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Grau

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05.03.2014
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Grau

Grau. Strich. Grau. Strich. Ich kenne die Betonplatten in meiner Nachbarschaft mittlerweile besser als die Gebäude drum herum. Die Menschen, die an mir vorbei laufen, nehme ich nicht wahr. Dafür aber den Müll, der auf dem Boden rumliegt. Typischer Straßenmüll. Irgendwelche Dosen, Papier und Zigarettenstummel. Der Himmel ist grau und das passt zu meiner Stimmung. Wobei das eigentlich gelogen ist, ich habe seit einer Weile gar keine Stimmung mehr. Keine gute, keine schlechte Laune. Ich bin nicht traurig oder sauer, ich bin einfach leer. Die Betonplatten ziehen an mir vorbei, während ich nach Hause laufe. Ich höre selber wie ich seufze, habe es aber im nächsten Moment schon wieder vergessen. Mein Blick geht stumpf gen Boden, doch ich kenne den Weg. Auch ohne mir die Umgebung anzusehen, ich kenne den Boden, der zu meiner Haustür führt. Der verändert sich wenigstens nicht. Egal um welche Tageszeit ich hier entlang laufe, ich weiß immer, wann mein Blick die nächste Ecke, die nächste Fuge zwischen den Platten treffen wird.
Ich erreiche meine Haustür in dem Moment als es anfängt zu regnen. Der Regen stört mich nicht. Mich stört gar nichts in diesem Moment. Ich hole den Schlüssel aus meiner Jackentasche und merke, während ich die Tür aufschließe, dass ich keine Lust habe, hereinzugehen. Aber es nützt nichts. Wo soll ich sonst hin? Es ist egal, ob ich hier bin, woanders oder einfach spazieren gehe. Es ändert nichts. Also gehe ich herein und stelle meine Tasche ab. Das Licht lass ich aus. Es ist niemand zuhause. Erst als ich die Kopfhörer abnehme, merke ich, dass den ganzen Weg über gar keine Musik lief. Ich hatte wohl vergessen sie anzumachen, nachdem ich die Kopfhörer aufgesetzt hatte. Lustlos werfe ich die Kopfhörer auf das Sofa und bleibe mitten im Raum stehen. Was mache ich jetzt? Ich habe nichts zu tun, keine Aufgabe, nichts zu erledigen und keiner erwartet etwas von mir. Mein Handy zeigt auch keine Nachrichten an. Niemand denkt an mich. Zwei Minuten später stehe ich planlos im Badezimmer. Auch hier habe ich nichts zu tun, also weiter in die Küche. Aber da ist das gleiche Spiel. Ich überlege kurz etwas zu essen, aber Hunger habe ich schon lange nicht mehr. Das sieht man mir mittlerweile auch an. Mein Gesicht ist eingefallen und blass. Trinken tu ich auch zu wenig, daher dunkle Augenringe und schlechte Haut. Doch eigentlich ist es mir auch egal. Es ist mir nur neulich aufgefallen. Einfach nur um etwas zu tun, schalte ich den Wasserkocher an. In der Zeit in der er läuft, mach ich mir schnell eine Zigarette fertig und schalte den Laptop an. Vielleicht kann ich ja irgendwas lesen oder etwas für die Uni erledigen. Es klickt, das Wasser ist fertig. Der Instantkaffee ist schnell gemacht, also jetzt Konzentration auf den Laptop lenken. Ich sitze am Tisch, der Kaffee neben mir, Zigarette in der Hand und ich starre auf den Display. Ich weiß nicht, was ich anklicken soll. Es interessiert mich gar nicht, was im Internet steht. Es ist unwichtig, ob ich Emails von der Uni bekommen habe. Oder irgendetwas anderes. Warum sollte es mich interessieren, ob irgendwas auf diesem Display steht? Ich zünde mir die Zigarette an und rauche. Irgendwann löst sich mein Blick wieder von der weißen Raufasertapete und ich bemerke, dass zwei Stunden vergangen sind. Mein Kaffee ist kalt, mein Laptop längst im Standby-Modus. Ich seufze und blicke mich um. Die Wohnung ist jetzt noch dunkler als vorher, doch abgesehen davon hat sich nichts verändert. Ich bin genervt, stehe auf, mache mir die nächste Zigarette und setze mich wieder hin. Ich habe sonst eh nichts zu tun.
Doch dann kommt die Erinnerung.

