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Grenzgang

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13.02.2002
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Grenzgang

Immer wieder schaute sie mich an, verschmolzen mit einem Lächeln. Doch ich konnte es nicht erwidern. Blicke die sich trafen verwandelten sie mit einemmal in eine mir fremde Person, eine unbekannte Frau, die das Gefühl einer unangenehmen Erinnerung in mir hervorbrachte. Ihr Lächeln legte sich wie ein Schleier um mich und ich bekam das Gefühl zu ersticken. Doch trotz alledem mochte ich Anna. Ich wusste nicht viel über sie. Ich wusste das Anna aus Ostpreußen kam. Wenn wir uns trafen redeten wir nicht viel miteinander. Es gab Tage an denen das anders war. Manchmal redeten wir auch Stundenlang kein Wort. Sie war einfach nur da. Sie gab mir das Gefühl mit ihr verbunden zu sein, ich konnte es nicht beschreiben. Vielleicht waren es meine wechselseitigen Empfindungen. Einerseits zog sie mich magisch an, andererseits empfand ich oft das Gefühl der Ablehnung und Fremde ihr gegenüber.
Anna stand auf und verließ das Wohnzimmer. Kurze Zeit später, als ich zum Fenster ging und hinausschaute, sah ich sie unten auf der Straße stehen. Der Himmel, grau und verregnet. Die Straßen waren bedeckt von den Blättern der Bäume. Anna hatte ihren blauen Regenschirm in der Ecke meines Schlafzimmers stehen lassen. Doch als ich es bemerkte, war es bereits zu spät. Sie stieg in die Straßenbahn ein und verschwand. Ich wusste nicht wann wir uns wieder sehen würden oder ob ich sie überhaupt wiedersehen würde. Ich hatte nicht einmal eine Telefonnummer, unter der ich sie hätte erreichen können. Manchmal verschwand Anna für einige Wochen, manchmal sogar für ein paar Monate. Doch dann plötzlich stand sie vor meiner Tür, ohne das ich wusste was sie die letzten Wochen gemacht hatte oder wo sie gewesen war. Anna stand damals einfach nur dort und betrachtete dieses Bild auf einer Kunstausstellung körperlich behinderter Maler. Das Bild, eine Selbstdarstellung des Malers, im Kampf des alltäglichen. Ein beeindruckendes Bild.
Sie stand dort und betrachtete es mit ihren glasklaren blauen Augen. Sie stand dort und ich konnte meine Augen nicht mehr von ihr lassen. Sie war anders als all die anderen. Anders als der Rest der Welt.
Plötzlich schellte es. Ich stand auf und ging zu Tür. Hoffte das sie es sein würde. Als ich die Tür öffnete musste ich jedoch feststellen, dass es nicht Anna war. Meine Blicke fielen in den leeren Flur vor meiner Tür, denn es war niemand dort. Ich wurde wütend, wütend auf mich und auf den Rest der Welt.
Ich schloss die Tür.
Auf dem Tisch lagen noch einige Farben, völlig ausgetrocknet, daneben Pinsel die sich in einem ähnlich erbärmlichen Zustand befanden. Lieblos hatte ich sie dort vergessen. Unbeachtet hatte ich sie verkümmern lassen. Ich riss das Bild von der Staffelei und schlug es mehrmals heftig auf den Boden. Angst, Trauer, alles drohte über mir zusammen zu brechen. Immer wieder schleuderte ich die Leinwand mit all meinen Kräften zu Boden und gegen die Wand. Die untere Schicht der Farbe, noch nicht getrocknet, verteilte sich an meiner Kleidung, den Wänden und der Decke. Alleine, unverstanden, farbverschmiert verließ ich meine Wohnung. Musste raus, weg! Mein Leben war an einem Punkt angelangt, an dem es Zeit war sich nicht mehr um sich selbst zu drehen. Ich lief Rückwärts.
Verstörte und fragende Gesichter blickten mich an. Ich stieg in den ersten Bus, ohne zu wissen wo ich eigentlich hin wollte. Hauptsache weg! Erst mal Richtung Bahnhof, Richtung Innenstadt. Ständig musste ich an Anna denken.
Ich lehnte meinen Kopf gegen die Scheibe, draußen raste die Stadt vorbei. Von weitem sah ich das Rathaus. Unter anderem zwei kleine Jungen, die mit ihren Gesichtern und leuchtenden Augen an einem Videospiel klebten. Ein alter Mann der in zeitlich genau festgelegten Abständen seinen Kamm aus der Tasche zog und die verbliebenen Haare nach hinten striegelte ,eine Gruppe Mädchen, Alter zwischen zwölf und fünfzehn, die genauestens die Bravo studierten und checklistenartig überprüften, ob ihr Outfit auch wirklich total angesagt ist und feststellten das Christian sowieso total doof ist. Nicht zu vergessen, die Frau mittleren alters, bekleidet mit einer farblich gut durchgemischten Leggins, einem weißen T-Shirt und hellblauen Leinenschuhen. Das ganzes noch verziert mit einer schwarzen Hüftumhängetasche mit der Aufschrift „Mallorca“. Ein Beweis, dass Menschen aus dem Nachmittags-Talk-Show Programm durchaus real existierten. Die nasse Kleidung verursachte einen unangenehmen Geruch, verstärkt durch das Haarspray einiger älterer Damen und einen völlig durchnässten Hund.
„Nächste Haltestelle Essen Hauptbahnhof“ brüllte der Busfahrer, gequält von der noch immer defekten Lautsprecheranlage. Von Sinneseindrücken betäubt, lief ich durch die mit Menschen überfüllte Innenstadt, Richtung Grillo Theater, zur kleinen Literatur Buchhandlung.
