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Grand Bourdon

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31.05.2020
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Grand Bourdon

Ich hörte das Klopfen an der Tür und blies die Kerze aus. Duchamps Schuhe klackerten auf dem polierten Holzboden. Sein Schatten bewegte sich im Licht der Laterne durch den Türschlitz, als er erneut klopfte. Diesmal mit Nachdruck.
"Monsieur Walker, sind Sie da?", fragte er. "Monsieur Walker, ich muss mit Ihnen sprechen."
Ich rührte keinen Finger. Erst als Duchamp einen Zettel unter der Tür durch schob und das Licht im Flur erlosch, setzte ich mich auf und ging mit der wieder angezündeten Kerze auf Zehenspitzen nach vorn. Armer Kerl, dachte ich. Seit Wochen war ich ihm aus dem Weg gegangen. Entweder indem ich auf Socken in der dreistöckigen Villa Bourgeois schlich oder durch ein Fenster zum Hinterhof gekletterte. Einmal hatte er mich fast erwischt. Ich hatte die Haustür geöffnet und die letzte Stufe der Treppe übersehen, wobei ich versehentlich gegen die Türklingel stieß. Duchamp war ein alter und karger Mann, der mit einem Gehstock bewaffnet seine Wohnungstür aufstieß und grunzend und schnarchend zur Tür stapfte. Ich war in die Küche geeilt, hatte mich hinter einem Vorhang versteckt und beobachtet, wie er den Raum nach Eindringlingen absuchte.
Begegnungen mit Duchamp waren an für sich keine unangenehme Angelegenheit, jedoch entwickelte sie sich mit jeder Wochenmiete und einem weiteren Versprechen zu einer solchen. Und genau das stand auf dem Zettel: payer ou partir! (zahle oder verschwinde). Ich war bereits drei Wochen im Rückstand und meine werteste Freundin und Verlegerin Maxime Fitzgerald in Boston, Massachusetts, war auf Expedition nach Mexiko. Seitdem hatte ich nichts mehr von ihr gehört und befürchtete, dass sie von Rothäuten als Geisel gehalten wurde. Mein letzter Brief blieb unbeantwortet. Ich legte die Notiz von Duchamp auf den Schreibtisch und las sie erneut. Eine aussichtslose Situation, die akute Aufmerksamkeit erforderte. Ich löste sie, indem ich die unvollendeten Manuskriptseiten sammelte und auf einen Stapel in die Schublade legte und mich aus dem Fenster in den Garten des Apartments in der Rue de la Paix machte.
Die Sonne war im Begriff unterzugehen, und von den Pflastersteinen stiegen Dämpfe von der Hitze des Tages auf. Es war der 3. Juni 1830. Die engen Gassen führten zum Jardin des Tuileries - dem Garten der Könige -, wo man in diesen Tagen den Duft von Revolten riechen konnte, die meisten Aufstände aber im Keim erstickt wurden. Eine der Brücken, welche die Seine überquerten, war mit umgestoßenen Kutschen, Holzbrettern und Schubkarren blockiert. Ich hörte, wie Charles Nodier zuvor in einem Café öffentlich und vor einer Horde wild gewordener Studenten über die Barrikade lobte, die französische Arbeiter errichtet hatten. Kurze Zeit später wurde er von Polizisten abgeführt.
Ich passierte die Barrikade und ging weiter. Vor mir lagen weitere Brücken. Die Pont Royal und die Passerelle des Arts, aber ich überquerte den Fluss nicht, sondern ich ging weiter auf der auf der Höhe des Louvre. Paris war zu dieser Zeit eine düstere Geliebte und ich meinte, aus ihr verschwinden zu müssen, oder in ihrer gefährlichen Schönheit zu sterben.

