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Großstadt im Herbst

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18.10.2003
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Großstadt im Herbst

Wie fing das alles eigentlich an?

Ach ja, wir hatten früher Schluss. Also sind wir noch weg gegangen um einen Kaffee zu trinken. Ich weiß gar nicht mehr, Milchkaffee oder Cappuccino oder so. Jedenfalls war er groß und drückte bald auf die Blase. Genau genommen drückte da noch etwas ganz anderes.
Wie auch immer, ich setze mich also auf die sehr gepflegte, angenehm saubere Toilette und da lag es!
Ein Blatt.
Richtiger müsste es heißen, ein Blättchen, denn es war nicht sonderlich groß. Birke oder so. Und es lag da einfach vor der Toilette.
Jetzt werden sie sicher sagen: „ Na und? Ein Blatt halt, was ist an einem Blatt schon so besonders?“
Ich werd’s ihnen sagen.
Groß geworden bin ich in einer Kleinstadt, dort gab es noch richtige Winter mit Schnee, richtige Frühlinge mit Verlieben, richtige Sommer mit Sonnenbrand und natürlich auch richtige Herbste mit richtig vielen, echten Blättern. Die fielen dann immer in Scharen von den richtigen Bäumen.
Das Problem an der Sache; Wo hat man hier in Köln noch richtige Bäume?
Natürlich stehen da ab und zu mal ein paar Bäume, aber wenn dann der Großstadtherbst kommt, sind die Blätter dieser Großstadtbäume schon dreckig bevor sie auf dem Boden ankommen. Ganz zu schweigen davon, wie sie aussehen, wenn sie dann in unzähligen Schichten nass auf der Strasse liegen und unser-eins, den tapferen Radfahrern, das Leben zur Hölle machen.
Was hatte all dies nun mit dem Blatt vor meinen Füßen zu tun, fragen sie sich?
Also, dieses kleine Blättchen dort, zwischen meinen beiden Fußspitzen, der Toilette und der Tür positioniert, war sauber.
Ein sauberes, zartes, kleines Blättchen, nichts weiter, nur dass es auf der Herrentoilette eines Kölner Großstadtcafés lag.
Es beschlich mich ein ungutes Gefühl.
Wie war es hierher gekommen?
Dieses Blatt hatte noch nie einen Schuh, geschweige denn eine Schuhsohle gesehen.
Der Wind wehte auch nicht sonderlich stark in diesem Café.
Es konnte nur zwei Lösungen für dieses Rätsel geben, entweder hatte ein grausamer Zeitgenosse eigens für mich dieses Blatt hier postiert, was recht unwahrscheinlich war, oder aber meine schlimmsten Vermutungen trafen zu.
In genau dem Moment in dem mir dieser Gedanke durch den Kopf schoss, schien das Blatt leicht zu beben.
Das reichte, ich zog mich wieder an ohne mein Geschäft verrichtet zu haben und schoss hinaus zu meinen Freunden.

„Was ist denn mit dir los? Du siehst ja aus als hättest du ein Gespenst gesehen.“

„Ach nichts, mir ist irgendwie nicht so gut. Ich hau ab, wir sehen uns morgen.“

Mit diesen Worten ließ ich sie da sitzen und machte mich auf den langen Weg nach Hause in meine sichere Wohnung.

Ich wähnte mich schon fast am Ziel, als ich von einer dieser Großstadtgangs überfallen wurde.
Sie lauerten mir hinter einem Stromkasten auf. In dem Moment, in dem ich an ihnen vorbei wollte, stürmten sie auf mich los.
Es waren größtenteils Kastanien- und Ahornblätter, aber unter ihnen war auch das ein oder andere Lindenblatt.
Wahrscheinlich Mitläufer, dachte ich und schlug den Angriff nieder, die Blätter in die Flucht und rannte was das Zeug hielt zu den sicheren Mauern meiner Wohnung.

Mit einem „Klack“ glitt die Tür hinter mir ins Schloss, mit zwei gekonnten „Klick- Klack“s hatte ich sie abgeschlossen.
Vollkommen erschöpft sank ich, den Rücken an der nun sicher verschlossenen Tür, in mich zusammen. Ich wollte weinen, riss mich dann aber doch noch zusammen und beschloss mir einen beruhigenden Tee zu kochen.
„Getrocknete und kleingehackte Blätter,“ sagte ich leise zu mir während ich meine Jacke auszog und sie an den Haken neben der Tür hängte, „was kann da schon passieren?“
Auf einmal merkte ich, dass etwas nicht stimmte, meine Nackenhaare, schon immer ein todsicheres Indiz dafür, stellten sich auf.
Langsam drehte ich mich zur Tür.
„Bloß keine hektischen Bewegungen!“ dachte ich.
Den Wasserkocher hatte ich schon in der Hand, da sah ich sie.
Sie waren zu zweit, ein Ahorn- und ein Kastanienblatt. Sie lagen dort vor der Tür, wo ich vor einem Augenblick selbst noch gesessen hatte. Sie müssen sich in meinen Jackentaschen versteckt haben. Und ich wusste genau, was sie vorhatten.

