Grüezi!
Gerhard erwachte.
Es war ein ganz normaler Tag. Er stand auf, machte sich Kaffee, stand unter die Dusche und rasierte sich. Er ging aus seiner Wohnung, stieg in seinen BMW und fuhr zur Arbeit.
Gerhard wohnte in der Nähe von Berlin.
Als er die Eingangshalle der Firma, in der er arbeitete, betrat, begrüsste ihn der Portier mit einem freundlichen „Grüezi!“. Das betrachtete Gerhard noch als kleinen Scherz.
Als er aber ins Büro trat, ein fröhliches „Guten Morgen alle miteinander“ aussprach, und ihn seine Mitarbeiter mit „Guete Morge“ begrüssten, verstand er nichts mehr. Er ging zu einem seiner Kumpels, und fragte ihn, ob das ein schlechter Scherz sei.
„Was meinsch? Was für ne Schärz?“
Völlig verstört setzte sich Gerhard an seinen Schreibtisch. Wieso schweizerdeutsch? Wollte ihn jemand bestrafen, weil er immer über die Schweizer fluchte?
Dabei tat er doch das zurecht. Schliesslich war er schon oft von diesen Kuhschweizern aufs Gröbste erniedrigt worden. Und seit er von einer Gruppe von Einheimischen in seinen Skiferien in Zermatt als „Gashahne“ und „Hitlerpack“ bezeichnet worden war, hasste er alle Schweizer.
„Wie geits mit der Büez vora?“
Die Worte seines Chefs rissen ihn aus seinen Gedanken. Gerhard sah ihn nur fragend an.
„Was isch los? Geits nech nid guet?“
Gerhard sah rot. Er packte seinen Chef am Hemd und schrie ihn an. „Was soll das, verflucht!“ Er sah herum, und alle sahen ihn mit offenen Mäulern an. „Was starrt ihr alle so?“
Er stiess seinen Chef von sich, und verliess schnell das Büro. Sein Chef murmelte ihm nur noch „dä schpinnt doch“ hinterher.
Gerhard fuhr nach Hause. Zuerst mal ausspannen. Vermutlich hatte ihn der Stress der letzten Wochen die Nerven gekostet.
Er kam Zuhause an, schloss die Türe auf, warf sich auf sein Sofa und schaltete den Fernseher ein.
„Und jetz d Nachrichte..“
Er schrie, warf die Fernbedienung an den Fernsehapparat, wo diese zertrümmerte.
Er musste weg von hier. Er musste einfach weg. Auf die andere Seite der Erde. In die USA. Zu seinen Verwandten. Vielleicht würde er dort wieder auf normale Menschen treffen.
Gerhard verliess seine Wohnung, trat einmal gegen seinen BMW, weil auf dem Heck plötzlich „drüachtezwänzg-i“ stand, und fuhr zum Flughafen.
Er löste ein Ticket für den nächsten Flug nach New York.
Nach einem schrecklichen Flug, mit Grüezi-sagenden Stewardessen, und dem Pilot, („i begriösse öich rächt härzlech zum Flug vo dr America Airlines uf Nöi Jork“), stieg er in New York aus dem Flugzeug.
Vorsichtig sah er sich auf dem Flughafen um.
Ein Polizist nahm ihn fest, weil er einen schweizerdeutsch-sprechenden Chinesen ins Gesicht geschlagen hatte. Nach einer zehnminütigen Fahrt kamen sie im Polizeirevier an und wurde verhört. Auf schweizerdeutsch.
Nach einer Nacht im Gefängnis konnte er gehen.
Völlig verstört klingelte Gerhard beim Haus seiner Verwandten in einem Vorort von New York. Sein Onkel öffnete, machte grosse Augen, und schrie „Gerhard! Wie lang heimer nang scho nümme gseh! Dasch jo e Ewigkeit här!“
Gerhard brach zusammen.
Er erwachte schweissgebadet in seinem Bett. Zuhause.
Er würde nie mehr etwas gegen Schweizer sagen.