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Gott segne unsere Fluren

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23.08.2013
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Gott segne unsere Fluren

Stefan S. steht vor einem Kreuz am Wegesrand auf dem schwäbischen Land, mit dem leidenden Jesus vor Augen und der Justizvollzugsanstalt Kaisheim im Rücken.
Über dem Kreuz prangt die Inschrift „Gott segne unsere Fluren.“ Die Lettern sind altertümlich geschwungen, den oberen Balken des „F“ hat ein Spaßvogel mit einem Filzstift übermalt.
Der Himmel über Stefan S. ist so blau wie nirgendwo sonst auf der Welt. Er legt sich sanft und unendlich über die Mauern des ehemaligen Klosters, hinter denen auch heute sechshundert Menschen tagein tagaus in Zucht und Genügsamkeit leben.
Der Bus, der Stefan S. zu Jesus brachte, ist längst um die Kurve verschwunden, aber der Ankömmling bewegt sich nicht. Er fragt sich, ob er nachschauen sollte, wann die Rückfahrt ist. Er denkt, dass der Fahrplan sich in den nächsten drei Jahren nicht verändern wird, nicht hier auf dem Land.
Der nächste Bus fährt um 17:30 – in drei Stunden. Stefan S. erinnert sich an die Zeit, er hat sie schon zuhause ausgerechnet, mehrmals, daher weiß Stefan S., in 1095 Tagen und nun auch noch drei Stunden wird er wieder über die gesegneten Fluren schaukeln.
Stefan S. dreht sich um, überquert die nachmittaglich leere Straße und drückt auf die Klingel.

Während die Staatsanwaltschaft ermittelte, und noch einige Wochen nach dem Urteil beließ man Stefan S. die Freiheit. Eine Untersuchungshaft sei nicht nötig, argumentierte sein Anwalt; es bestehe keine Fluchtgefahr, es gebe nichts zu verdunkeln, sein Mandant habe sich geständig gezeigt. Der Schweregrad des Verbrechens lasse diese Entscheidung zu. Gerade noch.
Der Haftrichter sprach lange mit Stefan S. Man wünsche ihm nichts Böses, murmelte er väterlich in seinen Bart, es sei aber wichtig, die Gesellschaft vor Gefahren zu schützen.
Was wolle man mit ihm machen? Mit einem Menschen ohne feste soziale Bindungen, ohne eine regelmäßige Arbeit, im Raum stehe eine nicht geringe Strafe – das wüsste Stefan S. Dürfe man einen solchen Menschen vorläufig in Freiheit belassen?
Ein solcher Mensch sagte, man könnte es versuchen.
„Junger Mann“, klappte der Richter die Akte zu und rückte seine Brille hinunter bis an die Nasenspitze, „werden Sie sich benehmen?“
„Ja, Herr Richter“, sagte Stefan S., „ich werde so etwas im Leben nie wieder tun.“

Ein leiser Klick schleicht sich in die Türspalte, Stefan S. drückt gegen das Tor und betritt den Wandelgang. Die Decke ist mindestens fünf Meter hoch, und durch die langen Fenster im oberen Teil der Mauer blendet und streichelt die Frühlingssonne den Ankömmling.
Hinter tadellos sauberem Panzerglas sitzt ein Mann vor Überwachungsmonitoren und lächelt amtlich. Stefan S. schiebt die Ladung zum Haftantritt in die Durchreiche, der Beamte überfliegt sie, und ruft aus dem Inneren einen anderen Wärter. Gelächelt wird nicht mehr. Jetzt muss Stefan S. für 1095 Tage hinein.
Der Flur ist lang und breit, und die Schritte der beiden Männer hallen so laut, dass nur noch das Echo zu hören ist. Das Linoleum auf dem Boden liegt stramm, es glänzt, seine Sauberkeit ist mühsam erschrubbt und knallt Stefan S. mit ihrer Makellosigkeit entgegen.

