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Serie Gottgeschichten - 07: Wettbewerbsfähigkeit

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28.05.2001
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Gottgeschichten - 07: Wettbewerbsfähigkeit

Gott wunderte sich. Seit geraumer Zeit ging im Himmel etwas Seltsames vor. Viele seiner Engel glänzten immer öfter durch Abwesenheit. Das tägliche Harfenkonzert wurde nur noch spärlich besucht, ja selbst wenn Johanna von Orleans Vorträge über die Kunst der Enthaltsamkeit hielt, blieben die Besucherwolken leer. Die Seraphim wirkten übernächtigt, einige von ihnen torkelten sogar herum und stolperten über kleine Cumuluswölkchen. Irgendetwas war hier faul, stank gewissermaßen zum Himmel.
Natürlich hätte Gott heimlich die sündigen Gedanken seiner Schäfchen lesen können, doch der Schutz der Privatsphäre galt unter Telepathen als ungeschriebenes Gesetz. Nicht jeder hielt sich immer daran, doch Gott hatte schließlich eine gewisse Vorbildfunktion. Dennoch: so ging es nicht weiter, und so beschloss der Herr in seiner unendlichen Weisheit, der Sache auf den Grund zu gehen.

Gott machte sich unsichtbar und schwebte ein wenig herum. Auf den ersten Blick konnte er nichts Ungewöhnliches entdecken. Da sah er zufällig Oscar Wilde, wie er scheinbar ziellos umherschlenderte. Dann blickte er sich vorsichtig um und verschwand in einer dichten Wolkenbank. Aha! Wenn es jemals einen umtriebigen Engel gegeben hatte, so war es Oscar Wilde. Rock Hudson kam vorbei, die aufreizend mit ihrem Hintern wackelnde Marylin Monroe und den schwuchteligen Peter O’Toole im Arm. Als dann auch noch Ernest Hemingway erschien und zielstrebig in die Wolkenbank schritt, war Gott klar, dass er dem Geheimnis auf der Spur war. Er folgte Hemingway.

Sein Blick durchdrang den milchig weißen Schleier. Engel Ernest war verschwunden. Gott sauste suchend umher und stieß sich schließlich die Birne an einer Tür, die in dieser dichten Wolke fast genauso unsichtbar war wie er. Eine Tür! Mitten im Himmel! Das verstieß gegen die Bauvorschriften. Eigentlich existierte nur eine einzige Bauvorschrift, welche besagte, dass man geistige Landschaften erschaffen sollte, jedoch keine Gebäude - es sei denn, im Himmel ist Jahrmarkt. Der Zorn Gottes kam auf diese Tür, die Hand Gottes auf ihre Klinke, und siehe da: Sie öffnete sich. Kein Wunder, denn sie war nicht abgeschlossen.
Gott befand sich in einem leeren dunklen Raum. Er sah eine Wendeltreppe, die nach unten führte, und da der Raum weder Türen noch Fenster hatte, erspare ich mir, zu schreiben, wie Gott die Wendeltreppe hinunter ging.

Gott ging die Wendeltreppe hinunter. Höllisch tief hinunter. Am Fuße der Treppe holte er den beleibten Hemingway ein, der vor einem Portal stand und Einlass begehrte. Ein Schlitz öffnete sich und die stechenden Augen des Marquis de Sade musterten den Autor, der zwar tot aber dennoch recht lebenslustig war: "Das Losungswort?”
"Höllenspass.”
Der Marquis ließ ihn ein und Gott nützte die Gelegenheit, um ebenfalls hindurch zu schlüpfen. Er traute seinen Augen nicht: vor ihm lag eine riesige Spielhölle!
Viele seiner treuesten Engel gaben sich dekadenten Exzessen hin. Hemingway zwängte sich in das Trikot eines Stierkämpfers. Mutter Theresa spielte mit Albert Schweitzer, Lady Di und 3 Päpsten Black Jack. Oscar Wilde hing mit Sokrates, Hegel, Wittgenstein und den Marx-Brothers an der Bar herum. Sie diskutierten Karl Poppers kritischen Rationalismus und ließen sich dabei volllaufen. Franz von Asisi fiel bewusstlos vom Barhocker und riss dabei Mahatma Ghandi mit, der promt 8 bunte Cocktails auf den Basaltboden kotzte. Ein Zerberus kam angerannt und leckte Ghandis Mageninhalt fröhlich auf. Dann schnupperte er misstrauisch, nahm Gottes Witterung auf und verkrümelte sich mit eingeklemmtem Schwanz. Gott mochte gar nicht glauben, was er sah. Striptease, Roulette, erotische Massagen, endlose Perversionen. Ein unbeschreiblicher Sündenpfuhl! (Was Rock Hudson, Peter O’Toole und Freddy Mercury miteinander trieben, will ich nun wirklich nicht beschreiben)

