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Großstadtjäger

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14.08.2001
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Großstadtjäger

Ich bin ein Jäger. Nicht was Sie denken, keiner von diesen Männern in grünem Loden und mit Gamsbärten an ihren Hüten, die am Wochenende in die Wälder fahren und zum Spaß wehrlose Rehe abknallen. Bei mir ist es ernst.

Offiziell nennt man mich „Kleintierbeauftragter“. Das ist eine Untertreibung, die weniger starke Charaktere als Beleidigung empfinden würden. Nein, ich halte die Stadt sauber von den Scharen an ruhelosem und verderbtem Getier, dass heimlich unsere Stadt auffrisst. Tauben, Mäuse, Ratten. Ja, vor allem Ratten. Millionen und Abermillionen treiben sich im Untergrund herum, ständig auf der Suche nach Kabeln, die sie durchbeißen können, und nach Nahrungsresten, die sie in ihren teuflischen Körpern mit Krankheiten anreichern und in unserer Welt verbreiten können. Sie kennen nur einen Auftrag: unsere Welt zu vernichten.

Sie lächeln? Lächeln sie nur, das bin ich gewöhnt. Ich brauche Ihre Anerkennung nicht: Dass mich niemand bemerkt, ist für mich der höchste Lohn. Ich bin kein waffenbehangener Cowboy, der die Witwen und Waisen auf Großbildleinwänden in Technicolor Richtung Sonnenaufgang trägt. Meine Arbeit ist bescheiden und diskret.

Wenn Sie mich sehen würden – vielleicht haben sie mich schon einmal gesehen –, würden sie sicher sagen: „Ach, ein Müllmann, schön, dass er unseren Bahnhof sauber hält. Das wäre ja kein Beruf für mich.“ Da haben Sie recht, mein Beruf wäre tatsächlich nichts für Sie. Tag für Tag, Nacht für Nacht im Kampf gegen eine millionenfache Übermacht abgründiger Nager. Aussichtslos. Nur ein unbändiger Wille und lodernder Hass halten Sie da am Leben. Nichts für verweichlichte Wohlstandsbürger.

Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, verstehen Sie mich nicht falsch. Neulich sah ich ein Kind, dass im Park eine Maus entdeckte. „Oh Mama, schau mal, wie süß. Darf ich die mitnehmen?“ Süß. Das ist das Böse an diesen Wesen: Sie missbrauchen unsere Menschlichkeit. Sie tarnen sich als niedliche Tierchen, und sind dabei unser größter Feind. Da brauchen Sie ein gesundes Misstrauen und viel Erfahrung, um zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können. Ich frage Sie: Wie viele Brände, wie viele unschuldige Menschenleben haben diese Viecher schon auf dem Gewissen? Leitung angeknabbert, Kurzschluss, ein kleiner Funke reicht. 12 Tote. Süß.

Warum ich Ihnen das erzähle? Nicht für den Ruhm, das können sie mir glauben. Jede kalte, starre Ratte ist mir mehr Genugtuung als ihr Lob. Nein, vielleicht erzähle ich Ihnen das, um sie zu warnen. Fühlen Sie sich niemals sicher. Sie können sie nicht sehen, sie können sie nicht hören. Nur manchmal ein leises Rascheln, ein vorbeihuschender Schatten beweisen, dass sie da sind. Da, um uns zu vernichten. Ich verlange nichts von Ihnen, nur eines: Vergessen Sie nicht die Gefahr. Und denken Sie ab und zu an mich. Ich bin ein einsamer Jäger, ich beschütze Sie.

 

Hi Kristin!

Danke für Deinen Kommentar. Genau die richtige Mischung aus Lob und Kritik. So mag ich´s gern: ein einfühlsamer Arschtritt. :D Und die Ermahnung nehme ich mir zu Herzen. Die Idee zu diesem Typ kam mir relativ spontan, und ich hatte sein Bild recht klar vor Augen. Ich musste es also "nur" aufschreiben. Mir dazu eine Geschichte auszudenken, mit Handlung und so, würde allerdings richtig Arbeit bedeuten. Die mir innewohnende Faulheit kann den Arbeitsprozess jedoch manchmal deutlich verzögern. Ich werde es also auf meine ToDo-Liste setzen - schon allein, um mir nicht Deinen Unmut aufzuladen. Kann allerdings noch ´ne Weile dauern. :sleep:

Bis dahin vielen Dank für die ermutigenden Worte,

Patrick

 

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