Die Taverne hieß L'Auberge Blanc. Sie lag nicht weit vom Hôtel de Ville entfernt in einer Seitenstraße zum Place de Grove. Hier war vor nicht allzu langer Zeit Jacques de Fesselles von einem Mob gelyncht worden, und Robespierre hatte man in den Kiefer geschossen und anschließend in Handschellen gelegt. Vor der Taverne tanzten und sangen die Leute zu den Klängen eines Musikers und im Flackern der Kerzen entdeckte ich Victor Hugo, der eine blonde Bardame von sich stieß und auf die Straße stolperte.
"Die verdammte Glocke! Es ist die verdammte Glocke!", sagte er und ging an mir vorbei. "Komm, Amerikaner."
Ich schaute ihm eine Zeit lang auf den mir zugedrehten Mantelkragen, bevor er sich drehte und sagte: "Walker, du dreckiger Wildwest, bougez votre cul!"
Ich bewegte meinen Hintern, wie er es vorschlug, und als ich ihn einholte, sagte ich: "Ich würde lieber hier etwas trinken", und deutete auf das Lokal zurück.
"Ah, scheiß auf die Drinks und scheiß auf die französischen Mädchen mit ihren schlaffen Titten und ihren vorlauten Mündern, und scheiß auf den König!"
Und kurz darauf begann er ein Lied aus der französischen Revolution zu singen.

"Rois ivres de sang et d'orgueil.
Le Peuple souverain s'avance.
Tyrans descendez au cercueil."

Ich wusste, dass er betrunken war, aber die Art und Weise, wie Victor sprach und ging, war immer sehr angenehm in seiner Nähe, selbst wenn er ordentlich einen im Tee hatte, und so leistete ich ihm Gesellschaft.
Nur ein paar hundert Schritte weiter in der Rue Saint-Martin sah ich den Schein von Laternen auf uns zukommen.
"Wer singt denn da draußen?" fragte jemand.
In dem gedämpften Licht zählte ich drei Gestalten. Männer mit breiten Schultern und schweren Schatten. Einer der Männer stapfte durch eine Pfütze aus Regenwasser. Ein Schwert oder eine Klinge klirrte bei jedem seiner Schritte am Gürtel. Hugo hörte nicht auf.
"Scheiß auf den König. Fick den königlichen schwanzlutschenden König."
Ich spürte Gänsehaut auf meinen Armen. Vielleicht werden sie uns umbringen, dachte ich. Leute, die den König kritisieren, wurden in Paris und in ganz Frankreich einfach um die Ecke gebracht, geschweige denn, wenn sie so etwas im Zentrum der Hauptstadt lauthals sangen. Aber ich wollte Hugo nicht allein lassen. Und allmählich fiel ich Gefallen daran womöglich in Hälften geteilt zu werden.
Die drei Männer waren jetzt ganz nah. Nah genug, um ihre Gesichter zu sehen. Der mit dem Schwert hatte eine Narbe über dem rechten Auge, der zweite hatte ein komisches Grinsen und schwarze Zähne, und der dritte hatte eingefallene Wangen, so eingefallen, dass er wie eine Schlange aussah, die nicht gefressen hatte. Alle drei begutachteten Hugo, während sie über den Bürgersteig schlenderten. Hugo steckte seine Hände in seine Jackentaschen.
"Was schreist du da?", fragte einer von ihnen und drehte sich zu uns.
"Ich habe gesagt, fick den König", antwortete Hugo.
"Er ist betrunken", sagte ich, in der Hoffnung, das was passieren könne zu ändern.
"Aber er hat recht", sagte einer der anderen Männer. "Fick diese Pussy von einem König."
Dann lachten die Männer und gingen weiter.
"Siehst du", sagte Hugo. "Heutzutage hassen sie alle den König."
"Hugo, wo gehen wir hin?"
"Notre Dame."
"Notre Dame?"
"In der Tat. Ich brauche Inspiration für meinen Roman."
"Und die werden wir dort finden?"
"Das wirst du sehen, Walker. Komm her und trink etwas."
Hugo fummelte in seiner Jacke und reichte mir einen Flachmann.
"Trink,” sagte er.
Ich trank. Es war Absinth. Der Wermut kratzte im Hals.
"Von Revolutionen bekomme ich Schreibblockade", sagte Hugo. "Besonders die gescheiterten Revolutionen. Siehst du, ihr hattet eure schon. Ihr werft etwas Teeladungen in den Atlantik und greift nach der Freiheit, und wir köpfen einen Tyrannen nach dem anderen und werden sie nicht los. Und der einzige Ausweg ist zu schreiben. Und jedes Mal, wenn diese verdammte Glocke da oben läutet, frage ich mich, welches Monster an ihren Seilen zieht."

