Dialog? Damit kann ich mich zumindest im Moment nicht anfreunden. Nicht zuletzt, weil ich die Stelle recht witzig finde.
Die vielen Brillen sind mir auch aufgestoßen – so einfach zu beheben. Warum ist es meinst einfacher, von außen die vollkommen nahe liegende Lösung zu finden?

Den Dialog könntest du raffen bzw. streichen, finde ich. Es plätschert etwas zu sehr dahin, ist nur Smalltalk. Dann der dramatische Moment. Der reiht sich aktuell einfach an die Ereignisse an, das ist irgendwie rein chronologisch erzählt, ohne Moderation, die das Wesentliche an der Situation herauskehrt. Es mag vielleicht in der Realität so ablaufen, aber das liest sich dann belanglos und auch irgendwie zu verknappt: Sie reden über Maxi, involvieren ihn, dann fallen noch ein paar Sätze und dann passiert Maxi etwas.
Finde nicht, dass das Smaltalk ist. Zunächst ja, aber dann geht es zum einen um den konkreten kleinen Unfall, was auch böse ausgehen kann, zum anderen spitzt sich die Lage zwischen den beiden zu.
Und einfach so aufgereiht habe ich es deshalb, weil der letzte Wendepunkt am Ende, der eigentlich wichtige sein soll. Nur leider habe ich den so verkackt, dass er dir scheint es vollkommen entgangen ist.

Erfolgt die Orientierung auf dem Bau wirklich mit Himmelsrichtungen? Scheint mir ein ungewöhnlicher Ansatz. Eher doch "Vorderseite", "Hinterseite", "Stirnseite" etc.
Auf dem Dach ja. Da gibt es kein Vorne oder Hinten. Und unter Solarteuren zählt ohnehin nur noch die Himmelsrichtung.

Das mit dem Auflaufenlassen ist irgendwie für die Story irrelevant. Der Erzähler erzählt ja im Grunde nicht von sich.
Nimmt man das verka... Ende hinzu schon ...

Der Höhepunkt und Schlüsselmoment der Story kommt kurz vor Schluss. Ich finde, du handelst das zu schnell und etwas inkonsistent ab: Der Erzähler wundert sich selbst über die abweisende Art von Maxi und ahnt, dass da etwas im Busch ist. Er ist neugierig und versucht sogar in Erfahrung zu bringen, was los ist. Dann steht die Auflösung kurz bevor und er greift sofort ein? – Er will doch selbst wissen, worum es geht. Außerdem ist meine Erfahrung, dass die Reaktionen sich in solchen Momenten nach der Tragweite richten. Würden die beiden wieder anfangen, darüber zu diskutieren, wer flext, wäre es stimmig, wenn der Erzähler sofort eingreift. Aber der Konflikt ist offensichtlich persönlich und groß. Da sagt man nicht beim ersten Wort, das fällt: "Leute!" Denn das ist auf eine Weise ja respektlos – Leute haben ein Recht auf Konflikt und so etwas Großes mit einem onkelnden "Leute!" im Keim ersticken zu wollen, ist eh aussichtslos.
Wäre das der beabsichtigte Höhepunkt, gäbe ich dir recht. Ist aber nicht so gedacht – möchte nun nicht nochmal etwas von wegen verkackt schreiben und tue es doch. Dem Erzähler sind die beiden egal, auch was Maxi umtreibt, warum er schlecht drauf ist. Sollte so durchklingen. Er greift eher deswegen sogleich ein, weil Karol nahe ans Dachende gerät.

Dann das Straucheln, der verloren gehende Akkuschrauber und die Gedächtnislücken – ich dachte, da kommt jetzt schon direkt der zweite Wendepunkt: Der Erzähler fällt vom Dach als Konsequenz des Konflikts. Ist dann aber nicht so. Stattdessen ist gar nichts: Dass es hier mitten im Kern der Story um ihn geht, ist völlig belanglos, ja geradezu störend.
Nun aber endlich die Auflösung: Stattdessen ist gar nichts zeigt, dass ich es nicht geschafft habe, den eigentlichen Wendepunkt (zumindest für dich) erkennbar zu schildern. Das schwere Gerät schlittert übers Dach und unten stehen die Maler. Einer wird getroffen ...
Das lässt die Geschichte dann vielleicht doch noch mal in anderem Licht erscheinen. Aber wie es schein, war ich auch hier zu wage – das muss deutlich rüberkommen – ansonsten ergibt sein Sitzenbleiben und die Gedächtnislücke wenig Sinn.

Am Ende schaffst du noch die Parallele mit der Krähe. Prinzipiell eine gute Idee, in diesem Fall aber zu gewollt. Du fügst an diesen Konflikt der Figuren direkt diesen Konflikt in der Natur an, sodass dein Manöver allzu durchschaubar ist. Was soll der Leser denn hier für eine weitere Bedeutungsebene erreichen? Außerdem passt für mich die Gegenüberstellung nicht so ganz: Die Krähe ist ihrem Opfer überlegen, steht in der Nahrungskette über ihm, Karol und Maxi sind auf Augenhöhe – und der Erzähler ist die fachliche Leitung der beiden, aber keine Autorität, also im Grunde auch auf Augenhöhe. Für mich ist das alles etwas schief, was auch den Titel miteinschließt. Ich sehe nicht, wie die Story das Thema "Nahrungskette" verhandelt – es geht doch um einen Konkurrenzkampf, also um eine "Hackordnung".
War drauf und dran den Text mit dem Titel zu versehen: Mir fällt keiner ein, wer hat eine Idee? Last Minute kam ich dann auf Nahrungskette – hatte aber eher so etwas wie Hackordnung im Sinn ...
Grundidee war: Es gibt Unstimmigkeiten in der Mitte – von Oben wird Druck ausgeübt/gestichelt, und ganz unten kommt jemand Unbeteiligter zu Schaden. Daher die Baustelle: Oben auf dem Dach – in der Mitte das Gerüst – unten der Boden.

