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Hände

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25.03.2018
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Hände

Das wächserne Gesicht des Onkels stach wie ein Fremdkörper aus dem Eschensarg hervor. Wie ein Mädchen, das beim Herumtollen am Waldrand ein totes Reh entdeckt, blieb Sara beim Anblick des Leichnams im Türrahmen stehen, und ihr Herz begann zu pochen. Ihre Mutter lief ohne Scheu auf den Aufgebahrten zu, und Sara folgte ihr einen Moment später. Mit vorsichtigen Schritten trat sie an den Sarg und blieb zwei Meter hinter der Mutter stehen.
„Schön hat er ihn hergerichtet“, sagte ihre Mutter, die den verstorbenen Bruder betrachtete.
„Ja. Der Anzug steht ihm gut“, sagte Sara und ließ den Blick über den Leichnam schweifen.
Der Tote hatte den Trauergästen die rechte Seite zugewandt, und so konnte man zunächst nicht das große Muttermal auf der linken Wange sehen, vor dem sich Sara als Kind stets geekelt hatte. Sie trat näher an das Fußende des Sarges und beugte sich unmerklich vor, um einen letzten Blick auf den Leberfleck zu erhaschen. Der Fleck sah unverändert aus, doch ekelte sie sich nicht mehr so, wie wie sie es als Kind getan hatte. Die Miene des Onkels war friedlich. Nach 62 Jahren zeichnete erstmals Entspannung sein Gesicht, und so wirkte der Tote gleichmütig ob seiner bevorstehenden Beisetzung. Rasch wandte sie den Blick vom Gesicht ab.
Zu Lebzeiten nie ein religiöser Mann, hatte der Onkel die schweren Hände wie zum Gebet über dem Bauch gefaltet. Kein Feiertag, so heilig er auch war, konnte ihn je dazu bewegen, sich die großen und stets schwieligen Hände auch nur sauber zu schrubben. Sara erinnerte sich an die dunklen Ränder unter den Fingernägeln, an die ölfleckigen Finger und den verkrusteten Dreck, der den Händen stets anhaftete. Sie sah die nun sauberen Finger mit den ordentlich geschnittenen und gefeilten Nägeln. Dies waren nicht die Hände ihres Onkels.
Saras Blick verweilte noch kurze Zeit auf den Händen, bis sie die Kleidung näher betrachtete.
Der schwarze Anzug warf keine Falte und der oberste Knopf des schneeweißen Hemds stand offen. Eine Krawatte hatte der Bestatter dem Toten nicht angelegt.
Ihr Onkel war kein Mann gewesen, der Wert auf gute Kleidung legte, und somit waren Sara und ihre Mutter bei den Beerdigungsvorbereitungen vor die Aufgabe gestellt, den Toten angemessen für das Ereignis zu kleiden. Das einzige Sakko, das ihm zu Lebzeiten noch gepasst hatte, war verbeult, hatte ein großes Loch im Innenfutter, und an der linken Schulter war der Stoff aufgerieben. So brachten Sara und ihre Mutter das Sakko, ein altes Arbeitshemd und eine Hose zur Schneiderei Selig, wo man Maß nahm und den Hinterbliebenen zwei Tage später einen schlichten Anzug, sowie ein Hemd zur Abholung bereitstellte. Der Onkel wurde mit Klamotten begraben, die er nie gesehen hatte und die er auch nie freiwillig getragen hätte.
Saras Augen wanderten erneut zum Gesicht des Toten und zum grauen Schnurrbart, der vom Bestatter gestutzt und mit Öl in Form gebracht worden war. Bei jedem Begrüßungs- und Abschiedskuss hatte sie der Schnauzer gekitzelt, sodass sie kichernd die Schultern hochzog und den Kopf wegdrehte. Übelkeit stieg in ihr auf. Sie ließ ihre Mutter alleine am offenen Sarg stehen und trat hinaus auf den Friedhof. Sie kramte die Schachtel Marlboro Light aus ihrer Handtasche und zündete sich eine Zigarette an.