„Wenn es um einen herum sauber ist, dann lässt sich auch im Inneren besser Ordnung schaffen“, sagte Esther häufig zu Stefan S. Irgendwann verbot sie sich, in der Küche zu kochen. Man könnte ja draußen essen, es gäbe keinen Grund, jeden Tag alles vollzusauen. Sie kaufte auch besondere Schuhe für den Balkon, und wurde schrecklich wütend, wenn jemand seine Tasse neben dem Untersetzer abstellte.
Die Bettwäsche wechselte sie jeden Tag, obwohl Stefan S. nie bei ihr übernachten durfte. Sie möchte das nicht, sagte Esther bedrückt, als er sie bat, bei ihr bleiben zu dürfen; er wüsste doch, sie könne neben einem Mann nicht einschlafen.
Klar, das verstand Stefan S., wie denn auch nicht. Er würde es ihr natürlich nicht vorwerfen.
„Sehnsucht und Angst gehen häufig Hand in Hand“, sagte Esther Stefan S. einmal. Diesen Spruch schrieb sie aus einem Horoskop heraus. Nicht zu ihrem Sternzeichen. Zu Steinbock stünden nur deprimierende Sachen drin, beschwerte sie sich, man rate ihr immer, sie solle sich lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Deswegen lese sie lieber, was in fremden Sternen stehe. Löwe gefalle ihr am besten. Wegen der Selbstliebe, meinte Esther. Da könne sich jeder ein Stück von abschneiden.

Stefan S. begegnete Esther im Mai vor zwei Jahren an einem lauen Nachmittag. Die Luft war rauchig und so erfüllt von dem Duft des Flieders, dass sie nicht in die Brust passen wollte.
Erst vor einigen Tagen beendete Stefan S. die Restauration von dem Mercedes seines Vaters. Zum Schluss lackierte er den Wagen in mattem Schwarz und polierte die sternenförmigen Felgen so gründlich, dass sie glänzten wie Omas Silberbesteck.
Von der frischen Luft angeheitert, stellte Stefan S. sich vor, einfach durchzufahren, die Alpen zu überqueren und erst vom Gas zu gehen, wenn der Strand von Rimini vor ihm liegt, doch die Tankanzeige in Vatis altem Juwel begann zu leuchten.
Stefan S. fand es erstaunlich, eine so schöne, so vollkommene Frau wie Esther, an einer Raststätte zwischen Tanksäulen und wuselnden Autos zu sehen. Sie stand da wie ein strenger Engel in hohen Stiefeln, die Haare zu einem festen Zopf geflochten, mit einem funkelnden Lächeln im Gesicht. Niemals würde Stefan S. sich trauen, eine so besondere Person anzusprechen, aber Esther zögerte nicht, und lächelte ihm zu.
„Kann ich was für dich tun, mein Lieber?“, legte sie ihre langen Finger auf Stefan S. Arm, mit dem er den Zapfhahn festhielt. Sie könnte Vieles für ihn tun, dachte Stefan S., ihn glücklich machen zum Beispiel, aber das konnte er ihr natürlich nicht verraten.
„Wie meinst du das jetzt?“, fragte er heiser, und Esthers grüne Augen glänzten ihn ungläubig an.
„Das ist ja süß“, kicherte sie. Dann runzelte sie die Stirn, rückte näher an Stefan S. heran, dass er den Frühling auf ihrem Hals einatmen konnte, und sagte: „Ach mein Lieber, das ist ganz einfach, ich nehme nur hundert Euro für eine halbe Stunde.“ Sie zögerte noch einen Augenblick, befürchtete wohl, sich nicht deutlich genug auszudrücken, und fügte hinzu: „Für Sex.“
Stefan S. sah sie an, wie sie vor ihm stand, ihn, die Arme in die Hüften gestemmt, mit allem was es an ihr gab, herausforderte, und sagte zu ihr: „Hast du vielleicht Lust, einfach so eine Runde mit mir zu fahren? Ohne Sex?“
Für eine Weile musterte sie ihn misstrauisch und sagte: „Wenn du mir die hundert Euro trotzdem gibst ….“
Stefan S. nickte bloß, und Esther stieg in den Wagen.