Am Pont au Changes überquerten wir die Seine und die gewaltigen Türme von Notre Dame standen vor uns. Der nördliche und der südliche Glockenturm. Kleine Teile waren heruntergekommen und einer der steinernen Wasserspeier war beschädigt, weil eine Gruppe französischer Anarchisten die Fassade des Gebäudes mit Spitzhacken demoliert hatte. Patrouillen und Wachen waren in Stellung gebracht, stapften über das Kopfsteinpflaster und beobachteten den Platz aus ihren hölzernen Barracken.
"Es ist triste zu sehen." erklärte Hugo. "Es gibt nichts Schlimmeres, als zu versuchen, eine neue Welt zu schaffen, indem man die Vergangenheit verbrennt und schließlich seine Fehler vergisst."
"Junge, wir werden es nicht nach da oben schaffen."
"Keine Sorge, alter Knabe. Du bleibst einfach da. Ich bin in einer Minute zurück."
Ich konnte nicht einmal antworten, da war Hugo schon los, vorbei an zwei Uniformträgern, öffnete eine kleine Tür und verschwand dahinter.
Ich stand da und wartete darauf, dass etwas passierte. Zum Glück hatte ich Papaletten, die ich zusammen mit dem Flachmann, den Hugo mir gab, in der Jacke fand. Ich zündete eine Papalette an, atmete den Rauch ein und aus und trank einen Schluck der grünen Flüssigkeit. Die Zeit verging langsam. Nichts geschah. Nur der Absinth ermutigte mich, näher an die Holztür heranzutreten, wo ich stehen blieb und zum Glockenturm hinauf blickte.
"Was machst du da?" fragte eine Stimme auf Französisch.
Ich blickte zu Boden und sah die Wachen nur wenige Meter von mir entfernt.
"Ich? Ich wollte nur -"
"Monsieur, Sie haben keine Authorisation. Treten Sie bitte zurück, husch, husch!"
Ich bewegte mich nicht.
"Sie, Américain!", sagte er und zog einen Revolver aus seiner Hüftschnalle mit dem er auf mein Gesicht zielte. "Vielleicht müssen wir Sie in Gewahrsam nehmen, mein Freund."
"Nein, nein. Mir geht es gut, danke."
"Dreh dich um, lentiment, ganz, ganz langsam."
Ich war mir nicht sicher, ob das echt war. Der Absinth könnte meine Frontallappen beschädigt haben. Ich murmelte weiter, und die beiden Franzosen sprachen miteinander, schnell und zu ungenau, als dass ich sie hätte verstehen können.
“Verdammter Américain! Umdrehen -"
“He, lass doch mal sehen, was die Amerikaner so draufhaben.”
“Ich will ihn tanzen sehen.”
“Ach, wir jagen ihm direkt ‘ne Kugel in die Beine.”
Vorsichtig kam der kleinere von beiden näher. Während ich so da stand und noch an die Miete dachte, dämmerte mir die ganze Misere. Von zwei franzöwischen Stadtpatrouillen in die Mangel genommen. Ich sah die Zeitungsartikel der Geschehnisse im New York Courier and Enquirer vor mir: Amerikaner in Frankreich erschossen. Amerikaner zettelt Krieg an. Frankreich und England verbündet unter einer Flagge. Amerikaner treten Rückzug über den Atlantik an. Steuergelder weitgehend verschleudert für betrunkenen, amerikanischen Touristen.
Plötzlich vibrierte ein lauter, fast unerträglicher Glockenschlag durch die Luft. Ohne Weiteres ließen die Wachen von mir ab und schauten zum südlichen Glockenturm hinauf, wo Hugo auf den Fenstersims getreten war und “Grand Bourdon, Grand Bourdon,” brüllte. Ich riss mich zusammen und sprintete los. Gehetzt und getrieben von Wahnsinn landete ich in einer Gasse. Ich dachte an Hugo. Ein Pfundskerl. Einer der macht, was er sagt. Er war da wirklich rauf.
Ich vergewisserte mich, dass ich nicht verfolgt wurde. Um Hugo müsse ich mir keine Sorgen machen. Notfalls würde er sie einfach davon überzeugen, den Dienst zu quittieren und sich seinen Vorhaben anzuschließen. Ich ging zurück zur Taverne, bestellte einen Eintopf vom Vormittag und wartete. Es war schon spät, als Hugo eintrat. Er hatte Schnitte und blaue Flecken.
"Du Dreckskerl", sagte ich.
Er klopfte mir auf die Schulter.
"Wunderbar. Magnifique. Was für eine Aussicht. Und ich weiß, dass es kein Monster ist, das an den Seilen zieht, sondern ein Mann, der Angst vor einer Welt voller Verleumdungen hat."
Wir bestellten Wein und tranken.


