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Grau

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15.02.2002
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Grau

7.35 Uhr! Aufstehen! Der Wecker springt an. Ein nerviger Piepton dringt durch den Raum in Roberts Ohren. Nächster Tag. Gleiche Arbeit, gleiche Leute, gleicher Tag.

Er schlägt die Augen auf, Gewichte auf den Liedern. Was denkt er? Nichts! Es gibt nichts zu denken, Handeln ist gefordert. Jetzt, hier, immer. Niemand ist für dich da. Nur du und dein Leben. Er erhebt sich aus dem Bett. Wieder ein altes Leiden. Sein Rücken macht ihm einen weiteren Tag zur Hölle. Er wollte sich schon lange behandeln lassen. Keine Zeit! Macht schnell, Leistung muss erbracht werden. Es ist immer der selbe Trott.

Was soll´s. Der Blick aus dem Fenster ist mittlerweile obligatorisch geworden. Wohnt er jetzt drei Jahre hier, gewöhnen wird er sich nie an die Bahngleise zwanzig Meter vor seiner Haustür und die Mauer dahinter, mit dem riesigen Graffiti, das einen bunten, grässlich grinsenden Clown zeigt. Robert grinst zurück, Gewohnheit. Er gähnt und muss seinen Atem riechen. Putz dich, wasch dich. Sie wollen es so.

Er tritt vom Fenster und dreht sich langsam um. „Wach auf, du Trottel!“ hört er sich sagen. Seine Lieder sind immer noch schwer und alles schmerzt. Er geht zum Spiegel. Der war schon immer da. Nur den Riss in der oberen linken Ecke hatte er damals noch nicht. Doch wo kommt der her? Robert weiß es nicht. „Hast mal wieder gesoffen, was?“ Wann war das nur? Stop! Keine Gedanken mehr. Zur Arbeit. Schaff deine Stunden. Sonst wird der Boss sauer. Er steht bewegungslos da.

Noch einmal gähnt er kräftig, dann geht´s ans Tagewerk. Der Wecker geht noch. Mit schnellen Schritten läuft er zum Bett und lässt in erstummen. Jetzt aber los, die Zeit wird knapp.
Er tritt aus dem Schlafzimmer. Der lange, dunkle Flur liegt vor ihm. Der Boden ist von einem keimigen, grau aussehenden Teppich bedeckt. Doch grau war wohl nicht immer seine Farbe.

Er läuft den Flur entlang, zweite Tür links, das Bad. Er betätigt den Schalter, eine Lampe ohne Schirm erhellt den Raum. Das Bad hat keine Fenster. Es ist sehr klein. Ein Klo, ein Waschbecken, eine Wanne. Das ist luxuriöses Wohnen. Ein Schritt. Er spürt die kalten Fliesen an den Füßen. Der Boden sollte mal wieder gewischt werden. Das ganze Bad hätte es mal wieder nötig, sauber gemacht zu werden. Doch dafür ist keine Zeit. Ist das wirklich so?

Robert vertreibt wieder die Gedanken aus dem Kopf. Er legt seine Kleider ab und steigt in die Wanne. Es ist verdammt kalt. Die Heizung muss mal wieder ausgefallen sein. Er sieht sich an. Wollte er nicht schon lange wieder mit dem Training anfangen? Pustekuchen! Die Tage sind dafür einfach zu kurz. Er hat einen riesigen blauen Fleck am linken Oberschenkel. Auch der meldet sich gerade wieder. Wo hat er den denn her? Robert stellt das Wasser an. Wenigstens das ist schön warm. Es möchte nicht so recht zu diesem Morgen passen. Hätte es nicht kalt sein müssen? Er betrachtet die Wand gegenüber, während er sich wäscht. Sie ist voll von alten Flecken und verblichen von der feuchten Luft. Früher muss mal ein buntes Muster drauf gewesen sein. Doch es ist einem tristen Grau gewichen. Einzelne Fragmente früherer Frohherzigkeit wären vielleicht noch erkennbar gewesen.

