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Höllenqualen
Ich sitze auf einer Holzbank eines endlos langen Korridors und warte.
Die Zeit, sie will nicht vergehen. Ganz langsam bewegt sich der Sekundenanzeiger, der Minutenanzeiger steht seit einer Ewigkeit still.
Ich blicke zur Tür, hinter der die Prüfer beraten. Nichts geschieht. Meine Blicke wandern über weiße kahle Wände, suchen nach Interessantem. Caspar David Friedrich´s „Menschen am Meer“, romantisch. Ich suche nach Interessantem, Van Gogh´s Getreidefelder und Nachtcafé, hübsch, ich aber suche nach Interessantem. Ein Poster zeigt eine Psychiatrische Einrichtung in ländlicher Umgebung, Pflegepersonal postiert sich vor den Anstaltstoren…und neben Van Gogh. „Das passt ja“ denke ich.
Der Minutenanzeiger will nicht so recht. Meine Hände sind nass. Die Stirn feucht. Schweiß tränkt mein Hemd. Meine Finger der rechten Hand umschließen die der linken, drücken sie, kratzen an ihnen. Universitätsstress findet seinem Höhepunkt in den verflixten mündlichen Prüfungen.
Ich höre die Stimmen der Dozenten. „nicht so ganz gelungen“
„Nicht so ganz gelungen!“
Ich möchte die Tür aufreißen, nachfragen. Ich weiß es besser.
Da! Der Minutenanzeiger, er hat sich bewegt.
Warum tue ich mir das immer wieder an? Ich könnte jetzt auch entspannt in der Mittagssonne unter einem Schatten spendenden Baum liegen, meine Gedanken um die schönen Dinge des Lebens kreisen lassen.
Das könnte ich genau jetzt nicht!
Warum dauert es so lange? Ich höre wie sie beraten, erkenne den Tonfall in ihren Stimmen.
„Heute Abend ist Champions League! Ich brauche noch Mückenspray! Zur Krankengymnastik schaffe ich es heute nicht mehr, habe ich noch Käse im Kühlschrank?“ Meine Gedanken stolpern übereinander.
Der große Zeiger steht schon wieder still!
Ich reibe die feuchten Hände an meiner Jeans, fahre mir mit den Händen durch´s Haar, hatte ich mich heute rasiert?
Ich warte. Der Minutenanzeiger der großen Uhr bewegt sich nicht mehr!
Ich höre Stimmen, sie werden lauter, deutlicher, sie kommen näher.
Die Türklinke wird nach unten gedrückt.
Ein Lächeln, ein Augenpaar strahlt mich an.
Ich bin erleichtert.
Ich umschließe sie mit meinen Armen.
Sie hat bestanden!