***​

Es war noch früh. Die Sonne ging gerade auf und Morgentau lag über dem Gras im Garten, als ich zum Fenster schlurfte. Es war kalt und ich war verkatert und konnte mich wenig zu vorherige Nacht erinnern. Auf halbem Weg durch das Fenster bemerkte ich die Gestalt einer Frau zu meiner Linken. Ich drehte den Kopf langsam.
"Wäre es nicht einfacher, wenn Sie durch die Vordertür kämen?", fragte sie.
Maxime Fitzgerald saß auf dem Stuhl an meinem Schreibtisch und trank eine Tasse Tee. Der heiße Dampf erfüllte den Raum mit dem Duft von Pfefferminz. Ich kletterte hindurch und setzte mich auf das Bett. "Was machen Sie denn hier?"
"Walker, Sie werden es nicht glauben, was passiert ist. Ich habe den Grand Canyon auf einem Pferd überquert, und sieh mal, was ich da bekommen habe."
Sie zog einen abgetrennten Skalp aus ihrer Tasche und hielt ihn in die Luft.
"Wir wurden von Kickapoo Indianern angegriffen und Sergeant Davy Crockett hat einen erschossen. Ist das nicht ein schönes Souvenir?"
"Wie sind Sie denn nach Paris gekommen?"
"Ich wollte Sie überraschen. Schließlich dachte ich, es wäre schöner, wenn ich persönlich her käme und Sie und die zivilisierteren Teile der Welt besuche."
"Das ist Ihnen gelungen", sagte ich.
"Aber ich muss jetzt gehen. Herr Duchamp will mich herumführen. Vielleicht können Sie später mit uns zu Abend essen."
Maxime stand auf, ging zur Tür und öffnete sie.
"Übrigens", sagte sie. "Ich habe mit Duchamp über Ihre Novelle gesprochen, Sie müssen sich keine Sorgen machen. Ihre Miete ist bezahlt."

 

Duchamps Schuhe klackerten auf dem polierten Holzboden.

Hallo,

wording. Klackerte klingt einfach albern. Das ist wie: der Killer tapste durch den Flur. Sofort verliert alles an Schwerkraft. Es sind auch nicht die Schuhe, die klackern, sondern was gemeint ist, sind die Schritte. Ohne Bewegung kein Geräusch.

Und dann noch:

"Auch die dunkelste Nacht wird enden und die Sonne wird aufgehen" - Victor Hugo
Ich mache das auch, mit den Zitaten, aber meistens stelle ich es einem Roman oder einer Storysammlung als Motto voran. Das kann natürlich auch gefährlich nach hinten losgehen, weil es schnell vermessen wirken kann. Als ob das Zitat eines großartigen Autoren irgendwie auch auf die Geschichte abfärbt.

Armer Kerl, dachte ich.
Denkt er das wirklich? Armer Kerl. Er rührt keinen Finger, geht ihm aus dem Weg und unternimmt dafür größte Anstrengungen, und dann denkt er so was? Eher nicht, oder?
Entweder indem ich auf Socken in der dreistöckigen Villa Bourgeois schlich oder durch ein Fenster zum Hinterhof gekletterte.
Da fehlt was. Kletterte oder geklettert war. Mir ist auch noch nicht klar, warum er das tut. Dies hier ist eine Kurzgeschichte. Carver meinte immer: Don't linger. Hier wird jetzt schon recht viel gelingert.

Einmal hatte er mich fast erwischt.
Wobei?