Aber nicht Heute. Heute ist ein wichtiger Tag. Monatlicher Kontrollgang im Heizwerk. Der Chef will alles in bestem Zustand sehen. Wenn nicht, gibt es Ärger. Robert Sienert seufzt. So hat er sich das früher nicht vorgestellt. Das eigene Grundstück braucht wohl doch noch ein Weilchen. Nun, es ist nicht einfach gutes Land zu finden. Ein Lächeln auf seinen Lippen.

Sein Rücken brennt entsetzlich. Das Wasser ist wieder so verdammt heiß geworden. Da weiß man, was man an seinen Nachbarn hat. Er springt aus der Wanne, Wasser tropft von seinem Körper. Die Fliesen werden nass. Kein Interesse. Das Handtuch neben ihm dient als Scheuerlappen. Zu mehr ist es eigentlich nicht zu gebrauchen. Fällt ihm das erst jetzt auf? Er nimmt ein weiteres vom Hänger und trocknet sich ab. Sein Rücken schmerzt noch immer. Doch die Zeit wird langsam knapp.

Eigentlich ist der Tag jetzt schon im Eimer, doch welcher Tag war das in den letzten drei Jahren nicht? Als er den Job im Heizwerk annahm dachte er, das wäre nur zur Überbrückung. Jetzt ist er immer noch da. Bewerbungen schreibt er lange nicht mehr. Zu aufwändig, zu teuer. Der Job fordert nicht viel und immerhin kann er seine Wohnung noch bezahlen. Er betrachtet sich im Spiegel. Früher war er mal vital. Jetzt? Nicht mehr viel davon.

Sein Gesicht weist eigentlich kaum noch eine richtige Hautfarbe auf. Irgendwie aschgrau. Er lächelt ein weiteres Mal, kein richtiges Lachen, eher ein Grinsen, fast schon schmerzverzerrt. Robert seufzt wieder, dreht sich um, sich umzuziehen. Seine Kleider sind schon wieder dreckig. Hat sie doch erst gewaschen. Er zieht sie trotzdem an, sie riechen nach Zigarettenrauch und Schweiß. Egal, schnell zur Arbeit. Für Frühstück ist keine Zeit mehr.

Er tritt aus seiner Wohnung in den Hausflur. Ein kühler Hauch schlägt ihm entgegen. Er riecht leicht nach schimmligen Wänden und Kohlen und ein bisschen erdig. Der Schlüssel dreht sich zweimal im Schloss. Dann ist er weg. Arbeiten! Sklavendienst? Oder frei gewählt?

7.35 Uhr! Aufstehen!...

Kay G.

<span class="ssilver">[Beitrag editiert von: sequoia am 17.02.2002 um 18:11]</span>

[ 27.04.2002, 11:55: Beitrag editiert von: sequoia ]

 

Hallo Sequoia

Überzeugt hat mich die Stimmung die Du rüberbringst.

Trennende Absätze wären aber angesagt, und wenn sich Dein Protagonist Fragen wie nach dem blauen Fleck stellt, dann setz das ruchig ein bischen ab, fast wie Wörtliche Rede...

Ansonsten Willkommen auf Kg. de.

Ich hoffe, Du schreibst noch mehr...

Lord ;)

 

Hi, auch von mir ein herzliches Willkommen auf kg.de! :whocares: :D

Diese Geschichte ist ein sehr guter Einstand! Gefällt mir sehr, erinnert mich an manch lustige Morgen an noch viel schöneren Tagen.

Hoffe, noch mehr von Dir zu lesen.

Viele Grüße, Daniel

 

Hat mir gut gefallen. Vor allem die Aussage, dass wir oft zu sehr in Atem gehalten werden um uns um die Dinge zu kümmern, die uns wirlich am Herzen liegen. Und wenn's auch nur ein blauer Fleck ist.

Stimmung gut beschrieben, finde mich z.T. im Protagonisten wieder, kann mich mit seinen Gedankengängen identifizieren.

Etwas mehr Absatz wäre nicht schlecht, und

Das ganze Bad hätte es mal wieder, sauber gemacht zu werden.
hier fehlt das Wort nötig .

 

Danke für die Tips. Ich habe die Geschichte jetzt in mehr Absaetze gegliedert und die falschen Stellen berichtigt. Noch mal danke für die Tips, Kay!

 

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