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Hände waschen
Ein Junge mit Brille
Der Schaffner musste sich mit dem 22-Uhr-Zug getäuscht haben, worauf ich nun müde auf einer kleinen Bahnhaltestelle irgendwo im Nirgendwo zwischen Paris und Lyon gestrandet war, während mich der Hunger auffraß. Ich beschloss, im Bahnhof-Restaurant einzukehren. Entgegen meiner Erfahrung mit Gaststätten an Verkehrszweigen, die meist nicht zwingend auf eine treue Kundschaft angewiesen sind, bot hier die Küche ein vortreffliches Mahl. So aß ich dankbar, bestellte ein weiteres Mal und die Serviertochter warf mir ein Lächeln zu. Nachdem der Kaffe getrunken, fing meine Blase an zu drücken.
Die Toilette war klein. Kaum genug Platz vorhanden, damit sich zwei Personen ungehindert kreuzen konnten. Ich verrichtete seufzend meine Notdurft. Als ich den Hahn aufdrehte um die Hände zu waschen, wurde die Spülung des Klosetts getätigt und aus der Kabine trat ein kleiner Junge, vielleicht zehn Jahre alt. Er musterte mich durch seine dicke Brille. "Monsieur, warum waschen sie ihre Hände nicht bevor sie pinkeln; ihr Schwanz war ja immer gut eingepackt, während ihre Hände alles Mögliche berührt haben?", meinte er und verschwand, zusammen mit seiner kindlichen Unbekümmertheit.
Fürwahr, dachte ich - zahlte, zog mein Mantel über und verließ das Lokal in eine klare Herbstnacht.