Duchamp war ein alter und karger Mann, der mit einem Gehstock bewaffnet seine Wohnungstür aufstieß und grunzend und schnarchend zur Tür stapfte. I
Hier stimmt etwas nicht. Du beschreibst den Mann ( was ist ein karger Mann?) und dann was er tut, aber immer noch nicht, warum er permanent vor ihm flüchtet. Wir sind schon im zweiten Absatz und es hat sich noch nichts bewegt in dem Text. Kein Dialog, keine Atmosphäre, es wird etwas von einer dreistöckigen Villa berichtet, für die ich aber nie ein Gefühl bekomme, no show.

payer ou partir! (zahle oder verschwinde). I
Ah! Der Landlord der die Schulden eintreibt. Also, sagen wir so: das ist ein sehr langsamer und auch sehr langweiliger Einstieg.
Ich war bereits drei Wochen im Rückstand und meine werteste Freundin und Verlegerin Maxime Fitzgerald in Boston, Massachusetts, war auf Expedition nach Mexiko.
Natürlich muss Massachusetts erwähnt werden. Das ist so wie die Figur im Theaterstück, die sagt: Und das, Wanja, ist Tolja, der, wie du weißt, ja dein Onkel ist! Entweder die Stadt liegt in den USA und der Erzähler schreibt retrospektiv darüber und nimmt an, der Leser teilt gemeinsames Wissen, dann muss das nicht erwähnt werden. Und auf Exepedition ist man meiner Meinung nach in und nicht nach Mexiko, oder?

Seitdem hatte ich nichts mehr von ihr gehört und befürchtete, dass sie von Rothäuten als Geisel gehalten wurde.
Sie könnte also nicht in ein Bach gefallen und ertrunken, von reinweißen Cowboys vergewaltigt und verbrannt worden sein, oder auch von Außerirdischen entführt? Es müssen die Rothäute und nur diese sein ... um diesem PC-Horror zu entgehen, könnte man auch schreiben: dass ihr etwas zugestoßen sei.

Mein letzter Brief blieb unbeantwortet.
Woher weiß er ihre Adresse, wenn sie unterwegs ist? Warum hat er sich nicht schriftlich an die Leute dort gewendet, wenn er eine postalische Adresse hat? Einen Suchtrupp angefordert?
Die Sonne war im Begriff unterzugehen, und von den Pflastersteinen stiegen Dämpfe von der Hitze des Tages auf.
Ist so ein schönes Bild, aber ist das so? Wird es so heiß in Frankreich, dass Dämpfe vom Pflaster kondensiert?

Die engen Gassen führten zum Jardin des Tuileries - dem Garten der Könige -, wo man in diesen Tagen den Duft von Revolten riechen konnte, die meisten Aufstände aber im Keim erstickt wurden
Wie duften den Revolten? Das ist so einen Satz Zeitgeist, aber das ist einfach erzählerische Leere, lazy writing. Wenn da jetzt aufknüpfte Revolutionäre hängen würden oder er ein Flugblatt findet oder Anzeichen von Kämpfen, Blut, Leichen - dann würde das irgendwie realistischer werden, plastischer. So ist das einfach eine Behauptung. Leere.
Ich hörte, wie Charles Nodier zuvor in einem Café öffentlich und vor einer Horde wild gewordener Studenten über die Barrikade lobte, die französische Arbeiter errichtet hatten. Kurze Zeit später wurde er von Polizisten abgeführt.
Hier wird das versucht, und dann wird dieser Nodier NATÜRLICH genau in diesem Moment abgeführt. Das liegt auch an dieser irgendwie großväterlich anmutenden Sprache: wild gewordene Studenten, das ist klingt alles viel zu brav und unbeteiligt. Man spürt, der Autor möchte da etwas Kolorit unterbringen, aber so funktioniert doch historisches Schreiben nicht. Da muss bis ins letzte Detail alles passen, ein Mosaik aus Retrospektiven setzen sich zu einem Ganzen zusammen.
"Scheiß auf den König. Fick den königlichen schwanzlutschenden König."
Joah, hier bin ich dann ausgestiegen. Fick den königlichen schwanzlutschenden König. Dann noch was, einen Satz später, mit König und Pussy. Haben die so geredet, 1830? Oder ist das alles nur eine Illusion? Und auch wenn, warum klingt das in meinen Ohren so ausgestellt? Damit provoziert man aber wirklich niemanden mehr, es ist wirklich eher fremdbeschämend. Ich denke mir immer: Was hat sich der Autor dabei gedacht? Ich lese sehr gerne transgressive Texte, Samuel Delanys Hogg und auch Peter Sotos, aber da geht es um etwas anderes, das sind wirkliche Abgründe, da siehst du ins blanke menschliche Nichts, wenn du das liest. Da ist auch nichts gewollt oder aufgesetzt, weil diese Menschen nur so schreiben konnten. Aber hier wirkt das alles manieriert, aufgesetzt hart, aber es wirkt albern und unfreiwillig komisch. Das ist sicher nicht, was du wolltest.