Fassungslos schwebte Gott umher, bis er eine rote Tür erblickte, auf der in goldenen Lettern

Lou Ciffer
Manager
stand. Der Zorn Gottes kam auf diese Tür, die Hand Gottes auf ihre Klinke, und siehe da: Sie öffnete sich nicht. Kein Wunder, denn sie war abgeschlossen und erinnerte ihn daran, dass er sich nicht mehr in seinem Himmelreich befand. Wütend hämmerte er dagegen. "Wer zur Hölle ist da?”, fragte eine Stimme mit seltsamen Akzent.
"ICH BIN ES, DER HERR, DEIN GOTT.”
"Razzia!”, rief die Stimme.
Eine tiefere, von der er wusste, wem sie gehörte, befahl, die Tür zu öffnen. Gott vernahm das satte Klacken eines dicken Riegels. Dann bat ihn ein kleiner Mann mit verschlagenem Gesicht unwillig hinein: "Sie wünschen?”
Gott nahm Gestalt an und sein eisiger Blick traf Lucifer, der in einem ultramodernen Büro saß und ihm neckisch zuzwinkerte: "Was treibt dich denn hierher? Warst du ein böser Junge?”
"SCHERZE NICHT, BEELZEBUB, DU HAST UNSEREN VERTRAG GEBROCHEN!”
Der Teufel hob gelangweilt eine Augenbraue, und befahl seinem Sekretär, den Vertrag zu holen. Der kleine Mann gab einen Befehl in seinen Computer ein (natürlich ein Apple) und druckte den Vertrag aus. Dann reichte er ihn demütig dem Teufel, dessen Zeigeklaue über die Zeilen wanderte, bis er die entscheidende Passage gefunden hatte: "Hier steht nur, dass der Diebstahl von Seelen nicht gestattet ist. Von Seelen, die sich freiwillig in die Hölle begeben lese ich hier nichts.” Er wollte noch einen Witz über die mangelhafte göttliche Vorsehung machen, verkniff ihn sich jedoch im letzten Moment, als er die Blitze in Gottes Augen sah. Er hatte schließlich gerade renoviert.
"DAS IST ABWERBUNG, DU BEHUFTER, DU GEHÖRNTER...”
"Habe ich etwa gesündigt?”, lachte der Teufel, "Eher nicht. Das ist freier Wettbewerb, das Prinzip der Evolution - DEIN Prinzip. Wenn deine Schäfchen bei mir etwas Zerstreuung suchen, ist das nicht mein Fehler. An deiner Stelle würde ich mir Gedanken machen, was ich falsch gemacht habe, und den Fehler nicht bei mir suchen. Dein Dogma ist so fadenscheinig wie deine Schöpfung. Du gabst den Menschen ein Gehirn, aber verbatest ihnen gleichzeitig, vom Baum der Erkenntnis zu naschen. Was soll der Scheiß? Warum stand der Baum der Erkenntnis dann im Garten Eden, wo sonst nicht viel los war? Warum hast du ihn nicht mit der hohen Mauer der Ignoranz umgeben wie so viele andere Dinge? Du gabst dem Mann einen Schwanz und wunderst dich, dass er immer nur bumsen will. Du gabst der Frau einen Mund und wunderst dich, dass sie schwatzhaft ist. Hast du deine Schöpfung überhaupt durchdacht? (Anm.d.Autors: Hatte er, doch es kam alles anders als geplant. Siehe >Genesis interruptus< ) Du glaubst, der Himmel sei attraktiv, bloß weil du nicht jeden reinlässt. Was bist du nur für ein Snob! Wir hier unten hegen keinerlei Vorurteile. Deshalb kommen die meisten auch nach jedem Leben wieder. Einige meinen, wenn die Hölle schon Spass macht, wie toll muss dann erst der Himmel sein? Also führen sie sich ein Leben lang brav auf, du schnappst sie dir und langweilst sie zu Tode. Kaum wiedergeboren, drehen sie dann irgendein krummes Ding, nur um wieder zu mir zu kommen - wie jede Seele, die einmal hier war. Das ist das Gesetz des Marktes; ich besitze das attraktivere Produkt. Unseren Vertrag habe ich genau befolgt. Selbst das gute alte Fegefeuer brennt noch. Du glaubst ja gar nicht, wieviele Masochisten du geschaffen hast...”
"DAS GUTE WIRD OBSIEGEN!”
"Klar doch. Lass uns nicht streiten! Willst du Karten spielen?”
"NEIN:”
"Golf?”
"NEIN!!!”
"Dann schlage ich vor, du überdenkst mal deine Werbestrategie, feuerst deine Marketingabteilung und machst eine schwarze Frau zum Papst. Das zieht. Nur ein gut gemeinter Ratschlag... Adolf, begleite unseren Gast hinaus!”
Sein Sekretär knallte die Hacken zusammen: "Jawohl, mein Führer!”
"ICH FINDE DEN WEG ALLEIN.”
Angewidert löste Gott sich in Luft auf und verschwand gen Himmel.

