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Guten Morgen, Papa!
Iiijuuuiiijuuuiiijuuuiiijuuu!
„Oooorrrhhh.“
Komm zurück, Traum! Komm zurück! Nein, er ist weg.
Ich bin wach.
„Papa, hast du dich erschrocken?“
„Mmh. Hab‘ ich.
„Papa, weißt Du was?“
„Ja?“
Ich liege im Bett, die Augen halb geöffnet. Meine Liebste liegt neben mir und stellt sich schlafend. An meiner Seite steht mein Sohn Jan. Bald wird er fünf Jahre alt.
„Weißt Du, womit ich Dich geweckt hab‘?“ will er wissen.
„Hmm.“
„Mit dem Polizeimotorrad. Wenn man diesen Knopf hier drückt, dann… Papa, guck doch! Wenn man diesen Knopf hier drückt, geht die Sirene an. Und bei diesem Knopf der Lautsprecher.“
„Hmm.“
„Soll ich noch mal?“
Iiijuuuiiijuuuiiijuuuiiijuuu!
„Orgh!“
„Ganz schön laut, was Papa?“
„Ja, sehr laut. Nicht nochmal bitte.“
„Warum nicht?“
„Weil’s laut ist und weil ich eigentlich noch schlafen will.“
„Aber ich will mit Dir runter gehen. Du sollst mir ein Papierflugzeug bauen.“
„Kannst Du nicht noch ‘ne halbe Stunde Kassette hören und dann gehen wir runter?“
„Hab‘ ich doch schon! Ich hab‘ eine ganze Seite Pettersson und Findus gehört. Und jetzt will ich runter.“ Leicht weinerlich-hysterische Stimme. Eines von Jans überzeugendsten Argumenten.
„OK, ich geh‘ gleich mit.“ sage ich und schließe die Augen.
„Jetzt!“
…
„Eh! Nicht wieder einschlafen!“
Ich höre schnelle Schritte von kleinen nackten Füßen auf Holz. Frauke ist im Anmarsch. Jetzt habe ich erst recht keine Chance mehr. Ich bleibe reglos liegen.
Die Schritte werden langsamer und leiser. Frauke schleicht sich an. Jan kichert.
„Waah!“ Frauke hat ihren Plüschlöwen mitgebracht, der mich mit Gebrüll erschreckt.
Ich fahre hoch und rufe „Hilfe!“ Frauke lacht. Sie ist letzte Woche drei geworden.
„Nochmal!“ ruft sie.
Ich lege mich wieder hin und schließe die Augen. Der Löwe macht „Waah!“, ich erschrecke mich furchtbar und Frauke lacht.
„Nochmal!“
„Nein, Frauke.“ sagt Jan ungeduldig. „Papa und ich wollen jetzt runter gehen und Papierflugzeuge bauen.“
Frauke ignoriert das.
„Papa. Leo beißt Dich jetzt.“ Sie klettert auf das Bett und Leos Kopf saust schwungvoll auf den Teil der dünnen Decke, unter dem sich recht ungeschützt zwei meiner empfindlichsten Körperteile befinden.
„Aarrhh!!“
Frauke erschrickt. Die Angetraute auf der anderen Seite rührt sich immer noch nicht. Muss ich mir Sorgen machen? Sie hat Jan übrigens das Polizeimotorrad gekauft.
Der Schmerz lässt langsam nach. Ich streichle meiner Tochter tröstend über das Haar.
„Sind da Deine Eier?“ will Frauke wissen und legt sanft ihre Hand auf die Decke über meinem Bauch.
„Nein Frauke! Da sind Papas Eier!“ ruft Jan, der auch in mein Bett gekrochen ist, und zeigt auf die richtige Stelle. „Oder, Papa?“
„Ja, da sind sie.“ sage ich und schwinge meine Beine aus dem Bett.
„Kommt, wir gehen runter.“
Es ist Sonntag und die Liebste darf ausschlafen, bevor sie zu ihrer Fortbildung fährt.