Für mich klingt das wie ein Abenteuertext. Finde ich super. Ambrose Bierce, da denke ich dran, wegen Mexico, dann auch Papa Hem, weil es ein Autor ist, Henry Miller etc, Paris, Jahrhundert passt nicht, egal. Alles Zutaten für einen tollen Text. Aber diese pseudo-hart-maskuline Sprache versaut es mir einfach, sorry. Konstruktiv: Kürzen, schneller einsteigen, mehr Atmosphäre kreiren, nicht nur historischen Hintergrund behaupten, sondern diesen erzählen - wie frühstücken Franzosen 1830? Wie trinken die ihren Kaffee? Was ziehen die an? Wie sehen die aus? Wie begrüßen die sich, mit welchen Gesten, mit welcher Mimik? Welche Frisuren, welche Bärte? Was gibt es für populäre Lieder, die auf den Straßen gesungen werden, wie ist das mit der Klassengesellschaft? Was galt als schön? Was als hässlich? 1830, waren da Amerikaner in Europa nicht eher selten? Und dann: Sprache. Präziser, knapper, weniger ausgelaugte Bilder, insgesamt mehr wagen. Dialoge, die den Charakter entfalten, keine reinen Info dumps oder Stichwortgeber. Nebulöses vermeiden, wir sind hier nicht im Gender Identity Seminar.


Gruss, Jimmy

 

Hey, Jimmy! Vielen Dank für's Kommentar!

Schade, dass du ausgestiegen bist, da gibt's nämlich später Stellen mit denen ich richtig unzufrieden bin, weil's keine Aktion gibt.

Also vorab, vielen Dank für die Kritik. Der Text ist ursprünglich auf Englisch verfasst und derzeit bei 'nem Contest. Dort waren die Vorgaben "Bell & Dire Situation" und ich hab das Thema gelesen und musste sofort an Victor Hugo denken und wie er auf die Idee kam, The Hunchback of Notre Dame zu schreiben, also hab ich mir vorgenommen, irgendwie als Protagonist Teil der Story zu sein. Und obwohl das Ding bereits unterwegs ist und ich mir nach deiner Kritik keine Hoffnung mehr mache, dass da irgendwas an Geld reinkommt, werd ich definitiv dran arbeiten. Mir gefällt das Setting sehr und es hat Bock gemacht was zu Papier zu bringen, was nicht direkt mit meinem Leben zu schaffen hat.

Wobei ich viel Schwierigkeiten hatte war die Sprache, weil's ja eigentlich Französisch ist, was da gesprochen wird, und wie vermittle ich dem Leser so etwas, beziehungsweise, wie schreibe ich das korrekt?

Alle oben genannten Punkte kann ich (jetzt) definitiv nachvollziehen, die waren mir zuvor als Autor gar nicht wirklich bewusst, daher nochmals vielen Dank, damit kann ich arbeiten und werd mich dran machen.

z.B.

Woher weiß er ihre Adresse, wenn sie unterwegs ist?

Da hast du voll kommen recht, das war schlampig von mir.

Sie könnte also nicht in ein Bach gefallen und ertrunken, von reinweißen Cowboys vergewaltigt und verbrannt worden sein, oder auch von Außerirdischen entführt? Es müssen die Rothäute und nur diese sein ... um diesem PC-Horror zu entgehen, könnte man auch schreiben: dass ihr etwas zugestoßen sei.
Guter Punkt, da sollte ich eventuell noch mal recherchieren, ich dachte eben, dass es zu dieser Zeit eindeutig war, dass die Amis sich weiter ausdehnen wollen. Daher auch später der Schluss, der darauf zurück kommt. Mexiko war ja damals alles ab Arizona und um 1830 zieht es die Leute auf Expedition darüber. So mein Gedanke.

