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Großstadtgrab
Grßstadtgrab
Orte der Großstadt.
Haus der Anonymität. Nachbarn sind fremde Menschen, ein Fremder bin ich in diesem Haus. Meine Tür ist geschlossen, trennt die Wohnhöhle vom Korridor, der nackt im Neonlicht nach Putzmitteln riecht. Meine Schritte hallen von den Wänden wider, die nikotingelb angehaucht sind.
Der Aufzug ist außer Betrieb, das Treppenhaus gähnt vor Leere und fröstelt zwischen kahlen Mauern. Jeder Schritt verliert sogleich die Bedeutung auf abgelaufenen Stufen, als hätte er keine Existenzberechtigung in dieser kalten Welt.
Die Tür knarrt. Öl ist teuer- keinen Hausmeister hat dieser Bau gesehen seit etlichen Jahren, kein Finger die rostigen Klingelknöpfe mehr gedrückt. Leere Briefkästen sind stumme Zeugen der Tristesse.
Regen glänzt auf der asphaltierten Straße wassernass. Diesig das Zwielicht einer entfernten Straßenlaterne, wie eine Taschenlampe im Nebel. Der Wind heult heut besonders lustig, in Stößen, wie Schluchzer, durch die Gassen. Auf vereinzeltes Hundegebell höre ich schon lange nicht mehr. Katzenschreie verschluckt die Nacht als Vorspeise. Kaum hörbar rosten Autos.
Jede Ecke eine Heimat für Messer in den ausgehungerten Händen, vielleicht wohne auch ich bald blutend auf der Straße. Meine abgelaufenen Schuhe sind Paläste für schwarze Füße, die Stofffetzen Segel für ein Schiff auf dem Meer der Kälte. Vielleicht werden meine Haare bald eine Perücke sein, wenn sie gewaschen wurden.
Mein Kopf geneigt vom schluchzenden Wind, meine Haut durchweicht von Tränen. Das Schild wärmt mich von innen. Ein Grab ohne Blumen, nackte Erde, kalter Stein: es ist präsent, das Bild der Erlösung.
Schäbige Kirche als Ort der Zuflucht streunender Gestalten in Wirren der Zeit. Dunkle Fenster, unbemalt. Geschlossen die modernde Eichentür. Schon lange hörte ich die Abendglocken nicht mehr läuten. Vielleicht verschluckte sie der Ton des Dunkeln.
Zu sehen ist kein Mensch. Die Ecken heute unbewohnt. Ob anderswo noch Christbäume stehen, Zeichen der Tage von Harmonie, Tropfen im Gewitter der Zeit?
Eine Reklame flackert. Scheint zu kämpfen um das Leben, hoffend, dass der Strom nicht versiegt. Wetterleuchtend huschen Bilder längst vergangener Zeit am Horizont entlang, mehr Spott denn Licht, mehr Schmerz als Freude, gepeitscht vom Wind ins Meer des Vergessens.
Schaufenster lachen lichterloh zur Straße, grinsen mit der Pracht aus Elektronik wie ein Versprechen: Nimm mich und vergesse! Fernseher als Lagerfeuer unserer Zeit, Playstations sind Gesprächspartner. Handys ersetzen Höhlenmalerei. Der Konsument geht auf die Jagd!
Mammuts auf Burgern mit dem goldenem M. Stoßzähne tanzen im Loch meines Magens. Mit der Nase löffle ich Luft. Speie der Kälte Brocken entgegen, widerkäuend. Ich brauche doch auch sie zum Leben.
Verspiegelte Fassaden zeigen Tod. Masken tragen nun auch schon die Häuser, regungslos im Wind. Vergangenes in dunklen Ecken blutend auf der Nässe liegt. Klamm greift eine Hand und wedelt mit Gedärmen. Moderne Fahnen.
Volkes Kinder jubeln in der Nacht, die Nasen weiß. Die steinerne Treppe führt in Richtung Nirgendwo. Schnelle Tänze in den Augen, Partner sind blanker Stahl.
Ihre Rufe verschluckt die Nacht, gespiegelt in Pfützen triefende Leftzen.
Die Schuhe durchweicht die Träne, Socken stinken nach Einsamkeit. Wohlbekannter Geruch.
Uhr über der Straße will mich täuschen. Wer glaubt schon, dass alles vorwärts geht, in geregeltem Rhythmus?
Nur Stillstand wäre eine Wahrheit.
Meine Schritte versinken.
Es schlurft das U- Boot entlang der Riffe.
Vertraut glänzt sie noch wassernass.
Treppen hallen wie Sonar.
Die Luft ist rein, stickig und dick.
Die Tür knarrt.
Ich lasse sie geöffnet, damit der Tod nicht klingeln muss.