***​
Der Pfarrer sprach Worte des Trostes. Er sprach von Erlösung, von Heimkehr und von der ewigen Gnade Gottes. Sara schaute auf das offene Grab ihres Onkels und dachte an das Meer.
Nasser Sand, der ihr immer noch zwischen den kleinen Zehen klebte, wenn sie sich wieder auf das Handtuch fallen ließ. Kalte Böen, die gelegentlich, wie zur Warnung, messerscharf durch die warme Luft schnitten. Ihr Onkel, neben ihr auf dem Handtuch, ein stumpfer Bleistift und ein Kreuzworträtselblock in den massigen Händen. Eine enge Badehose, die nie mit dem Wasser in Berührung kam. Die schwarze Sonnenbrille auf der breiten Nase, um die Spuren seiner Blicke zu verwischen.
Es war ein milder Tag im Juli, und die dichte Wolkendecke schützte die zur Beisetzung Erschienenen vor der brennenden Mittagssonne. Sara überkam eine kochende Hitze. Eine Hitze, die sich vom Bauch aus ihren Weg durch den Körper bahnte, ihr den Schweiß auf die Stirn trieb und schlagartig von einem stechenden Kälteschauer verdrängt wurde. Ihr Puls pochte in ihrem Kopf, schlug aus, wie ein in die Enge getriebenes Tier. Ihre zittrige Hand griff nach der Wasserflasche, die sie stets in der Handtasche hatte. Sie nahm zwei hastige Schlücke und ermahnte sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Ihr Herzschlag passte sich langsam dem Takt ihres Atems an, und nach wenigen Minuten blieb bei ihr nur das Gefühl der Erschöpfung zurück.
Während der Pfarrer den Onkel unter den Flügeln des Herrn Zuflucht finden ließ, blickte Sara zu den anderen Trauergästen. Neben den einzigen beiden Angehörigen waren noch die alte Frau Hegendörfer – bis zuletzt Nachbarin ihres Onkels – zwei Arbeitskollegen, sowie ein Kindsheitsfreund zur Beerdigung erschienen. Die alte Dame lauschte fromm den Worten des Pfarrers und Saras Mutter bedachte das Grab ihres Bruders mit unergründlichem Blick. Die drei Männer, keiner jünger als fünfzig, standen pflichtbewusst neben den Frauen und erwiesen dem Verstorbenen den letzten Freundschaftsdienst.
Die Worte des Pfarrers waren verklungen, und die Trauergemeinschaft lief langsam zur Grabstelle. Sara wartete, bis alle Anwesenden hinter ihrer Mutter in Reihe standen und stellte sich sodann hinter Frau Hegendörfer. Links und rechts des Grabes waren eine Schale mit Blumenblättern und eine Schale Erde aufgestellt worden. Die Anwesenden ließen nacheinander den Inhalt beider Schalen auf den Sarg regnen. Keiner blieb länger als ein paar Sekunden vor dem Grab. Frau Hegendörfer griff nach den Blumenblättern, ließ sie auf den Sarg fallen und gab danach eine kleine Schaufel Erde dazu. Sie verweilte noch einen Moment, drehte sich dann mit gesenktem Blick ab und lief an Sara vorbei.
Sara trat langsam vor die Grabstelle und schaute hinunter auf den Sarg. Ihr Onkel war ein großer Mann gewesen, ein Mann von gewaltiger Statur, doch die helle Holzkiste lag klein und unscheinbar in der von grünen Tüchern verhangenen Grube, spärlich von Blumenblättern und heller, trockener Erde bedeckt.
Sie sah ihren Onkel dort unten liegen. Sah wie der Onkel mit offenen Augen zur Öffnung der Grube blickte, mit nach oben gestreckten Armen und weit gespreizten, schmutzigen Fingern.
Sara griff mit beiden Händen nach der Erde.

 

Hey LittleGhost (geiler Name:lol:),

Hier einige Vorschläge:

blieb Sara beim Anblick des Leichnams unwillkürlich im Türrahmen stehen, und ihr Herz fing zu pochen an.
unwillkürlich kann weg, ... begann zu pochen

Sie trat näher an das Fußende des Sarges heran und beugte sich unmerklich vor
heran ist entbehrlich, unmerklich ebenfalls

und so wartete der Tote gleichmütig auf seine baldige Beisetzung
Tote können gleichmütig wirken, aber nicht gleichmütig warten

Ihr Onkel war kein Mann gewesen, der Wert auf gute Klamotten legte
Kleidung

Sie kramte die Schachtel Marlboro Light
Hat die Marke einen Bezug zur Story? Sonst besser weglassen.