Jan trinkt warmen Kakao, Frauke kalte Milch. Wir sitzen auf dem Sofa, die Kinder tragen noch ihre Schlafanzüge und ich lese vor. "Ein Huhn, ein Ei und viel Geschrei" heißt das Buch. Das kenne ich übrigens fast auswendig. Die Kinder kuscheln sich von beiden Seiten an mich. Jans Haar streichelt meine Wange.
„Papa, noch mehr Milch!“ ruft Frauke, als das Buch zu Ende gelesen ist.
„Papa! Papierflugzeuge!“
Frauke bekommt noch mehr Milch, und ich einen Tee. Danach können Jan und ich in Ruhe Papierflugzeuge bauen. Ich habe ein neues Modell gelernt. Es fliegt tadellos. Ich mache für jeden eins. Sie segeln durch den Flur.
Die Ausgesuchte kommt geduscht und angezogen die Treppe herunter.
„Hmm! Kaffee!“ Ich bekomme einen Kuss.
„Ich will Ziegenfrischkäse auf mein Brot." sagt Jan. "Den mag ich nämlich. Mama mag den Ziegenfrischkäse auch. Und Papa nicht.“ Er kann das Brot selbst beschmieren.
„Ich will auch Fischziegenkäse auf mein Brot.“ verkündet Frauke.
"Ziegenfrischkäse heiß das, Frauke!" Jan ist noch ein gnadenloser Besserwisser.
Ich mache Frauke ein Ziegenfrischkäsebrot. Sie beißt einmal ab.
„Papa, ich will Marmelade“ sagt sie dann.
Die Mama isst das Ziegenfrischkäsebrot. Frauke bekommt ein Erdbeermarmeladenbrot.
Die Mama fährt nach dem Frühstück zur Fortbildung. Wenn sie am Abend zurückkommt, werde ich die Kinder ins Bett gebracht haben.
„So, jetzt gehen wir nach oben und ihr zieht euch an.“ verkünde ich.
„Ich muss erst Stink-Ei!“ ruft Jan und verschwindet im Bad.
„Papa, ich hab‘ noch Hunger.“ Frauke kann immer essen. Vor allem, wenn sie etwas anderes tun soll.
„Da ist doch noch dein halbes Marmeladenbrot.“
„Ich will aber Scheibenkäse!“
„Nee!“ sage ich.
„Hüüühhh!“ Eine halbe Minute Dauerton bedeutet: Ich bin so traurig und du bist böse, wenn ich keinen Käse oder Milch bekomme.
Eine Träne kullert über ihre Wange.
„Aber nur eine halbe Scheibe.“
„Üüühh…Ja.“ Tränenfluss wird eingestellt.
Kühlschrank auf. Käse raus.
„Und eine Scheibe Wurst.“
„Nein.“
Sie gibt sich mit dem Käse zufrieden.
„Ham, ham, ham, ham, ham.“
Jetzt noch in Ruhe eine Tasse Tee für mich.
„Paaapaaa! Ich bin fääärtich!“ schallt es aus dem Badezimmer.
Ich gehe hin und wische Jan den Po ab. Er könnte es vermutlich selbst, wir müssten nur noch daran arbeiten, dass er sich danach jedes Mal die Hände wäscht.
„Papa?“ Frauke zieht an meiner Hand. „Wollen wir Einkaufen bielen?“
„Papa, ich bin ein Scharfzahn mit 160 Zähnen.“ fängt Jan gleichzeitig an zu berichten. „Ich bin ungefähr so groß wie der Schrank und hinter dem Sofa ist meine Höhle. Willst Du mal sehen, wie der Scharfzahn darin schläft?“
Ein Scharfzahn ist ein Dinosaurier.
Eigentlich möchte ich Tee trinken und lesen.
„Was meinst Du, was würdest Du schätzen, also was würdest Du sagen, wieviel ein erwachsener Scharfzahn frisst an einem Tag?“ will Jan wissen.
