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Serie Gottgeschichten - 06: Ein ganz normaler Montag

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Gottgeschichten - 06: Ein ganz normaler Montag

Gott hasste Montage. Er schalt sich einen Dummkopf, dass er mit dem Sonntag aufgehört hatte. Dabei wäre durchaus noch Platz für einen Feiertag, einen Schlaftag und einen Kartenspielabend gewesen - schon des Dezimalsystems wegen. Aber da Gott, wie der aufmerksame Leser weiß, am Sonntag verunglückte, kam es nie dazu. Der Herr hatte in seiner unermesslichen Weisheit sogar einen Bumstag geschaffen, doch der ging in der aramäischen Übersetzung verloren, und seitdem mussten am Dienstag alle arbeiten.

Gott hasste Montage. Ihm stand eine lange, arbeitsreiche Woche bevor, und deshalb erledigte er das Schlimmste immer zuerst: Audienzen.
Sexuell frustrierte Seraphim und sexuell belästigte Engel klagten einander der Intoleranz an. Heiden aus dem Purgatorium beschwerten sich über ungerechte Behandlung und Getränkeknappheit. Heilige, die auf eine Beförderung aus waren, versuchten, in Seinen göttlichen Arsch zu kriechen und so weiter und so fort.
Am Ende der Schlange stand eine schöne junge Frau mit gesenktem Kopf. Sie wartete geduldig, bis sie an der Reihe war, und trat dann schüchtern vor: "O Herr, bitte helft mir! Ich gehöre nicht hier her.”
"WIE IST DEIN NAME, MEIN KIND?”
"Maria Magdalena Arancha de Luiz.”
"MARIA, MEINE TOCHTER, ES IST NICHT EINFACH, SICH MIT DEM TOD ABZUFINDEN, DOCH SCHON NACH EINIGEN LEBEN...”
"Ich gehöre nicht hier her!”, erwiderte sie trotzig und mit einer Bestimmtheit, die Gott zweifeln ließ.
Er grübelte: "PLAGEN DICH SCHULDGEFÜHLE? HÄLTST DU DEINE SÜNDEN FÜR SCHWERWIEGENDER ALS SIE SIND? DIR IST VERGEBEN, MEIN KIND, DU MUSST NICHT IN DIE HÖLLE.”
"Ich gehöre nicht hier her. Dio mio!!!”, sie wurde sauer, weil der Herr, ihr Gott, offensichtlich nicht nur nicht allwissend, sondern auch noch schwer von Begriff war, "Ich bin nämlich noch gar nicht tot. Habt ihr keine Liste oder so was?”
Mächtige Augenbrauen zuckten himmelwärts (wohin sonst?) und Sein Antlitz verfinsterte sich: "TELEMACHUS, BRING MIR DIE UNTERLAGEN!”
Der angesprochene Erzengel schwebte davon und kam nach einer Weile mit einem turmhohen Stapel speckiger Faltordner zurück: "Geburtsdatum?”
"14.2.1982.”, antwortete die verlorene Seele.
Er durchforstete seine Akten, bis nur noch 2 übrig blieben: "Sao Paulo, Brasilien oder Sevilla, Spanien?”
"Sao Paulo”
Gott rollte genervt mit den Augen. Er hatte schon längst auf Computer umstellen wollen, doch die Erzengel beharrten darauf, das alte System hätte sich seit Jahrtausenden bewährt (es hielt sich hartnäckig das Gerücht, Computer seien das Werk von Luzifer). Telemachus nickte ob dieses Gedankens und präsentierte Ihm stolz den Ordner.
Gott besah sich die Aktenlage, schüttelte mit dem Kopf und stöhnte: "DAS PASSIERT IN LETZTER ZEIT IMMER HÄUFIGER. SAUEREI!”
"Gotteslästerung!”, schleimte der Erzengel.

Der Herr schnippte mit dem Finger und Marias Seele war verschwunden.

Seit es in Mode gekommen war, Schwerverletzte zur besseren Heilung ins künstliche Koma zu versetzen, kam noch mehr Arbeit auf Ihn zu. Gott hasste Montage.

Auf einer Intensivstation in Sao Paulo öffnete Maria Magdalena Arancha de Luiz zittrig ihre braunen Augen. Was für ein merkwürdiger Traum!

 

Gefällt mir vielleicht noch besser als der "Rest", weil hier die Ralität mit aufs Korn genommen wird.
Ansonsten weiderhole ich mich.

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Zustimm. Bei Hole in One muss es wohl mit dem Teufel zugegangen sein...

 

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