harten Mittagssonne
Passt nicht ganz, Sonnenstrahlen sind nicht stofflich und nur über Lichteindrücke oder Temperatur wahrnehmbar, also: warm, gleißend, grell, blutrot, drückend

und stellte sich sodann hinter Frau Hegendörfer
ich persönlich fände es ohne Namen besser

Du findest einen geschickten Weg, den Missbrauch anzudeuten, indem du ihre körperlichen Reaktionen bei seinem Anblick beschreibst und auch die Vision am Ende finde ich stark.
Manchmal würde ich mir weitere Bilder wünschen. Z.B. erfährt der Leser null über die Mutter und den Flashback zurück ans Meer finde ich ausbaufähig. Darüber würde ich gerne mehr erfahren, als über den Totenanzug oder die Namen der Trauergäste.

Gute Nacht und Peace,
linktofink

 
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Hallo @AWM,

danke für deine hilfreichen Anmerkungen. Gerade Die Vorvergangenheiten und das mit der Redundanz hatte ich total übersehen. Immer gut, wenn man auf solche Sachen hingewiesen wird!

LG
Jan


Hallo @linktofink,

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast! Super gute Tipps, die den Text wirklich auch schlanker machen. Ich versuche jedes überflüssige Wort zu killen, aber man übersieht halt so einiges...

LG
Jan


Hallo @Ronja,

auch dir ein großes Dankeschön für deine Kritik.
Bei den Metaphern muss ich dir zustimmen, ich bin auch selbst immer an vorderster Front wenn es darum geht, abgedroschene Metaphern zu verurteilen.

Was das Ende betrifft: Ich wollte dem Leser nicht zu viel Genugtuung bereiten. Aber der Onkel ist tot und die Nichte lebt. Das ist ja schon mal was.

LG
Jan

 
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Hallo LittleGhost,

deine kleine Beerdigungsszene, in der du wohl einen Missbrauch andeutest, hat mir insgesamt recht gut gefallen. Sprachlich sollest du mMn noch mehr um jedes treffende Wort und jeden passenden Ausdruck oder Vergleich ringen. Da gibst du dich für mein Empfinden recht schnell zufrieden und so ist dein Text dann unterm Strich (für mich) nicht immer rund.

Hier ein paar Stellen, die ich mir markiert habe. Einiges ist schon angemerkt worden; manches mag dir vielleicht ein wenig pingelig erscheinen. Nimm, was dir einleuchtet.

Das wächserne Gesicht des Onkels stach wie ein Fremdkörper aus dem Eschensarg hervor.
Das ist wirklich eine Allerweltsformulierung.

Ihre Mutter lief ohne Scheu auf den Aufgebahrten zu, und Sara folgte ihr einen Moment später. Mit vorsichtigen Schritten trat sie an den Sarg und blieb zwei Meter hinter der Mutter stehen.
„Schön hat er ihn hergerichtet“, sagte ihre Mutter, die den verstorbenen Bruder betrachtete
In kurzer Folge wiederholst du hier dreimal das Wort Mutter. Eventuell könntest du das zweite durch ‚hinter ihr’ vermeiden.
Und bei dir ‚laufen’ die Menschen sehr häufig:
Der Duden gibt zu ‚laufen’ u.a. folgende Definition:
sich in aufrechter Haltung auf den Füßen in schnellerem Tempo so fortbewegen, dass sich jeweils schrittweise für einen kurzen Augenblick beide Sohlen vom Boden lösen

Ich glaube, dass die Menschen in deiner Geschichte eher langsam gehen oder schreiten, aber nicht laufen. So auch hier:

Die Worte des Pfarrers waren verklungen, und die Trauergemeinschaft lief langsam zur Grabstelle.
Eine Trauergemeinde bewegt sich meistens dem Anlass entsprechend eher langsam.
Sie verweilte noch einen Moment, drehte sich dann mit gesenktem Blick ab und lief an Sara vorbei.
Warum sollte die Nachbarin plötzlich laufen?

Der Fleck sah unverändert aus, doch ekelte sie sich nicht mehr so, wie wie sie es als Kind getan hatte. Die Miene des Onkels war friedlich. Nach 62 Jahren zeichnete erstmals Entspannung sein Gesicht,
Hat der Onkel wirklich 62 Jahre lang ein unentspanntes Gesicht gehabt. Ich gehe mal davon aus, dass du hier über sein Alter sprichst. Dann würde er ja auch als Baby schon unentspannt ausgesehen haben. Das klingt hier sehr theatralisch.