Bevor der Neuankömmling in den Zellenblock geführt wird, nimmt man seine Anziehsachen in Verwahrung, und händigt ihm die Anstaltskleidung aus. Sie ist frisch, blau und luftig. Stefan S. fühlt sich wohl darin. Er nimmt den Beutel mit den Gegenständen des persönlichen Gebrauchs unter den Arm; er hat einen CD-Spieler eingepackt, zwei Bleistifte, Briefpapier, Briefmarken und Briefumschläge, Zahnpaste, Zahnbürste, Duschgel und Shampoo. Das Deodorant nehmen sie ihm ab – Sprays seien nicht gestattet. Außerdem nimmt Stefan S. noch eine Tafel Bitterschokolade für sich mit und eine Packung blauen „Drum“ zum Tauschen. Diese Dinge stehen auf der Liste, die man ihm zusammen mit der Ladung zum Strafantritt zuschickte.
Nach Unterzeichnung des Protokolls über die Verwahrung führt ein Wärter Stefan S. durch den Zellenflur. Die Männer schweigen. Entlang des Ganges reihen sich schwere, frisch lackierte Türen aneinander. Die Löcher der Spione sind dunkel. Manchmal klopft es irgendwo von innen gegen das Metall, ansonsten verschlingt auch hier das Echo der Schritte jedes andere Geräusch.
Am Ende des Ganges ist eine weitere Tür. Die Männer passieren sie und Stefan S. hört, wie das Metall hinter ihnen dumpf und gewichtig ins Schloss fällt. Je tiefer die Männer in den Bauch des alten Klosters eindringen, umso enger wird es in Stefan S. Brust.
Er fragt sich, ob Gott noch hier sei, ob er diese Fluren auch gesegnet habe, und wie lange die 1095 Tage in diesen Mauern tatsächlich werden.
„Schlafen Sie nicht ein“, hört Stefan S. die Aufforderung des Beamten: „Legen Sie einen Zahn zu.“
Der Wärter ist unzufrieden, aber er weiß nicht, dass der Neuankömmling schon immer gerne geschlendert ist. Wenn jemand daran Schuld trägt, dann ist es sein Vater.
Jeden Abend nahm er seinen Jungen auf einen Spaziergang durch den Park. Während S. junior die Vogelbeeren von den Bäumen am Wegesrand abriss und sie vor sich hinwarf, erzählte S. senior ihm, wie man mit einem Frontspoiler die Auftriebskräfte an der Vorderachse absenken kann, oder wie bei McPherson-Federbeinen zusätzliche Querkräfte auf die Kolbenstange wirken. Er gestikulierte dabei viel mit den Armen, und bewegte nur langsam die Beine, einen Fuß vor den anderen.
Esther war da anders. Sie stöckelte schnell, manchmal bis zur Boshaftigkeit, immer mit einem Ziel vor Augen, und nie zum Vergnügen. Sie könnte mit diesem Rumgeeier nichts anfangen, sagte sie scharf, während sie S. durch die Fußgängerzone hinter sich herzog.

Am nächsten Tag nach der Begegnung auf der Raststätte lud Stefan S. sie ein, mit ihm spazieren zu gehen. Sie sah ihn skeptisch an, und fragte: „Wozu?“
Es ist das erste Mal, dass S. sich diese Frage stellte, also lachte er nur laut auf und sagte: „Einfach so?“
Esther dachte einen Moment nach, drehte dabei ihre luftigen Haare um den Finger, und sagte: „Dann fahren wir aber in die Stadt.“
Stefan S. freute sich, neben einem so schönen Mädchen zu gehen, einem Mädchen, dass fünfzehn Jahre jünger war als er, und sich heiter bei ihm einhakte. Wenn man Stefan S. gefragt hätte, wann so etwas zum letzten Mal passiert war, müsste er sagen, es habe kein letztes Mal gegeben.
Esther blieb vor einem Schaufenster stehen, in dem ein grünes Kleid glitzerte, und Stefan S. schlug vor, man könnte es ja mal anprobieren. Als sie aus der Kabine trat, und die Verkäuferin ihr versicherte, das Kleid sei total schön, aber man könnte dazu unmöglich diese Stiefel tragen, runzelte Esther die Stirn, und verschwand wortlos hinter dem Vorhang.
Wieder draußen zischte sie: „Diese Bitch denkt, ich bin ein billiges Flittchen, das habe ich sofort in ihren falschen Glubschern gesehen.“
Stefan S. schaute sie an – so etwas könne unmöglich ein Mensch denken – aber Esther ließ ihn gar nicht den Mund öffnen.
„Was glotzt du denn so?!“, fuhr sie Stefan S. an, „ich bin doch keine Nutte! Ich bin ein Champagnermädchen, das ist ein riesiger Unterschied! Ich habe bloß keinen Bock, etwas anderes zu machen, aber im Kopf habe ich tausendmal mehr als diese Kleiderständerhexe. Glaub ja nicht, weil du mich auf einer Raststätte aufgegabelt hast, ich wäre eine Straßenhure. Nur hat mich so ein blöder Wichser einfach so dort ausgesetzt, da kann ich doch nichts für.“
Stefan S. entschuldigte sich bei Esther, und kaufte ihr in einer kleineren Boutique ein noch kleineres Kleid. Es war auch grün, und es war auch total schön, aber diesmal hatte die Verkäuferin keine Meinung zu Esthers Stiefeln.
Abends fuhr Stefan S. Esther nach Hause. Bevor sie ausstieg, fragte sie ihn: „Kannst du mir hundert Euro geben?“
Stefan S. zögerte für einen Moment und fragte: „Ich weiß nicht Esther. Warum eigentlich?“
Esther zuckte mit den Achseln: „Na für den heutigen Tag. Von irgendwas muss ich ja leben.“
Er gab ihr das Geld, und fuhr nach Hause. Er meinte, so sei es besser.
Auf dem Rückweg im Auto hörte Stefan S. Andrea Berg. Als er auf die Landstraße abbog, tönte „Du hast mich tausendmal belogen“ aus den Lautsprechern. Stefan S. kurbelte das Fenster runter, ließ die nächtliche Luft sein Gesicht durchpeitschen und sang mit:

Du brauchst das Gefühl frei zu sein
Niemand, sagst du, fängt dich ein
Doch es war total Liebe pur
Manchmal frag ich mich
Warum Du?

Esther lachte über ihn, weil er diese langweilige alte Ziege mochte. Sie hörte am liebsten Sven Väth. Darauf könnte man tanzen, sagte sie, und nur sich selbst dabei lieben. Er versuchte es einmal auch, fühlte sich aber beklommen.
Stefan S. nahm eine CD mit den größten Hits von Andrea nach Kaisheim mit.

Sein Zellennachbar heißt Enzo. Er ist ein dürrer Italiener mit Pferdeschwanz und flüchtenden Augen. Seine Wangen sind nicht gründlich rasiert und er hört nicht auf, mit einem Rosenkranz zu spielen. Er weiß schon, warum Stefan S. hier ist, im Gefängnis tratsche man mehr als beim Friseur, feixt er, es gebe ja sonst nicht viel zu reden. Woher man das alles wisse? Man wisse es halt.
Stefan S. fragt Enzo, weswegen er sitze. Der Italiener runzelt die Stirn, es sei nicht ganz höflich, so direkt zu fragen, aber das könne man beim ersten Mal nicht wissen.
Enzo redet viel. Er erzählt von seiner Gesamtstrafe, von den unzähligen Brüchen, die er durchzog. Am Ende wollte er eine Tanke machen, mit einer Gas, aber hatte Pech, dass die Bullen so spät noch einen Kaffee trinken wollten.
Sein Anwalt sei ein Arschloch, erzählt Enzo. Nachdem er selbst blank, und die Oma auch gerupft war, schrieb der Kerl nicht mehr als eine Zeile. So seien diese Wichser alle.
Stefan S. zweifelt daran. Er bezahlte viel Geld für seinen Anwalt. Nachdem das Konto leergeräumt und der Bausparvertrag aufgelöst war, musste er Vaters Mercedes verkaufen. Es sei besser so, als einen Pflichtverteidiger zu nehmen, erklärte man ihm.
Stefan S. hat keine Oma, die gerupft werden kann, auch keine Mutter, schon seit seiner Geburt nicht mehr, und von dem Vater nur noch den Mercedes.
Als er Esther von Vaters Unfall erzählte, davon, wie dieser im Sommer was dazu verdienen wollte, und von einem Gerüst fünf Stockwerke in die Tiefe stürzte, und es, weil er einen Helm trug, noch drei Tage überlebte, sagte sie: „Es tut mir leid Stefan, aber man muss im Leben lernen, auch alleine klarzukommen.“
Was mit ihren Eltern denn wäre, fragte Stefan S. und Esther antwortete: „Das juckt mich nicht. Sollen die in ihrem Hinterposemuckel ersticken.“