Er dachte lange über die Worte des Teufels nach, denn dessen Argumente waren zu stichhaltig, um sie einfach so von der Hand zu weisen. Sein moralischer Anspruch wurde der Wirklichkeit in keiner Weise gerecht. Gott beschloss, seine Standards zu senken. Er wies Petrus, seinen Türsteher, an, in Zukunft auch Rechtsanwälte, Gebrauchtwagenhändler, ja sogar Politiker einzulassen. Auch den Himmel würde er interesssanter gestalten. Mehr Konzerte zum Beispiel. Schließlich lungerten hier genug klassische Komponisten herum. Sport würde er die Engel treiben lassen, damit sündige Gedanken des Fleisches gar nicht erst aufkamen. Er nahm sich vor, ein kulturelles Programm anzubieten. Philosophische Lesungen der klügsten Köpfe, Sackhüpfen, Eierlaufen, ein umfangreiches Reformpaket...
Die Engel würden staunen.
Doch als Allererstes musste diese unheilvolle Wendeltreppe beseitigt werden. Ein göttliches Fingerschnippen genügte, und sie war verschwunden. Zur Hölle damit!

Den Teufel kümmerte das nicht. Er hatte schon längst den Bau von Fahrstühlen geplant.

 

Kritik zu 4-6 habe ich mir mal gespart, da ich hier dann wohl eher ein Resumee ziehe.
Diese sieben Geschichten sind echt ein Hammer!
Hab beim Lesen viel Freude gehabt. Die Art, wie Du geschrieben hast und all die kleinen, fiesen Feinheiten, die überall aufleuchten, sind wirklich genial.
Auch angenehm, daß die Geschichten schön kurz sind.
Fazit: Sehr schön und ich würde gerne den Smiley mit Daumen nach oben haben, weiß aber nict, wo er ist. :)

 

Klickst auf "Alle Smilies anzeigen", dann klappts auch mit dem Daumen <IMG SRC="smilies/thumbs.gif" border="0">

 

Coole Story! Zwar nichts wirklich besonderes oder originelles, aber ich habe sie mit Genuss gelesen.
So macht Lesen Spaß!

Lou Ciffer

Na, haben wir da etwa aus einem Film uns bedient, du Schlingel?!? ;)

 

Ich bin selber überzeugter Kiffer und ganz allein drauf gekommen. In welchem Film ist dieser Name aufgetaucht?

 

Die Serie ist klasse !!

Fooooorrrrrrttttseeeeeettttzuuuuung !!!
(ist das auch ein Haupwort? Alpha ? ) :D

 

You! Mein Dad hat mal gesagt, wenn er tot ist, möchte er in die Hölle, weil da die interessanteren Menschen wären! :) Das hast Du ja nun voll und ganz aufgegriffen.
Marquis de Sade, dem wollte ich auch schon immer mal begegnen... :D
hocherfreute Grüße und ein lautes: WEITER SO!!!

chaosqueen <IMG SRC="smilies/king.gif" border="0">

 

ich glaub Rainer spielt auf "Angel Heart" mit Mickey Rourke und Robert de Niro an, da wurd' aber Lou Ciffer anders geschrieben, so weit ich mich erinnern kann.

 

:deal:
Das ist der Vertrag, der dich verpflichtet, die Serie fortzusetzen!
Der ist felsenfest...;)

 

Hallo Alpha O' Droma,

auch dies ist eine herrlich satirische Gottgeschichte, die ich einfach mal wieder hervorhole. Ich habe zwar Zweifel, ob du überhaupt noch auf kg reinschaust, aber das ändert nichts daran, dass deine Geschichten 2012genauso genial gut sind wie bei ihrer Veröffentlichung 2003 und ich mir wünsche, dass potentielle Satireautoren deine Texte lesen.

Der Text steckt voller Ideen und kuriosen Wendungen, witzigen Sprachhighlights und ist ein gelungener Seitenhieb auf die Kirche, die sich mit ihren starren Regeln auf der Kriechspur befindet und miterleben muss, wie jede andere Religion auf der Überholspur davon zieht.

Gute Unterhaltung, eine Satire, die nicht nur spannend ist, sondern obendrein auch noch witzig.

Auch hier bei dieser Geschichte ist mir aufgefallen, dass du keinen einzigen Satz dazwischen hast, der überflüssig wäre. Die Geschichte zieht zügig voran.

Lieben Gruß

lakita

 

Lustig, dass ich nach JAHREN mal wieder reinschaue, prompt, um dir relativ pünktlich zu antworten.

Vielen Dank für die Blumen und lieben Gruß zurück!
Alpha

 

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