Hier hätte ich ein paar Streichvorschläge. Nicht nur das Wort ‚Hände’ wiederholt sich für mein Gefühl zu oft, auch gibt es mMn ein paar Redundanzen:

Zu Lebzeiten nie ein religiöser Mann, hatte der Onkel die schweren Hände wie zum Gebet über dem Bauch gefaltet. Kein Feiertag, so heilig er auch war, konnte ihn je dazu bewegen, sich die großen und stets schwieligen Hände auch nur sauber zu schrubben. Sara erinnerte sich an die dunklen Ränder unter den Fingernägeln, an die ölfleckigen Finger und den verkrusteten Dreck, der den Händen stets anhaftete. Sie sah die nun sauberen Finger mit den ordentlich geschnittenen und gefeilten Nägeln. Dies waren nicht die Hände ihres Onkels.
Saras Blick verweilte noch kurze Zeit auf den Händen (ihnen), bis sie die Kleidung näher betrachtete.
Der schwarze Anzug warf keine Falte und der oberste Knopf des schneeweißen Hemds stand offen.
Das ist ein merkwürdige Aussage über den Anzug eines liegenden Menschen. Vielleicht solltest du dir hier an Stelle dessen, was der Anzug nicht macht, eine positive Aussage überlegen: ‚Der Anzug wirkte wie frisch gebügelt’ oder etwas Ähnliches.
wo man Maß nahm und den Hinterbliebenen zwei Tage später einen schlichten Anzug, sowie ein Hemd zur Abholung bereitstellte.
‚zur Abholung bereitstellte’ klingt irgendwie bürokratisch.
Vorschlag: ‚wo man Maß nahm und den Angehörigen zwei Tage später einen schlichten Anzug und ein Hemd aushändigte.’

Du verwendest gerne ‚sowie’ statt ‚und’. Warum, leuchtet mir nicht ganz ein.

Der Onkel wurde mit Klamotten begraben, die er nie gesehen hatte und die er auch nie freiwillig getragen hätte.
Auch, wenn ich davon ausgehe, dass der Text aus der Sicht deiner Prota geschrieben ist, finde ich ‚Klamotten’ für Kleider oder Kleidung nicht sehr zum sonstigen Sprachduktus passend.

Bei jedem Begrüßungs- und Abschiedskuss hatte sie der Schnauzer gekitzelt, sodass sie kichernd die Schultern hochzog und den Kopf wegdrehte. Übelkeit stieg in ihr auf.
In der Strandszene und auch im nächsten Satz deutest du an, dass der Onkel ihr Abscheu vermittelt. Da passt für mein Empfinden das Kichern nicht so recht, zumindest wird das wohl ein 'verlegenes' Kichern sein.

Sara schaute auf das offene Grab ihres Onkels und dachte an das Meer.
Ihr Onkel, neben ihr auf dem Handtuch, ein stumpfer Bleistift und ein Kreuzworträtselblock in den massigen Händen. Eine enge Badehose, die nie mit dem Wasser in Berührung kam. Die schwarze Sonnenbrille auf der breiten Nase, um die Spuren seiner Blicke zu verwischen.
Blicke hinterlassen wohl keine Spuren, die verwischt werden könnten – und schon gar nicht mit einer Sonnenbrille. Den Vergleich halte ich sprachlich und inhaltlich nicht für gelungen.

Die Verkürzungen als Beschreibung der Einzelheiten des Erinnerungsbildes finde ich gut, würde sie aber vielleicht ein wenig anders sortieren:
Neben ihr der Onkel mit der zu engen Badehose, die nie mit dem Wasser in Berührung kam, in den massigen Händen ein stumpfer Bleistift und ein Kreuzworträtsel, auf der breiten Nase die schwarze Sonnenbrille, die seine verstohlenen Blicke verdeckte.

