Gras
Die Nacht stürmt auf mich ein, bedeckt die Felder, durchdringt die Wälder, windet sich durch Gassen und verdirbt des Tages letztes Licht. Ich bin allein in diesem Schauer, blicke auf in diese endlos kalte Dunkelheit – ein Schwarz, als würd‘ es jede Wellenlänge absorbieren und mich und meine Emotionen ganz und gar verschlingen. Ich taumle über dichtes Gras, das unter meinen Füßen – Millimeter nur erdrückt – die Schritte dämpft und jeglichen Laut verkümmernd in sich zieht. Der Mond ist kaum mehr hoch am Himmel, wie eine Schnur legt er sich über Land und Horizont und erhellt die Nacht nicht mehr als ein glühendes Kohlenstück das Universum. Aus der Lautlosigkeit dringt ein Keuchen auf, ein schnarrendes Husten, ein brechendes Schnaufen und ich sehe mich um, versuche mit den Augen den traurigen Dunst, die lustige Reinheit zu durchbrechen, um nun das Wesen schnell zu orten. Seine Töne klingen nah und hallen gleich von Ferne her, ein Echo wie im Höhlengang, dann wispernd leise, hoch von oben wie der Krähen Schrei, von unten auf wie Zirpen, Jammern winz’ger Grillen. Ein Schauerwesen, ein dunkles, trauriges Geschöpf. Wie Sirenen singt es zu mir her. Ich lausche und renne und taumle über Gras. Und vor mir steht in grausigster Montur – so hört‘ ich früher über seinen Anschein – im Mantel ewig fallender und sinkend weinender, so leblos trockner Blätter ein Mann mit schemenhaftem Lächeln, das ich nur durch Schlagen seiner Zähne und das Schmatzen seiner Lippen als dieses zu erkennen glaube und beugt sich scheppernd zu mir nieder, um mit seinen kalten Klauen mein Gesicht wie Spielzeug zu umfassen. „Mein Kind, mein elend‘ Weib, oh teuerstes Gebilde, versuche nicht, dich meiner still zu wehren, gar laut dich zu beschweren; meine Hand sitzt dort, wo sie dich am meisten schmerzt.“ Ein kalter Luftzug mit dem Duft, dem Geruch, dem Gestank von faulem Gras – der Wind des Waldes, ein Atem abscheulicher Art? – durchdringt mich und meinen Körper, meine Seele und mein Leben. Ich erschaudere unter diesem Druck der Eiseskälte und der Häme, die aus diesen Augen sprach, die – von Nacht und Brauen, von Lidern und von Hass verdeckt – selbst nun nicht weniger als dies verlockend sagen konnten. Windend drehte sich mein Körper unter seinem Schein, das Gesicht in seinen Pranken, die Arme frei, die Beine kaum noch das Gras berührend. Verloren ward ich in diesem Augenblick in seinen Händen, wie ein Kind, das aus dem Schlaf erwachte, wie ein Blumenköpfchen, das sich auf zur Sonne reckte, wie eine Feder, die dem Winde folgte, so folgte ich dem Schwingen seiner Stimme und warf den Kopf mit Stöhnen in den Nacken, um meinen Hals den Zähnen dieser Kreatur wie ein Festmahl zu servieren. Die Dunkelheit verbarg dies‘ grausam‘ Spiel vor Neugier und vor Blicken, vor Hochmut und vor Neid und ich ergab mich vor dem Throne dieser Nacht dem Tode selbst in seinen schauderhaften Zügen.