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Große, große Kulleraugen
B-b-b-bbeatt. Das Licht ist gedimmt. Die Bar ist brechend(voll). B-b-b-bbeatt. Menschen lachen, tanzen, trinken, reden, oder stehen einfach dumm neben ihrer Gruppe rum und versuchen ihr Unwohlsein zu verbergen. B-b-b-bbeatt. Die Pinguine hinter der Bar wirken subtil gehetzt. In ihren Flossen funkeln Flaschen, Löffel, Gläser... B-b-b-bbeatt. ..hier und da eine frische Beere... Einschenken, das Glas vor den Gast klatschen, kassieren. B-b-b-bbeatt. Einschenken, einschenken, kassieren, kassieren, schwitzen, lächeln, schreien, kassieren. B-b-b-bbeatt. B-b-b-bbeatt. B-b-b-bbeatt. Wir haben uns einen Platz an der Bar erkämpfen können. Bitte einen Gin-Fizz, zwei Bier, einen Merlot. Eine übergroße, haarige Hand mit dem Rotwein taucht aus dem Dunkel heraus auf. Sie stellt ein Glas vor mich. Die Flasche kippt. Ganz langsam, noch etwas mehr, noch etwas mehr... und dann geht alles ganz schnell: Die schwarze Flüssigkeit plumpst in das Reagenzglas an einer der gläsernen Wände nach unten entlang und auf der anderen wieder nach oben kriechend. Das Reagenzglas füllt sich und entfesselt dabei einen bitteren, schweren und doch entfernt an eine Frucht erinnernden Geruch, der mir sofort wie Samt in die Nase, Nebenhöhlen, Augen und bis in die Stirn schießt. Die Hand und die Flasche ziehen sich wie ein Drachenkopf zurück in die dunkle Höhle des Dunstes. Auf uns. Auf den Mädelsabend. Chin-chin. (Hast du schon gehört von... Und die Carla hat ja ein Stipendium... Arne und ich? Oh, uns geht es gut!... Und dass du einfach immer an die falschen Leute gerätst... Wie läuft die Uni? Die Arbeit? Gehst du noch zum Sport? Wir müssen unbedingt mal zusammen gehen! Diesmal komme ich auch... Gurrrlzz, ich hab euch liehhheeeb!! Das müssen wir wirklich öfter machen...)
Will noch jemand auf Toilette?
Sandra und ich drängen uns durch die Leute. Sie nimmt meine Hand in die ihre weiche, glatte Pfote. Das härteste an ihrer Handfläche ist der große, kalte Ring. Sie hält mich nur leicht und zaghaft, zieht mich mehr mit einem Zeigefinger hinter ihr her. Oder schiebe ich sie vor mir? Die Treppe windet sich nach unten. Wir steigen weiter und weiter hinab ins orangene Licht, tausend Bilderrahmen um uns tanzend. Die Frauen in den Bilderrahmen schicken uns tausende von Küssen und die Männer rauchen uns von der Seite an. Es bellen hechelnde Hunde mit Kulleraugen und es rauschen Wasserfälle. Und plötzlich ist alles vorbei. Stille. Nur Sandras Stimme dröhnt: „Es ist besetzt und es gibt auch nur eine. Wie kann man denn nur eine Toilette auf 1000 Menschen einrichten? Hirnlos sowas.“ Sie lässt meine Hand los und späht in die offene Männertoilette. „Da ist auch nur eine Kabine. Aber es sieht leer aus. Komm!“ Ich folge, weil ich noch so von der schwarzen Flüssigkeit in dem Reagenzglas und den Küssen und Wasserfällen benebelt bin, dass ich in der Erinnerung an die Kulleraugen nur hinterher stolpern kann. Sandra drückt gegen die Kabinentür und bleibt plötzlich wie angewurzelt stehen. Oberhalb ihres Armes an ihrer Schulter vorbei, sehe ich nun die Kulleraugen. Große, große Kulleraugen, die nur wissen wollen, womit sie diese Schmach verdient haben, öffentlich auf irgendwelchen Wänden ausgehängt zu werden. Was ist, fragen sie, wenn wir nicht gesehen werden wollen. Wie würdet ihr euch fühlen, wenn man in eure Privatsphäre eindringt? Zugegeben, dieser Welpe hier sieht etwas merkwürdig aus. Ein, trotz einem drei-Tage-Bart, eher kahler Welpe ist es. Mit einer Mütze auf den Hinterkopf geschoben und ganz und gar menschlichen Ohren. Vorwurfsvoll schaut uns der Welpe an, das Näschen rümpfend, die Schultern hochgezogen. Sandra schaukelt zurück: „Entschuldigung... Entschuldigung, sorry, sorry, fuck!“ Hastig rückwärts ausparkend, fährt sie mit ihrer Schulter die meine an, dreht sich panisch um und begeht Fahrerflucht. Wieder nach oben, schnell, an den rauchenden Männern und den Wasserfällen vorbei, weg von den Kulleraugen, ab in die schützende Finsternis und Hitze. Entschuldigung, stammele auch ich und folge Sandra beschämt. Und oben in der Dämmerung lachen und kreischen und grunzen sie. Und am lautesten lacht Sandra. Reißt ihren Mund bis zu den Augen, bis zu den Augenbrauen auf. Solange, bis er sich schließlich überschlägt und ein Mal ihren gesamten Kopf einschließt, nur um dann wieder in die normale Position zu kommen. Es ist ein Geräusch schreiender Gänse, durch die schrille Musik nur ein wenig gedämpft, bei dem ihre Oberkörper in den weißen Blusen beben und sie sich aufplustern wie blutrünstige Schwäne. Tränen laufen ihnen über die Wangen, die Reagenzgläser in ihren Händen drohen von der Aufregung überzuschwappen. Und irgendwo da unten ist der kleine Welpe mit den Kulleraugen und ärgert sich, dass ihm nicht einmal ein Moment Ruhe gegönnt wurde. Die Kulleraugen und der drei-Tage-Bart und die Mütze... Er ärgert sich und schüttelt womöglich den Kopf. Nicht einmal ein Moment Ruhe... Give it to me, I'm worth it. B-b-b-bbeatt. Baby I'm worth it. B-b-b-bbeatt. Uh huh I'm worth it. B-b-b-bbeatt. Gimme gimme I'm worth it. B-b-b-bbeatt. B-b-b-bbeatt. B-b-b-bbeatt.