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Grasgeschwängert
Die Nacht bricht langsam herein und die letzten Sonnenstrahlen brechen sich im Wasser der Talsperre. In der Ufernähe steht dieser kleine Bungalow in dem wir Nicoles siebzehnten Geburtstag feiern. Eigentlich kann ich nicht so gut mit Ihr, aber meine anderen Freunde sind schließlich auch alle da und außerdem ist das Essen und Trinken umsonst. Die Stimmung ist ausgelassen und wir lachen und quatschen, während im Hintergrund angenehme Reggaetöne erklingen. Die Luft ist vom Rauch der Wasserpfeifen geschwängert, die ringsum das kleine Lagerfeuer angeordnet stehen und nicht nur mit legalem Tabak gestopft sind. Ich fühle mich gut und durch das Gras und den Alkohol beschwingt.
Alle haben sich irgendwie verstreut, der eine Teil ist zur Talsperre hinuntergelaufen, um in dieser zu „Eimern“, während andere am Feuer sitzen geblieben sind oder auf der Bungalowterrasse hocken und Flaschendrehen spielen.
Ich beobachte das ganze von meinem Platz am Lagerfeuer aus, und kann meinen besten Freund Kevin erkennen, der gerade die präparierte Flasche mit dem selbstgebastelten Topf am Flaschenhals ins Wasser presst. Als die, am Boden aufgeschnittene Flasche bis zum Hals im Wasser versunken ist, zieht er sie langsam wieder heraus, so dass sich der Marihuanadunst im Bauch der Pulle bilden kann. Dann nimmt er den aufgesetzten Alufolientopf ab, setzt seine Lippen an und drückt die Flasche wieder ins Wasser. Der Rauch wird vollends in seine Lungen gepresst und er stolpert durch diese Heftigkeit ein wenig zurück.
Kevins Körper wird von einem wilden Hustenanfall geschüttelt.
Ich pruste los. Dass hätte er doch vorher wissen sollen.
Nach wenigen Stunden ist jeder ziemlich betrunken oder bekifft und die ersten schon auf dem Nachhauseweg. Auch mich hat ein angenehmer Dämmerzustand gefangen genommen. Alles um mich herum ist ziemlich dumpf und doch bedeutungsschwer. Meine Gedanken bleiben schneller hängen, als sonst. So starre ich, scheinbar stundenlang auf dieselbe Stelle im Feuer. Die blauen und orangefarbenen Flammen lecken an dem ausgetrockneten Holz und verschlingen es Stück für Stück und ich schaffe es einfach nicht mich von diesem Anblick loszureißen. Ich überlege, ob ich als alter ausgetrockneter Mann, mal genauso schnell vergänglich bin, wie diese Holzscheite.
Ein Vibrieren in meiner linken Hosentasche reißt mich, aus der Gedankenflut. Mein Telefon klingelt. Ich ziehe es heraus und bemerke dass dies nicht der erste Anruf ist. Es ist der vierte Versuch mich zu erreichen. Da ist aber jemand hartnäckig.
Ich wundere mich da keine Nummer angezeigt ist. Seltsam, denke ich. Alle die mich erreichen wollten, sind doch hier. Wahrscheinlich ist es meine beste Freundin Anika, die sich wundert wo ich bin. Ich nehme das Gespräch an und bin überrascht als ich eine fremde weibliche Stimme höre.
Da ich durch den Trouble um mich herum kaum etwas verstehe, gehe ich hinunter zur Talsperre. Mittlerweile ist es tiefste Nacht und der Mond im Wasser vom selbigen am Himmel kaum zu unterscheiden. Alles liegt in einer drückenden Schwärze und mich durchfährt ein Schauer.
Am Rande meines Gesichtsfeldes bekomme ich mit, wie sich Anika mit Philipp unterhält.
Der arme Tropf hat wahrscheinlich wieder irgendwelche Probleme, mit bedeutungslosen Weibern und muss sich wieder ausheulen.
Die Stimme am Telefon fragt ob ich noch da bin. Ich bejahe und frage wer denn am anderen Ende sei.
Mein Name ist Anna. Du, Flo es geht um Maria. Ich war ihre beste Freundin und hab dir was zu sagen.
