Grazer Feldpost 15
15:30. Gähn. Und obwohl ich nur 8 Stunden Schlaf hinter mir habe, bin ich schon aufgestanden; normalerweise verlasse ich das Bett nicht ohne mindestens 10 darin verbracht zu haben.
Also für die Schnelldenker unter euch: ich bin so gegen halb acht zu Bett, schuld daran - wie könnte es auch anders sein- ist meine montägliche Kartenspielerrunde.
Dazu aber später.
Halb acht- keine grosse Umstellung meiner Schlafgewohnheiten, da ich in den letzten Tagen ohnehin nie vor 4 Uhr morgens in die Heia kam. Warum wohl - blödes Olympia!
Ich kann leider nicht anders, als mir täglich die Siegerehrungen anzusehen, besonders wenn Österreicher dabei sind, aber das war ja bisher jeden Tag so. Natürlich komme ich dabei zumeist selber etwas ins Träumen (warum auch nicht, es ist 04:00), das sieht dann in etwa so aus:
„Ladies and Gentlemen - the winner of the gold medal....(pause).... in long-sleeping over 36
hours -representing Austria- : Franzl!!!! Das Publikum tobt. Ich steige auf die oberste Stufe des Podestes (trage ein Stirnband mit dem Werbebanner einer bekannten Bettenfirma ) und halte jubelnd ein kleines kariertes Kopfkissen in die Höhe. Das Publikum schreit laut dabei auf. Blumen fliegen mir entgegen während mir andere von einer schönen Frau küssenderweise überreicht werden. Dann senke ich mein Haupt, der IOC-Präsident nimmt die Goldmedaille passenderweise von einem Samtkissen- das Publikum verstummt. Stille. Langsam hängt er mir das langersehnte Edelmetall um. Ich richte mich wieder auf, mit Tränen in den Augen. Alle sind sehr bewegt. Dann werfe ich den mir gerade überreichten Blumenstrauss in die Menge die sofort wieder zu toben beginnt. Die Hymne ertönt. Erneut bekomme ich feuchte Augen. Alle Anwesenden spüren, es ist der bedeutenste Moment in meinem Leben. Mein Fanklub ist ausser sich vor Freude und singt lauthals, aber falsch zur Hymne. Etwas unpassend, aber es ist mir egal.......ich bin einfach nur unendlich glücklich..........
Das anschließende Siegerinterview: Herr franzl, Gratulation zu Gold! Nur 32 Minuten wach in 36 Stunden.....das ist neuer Weltrekord; wie ist es möglich, dass sie ihre doch sehr starke Konkurrenz über die 36 Stunden derzeit so hinter sich lassen!?
Nun, erst mal muss ich sagen, dass es für mich nicht so leicht war, wie es vielleicht ausgesehen hat. Bei Minute 1560 hatte ich Probleme wieder einzuschlafen, da sich eine kleine Falte im sekundären Kopfkissen gebildet hat, aber irgendwie konnte ich das Problem noch rechtzeitig ausbügeln (wir lachen über den kleinen Wortwitz). Aber was mir natürlich sehr entgegengekommen ist, dass sich bei uns in den letzten Monaten auf dem Materialsektor viel getan hat, die Umstellung auf die 1.2cm Kurz-Daunen habe ich sehr begrüßt und scheinbar auch am schnellsten geschafft. Auch die neuen Schlafanzüge sind besser geworden und die Matrazen verursachen weniger Druckstellen als früher. Meine Ausrüster leisten herrvorragende Arbeit (ich hebe eine Flasche Paulaner unauffällig höher, das Stirnband trage ich noch immer), dass ich diesmal mit nur 8 Litern Bier auskam, ist eine persönliche Bestleistung von mir, ich konnte jedesmal sehr schnell wieder einschlafen, nur bei eben jener Minute 1560 musste ich die doppelte Dosis zu mir nehmen. Aber Gott sei Dank, ich habe es geschafft.
Danke Herr franzl für das Interview, und viel Erfolg noch für den Schlafmarathon, die 42,195 Stunden sind schließlich ihre Spezialdisziplin. Wir drücken ihnen alle die Daunen.
Tja, träumen kann so schön sein.......aber zurück zur Kartenspielerrunde: Wie immer verbrachten wir sie biertrinkenderweise im Original, unserem Stammlokal, mit von der Partie: wie immer Reini, dann noch Harry und Wolfi - 2 Erstsemestrige - und meine Wenigkeit.
Eine kleine Erkenntnis von gestern möchte ich gerne mit euch teilen: Wie immer kam einer dieser beliebten Rosenverkäufer mehrmals im Lokal vorbei, und erkundigte sich jedesmal höflich bei uns „Wolle schöne 'ose aufen?" und wie immer wollten wir keine schöne 'ose. Da wir aber eine reine Männerrunde waren, verwirrte mich seine andauernde Fragerei doch etwas und meinte: „Was mich jetzt wirklich interessieren würde ist, ob Rosenverkäufer auch in Schwulenbars ihr Glück versuchen...." Es war, ehrlich gesagt, eine rein rethorische Frage, da ich nicht ernsthaft damit rechnete, dass mir jemand in der Runde eine Antwort geben könnte, und selbst wenn, er würde sie wohlweislich verschweigen, rechnet Mann doch nicht beim Bier und Kartenspiel mit dem Geständnis: 'Ach übrigens, ich bin schwul....' Aus diesem Grund erwartete ich also keinen weiteren Kommentar.
"Aber sicher, die machen in Schwulenbars sogar einiges an Umsatz." verkündete Reini. "Unter der Woche aber eher weniger." konterte Wolfi. "Dafür finden sie an Wochenenden reissenden Absatz." Harry. Auch er. Mir stand der Mund offen. Woher wussten die das?
Es gab nur eine Erklärung. Alle drei...schwul.
Meine Kartenrunde....ein flotter Dreier und ich. Mir wurde plötzlich ganz heiß. „Wie soll ich ihnen beim Verabschieden die Hand schütteln, ohne dass sie was Falsches von mir denken??!" schoss es mir durch den Kopf. Hilflos und verzweifelt stellte ich folgende Frage: „BITTE?!?! Woher wisst ihr das?!" Eine Gegenfrage war die Antwort: „Was; du warst noch nie in einer Schwulenbar?" Ich verstand die Welt nicht mehr.....was dachten die von mir?
Gut, ich gestand ihnen mal, am Ende vom 'Braveheart' geweint zu haben, das wird es wohl gewesen sein.
"Nein, ich war noch nie in einer Schwulenbar." antwortete ich, noch immer um Fassung ringend . "Du hast keine Ahnung was du versäumst." meinte Wolfi daraufhin und entzog mir damit entgültig den Boden. "In Schwulenbars sind nämlich die geilsten Weiber, dort glauben sie, sie hätten unsere Ruhe vor uns Heteros."
Grazer, die gestern um ca. 01:00 einen Blitz gesehen haben und an ein nächtliches Frühjahrsgewitter dachten, kann ich beruhigen: Es ist mir nur ein Riesenlicht aufgegangen.
Wir bestellten eine Runde Prosecco und spielten weiter.
Zum Abschluss, für alle die es noch nicht wissen: Heute ist Faschingdienstag!
Aber ich werde mich nur ein wenig verkleiden; ich gehe als Schwuler in eine In-Bar.....
In diesem Sinne,
euer franzl
[Beitrag editiert von: franzl am 04.03.2002 um 17:26]