„So, wollen wir alle hier noch einmal ein bisschen sitzen bleiben und uns unterhalten?“, fragt mein Vater als wir alle mit dem Essen fertig sind. Zunächst bin ich leicht genervt, eigentlich wollte ich gerade meinen Freund anrufen, weil ich mich vor dem Essen etwas mit ihm gestritten hatte. „Ja na klar, können wir machen“, antwortet meine Mutter, also bleiben meine Schwester und ich sitzen. Der Gesichtsausdruck meines Vaters verändert sich. Ich habe ihn so noch nie gesehen, ich weiß nicht was los ist. „Also ihr wisst doch, dass ich letzte Woche beim Arzt war. Ich muss euch dazu noch etwas sagen. Der Arzt hat eine Darmspiegelung gemacht und ich habe einen Tumor. Er ist schon relativ groß und ich komme nächste Woche ins Krankenhaus, weil ich operiert werden muss. Ich habe Krebs“, beinahe entschuldigend blickt mein Vater mich und meine Schwester an. Augenblicklich erfriert mein Gesicht. Ich kann keinen Gesichtsmuskel mehr bewegen. Geschockt blicke ich meine Schwester an, sie lehnt an der Heizung und wird wütend. „Das ist doch ein Scherz! Wie, du hast Krebs?!“, sie fängt an zu weinen, ebenso wie ich. „Ich habe Darmkrebs. Der Arzt sagt aber, dass man ihn noch operieren kann.“, sagt mein Vater.

Ja, das hat der Arzt gesagt. Doch Ärzte sind auch nur Menschen. Menschen, die sich manchmal irren.

 

Hallo Chiarella,

zunächst einmal möchte ich zwei Dinge loben, nämlich dass Du Dich darum bemüht hast, Deiner Geschichte am Ende eine Wendung zu geben, die alles, was dahin zu lesen war sinnvoll auflöst. Und es gefällt mir, dass Du Dir ein schwieriges und wichtiges Thema vorgenommen hast.

Jetzt etwas Tough Love:

Der Plot ist zu simpel. Du beschreibst einen Protagonisten, der in Agonie versinkt, weil der Vater eine Krebsdiagnose bekommen hat. Und weiter? Man kann sich beispielsweise fragen, auf welcher Ebene der Text funktionieren soll. Wenn es Dir ausreicht, dass der Leser mit Kenntnis der Diagnose versteht, weshalb der Protagonist so niedergeschlagen ist, dann okay. Aber ich finde, das ist nur ein Baustein und noch kein Gebäude.

Die Erwähnung, dass der Protagonist die Betonplatten in der Nachbarschaft mittlerweile besser kennt als die Gebäude drum herum, zeigt, dass er sich schon längere Zeit im Zustand der Niedergeschlagenheit befindet. Um so wichtiger wäre es jetzt, Bewegung in die Sache zu bringen.

Eine Geschichte funktioniert nicht wie ein Bild. Wenn Du ein Bild malst von einem stillen Bergsee, in dessen unbewegter Oberfläche sich Felsen und Wolken spiegeln, mag das funktionieren. Aber eine Geschichte lebt von Handlung und Bewegung, von Ereignissen.

Es wäre z.B. viel interessanter, dem Protagonisten bei einer Transformation zuzuschauen, bei einem Ausbruch, der der Stagnation folgt.

Ein weiterer Punkt ist die Sprache. Je kürzer der Text, desto prägnanter die Sprache. So sollte es sein. Es ist schwierig unter der Verwendung von Alltagssprache einen kurzen Text fesselnd zu schreiben. Du hast zwar einen Sprachduktus benutzt, der verkürzt ist, manchmal Sätze auf ein einzelnes Wort reduziert, aber das reicht nicht. Es ist lediglich eine reduzierte Alltagssprache.

Beispiel: Ich hole den Schlüssel aus meiner Jackentasche und merke, während ich die Tür aufschließe, dass ich keine Lust habe, hereinzugehen. Dies ist ein typisches Beispiel für Alltagssprache mit ihrer uneleganten Struktur. Ein umständlicher und uneleganter Satz.

Erschwerend kommt hinzu, dass Du kaum Absätze machst, um dem Text Struktur zu geben.

Fazit: Ich empfehle Dir, einen runden Plot mit mehr Handlung und Bewegung und Konflikt zu entwickeln. Ich empfehle Dir eine natürliche Sprache zu verwenden, aus der Du Wortdopplungen, Längen, Einschübe usw. eliminierst und so nach und nach zu einem guten Stil kommst.