Maria. Was für eine wunderbare Frau. Sie war bei Verwandten zu Besuch als wir uns in der „Röste“ kennen lernten. Eine etwas alternativ angehauchte Diskothek.
Ich erinnere mich an Ihre smaragdgrünen Augen und die langen schwarzen Haare, die ihr irgendwie immer ins Gesicht gefallen sind.
Wir hatten eine wunderbare Woche miteinander. Ihre sinnlichen Lippen konnten Dinge mit mir anstellen, wie ich sie vorher noch nie gekannt hatte.
Ich denke an die atemberaubenden Nächte mit Ihr und auch an den schmerzlichen Abschied der schon einige Monate her ist.
Ich war nicht ganz nett zu Ihr. Maria hoffte, dass wir eine Fernbeziehung führen könnten. Ich lehnte das rigoros ab, sagte Ihr dass ich keine Kohle hätte, ständig zu Ihr fahren zu können. Schließlich hatte ich vor wenigen Wochen erst meine Lehre angefangen und als Friseur verdient man nun mal nicht viel. Außerdem wollte ich von Anfang nur eine kurze und heftige Affäre mit ihr und Sie schien einverstanden.
Flo? Meine Gedanken reißen jäh ab. Ähm… ja! stottere ich. Was ist mit Maria? Und woher hast du überhaupt meine Nummer?
Deine Nummer habe ich aus ihrem Handy, und Maria, nun ja, Sie ist, war schwanger.
Ein Faustschlag in die Magengrube hätte nicht weniger heftig sein können.
Ok, und was geht mich das an?entgegne ich leicht gereizt.
Ganz einfach, du warst der einzige der in letzter Zeit mit ihr geschlafen hat.
Du willst mir also sagen, dass ich womöglich ein Kind von Maria bekomme Ich kann mein Erstaunen nicht unterdrücken. Mir wird heiß und kalt zugleich.
Für einen Moment ist es still am Telefon und ich wiederhole meine Frage.
Die Antwort kommt nach einigem Zögern und ist kühl und knapp. Nicht mehr. Nun bin ich vollends verwirrt.
Wie meinst du das? frage ich.
Ein tiefes Durchatmen.
Dann, Flo, Maria ist tot.
Schock
Sie hat sich umgebracht, nachdem Sie erfuhr dass Sie von dir schwanger ist.
Schock
Du wolltest ja nichts mehr von ihr wissen.
Schock
Also hat Maria sich in die Wanne gelegt und sich die Handgelenke aufgeschnitten.
Du hast Sie umgebracht. Flo, DU hast meine beste Freundin umgebracht. Sollte ich dir jemals persönlich gegenüberstehen…
Das Handy schlägt dumpf auf dem Boden auf. Meine noch erhobene Hand krampft sich in meinen Haaren zusammen. Meine Knie fangen an zu zittern und eine eisige Kälte schießt in meinen Bauch. Meine Beine versagen und ich breche zusammen.
Aus meinem Hals dringen undefinierbare Laute, die sich irgendwie zu einem gutturalen Schrei zusammenformen.
Mein ganzer Körper schüttelt sich und schließlich wird mir schwarz vor Augen.
Ich öffne die Augen und spüre meine Wangen wie Feuer brennen. Anika kniet über mir, verpasst mir noch eine heftige Ohrfeige und schreit mich an.
Anika, die einzige Frau, die ich bis heute an mich herangelassen habe und die mich irgendwie versteht.
Philipp hält meine Beine hoch und ist kreidebleich.
Philipp, dieser begünstigte Narr. Der selten Glück bei Frauen hat und doch um jede einzelne dankbar ist und irgendwie alle Frauen dieser Welt vergöttert.
Der Schmutz auf meinen Klamotten, steht dem auf meiner Seele in nichts nach. Der kalte, feuchte Boden drückt mir ins Kreuz und die einzige wärmende Quelle in der Nähe, sind meine zwei Freunde, die sich um mich sorgen.
Ich blicke an ihnen vorbei in den Sternenhimmel und flüstere Ich habe zwei Menschen getötet.