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Großvaters Schatz

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15.09.2004
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Großvaters Schatz

Großvaters Schatz

Leise schlich Michi über die knarrenden Dielenbretter. Er öffnete vorsichtig die große, schwere Holztür von Großvaters Zimmer und spähte in den hellen, altmodisch eingerichteten Raum. Niemand war dort, aber dies konnte sich schnell ändern. Also musste er zügig handeln – viel Zeit hatte er ja nicht.
Michi überlegte, wo Großvater die Uhr verwahren mochte und ließ seinen Blick durch den Raum gleiten. Was für ein Glück! Die goldene Taschenuhr lag direkt vor ihm auf dem Nachttisch. Schnell steckte er sie ein und verließ beinahe fluchtartig das Zimmer, nicht ohne schlechtes Gewissen wohlgemerkt.
Puh – fast wäre er mit Großvater zusammen gestoßen, der gerade von seinem Spaziergang zurückkehrte.
„Nanu, wohin denn so schnell?“, fragte er Michi.
Dieser wiederum stammelte irgendeine Entschuldigung und verschwand in den Garten, wo Felix und Mark schon auf ihn warteten.
„Und, hast du sie?“, wollten die beiden wissen.
Zur Antwort zog Michi sie hinter die dicke Eiche und zeigte zögernd sein Diebesgut.
„Wow! Boah! Gib mal her!“
„Nein“, entgegnete Michi entschlossen. „Wenn die kaputt geht …“
„Quatsch, ich pass’ schon auf“, versicherte Mark. Er bekam glänzende Augen, als er die Taschenuhr, die schon an viele Generationen weitergereicht worden ist, in den Händen hielt.
„Ey, cool! Guck mal, die hat sogar ’ne Stoppfunktion!“, staunte Felix.
„Ja, Großvater nimmt sie immer zu Pferderennen mit“, gab Michi wissend preis. Weiter kam er jedoch nicht, denn Mark fiel ihm ins Wort: „Wettrennen, das ist es!“ „Ja, genau!“, bestätigte Felix und schnappte sich die Uhr. „Wer als erster am Fluss ist, darf stoppen!“, rief er, während er zwischen den Bäumen verschwand. Die anderen setzten ihm sofort nach. Eine wilde Jagd begann.

Mark hatte Felix nun fast eingeholt und beide kamen ungefähr gleichzeitig am Fluss an. Die beiden stritten, wer denn jetzt der Erste war. Jeder bestand darauf, dass er derjenige wäre, der die Uhr bedienen dürfe. Mark versuchte sogar, Felix die Uhr aus der Hand zu reißen, und dabei gerieten die beiden in den flachen Bach. Michi versuchte zu schlichten, doch als er gerade eingreifen wollte, glitt die Uhr den beiden Streithähnen aus den Fingern – und landete im Bach. Ruckartig standen alle still.
Michi war der erste, der sich wieder fing. „Nein!“, schrie er in den Wald hinein, der das Echo wiedergab.
Blitzschnell fuhren plötzlich sechs Hände zu der Uhr ins Wasser und alle drei Jungen stießen mit den Köpfen zusammen. „Aua!“, riefen sie und stoben auseinander, doch Michi hatte die Uhr gegriffen und hielt sie nun ungläubig in den Händen. Fassungslos starrte er sie an und betrachtete den Sprung im Glas, der durch den Aufprall auf die Steine im Bach herbeigeführt wurde. Als er zögernd die Knöpfe betätigte, regte sich nichts.

„Nein, es passiert schon nichts!“, äffte er Mark nach. „Und was jetzt?“ Fragend schaute Michi die beiden an. Sie schwiegen betreten und wichen seinen Blicken aus.
„Wenn Großvater das sieht, passiert ein Unglück! Die Uhr ist total wertvoll und außerdem schon uralt!“
Die drei Jungs berieten sich eine ganze Weile. Schließlich sahen sie ein, dass Marks Vorschlag – nämlich die Uhr klammheimlich wieder zurückzulegen – im Moment wohl der beste war. Denn wenn sie Großvater ihr Missgeschick beichten würden – da waren sie sich sicher – würden sie eine solche Strafe bekommen, dass ihnen Hören und Sehen verginge. Und dazu würde Großvater so enttäuscht und traurig sein, dass die Kinder ihm kaum mehr unter die Augen treten könnten.