„Der Scheißtrick mit dem Trojanischen Pferd, hä? Nicht mit mir!“ schrie ich
und tat das erste, was mir in den Sinn kam, nämlich den Inhalt des Wasserkochers samt dazugehörigem Gefäß in ihre Richtung zu schleudern.

Kaum hatte ich das getan, da wusste ich schon, dass es ein Fehler war.
Den Druck des Schwappwassers optimal ausnutzend, machten sich die beiden Eindringlinge auf den Weg Richtung Tür.

„Verdammt, der Kapillareffekt!“ Konnte ich noch brüllen als ich mich mit einem Hechtsprung zur Tür warf, um das bereits kurz unter der Klinke klebende Ahornblatt abzureißen.
In dem Moment war mir klar, dies würde ein Kampf auf Leben und Tod werden. Keiner würde aufgeben und es stand Zwei gegen Einen.

Während ich das Ahornblatt eher schlecht als recht in Schach halten konnte, erwischte ich das Kastanienblatt mit der rechten Hand und konnte ihm in einer fließenden Bewegung zwei Finger abreißen. Von dem hatte ich vorerst nichts mehr zu befürchten.
Den Klang von brechender und reißender organischer Substanz nahm ich gar nicht mehr war. Ich war in einem Chlorophyll-Rausch.
Gerade in dem Moment, in dem ich das Ahornblatt mit einem gekonnten Würgegriff am Boden zu fixieren vermochte, öffnete sich die Wohnungstür und meine Mitbewohnerin trat, mit einem ziemlich verdutzten Gesicht ein.

„Wo kommt denn das Wasser auf dem Flur her? Und warum liegst du auf dem Boden?“

„Stell keine dummen Fragen, du siehst doch, dass es hier ernst ist. Los mach die Tür zu, sonst kommen noch mehr von denen rein.“ konnte ich im Kampf ums nackte Überleben noch herauspressen.

“Kümmer’ dich um die Scheiß Kastanie, der Penner will abhauen! Und mach die Scheiß Tür zu!“

Letzteres schrie ich.

Sie schloss die Tür zu und versprach mir sich um Hilfe zu kümmern. Daraufhin verschwand sie in ihrem Zimmer.
Ich konnte sogar in dieser extremen Situation verstehen, dass sie furchtbare Angst gehabt haben muss.
Schließlich konnte ich auch dem Ahorn das Genick brechen ohne weiter mit der Wimper zu zucken.

Nachdem ich die beiden Eindringlinge mit Hilfe der Küchenschere auf ein praktisches Kompostierungsmaß gestutzt hatte, schickte ich mich an, dem gesamten Übel auf der Straße da draußen ein Ende zu bereiten.
Ich hatte eine Mission.

Ausgerüstet mit Feuerzeugbenzin, Campingkocher, Gummihandschuhen und Schutzbrille wollte ich gerade meiner Bestimmung entgegentreten, als vor der Tür zwei gut gebaute Herren in weißen Uniformen standen.
Sie sagten, sie wollten sich an meinem Kampf gegen die marodierenden Blätterhorden beteiligen, ich müsste sie dafür allerdings in ihre Einsatzzentrale begleiten, da wir die ein oder andere Sache besprechen müssten und eventuell noch andere Mitstreiter bräuchten.
Das leuchtete mir ein.
Mit dem Einsatzwagen ging’s dann in die Zentrale, wobei wir durch die Hölle mussten, alles war voll von diesen abscheulichen Blättern, wo kamen die auf einmal alle her?

Dort angekommen hielten wir einige taktische Besprechungen ab, die hier Anwesenden waren zwar ein etwas lahmer Haufen, aber durchaus von meinen Plänen begeistert.
Sie mussten erst einmal fit gemacht werden, nicht jeder kann ein Blatt mit bloßen Händen töten. Als ich ihnen von meinem Erlebnis zuhause berichtete, sah ich Respekt in ihren Augen aufleuchten.
Um die Truppe zu formieren haben wir beschlossen, erst einmal ein wenig im sicheren Garten zu üben.
Sie haben hier eine Kampfmaschine, die nennen sie Häcksler. Sie sagen, wenn ich mich erst einmal von dem schockierenden Erlebnis in den eigenen vier Wänden erholt habe, könnten wir damit in die Stadt ziehen und dem Elend dort ein Ende bereiten.