Werde mich nun daran machen, alles von dir angesprochene zu überdenken und in den Text einzuarbeiten. Habe mir fest vorgenommen, mich diesmal nicht mit etwas Kosmetik zufrieden zu geben, sonder an dem Text zu arbeiten, bis er wirklich funktioniert und rund ist!

Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar, der ist mir eine große Hilfe auf diesem Weg!

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sammis,

die Geschichte hat mir sehr gefallen, deswegen wollte ich zumindest kurz kommentieren. Nachdem ich jetzt auch gelesen habe, dass dir ein anderer Wendepunkt oder ein anderes Hauptereignis wichtiger war als der Konflikt der beiden Männer: ich glaube, in Kürze könntest du etwas an der Klarheit ändern, wenn du etwas umstellen würdest. Ich habe auch alles auf Karol und Maxi bezogen gelesen. Diese beiden

Das Ding schepperte über die Ziegel und verschwand hinter der Dachkante.
Ich hörte das Geschrei, die fremden Worte und blieb einfach sitzen.
vielleicht direkt aufeinanderfolgen lassen, das könnte etwas mehr Klarheit schaffen. Ich habe gelesen, dass du die Geschichte umfassender überarbeiten willst, dann könnte man die Absätze
„Leute!“, mischte ich mich ein. Ich wollte schlichtend eingreifen und geriet außer Balance. Ich fing mich, aber mir entglitt der schwere Schlagschrauber. Das Ding schepperte über die Ziegel und verschwand hinter der Dachkante. Danach erinnere ich nicht mehr viel. Die beiden stürmten nach unten und ich setzte mich auf eine Dachlatte. Ich hörte das Geschrei, die fremden Worte und blieb einfach sitzen.
Auf dem Rohbau gegenüber saß eine Krähe neben dem dürren Gestrüpp auf der Firstpfette. Eine Kralle fixierte die Überreste eines Nagers, der Schnabel riss ihm die Eingeweide raus.
ausbauen. Da du geschrieben hast, dass du die Position des Hauptaugenmerk eh noch stärken willst, belasse ich es jetzt einfach mal bei einer möglichen Verbesserung für das Interim. Bunter, lebendiger und vordergründiger treten Karol und Maxi auf, deswegen fühlt es sich für mich seltsam an, wenn plötzlich der Dachdeckermeister (?) die Hauptperson ist.

Mit hat gefallen, wie realistisch und begreifbar du das alles beschrieben hast, wenn ich auch etliche Male googlen musste, wenn es an dachdeckerische Fachbegriffe und Wendungen ging, davon habe ich nicht allzu viel verstanden.

Viele Grüße,
Helen

 

Hallo @Helenesthe!

Das Abschicken deines Kommentars und mein Klick auf Speichern haben sich glaub fast auf die Minute überschnitten. Habe bereits erste Änderungen vorgenommen – sodass zumindest deutlich wird, wie die finale Wendung gedacht ist.

Bunter, lebendiger und vordergründiger treten Karol und Maxi auf, deswegen fühlt es sich für mich seltsam an, wenn plötzlich der Dachdeckermeister (?) die Hauptperson ist.
Das ist durchaus so gewollt – bin mir nun jedoch nicht mehr sicher, ob das eine gute oder schlechte Idee war?

Ich danke dir jedenfalls, dass du reingeschaut und einen Kommentar dagelassen hast! Und es freut mich sehr, dass dir die Geschichte grundsätzlich gefällt!

Gruß,
Sammis

 

Hi @Sammis -- ich lese grad deine Story und den Dialog in den Kommentaren und wollte eigentlich nur zu einer Stelle was sagen ...

Dann das Straucheln, der verloren gehende Akkuschrauber und die Gedächtnislücken – ich dachte, da kommt jetzt schon direkt der zweite Wendepunkt: Der Erzähler fällt vom Dach als Konsequenz des Konflikts. Ist dann aber nicht so. Stattdessen ist gar nichts: Dass es hier mitten im Kern der Story um ihn geht, ist völlig belanglos, ja geradezu störend.
Nun aber endlich die Auflösung: Stattdessen ist gar nichts zeigt, dass ich es nicht geschafft habe, den eigentlichen Wendepunkt (zumindest für dich) erkennbar zu schittern. Das schwere Gerät schlidert übers Dach und unten stehen die Maler. Einer wird getroffen ...
Das lässt die Geschichte dann vielleicht doch noch mal in anderem Licht erscheinen. Aber wie es schein, war ich auch hier zu wage – das muss deutlich rüberkommen – ansonsten ergibt sein Sitzenbleiben und die Gedächtnislücke wenig Sinn.
Mir war schon klar, dass da jetzt unten ein Maler (vermutlich schwer, auch wenn ich nicht weiß, wie schwer ein schwerer Schlagschrauber ist) verletzt worden ist. War ja so konzentriert drauf, wen es oben auf dem Dach erwischt, da empfand ich das als die Pointe. Irritiert hat mich der 'Schrei des Malers', nachdem der Icherzähler schon sitzt.

Gruß

 

Hallo @FlicFlac!

Vielen Dank für deine kurze Rückmeldung!

Freut mich zu hören, dass die Wendung am Ende nun zu funktionieren scheint.

Irritiert hat mich der 'Schrei des Malers', nachdem der Icherzähler schon sitzt.
Kann mir gut vorstellen, dass einem bei solch einem Erlebnis die Chronologie durcheinander gerät. Habe es dennoch geändert, weil anhaltendes Schreien die Situation noch schlimmer darstellt.

Gruß,
Sammis

 

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