Und so kam es, dass die Uhr am Abend wieder in Großvaters Zimmer am gewohnten Platz lag – niemand hatte etwas bemerkt.
Beim Abendessen herrschte ein unheimliches Schweigen am Tisch. Großvater musterte die Jungs akribisch und kratzte sich an seinem wuscheligen Bart. Mark stocherte verlegen in seinem Essen herum. Plötzlich sprang er auf. "Ich... ich muss ... mal aufs Klo!", verkündete er und verließ hastig die Küche.
Felix und Michi senkten die Blicke und betrachteten beinahe fasziniert, wie sich die kleinen Luftblasen in ihrer Limonade den Weg nach oben suchten.
Großvater räusperte sich vernehmlich. Irgendetwas stimmte nicht, das wusste er. Sonst kamen seine drei Enkel kaum zum Essen, weil sie so aufgeregt durcheinander plapperten. Was war nur los? Hatten sie etwas ausgefressen?
Leise, wie eine Katze, schlich Mark zurück an seinen Platz.
"Schmeckt es euch nicht?", fragte Großvater in die Runde.
"Doch ...", versicherte Felix. Wirklich überzeugend klang es aber nicht.
Das schrille Klingeln des alten Telefons unterbrach das Gespräch. Der alte Mann stand auf und verließ die Küche, jedoch nicht ohne sich in der Tür noch einmal umzudrehen. Mit einem sanften, ermunterndem Blick schaute er zu seinen drei Jungs und ging dann zum Telefon.
Als Felix, Michi und Mark seine Stimme aus dem Flur hörten, hielten sie es nicht mehr aus.
"Ich habe eben nachgedacht. Wir müssen es ihm sagen.", meinte Michi.
"Aber dann wird er furchtbar böse werden!", entgegnete Felix.
"Und wenn wir es verheimlichen?" Mark war gar nicht darauf aus, sich Ärger einzuheimsen.
"Er wird es merken. Und dann?" Michi hatte wirklich ein schlechtes Gewissen. "Ich kann nicht so tun, als ob alles in Ordnung wäre. Irgendwann geht er wieder zum Pferderennen, und dann wird er die Uhr mitnehmen!"
Betretenes Schweigen folgte. Die drei vereinbarten, nach dem Essen etwas zu unternehmen.

Fortsetzung folgt (Ende wird gerade überarbeitet)

 

Hi charango!

Erst einmal herzlich willkommen: :)

Zu Deiner Geschichte: sie ist flüssig, spannend und flott geschrieben, die Jungs kommen lebendig rüber - besonders die Dialoge sind Dir meiner Meinung nach gut gelungen. Der Einstieg ist gut gelungen, man ist sofort dabei und will wissen, wie es weitergeht.

Wenn eine alte Taschenuhr in den Bach fällt ... ich kenn mich nicht aus, aber müsste das Wasser der Mechanik nicht schaden? :schiel:

Inhaltlich gefällt mir der Schluss allerdings garnicht. Die Kinder tun etwas verbotenes. Diebstahl - auch wenn es nur ein kurzes Ausborgen sein sollte. Sie wissen, wie sehr der Großvater verlezt wäre, wenn er es erführe - und tun es dennoch. Sie hintergehen ihn, sind zu feige, es einzugestehen. Eine neue alte Uhr zu kaufen ist meiner Meinung nach keine Lösung - der Großvater wird es merken - wenn er nicht vorher den Sprung im Glas bemerkt. (denn es scheint sich, zumindest wie ich es herauslese, um etwas zu handeln, was dem Großvater sehr teuer ist - da macht er die Uhr sicher auch mal zwischendurch auf, wenn kein Rennen ist?)
Insgesamt vermittelst Du mit diesem Ende: Man kann schon verbotene Sachen machen - wenn man es so geschickt anstellt, dass es niemand merkt. Und das ist eine Botschaft, die mir, wenn es um so etwas ernstes und moralisch falsches wie Diebstahl und Betrug geht, in einer Kindergeschichte nicht gefällt!!
Das Problem ist nämlich, dass sich ein Kind mit den Jungs mitfiebern kann, und so eine Problemlösung vorgesetzt bekommt, die es möglicherweise übernimmt.

Geschickt wäre meiner Meinung nach ein Ende, bei dem der Großvater merkt, was los ist - oder die Kinder es ihm selbst erzählen. Nach einem kruzen Donnerwettter darf dann ruhig ein Happyend stehen. Die Kinder können so erfahren, dass solche Sachen falsch sind, aber dass es wichtig ist, zu seinen Fehlern zu stehen. Und das dieses Vertrauen auch belohnt wird.

Mensch, ist das lang geworden: :shy:

Um es allerdins nochmal zu betonen: stilistisch hat mir die Geschichte ausgezeichnet gefallen. :)

liebe Grüße
Anne

 

Hallo!

Danke für Deine Antwort. Hat mich sehr zum Nachdenken angeregt und ich muss sagen - du hast RECHT mit dem Ende.
Eine Überarbeitung dringend erforderlich, werde es so schnell wie möglich in Angriff nehmen. Hab auch schon eine Idee!

Vielen Dank für Deinen Denkanstoß.

Liebe Grüße
charango

 

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