Planänderung... ,denn vor dem Theater stand Robert. Unterhielt sich dort, mit wem konnte ich allerdings nicht erkennen. Robert, er war einer der Menschen die man zwar kannte, aber nicht unbedingt wiedertreffen wollte. Und ich schon gar nicht, nicht heute! Beschloss also kurze Hand, weiter durch die Stadt zulaufen. Auf dem Rückweg lief ich durch den Park, immer noch regnete es. Anna und ich waren schon gemeinsam dort gewesen. Der Geruch von feuchter, verregneter Luft erinnerte mich wieder daran. Der Park war menschenleer, bis auf einen alten Mann ,der auf einer der vielen Parkbänke saß. Alleine im Regen. Ich lief zu ihm rüber und setzte mich neben ihn. Plötzlich hörte ich ein seltsames, immer wiederkehrendes Geräusch . So ein Geräusch hatte ich schon einmal gehört. Es verstörte mich etwas. Der alte Mann blickte zu mir, räusperte sich . Erschrocken schaute ich ihn an. In diesem Moment waren mein Kopf und mein Verstand völlig blockiert und ich sprachlos dazu. Sollte ich was sagen? Aber was? Alles erschien mir auf einmal unpassend. Absolute Stille, einzig und allein das Membran der Pumpe konnte man hören.
„Tut mir Leid“ stotterte ich verzweifelt, kam mir ziemlich blöd dabei vor. Der alte Mann lächelte nur. Wahrscheinlich musste er ständig solche Konfrontationen ertragen und war schon geübt darin, solche Vollidioten mit einem gelassenen lächeln abzuspeisen.
Wortlos saßen wir eine Weile dort. Ich konnte weder aufstehen, noch einfach nur regungslos dort sitzen.
„Ab und zu gehe ich für ein paar Stunden hier in den Park, damit meine Frau etwas Ruhe hat. Das schlimmste ist ,das ständige Geräusch der Pumpe. Tag und Nacht !
Ich bin eine Last, für alle die mich ständig ertragen müssen, vor allem für meine Frau“.
Mir stockte der Atem, kreide bleich und geschockt saß ich dort und hörte ihm zu, wie er erzählte. Erschlagen von seiner Ehrlichkeit mir gegenüber ,dem Fremden.
Ich schwieg, klebte an seinen Lippen und saugte jedes Wort in mich auf. Alles was ich hätte sagen können wäre falsch gewesen, alles!
„Ich musste damals eine schwere Entscheidung treffen und ich glaube das sie falsch war. Der Herzinfarkt war ein deutliches Zeichen.“
„Wissen sie, meine Frau hat sehr große Angst davor alleine zu sein, außerdem wollte ich ihr ihren größten Wunsch erfüllen, unsere goldene Hochzeit.
Die Chancen auf eine Herz-Transplantation in meinem Alter, sind gleich die eines 6ers im Lotto.“
Ich stand auf und rannte davon. Rannte so schnell ich konnte, einfach nur weg ! Ich wusste nicht einmal wohin ich lief. Bis ich am Ende meiner Kräfte war. Das Herz in meiner Brust und der Verstand in meinem Kopf rasten um die Wette.
Im Vorgarten eines Einfamilienhauses stand eine Bank. Ich blieb dort einige Zeit regungslos sitzen, starte fast bewusstlos in den Himmel und betrachtete die Wolken. Es kam mir vor als könnte ich das Geräusch der Pumpe noch immer hören.
Ich erinnerte mich an die Ferien in Ostpreußen, an die endlosen Sommernächte. An meine Mutter, an Anna. Immer wieder zog es meine Eltern dort hin zurück. Es war so als könnten sie nicht loslassen . Es lag schon einige Zeit zurück, als ich das letzte mal in Königsberg war. Als Großvater starb. Danach sind meine Eltern und ich nie wieder zurück gekehrt.
Ich stand auf und lief nach Hause. Immer noch begleitete mich in meinem Kopf dieses Geräusch. Ich machte noch einen kleinen Umweg und lief vorbei an der Volkshochschule, Richtung Gildehofcenter zur Stadtbibliothek. Robert hasste die Stadtbücherei, also war die Chance in dort antreffen zu müssen, so gut wie unmöglich.
Die Bücher die ich suchte, waren bereits verliehen. Ich schlenderte durch die Gänge. Erschöpft, müde und mit leeren Händen verließ ich die Stadtbücherei und begab mich auf den Heimweg.
Das Wetter, in einer sich ewig verwandelnden Mischung aus Wind und Regen. Die Bäume um mich herum wirkten trostlos und nackt. Der Wind wurde immer eisiger und ich begann zu frieren. Am Kiosk an der Ecke beschloss ich eine heiße russische Schokolade zu trinken, um mich etwas auf zu wärmen. Selbst bei diesem Wetter standen die so üblichen Stammgäste um den Kiosk herum und diskutierten, zwischen Schnaps und selbstgedrehten Zigaretten, die politische Lage des Landes So als wäre es ihr Job, standen sie dort und beklagten sich über Alles und Jeden. Tag ein Tag aus.
Zwischen Brausebonbons, Alkoholfahne und der Bild am Sonntag trank ich meine Schokolade. Die Schokolade, wohl eher heißes Wasser mit Sirup, erinnerte mich an den Kakao den es an den Autobahnraststätten gab. Damals als meine Eltern und ich immer mit dem Auto nach Ostpreußen fuhren. Immer etwas zu heiß, so dass man sich die Zunge leicht verbrühte und die Geschmacksnerven betäubt waren. Oben an dem dicken Plastikrand des Bechers, hatte man die einzige Chance sich nicht auch noch die Finger zu verbrühen. Das allerdings funktionierte nur, wenn man den Becher etwas früher aus der Maschine zog, damit er nicht Randvoll wurde. Die letzten Tropfen bestanden sowieso meist nur aus dem abgestandenen Wasser des Automaten.
Anna mochte keine heiße Schokolade, sie bekam davon immer fürchterliche Bauchschmerzen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand ein Fahrrad, angelehnt an ein Halteverbotsschild. Es sah aus wie eins dieser alten höllandischen Fahrräder. Es hatte auch so einen breiten schwarzen Ledersattel, gepolstert mit großen Metall-Federn, die das Fahren auf solch einem Fahrrad, immer zu einem besonderen Erlebnis machten.
Die kalte Herbst Wind verursachte eine leichte Gänsehaut.
Meine Sehnsucht Anna wieder zu sehen wurde immer größer, das Gefühl sie ungerecht behandelt zu haben, ließ mich nicht mehr los.

