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- 26.12.2003
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Höllenritt
Seit Lichtjahren rauschen wir mit unermesslicher Geschwindigkeit durchs Nichts. Danach begrüssen wir den Serpens und staunen über einen der schönsten und hellsten Kugelsternhaufen überhaupt. In der Eile hätten wir beinahe den wunderbaren Anblick des namenlosen Galaxiehaufens verpasst, welcher von der Erde - unserem erklärten Ziel – so weit weg liegt, dass sogar Gott ins Seufzen kommt. Immer weiter und weiter fliegen wir durch die gigantische Welt der Spiralgalaxien, planetarischen Nebel und Asteroidenfelder. Mit unanständiger Geschwindigkeit stieben wir durch den Coma-Galaxienhaufen mit seinen 100 Einzelgalaxien und den dazugehörigen Quadrillionen Sternen. Wir fliegen vorüber an sterbenden Sternen, deren Wasserstoff zu Helium fusioniert und die sich fortan rote Riesen nennen. Weiter hindurch durch Milliarden von bereits gestorbenen Sternen, die jetzt als weisse Zwergen auf Erlösung warten. Hin und wieder erschrecken uns explodierende Supernovas, deren Energiefreisetzung unser Vorstellungsvermögen in Verlegenheit bringt. Der Andromedanebel verrät, dass wir dem Ziel näher rücken - von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung. Nochmals jagen wir durch 10'000 Sternenhaufen mit ihren dichten Ansammlungen von Milliarden Sternen.
Endlich erreichen wir die Galaxie mit dem vulgären Namen Milchstrasse. Neben uns der helle, 1600 Lichtjahre entfernte Fixstern Daneb, ein aufgeblasener Überriese, dessen Volumen millionenfach grösser ist als das der winzigen Sonne. Vorbei an den hellen Fixsternen Acrux, Spica, Capella und schliesslich Sirius, dem hellsten aller Fixsterne in dieser Galaxie, der leider vor ein paar Milliarden Jah-ren von der Zeit ermordet wurde. Zu guter letzt taucht er doch noch auf, der brennende Fixstern namens Sonne, der sich nun schon 4,6 Milliarden Jahre als Betriebs-leiter dieses Sonnensystems behauptet. Wir fliegen rasch an Pluto vorbei, der die Rolle eines Sandkornes spielen würde, falls sich die Sonne bereit erklärt, einen Tischtennisball darzustellen. Dann noch ein gekonnter Schlenker durch die Gasringe des Saturn und über die luftlose, tote Mondoberfläche direkt auf die Erde zu. Die in hohem Grade arschlochdurchsetzte Kugel ist unser Endziel. Wir rasen auf die Atmosphäre zu, die uns beim durchqueren ein kurzes aufflammendes Brennen spüren lässt. Unter uns tun sich Landstrukturen auf, die man besser als Amerika kennt. Mit Getöse durchschlagen wir Wolken, die eindrucksvoll zerfetzt werden um sich dann still aufzulösen. Ein Flugzeug donnert links von uns weg in den blauen Himmel. Mit jedem weiteren Meter sieht man deutlicher, wie sich die Vorstädte vom grossen Kern der Metropole abspalten. Schneller als uns lieb, donnern wir dem Grossstadt-Quartier entgegen, wo sich die Beton- und Glaskonstruktionen aus dem Boden in den Himmel bohren, als wären sie unser Empfangs-Kommitee. Wir stürzen auf einen eleganten, schlanken Wolkenkratzer mit Glasfassade los. Die Wetterantenne leicht gestreift passieren wir den 121. Stock, 120. Stock, 113. Stock, dann im 77. ein abrupter Stopp, der uns die Organe in die Füsse treibt. Durchs Fenster blicken wir in gequälte Augen, in denen sich ganze Universen auftun. Bevor wir ihm von unserem atemberaubenden Höllenritt erzählen können, klebt die rötliche Masse schon an der Wand.