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grau
Ich schaue aus meinem Fenster und sehe grau. Einfach nur grau. Grauer Boden, graue Häuser, grauer Himmel und müsste ich mein Inneres, meine Seele beschreiben, dann wäre auch hier „grau“ das richtige Wort. Dieses Nichts in mir ist kaum noch zu ertragen. Das geht jetzt seit einigen Wochen so. Seit ich zugucken musste, wie alles um mich herum zerbricht.
Es fing damit an, dass die Krankheit meiner Oma von Tag zu Tag schlimmer wurde. Dieser Gehirntumor vernichtete zuerst ihr Zeitgefühl, dann ihr Gedächtnis und schließlich auch ihre inneren Organe. Einen Tag vor ihrem Tod habe ich sie das letzte Mal in der Klinik besucht aber das hat sie vermutlich gar nicht mehr mitbekommen. Sie hat einfach nur noch geschlafen und einen Tag später hat ihr Herz dann aufgehört zu schlagen. Am 1. April. Die Nachricht von meinem Onkel, dass sie gestorben ist,war leider kein Aprilscherz sondern die bittere Wahrheit, die mein Leben ein Stück dunkler machte...
Dann war da noch David. Mein bester Freund, der versucht hat, mir über den Tod meiner Oma hinweg zu helfen, obwohl er gerade mit sich selbst und seiner Drogensucht gekämpft hat. Irgendwie ist er plötzlich ohne einen ersichtlichen Grund abgerutscht, hatte viele Freunde, die dealen. Am Anfang fand ich das noch cool, dass er solche Freunde hat und hier und da mal ein bisschen Gras kifft. Dann kam auf der ein oder anderen Party auch mal was von dem allseits so beliebten weißen Pulver dazu. Aber David war noch nicht süchtig, NOCH nicht. Das Gras wurde mehr, er hatte immer und überall was dabei. Irgendwann hat ihm das nicht mehr gereicht, denn als ich ihn an einem Montag Nachmittag besucht habe, saß er in der Küche uns fixte sich Heroin. Ich brach weinend vor ihm zusammen, weil ich das nicht mit ansehen konnte. Er nahm mich, nachdem er sein Verlangen nach Drogen gestillt hatte, in den Arm und hielt mich, versuchte mir einzureden, dass das nicht so schlimm ist, wie's aussieht aber wir beide wussten, dass das eine Lüge war. 7 Tage später war ich es, die ihm nach einer Überdosis ihn in seinen letzten Minuten begleitet hat, zugesehen hat, wie sein Atem immer langsamer wurde, schließlich zum Stillstand kam.
Jetzt stehe ich hier also vor meinen Fenster, kann nur schwer atmen, wenn ich an Oma und David denke. Meinen Eltern gehe ich aus dem Weg und wenn ich bei ihnen bin, zeigt sich, dass ich gut schauspielern kann. Die Mädels aus meiner Clique wissen Bescheid aber ihre Versuche mich aus meiner kaputten grauen Welt zu retten, sind leider alle gescheitert.
Ich nehme mir meinen iPod, stecke die Kopfhörer in meine Ohren und lasse mich zudröhnen von Gitarren Breakdowns und Basssound. Dann gehe ich nach draußen, wo der Regen erst leicht, dann immer stärker auf Kopf und Schultern prasselt. Meine Beine fangen an zu rennen. Wie von selbst führen sie mich zur Rheinbrücke. Ich weiß, dass ich dort nicht hingehen sollte aber ich kann nichts dagegen tun. Vor'm Geländer bleibe ich stehen, gucke nach unten ins dunkelgrüne fast schon schwarze Wasser. Ein wenig unbeholfen kletter ich hoch, setze mich oben auf das Geländer. Alles was ich mir wünsche, ist, frei von dieser grauen lähmenden Verlorenheit zu sein. Zu springen scheint erscheint mir als die einzige Lösung. Aber plötzlich umfassen mich zwei starke Arme von hinten, halten mich fest, hindern mich am ersehnten Sprung. Ich drehe mich um und gucke in ein Paar strahlend blaue Augen. Ich kenne diesen Jungen nicht, der mich da hält aber sein Blick fesselt mich und ich lasse mich von ihm vom Geländer heben. Wir gucken uns an, dann nimmt er meine Hand und führt mich von der Brücke weg in eine farbenfrohe Welt hinein. Ich weiß nicht wie aber er hat meine Seele befreit...