„Hm, 100 kg Fleisch.“
„Nein, weniger, sonst wird er zu dick und passt nicht mehr in seine Höhle. Wenn er zu dick wird, kann er auch nicht mehr so gut sehen.“
„Papa, Einkaufen bielen!“
„Nein, Frauke, erst muss Papa raten, wieviel ein Scharfzahn frisst. Ich bin übrigens ein Allosaurier und heiße Rotklaue. Das ist der größte Scharfzahn, den es gibt. Soll ich dir verraten, wieviel der frisst, Papa?“
„Ja.“
„Nur, so viel wie in diesen Blumentopf passt.“
„Papa, ich muss Pipi“. sagt Frauke.
„Ja, geh‘ schon mal vor ins Bad. Ich komm‘ gleich nach.“
„Ich muss gar nicht Pipi! Ich muss gar nicht Pipi!“
„Papa, jetzt geht der Allosaurus in seine Höhle. Willst Du mal sehen, wie er da reinkriecht?“
„Hmm.“
„Hier. So.“
„Aha, so krabbelt der Scharfzahn in seine Höhle.“ Ich bin sehr interessiert.
„Ja, und jetzt schläft er.“
„Aha. Kann ich jetzt bei dir einkaufen, Frauke?“
„Ja, Papa. Kannst du.“
„Ok, ich hätte gern diesen Kuchen hier.“
„Nein, der ist zu teuer. Du kannst einen Apfel kaufen.“
„OK, dann nehme ich einen Apfel.“
„Üüaahhhhrrrr!! Rotklaue ist aufgewacht, Papa.“
„Ihr müsst Euch jetzt mal anziehen, damit wir rausgehen können. Guckt mal, wie die Sonne scheint.“
„Ja! Rausgehen!“ Frauke rennt zur Haustür und beginnt sich ihre Schuhe anzuziehen.
„Frauke.“ sagt Jan spöttisch. „Du kannst noch nicht rausgehen. Du hast ja noch deinen Schlafanzug an.“
„Papa! Du musst mich anziehen!“ jammert Frauke.
„OK. Ich hol‘ Deine Sachen von oben und dann zieh‘ ich dich im Wohnzimmer an.“
Ich hole Unterhose, Jeans, Pullover und Socken für Frauke. Ich komme wieder runter.
„Papa, guck mal!“
Frauke hat sich ihre Entenschwimmbrille und ihren Fahrradhelm aufgesetzt. Jetzt bräuchte sie nur noch ein altes Mofa.
„Papa.“ sagt Jan. „Ich will eigentlich gar nicht raus.“
„Ich will aber raus.“ sage ich. „Guck mal, wie schön es draußen ist.“
„Ich will aber noch zwei Raumschiffe bauen.“
„Das können wir ja später machen.“
„Wir beide zusammen?“
„Ja.“
„Gut, dann gehen wir jetzt raus. Können wir ein Tipi bauen?“
„Ein Tipi? Woraus sollen wir das denn bauen?“
Eigentlich wollte ich ein Beet umgraben und Karotten säen.
„Na, aus Zweigen. Die können wir doch vom Komposthaufen holen.“
„Wir versuchen’s mal.“
Endlich sind die Kinder angezogen. Bereit für draußen. Sie sausen aus dem Haus.
„Ich fahr‘ Fahrrad!“ ruft Jan, kommt wieder ins Haus und holt sich seinen Helm. Ohne, dass ich es ihm sagen muss.
„Ich auch!“ ruft Frauke und schnappt sich ihr Laufrad. Helm und Schwimmbrille hat sie ja schon auf. Die Kinder flitzen in der Einfahrt hin und her.
„Papa!“ ruft Jan. „Ich hab‘ ein Rennmotorrad!“
„Ich auch!“ schließt Frauke sich an.
„Aber meins ist schneller!“
Ich hole den Spaten aus dem Schuppen und fange mit dem Umgraben an.