Ich setz mich dran, ändere einiges und vieles und vielleicht steigst du dann nicht wieder aus. :)


Rifle.

 

Hallo P.H. Rifle,

auf die angemerkten Fehler von Jimmy gehe ich nicht noch mal ein - aber sie stießen mir auch auf, als ich die Geschichte las. Außerdem hat er wesentlich mehr Ahnung von der Materie. :-) ...
Ich versuche mich immer unvoreingenommen zu nähern - was fühle ich, was vermittelt der Autor, wie handhabt er das Wort, die Sprache?
In diese Geschichte fand ich nur spärlich rein, weil mir die Worte nicht ausreichend Anhaltspunkte vermittelten, die Figuren blass blieben und ich ihrer Motivation nicht schlüssig folgen konnte, die sie antrieb, bei dem was sie taten. Es ist schwer - keine Frage, im Kopf eine Welt zu erschaffen und auf´s Papier zu bringen, aber das Schreiben ist nicht einfach nur Plot, Figuren, Charaktere, Handlung und Zeitfenster ... ich versuche das mit einem (unbegradigtem) Fluss zu vergleichen ... die Ufer, der Fall, die Schnellen, die Tiefen, die Sandbänke, die Pflanzen, Tiere und doch bleibt es immer der selbe Fluss ... von der Quelle bis zur Mündung ... in sich geschlossen; die Geschichte, eine Phantasie-Welt.
Wo ziehst Du in Deiner Story sämtliche Register, wo überschlägt sich Deine Wortwahl, wo kann ich mich als Leser andocken und mitfliegen in diese Welt.
Aber gib nicht auf, suche in Dir, was Dich ausmacht und lass es in die Stories fließen, damit sie einzigartig werden und den Leser begeistern. Viel Erfolg.
Grüße - Detlev

 

Hey@P. H. Rifle

Dein Text ist voller Anachronismen und Dein Französisch ist mehr als mangelhaft. Deine Semantik ist nicht besser:

Aber hier wirkt das alles manieriert, aufgesetzt hart, aber es wirkt albern

Tatsächlich Ton histoire a ni queue ni tête, also Deine Geschichte ist absurd. Da Du alle Kommentare bis zu diesem Zeitpunkt ignoriert hast, war das vielleicht Deine Absicht, dann ist Dir das perfekt gelungen.

Nix für ungut. Liebe Grüße.
Eraclito

 

@Eraclito:
Alle Kommentare ignoriert? Ich habe Jimmy doch geantwortet - was bis Dato das einzige Kommentar war) und arbeite bereits am Text.
Die letzten beiden Kommentare kamen heute rein, tut mir wirklich sehr leid, dass ich nicht innerhalb von 5 Minuten antworte. Dein Kommentar macht für mich eher weniger Sinn.
Mag sein, dass die Charakter - wie Jimmy bereits angesprochen - nicht so reden, okay, daran arbeite ich, aber wo genau hast du denn ein Problem mit dem zeitlichen Geschehen? Wo genau ist das Französisch mangelhaft? Was stört dich an der Semantik?

Vielleicht hättest du dir beim Kommentieren mehr Mühe geben können, statt direkt zu behaupten, dass ich nicht auf Kommentare antworte.

@Detlev:
Vielen Dank für dein Kommentar. Du hast Jimmy in vielen Punkten zugestimmt und genau da dran sitze ich bereits.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey@P. H. Rifle

Gut! Wenn Du "bouges ton cul", wie du sagst, dann bin ich bereits zu helfen.

Wo genau ist das Französisch mangelhaft?
Schau mal:
L'Auberge Blanc
L'Auberge Blanche
Authorisation
Autorisation
husch, husch!
Unbekannt in Frankreich. Vielleicht: "allez! allez!"
lentiment,
lentement

Vielleicht hättest du dir beim Kommentieren mehr Mühe geben können, statt direkt zu behaupten, dass ich nicht auf Kommentare antworte.
Ich habe nicht behauptet, dass Du nicht auf Kommentare antwortest, sondern dass Du nicht an Deinem Text arbeitest. Warum sollte ich mich mehr bemühen als du?
Was stört dich an der Semantik?
Beispiel: Victor Hugo hätte nie gesagt: "Walker, du dreckiger Wildwest, bougez votre cul!"
a) wenn er "du dreckiger..." dann hätte er gesagt "bouge ton cul"
b) Wildwest war kein Begriff im Jahr 1830!
c) Hugo war Sohn eines Generals und es gibt kein Attest, dass er Vulgär gewesen wäre.