Sara überkam eine kochende Hitze. Eine Hitze, die sich vom Bauch aus ihren Weg durch den Körper bahnte, ihr den Schweiß auf die Stirn trieb und schlagartig von einem stechenden Kälteschauer verdrängt wurde. Ihr Puls pochte in ihrem Kopf, schlug aus, wie ein in die Enge getriebenes Tier
Es gibt ‚kochendes Wasser’, aber gibt es auch eine kochende Hitze?
Und wie wird eine kochende Hitze schlagartig von einem stechenden Kälteschauer verdrängt? Du willst ausdrücken, dass ihr heiß und kalt wird. Da würde ich noch mal neu überlegen. Und der Puls, der ausschlägt wie ein in die Enge getriebenes Tier, vermittelt auch nicht das, was du sagen möchtest.

Sie nahm zwei hastige Schcke
Schlucke; Schlücke wird sehr selten gebraucht.

Die alte Dame lauschte fromm den Worten des Pfarrers und Saras Mutter bedachte das Grab ihres Bruders mit unergründlichem Blick. Die drei Männer, keiner jünger als fünfzig, standen pflichtbewusst neben den Frauen und erwiesen dem Verstorbenen den letzten Freundschaftsdienst.
Beide Adjektive (fromm, pflichtbewusst) sind für mein Empfinden überflüssig, weil es sich aus dem Verhalten ergibt: fromm = den Worten des Pfarrers lauschen; pflichtbewusst = dem Verstorbenen die letzte Ehre erweisen.

Sara wartete, bis alle Anwesenden hinter ihrer Mutter in Reihe standen
Das kling sehr nach ‚in Reih und Glied stehen’. Warum nicht: Sara wartete, bis sich alle hinter ihrer Mutter eingereiht hatten …’ oder ‚in der Reihe standen’.

Links und rechts des Grabes waren eine Schale mit Blumenblättern und eine Schale (mit) Erde aufgestellt worden.
Das ist kein gelungener Satz. Ich glaube nicht, dass eine Schale aufgestellt wird, sie wird wohl eher hingestellt worden sein. Auch fände ich hier das einfache: ‚Links und rechts neben dem Grab standen …’ sprachlich passender.

Ihr Onkel war ein großer Mann gewesen, ein Mann von gewaltiger Statur, doch die helle Holzkiste lag klein und unscheinbar in der von grünen Tüchern verhangenen Grube, spärlich von Blumenblättern und heller, trockener Erde bedeckt.
Hier beschreibst du mMn Eindrücke deiner Protagonistin: Ihr erscheint die helle Holzkiste klein und unscheinbar. Und auch ‚spärlich’ suggeriert so etwas wie Absicht, so als hätten die Hinterbliebenen bewusst nur wenige Blumenblätter gestreut.

Zum Thema ‚Missbrauch’, was irgendwie mitschwingt: Du hältst dich sehr damit zurück, es explizit zu machen. Das finde ich gut. Allerdings sind mir die Andeutungen insgesamt etwas zu vage. Du beschreibst zwar die Hände (den Titel der Geschichte) sehr genau, vermeidest aber Bemerkungen über eine Berührung durch sie. So wird der Bezug nur sehr indirekt hergestellt.

Fazit: Meistens sind es wohl sprachliche Ungenauigkeiten und Redundanzen, die mir aufgefallen sind. Für mein Empfinden müsstest du noch kritischer mit deinen einmal gefundenen Formulierungen umgehen und sie daraufhin überprüfen, ob sie genau das treffen, was du vermitteln möchtest.

Lieber Jan, das sieht jetzt nach viel Mäkelei aus und ich habe das Gefühl, dass du schon ein bisschen fertig bist mit diesem Text und am liebsten schnell zum nächsten übergehen möchtest. Das ist dein gutes Recht und es spricht nichts dagegen, hier gemachte Erfahrungen beim nächsten Mal umzusetzen.

Liebe Grüße
barnhelm

 
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Hallo barnhelm,

Ich hab schon deinen Namen gesehen und wusste sofort, dass ich gleich mein Fett wegkriege. Aber die Kritiken, die am pedantischsten sind, helfen am meisten.

Das ist wirklich eine Allerweltsformulierung.

Ich habe nichts zu meiner Verteidigung vorzubringen. Selbiges hat schon ein User vor dir bemängelt.

Ich glaube, dass die Menschen in deiner Geschichte eher langsam gehen oder schreiten, aber nicht laufen

Wieder hast du recht. Da hat sich die Umgangssprache mit eingeschlichen.

auch gibt es mMn ein paar Redundanzen

Absolut richtig, ärgert mich auch, so viele übersehen zu haben. Ich hasse Redundanzen wie die Pest und versuche sie immer zu vermeiden.