 

Moin Liederwurm,

Deine Geschichte hat mir ziemlich gut gefallen. Gute Idee, flüssiger Stil (allerdings sind noch ein paar Flüchtigkeitsfehler drin) und schön pointiert geschrieben.
Sehr gut gefallen hat mir der Kampf in der Küche ("Verdammt, der Kapillareffekt!") und der Anfang, wo du einen sehr schön lapidaren Stil benutzt hast.

Ich nehme mal an, dein Protagonist hat sich das nur eingebildet und landet am Ende in einer Art Anstalt (Männer mit weißen Jacken).
Das geht mir dann aber ein wenig zu schnell. Warum wird man gleich verrückt, nur weil man ein Blatt auf dem Klo sieht? Und warum wird man eingewiesen, nur weil man gegen Blätter in der Wohnung kämpft? Ich nehme an, die Nachbarin hat dafür gesorgt - aber warum? Nur weil er Wasser verschüttet hat? Irgendwie wirkt das auf mich noch nicht wirklich plausibel. Vielleicht könntest du noch ein wenig steigern - ihn zB wirklich in den Park gehen und ein paar Bäume ankokeln lassen.

Irgendwie fand ich es am Ende ziemlich schade, daß dein Protagonist sich das eben nur eingebildet hat. Der Text war wunderbar absurd und dann kam eine doch recht normale Lösung des ganzen (oder ich hab das Ende falsch gedeutet). Aber das ist nur meine persönliche Meinung - vielleicht wäre ein echter Krieg gegen Blätter auch zu albern geworden.

Insgesamt hats mich einfach gut unterhalten, müßte aber nochmal auf Flüchtigkeitsfehler untersucht werden (bei Interesse könnte ich den Text mal durchsehen und dir ne PM schicken).

 

Hi Liederwurm!

Auch mir hat die Geschichte gefallen. Schön absurd und einige Male musste ich sogar leicht lachen. Der Stil war bis auf die Flüchtigkeitsfehler sauber. Auch wenn gnoebel dir angeboten hat, dass er den Text durchschaut und dir die Fehler in einer PM schickt, möchte ich wenigstens die paar Fehler, die mir beim ersten Durchlesen sofort aufgefallen sind, aufführen:

Die vielen dann immer in Scharen von den richtigen Bäumen.
fiel

Natürlichstehen da ab und zu mal ein paar bäume, aber wenn dann der Großstadtherbst kommt sind die Blätter dieser Großstadtbäume schon dreckig bevor sie auf dem boden ankommen.
Natürlich stehen
Bäume
Boden
zwischen kommt und sind würde ich persönlich ein Komma setzen

Dort angekommen hielten wir einige taktische Besprechungen ab, die hier anwesenden waren zwar ein etwas lahmer Haufen, aber durchaus von meinen Plänen begeistert.
Anwesenden

Bezüglich der schnellen Abhandlung und der fehlenden Aspekte (=> siehe Fragen von gnoebel) schließ ich mich gnoebel an. Die Geschichte lässt sich zwar auch so verstehen, aber es bilden sich halt oben genannte Fragen in einem und deine Geschichte wäre wahrscheinlich noch ein Stück besser, wenn du diese umsetzen würdest.

Greetinx
Alisha

 

Hey ihr zwei,

erst mal vielen Dank für eure prompte und ich denke auch mal positive Kritik.
Das mit den Flüchtigkeitsfehlern tut mir sehr leid, das wird in Kürze noch korrigiert. Hab's von meiner "Lektorin" schon durchsehen lassen, allerdings erst, nachdem ich's hier reingestellt habe.

Die Sache mit dem Ende werde ich nochmal überdenken. Meist ist es aber so, das die erste Idee die beste ist und es nur die ein oder andere Schönheitskorrektur ist, die dem ganzen den Schliff gibt.

Also, immer her mit euren Kritiken!

Liebe Grüße, Olaf :)

 

So,
hab jetzt den geänderten Text eingestellt.

Die Rechtschreibe- und Flüchtigkeitsfehler habe ich nach bestem Wissen und Gewissen geändert und auch noch ein oder zwei minimale Änderungen vorgenommen. Die findet ihr eh nicht. ;)

Liebe Grüße, Olaf :)

 

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