Du hast nicht nach den Anachronismen gefragt. Prüfe, wo die Kickapoo-Indianer im Jahr 1830 waren (Südmissouri bis 1832) . Prüfe, wann D. Crocket Richtung Texas ging (Nov. 1835). Prüfe, wann Samuel Colt den ersten Revolver baute (Patent 1835). Prüfe...
Und wenn Du schon beim prüfen bist, kontrolliere Deine Ortsangaben: z.B Place de Grove. Du meinst warscheinlich Place de Grève. Pech für Dich! Der Platz war seit 1802 Place de l'Hôtel de Ville. Et caetera, et caetera

Zuletzt eine Frage:

um Glück hatte ich Papaletten, die ich zusammen mit dem Flachmann
Was sind Papaletten? Hast Du dich gefragst, wie Du sie anzündest?

Ich hoffe, dass diese Hinweise Dir helfen werden. Es gibt noch eine ganze Reihe Unschicklichkeiten, die ich erst kommentieren will, wenn Du Deine Kurzgeschichte überarbeitet hast.
Hab Freude am Schreiben.
Liebe Grüße
Eraclito

 

@Eraclito, herzlichen Dank.

Da Du alle Kommentare bis zu diesem Zeitpunkt ignoriert hast, war das vielleicht Deine Absicht, dann ist Dir das perfekt gelungen.
Das klang für mich so, daher haben wir wohl aneinander vorbei geschrieben.

Mit diesem Kommentar kann ich durchaus arbeiten. (Generell wird bei mir in Google Docs gearbeitet und überarbeitet. Daher kommt das Ergebnis nicht direkt bei euch an.)

Zu husch, husch: Das war auch nicht französisch gemeint, aber das werde ich auch ändern.

"Wild West": Da hast du Recht, das Wort kam erst 1850 rum, daher werd ich das ändern, wobei Hugo ja auch einfach seiner Zeit voraus sein können.


Hugo ist besoffen. Warum sollte er nicht vulgär sein? Ich weiß, dass er Sohn eines Generals war, aber ich kenne keinen Schriftsteller, der nicht vulgär sein kann. Aber auch an diesen Stellen werde ich arbeiten, da Jimmy die schon angesprochen hat.

"Kickapoo-Indianer im Jahr 1830" auch hier schlecht recherchiert von meiner Seite. Da hatte ich anfangs nur "Indianer", oder "Rothäute" stehen, ich weiß es nicht mehr. Werde ich ändern.

D. Crocket: Habe leider kein Tagebuch oder einen genauen Ablauf seines Lebens, aber was hindert ihn 1830 eine Exedition nach "Mexiko" zu leiten? Vielleicht werde ich hier eine fiktive Figur verwenden, gerade weil er ja auch gegen den "Indian Removal Act" war.

Revolver wurde von mir falsch übersetzt, da hab ich einfach daran gedacht so im ersten "übersetzungs-" Moment, im Original hab ich sogar Pistole stehen, vielen Dank für den Hinweis, denn tatsächlich meine ich Pistole, die gab es nämlich zu der Zeit schon.

Place de Grove: Ich hatte mir einen Ausdruck einer Karte gemacht. Paris 1830, da stand Place de Grove und war auch mit Google überprüft. Da war ich mir sicher, dass dieser Platz so heißt zu der Zeit, wo eben das Hotel steht. Wenn dem nicht so ist, werde ich das natürlich ändern.

Papaletten anzünden:

-> Google

  • Frühe Zündhölzer entstanden zwischen 1780 und 1830 und verwendeten u. a. Phosphor oder das 1787 entdeckte Kaliumchlorat
  • Um 1826 erfand der englische Apotheker John Walker das erste echte Streichholz mit Reibungszündung. Das neue Zündprinzip wurde mit den Lucifer-Streichhölzern der breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Rifle.

 

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