 

Hallo!
Ich weiß mit der Geschichte nicht wirklich etwas anzufangen, aber das kommt wahrscheinlich daher, dass ich einfach keine Erfahrung mit solchen Geschichten habe und es mir noch sehr schwer fällt sie richtig zu verstehen. Vielleicht hilfst du mit etwas auf die Sprünge? Wäre sehr nett...
Vielleicht solltest du deine Geschichte noch mal auf Rechtschreibung überprüfen? Mir sind einige Fehler aufgefallen.
Zum Beispiel ziemlich zu Anfang: '...redeten Stundenlang kein Wort...' schreibt man stundenlang nicht klein? Ist es nicht ein Adjektiv?
kreide bleich wird doch auch zusammengeschrieben, oder?
Korrigiere mich, wenn ich falsch liege.
Jetzt ist aber wirklich genug kritsiert. Ich hoffe du bist mir wegen meiner Kritik nich böse?
:confused:
Na vielleicht hätte ich mir den Text hier dann auch sparen können...
tschö

 

Hallo Jonas!

Deine Geschichte hat mich mitgerissen, mehr Worte finde ich dafür nicht, vielleicht, weil ich mich in Teilen davon wiederfinden konnte. Ich bin kein guter Kritiker, weder im positivem noch im negativem Sinn, deshalb einfach nur soviel ... sie hat mir sehr gut gefallen.

Liebe Grüße
Déjà-vu

 

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