Beste Grüße
Achillus

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Chiarella, willkommen híer.
Sprachlich fand ich deinen Text soweit in Ordnung, und er ist nahezu fehlerlos. Darüber hinaus jedoch konnte ich ihm herzlich wenig abgewinnen.
Beinahe drei Viertel der Geschichte vergehen damit, dass mir dein/e Protagonist/in davon erzählt, wie öde und leer, wie sinn und ereignislos, wie vollkommen monoton und uninteressant er/sie sein/ihr Leben empfindet. Und genauso trist, ereignislos und langweilig empfand ich das Lesen des Textes.
Die nahezu absatzlose Formatierung will ich dir hier gar nicht einmal zum Vorwurf machen. Ich wüsste selbst nicht, wo sich in diesem zähen Dahinlamentieren sinnvoll ein Absatz setzen ließe, der das Leseerlebnis aufwertete. Die Form folgt hier sozusagen dem Inhalt. Sehr farblos irgendwie. Grau halt.

Grau. Strich. Grau. Strich. Ich kenne die Betonplatten in meiner Nachbarschaft mittlerweile besser als die Gebäude drum herum. Die Menschen, die an mir vorbei laufen, nehme ich nicht wahr. Dafür aber den Müll, der auf dem Boden rumliegt. Typischer Straßenmüll. Irgendwelche Dosen, Papier und Zigarettenstummel. Der Himmel ist grau und das passt zu meiner Stimmung. Wobei das eigentlich gelogen ist, ich habe seit einer Weile gar keine Stimmung mehr. Keine gute, keine schlechte Laune. Ich bin nicht traurig oder sauer, ich bin einfach leer. Die Betonplatten ziehen an mir vorbei, während ich nach Hause laufe. Ich höre selber wie ich seufze, habe es aber im nächsten Moment schon wieder vergessen. Mein Blick geht stumpf gen Boden, doch ich kenne den Weg. Auch ohne mir die Umgebung anzusehen, ich kenne den Boden, der zu meiner Haustür führt. Der verändert sich wenigstens nicht. Egal um welche Tageszeit ich hier entlang laufe, ich weiß immer, wann mein Blick die nächste Ecke, die nächste Fuge zwischen den Platten treffen wird.

Den ersten Absatz finde ich gar nicht mal schlecht geschrieben. Der Gefühlszustand des/der Prot wird mir sehr eindringlich beschrieben und macht mich regelrecht neugierig, was es mit dieser armen Seele auf sich hat.
Ab da allerdings erfahre ich dann nichts mehr Neues, der Text wiederholt sich und tritt auf der Stelle, ist nur die Zustandbeschreibung eines tristen Alltags, ohne jegliche Reflektionen der Figur.
Einzig der letzte Absatz lässt dann in einer Rückblende kurz so etwas wie Handlung erkennen, soll quasi Rechtfertigung bieten für den elendigen Zustand des/der Erzähler/in. Aber selbst das ist mir irgendwie zu banal. Der Vater war schwerkrank, und ist offenbar der Krankheit erlegen, na gut, das ist natürlich eine Tragödie für jeden Menschen, aber dir gelingt es einfach nicht, mir das so zu schildern, dass es mir nahegeht. Vielleicht weil es mir zu „hinten drangehängt“ wirkt, es lediglich der Erklärung des so unattraktiven Textteiles davor dient.
Ich bin mir der Gefahr bewusst, dich mit meinem harten Urteil vielleicht zu kränken, weil du möglicherweise Selbsterlebtes verarbeitest, diesen Text sozusagen wegen der kathartischen Wirkung auf dich selbst geschrieben hast. Darauf kann ich jedoch keine Rücksicht nehmen, weil es hier im Forum ja in erster Linie um Literatur geht, und ich Texte nur dahingehend betrachte.


Ich erreiche meine Haustür in dem Moment [Komma] als es anfängt zu regnen.

dass ich keine Lust habe, hereinzugehen [hineinzugehen].

Also gehe ich herein [hinein] und stelle meine Tasche ab.

Ich überlege kurz [Komma] etwas zu essen,

ich starre auf den [das] Display.

Viel Spaß noch hier.

offshore

 

Hallo ihr beiden,
Vielen Dank für eure Kritik. Ich bin nicht gekränkt, wie du gesagt hast, dafür ist das Forum ja da! Die Idee mit der Veränderung des Charakters gefällt mir im Nachhinein sehr gut! Danke für eure Kritik, sobald ich etwas mehr Zeit habe werde ich die Geschichte dementsprechend umschreiben und gucken was dabei rauskommt. Vielen Dank für das Kommentieren!

Lg!

 

Hallo Chiarella, mir ist aufgefallen, dass Du in den beiden Texten, die Du eingestellt hast, Deine Kommentatoren mit ein paar Zeilen abfertigst. Wenn Du zu wenig Zeit hast, auf die Kommentare einzugehen, solltest Du keine Geschichten posten.

Gruß Achillus

 

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