Und wie wird eine kochende Hitze schlagartig von einem stechenden Kälteschauer verdrängt?

Ich hatte versucht, das Gefühl, das einen bei Panikattacken überkommt zu umschreiben. Es wird dir erst furchtbar heiß und dann furchtbar kalt. Konnte ich vielleicht auch nicht anschaulich ausformulieren.

Beide Adjektive (fromm, pflichtbewusst) sind für mein Empfinden überflüssig

Wieder ein guter Ratschlag. Im Englischen wären das ja Adverbien und das ist so ein klassischer Writing 101 Ratschlag: Get rid of the adverbs. Im Zweifel sollte ich schauen, dass ich Verb und Adjektiv sinngemäß verschmelze, sofern es sich anbietet.

Ich fasse das andere mal zusammen, weil du so viele Anmerkungen gegeben hast. Ich stimme dir bei allem, was nicht ausdrücklich von mir genannt wird zu. Du hilfst mir wirklich, den Text schlanker zu gestalten und überflüssiges zu streichen. Genau so will ich meinen Text letzten Endes auch haben: schlank, klar formuliert und "minimalistisch".

Die einzigen Kritikpunkte, bei denen ich wenigstens versuche mich zu erklären:

Hier beschreibst du mMn Eindrücke deiner Protagonistin: Ihr erscheint die helle Holzkiste klein und unscheinbar

An der Stelle habe ich mir tatsächlich das gleiche gedacht, aber es bewusst nicht durch ihre Augen/Eindrücke beschrieben. In einem englischsprachigen Schreib-Tutorial wurde immer wieder gesagt, man solle die "filter words" weglassen. Keine Ahnung, ob es da ein deutsches Äquivalent dazu gibt, ich hab jedenfalls nichts dazu gefunden. Aber ich hatte mir das so erklärt, nicht alles durch die Augen und Sinneseindrücke des POV-Charakters zu filtern, sondern direkt wiederzugeben. Das macht den Text unmittelbarer. Ich will damit nur sagen, dass das die Intention war. Vielleicht war die Umsetzung einfach nicht ideal.

Allerdings sind mir die Andeutungen insgesamt etwas zu vage. Du beschreibst zwar die Hände (den Titel der Geschichte) sehr genau, vermeidest aber Bemerkungen über eine Berührung durch sie. So wird der Bezug nur sehr indirekt hergestellt

Ich wollte den Text eigentlich noch subtiler machen und dachte, die jetzige Fassung sei schon viel zu eindeutig. Ich wollte den ganzen Missbrauch nur durch die Gefühle der Protagonistin wiedergeben und den Rest der Vorstellung des Lesers überlassen. Ich fand die Lösung geschickter, weil man das Ausmaß des Übergriffs nicht einschätzen kann.

Zuletzt noch hierzu:

Sprachlich sollest du mMn noch mehr um jedes treffende Wort und jeden passenden Ausdruck oder Vergleich ringen. Da gibst du dich für mein Empfinden recht schnell zufrieden und so ist dein Text dann unterm Strich (für mich) nicht immer rund

Ich will ehrlich sein, das tat ein bisschen weh. Aber du hast recht. Ich war stolz auf die Geschichte, weil ich ein paar Sätze darin so super fand, dass ich die Mängel ausgeblendet habe und den Text möglichst schnell teilen wollte.

Also: Ein riesengroßes Dankeschön für die unverblümte Kritik. Ich freue mich schon auf die nächste Kritik und hoffe, dass es weniger zu bemängeln gibt. :)

Liebe Grüße und frohe Ostern
Jan

 

LittleGhost schrieb:
Im Englischen wären das ja Adverbien

Ganz kurz dazu: Natürlich sind das von ihrer Funktion her auch im Deutschen Adverbien, ich habe mich hier einfach auf die Wortart bezogen.

Auch dir ein schönes Osterfest und bleib dran, es lohnt sich.

barnhelm

 

LittleGhost

nur ein kurzer comment zu eurem Disput über kochende Hitze:
vielleicht steigt aus Saras Körpermitte "brodelnde Hitze" auf?

Gruß, linktofink

 

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