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Große kleine Helden 3 - Die Schleuse
‚Peitschen knallen, es roch nach Schweiß. Es war ein grandioses Schauspiel, wie hundert Männer mit Hilfe eines ausgeklügelten Seilsystems den 20 Tonnen schweren Steinquader Stück für Stück anhoben, um ihn in seine endgültige Position zu bringen.’
Er richtete sich in seinen Liegestuhl auf, nahm ein Schluck kühles Bier, rückte den Stuhl zurecht und vertiefte sich wieder in sein Buch über die großartigen Leistungen vergangener Kulturen.
‚Ein neuer Steinblock wurde herangerollt. Die Männer wurden angetrieben, ein gigantisches Bauwerk zu errichten, was später einmal eines der sieben Weltwunder werden sollte. Viele brachen entkräftet zusammen. Schnell wurden sie weggetragen, um die Arbeit nicht zu behindern. Andere nahmen ihren Platz ein. Weitere wurden…’
„Papa!“ Der Vater blickte erschrocken auf. „Papa, ich habe die Schleuse ganz allein aufgemacht“, rief stolz der Junge seinem Vater zu. Der Vater stand auf, legte das Buch zur Seite und ließ den Motor an. Sie fuhren mit ihrem Boot weiter den Fluss hinauf. Es war ein kleines Boot. Es wog nur ungefähr 20 Tonnen.
Da stand er. Mit stolz geschwellter Brust. Der Vater schaute zu ihm rüber, warf ihm ein das-hast-du-gut-gemacht Blick zu. Er war stolz auf ihn; hatte ihm den komplizierten Mechanismus nur einmal gezeigt – wie man all die Hebel, Ein- und Auslässe öffnet und schließt, auf was man alles achten muss, in welcher Reihenfolge alles getan werden muss. Er hatte es ganz allein geschafft.
„Du bist ganz schön stark“, nahm er die Blickkontaktunterhaltung wieder auf, „du hast das Boot ganz allein über 5 Meter angehoben!“
Es bildete sich eine Runzel des Zweifels auf Peters Stirn. Ganz allein kann doch nicht sein, konnte der Vater auf seinem Gesicht lesen. Es machte ihm immer wieder Vergnügen, zu sehen, wie Fragen durch Peters kleinen Kopf schossen.
…
„Papa“, unterbrach Peter die Stille, „du Papa, das Boot ist doch viel zu schwer für mich, das war ich doch gar nicht.“ Mit diesen Worten machte Peter seinen Vater so richtig stolz. Stolz, dass er nicht zu stolz ist zuzugeben, dass er Hilfe gehabt hatte. „Das war gar nicht ich Papa“, fuhr er fort, „das war das Wasser!“ durchfuhr es ihm, zufrieden mit dieser Erkenntnis.
…
„Du Papa“, hörte der Vater ihn erneut fragen, „du Papa, wo kommt eigentlich das Wasser her?“
„Von den Bergen.“
„Und wie kommt es in die Berge?“
„Es regnet aus den Wolken.“
„Und wie kommt das Wasser in die Wolken?“
„Aus dem Meer.“
„Aus dem Meer?“ er schaute seinen Vater überrascht an, „wie in aller Welt soll das Wasser aus dem Meer in die Wolken kommen, das geht doch gar nicht. Du hast doch selbst gesagt, Wasser fließt nur bergab.“
„Das stimmt auch“, erwiderte der Vater.
„Aber dann muss doch jemand das Wasser in die Wolken bringen?“
„Das jemand ist die Sonne“, sagte der Vater, „das Wasser wird durch die Wärme der Sonne verdunstet und gelangt so durch die Luft nach oben in die Wolken.“
„Das ist ja ´n Ding!“ Jetzt war er restlos überrascht. Wieder trat eine Weile Stille ein – sein kleines Hirn hatte jetzt einiges zu verdauen, das war neu für ihn.
…
„Du Papa“, unterbrach er die Stille, nachdem er eine ganze Weile gegrübelt hatte, „du Papa, wer hat denn dann die Sonne angezündet?“
„Du stellst gute Fragen mein Sohn. Aber das werde ich dir ein andermal erzählen, wir sind jetzt gleich zu Hause.“