Enzo fragt, was Stefan S. arbeiten könne. Stefan S. möchte am liebsten in eine Werkstatt, irgendwas mit Autos machen, da habe er viel Erfahrung, gerade was die Restauration betrifft. Früher habe ihm der Chef die kniffligsten Aufgaben anvertraut. Von Karosserien könne ihm keiner was erzählen.
Ja, das würde er gerne wieder machen.
„Ich bin zwar seit einem Jahr ein wenig aus der Übung“, lächelt Stefan S. noch verlegen, auf der Arbeit habe es damals Schwierigkeiten gegeben wegen einiger verschwundener Ersatzteile, nuschelt er, „aber ich biege das Blech schon seit fünfundzwanzig Jahren“, fügt er schnell hinzu und hebt sein Kinn. „Mit zwölf hat mich mein alter Herr die ersten Luftschlitze in einen Kotflügel fräsen lassen“, Stefan S. lehnt sich mit dem Kopf an die Mauer; das verlerne man nicht.
Enzo meint, eine Autowerkstatt gebe es in Kaisheim schon, aber da wolle natürlich jeder hin. Ob man einen so großen Meister ohne Wartezeit dort zuweisen wolle, könne er nicht sagen, aber es ließe sich jedenfalls mit dem Leiter sprechen.
„Ansonsten kommst du halt zu uns in die Schlosserei“, sagt der Italiener mit einem Augenzwinkern, „was wir hier für Gartenzäune raushauen“, erzählt er, „die kannst du gleich bei Obi reinstellen, wird kein Arsch den Unterschied merken.“
Stefan S. sagt, er würde sich über jede Arbeit freuen, er wolle die 1095 Tage nicht in der Zelle versauern.
„Du kannst dich hier erstmal an mich halten“, sagt Enzo abends, als das Licht aus ist, und die Männer in ihrem Hochbett liegen. Der Italiener stützt sich mit dem Ellenbogen auf und flüstert: „Wenn du zum Beispiel gutes Zeug haben willst“, seine Stimme wird heiser, „nicht so ein ausgekotztes Methadon, sondern gutes Braunes – da kann ich dir helfen.“

Bevor Stefan S. Esther begegnete, wusste er über Heroin nur aus dem Fernsehen. Als Vater noch lebte, sagte dieser: „Drogen sind Mist.“ Ein Fläschchen Gerstensaft zischen, das gehe in Ordnung, auch einen Obstler zu Ehren könne man keinem verwehren, aber der Rest, der sei für Bahnhofsjunkies, da brauche ihm niemand was zu erzählen.
Esthers Eltern, erinnerte sie sich, hätten ihr das Gleiche gesagt. Hätten auf ihrem miefigen Sofa gesessen, die rechtschaffenen Hände geknetet, und gejammert: „Ach liebes Töchterchen, halte dich fern von dem Gift.“ Da gebe es nur Ärger mit, habe man dem Töchterchen versichert, und das koste doch auch Unmengen von Geld, wie sie das denn heranschaffen wolle.
„Das Theater habe ich nicht lange mitgemacht“, sagte Esther und fixierte Stefan S. mit glasigen Augen: „Habe meinen Koffer gepackt, und bin fort nach Augsburg. Da können die mal sehen.“
Esther sprach nicht viel über Heroin. Sie sagte nur: „Wenn du es in deinem Kopf hast, ist es scheißegal, ob du dich selbst liebst, oder nicht. Dann wird alles unwichtig. Du brauchst nicht irgendjemand zu sein, sondern kannst einfach sein.“
Außerdem würde die Nase so angenehm jucken, als hätte man sie gerade gekratzt.
Das erste Mal, als sie miteinander schliefen, juckte Esthers Nase wieder. Ihre Glieder waren schlaff, und während sie müde ihre Arme auf Stefan S. Schultern stützte, legte sie den Kopf zur Seite und schloss die Augen. Stefan S. versank in der Zärtlichkeit ihres Körpers, er schwitzte, der Geruch ihrer weichen Haut war so intensiv, dass er vor Aufregung anfing zu schielen. Als Esther die Augen öffnete, und es sah, begann sie zu lachen. Stefan S. schämte sich und starrte auf das Kissen. Da ärgerte er sich zum ersten Mal, dass er so wenig Erfahrung mit Frauen hatte.
Er spritzte trotzdem ab, weil ihn Esthers Wärme wahnsinnig machte, fühlte aber gleichzeitig, dass die Frau in seinen Armen sich vor ihm ekelte. Als Stefan S. sich erschlafft auf Esther legen wollte, gab sie ihm einen leichten Stoß, kroch unter seinem Körper hervor, und sagte hämisch: “Jetzt wurde ich aber richtig bedient.“
Für einen Moment blieb sie still im Bett liegen, und Stefan S. genoss es zu hören, wie sie atmete. Danach ging Esther duschen. Er fragte sie, ob er mitdürfe, aber Esther sagte, sie bräuchte Zeit für sich.

Die Duschen in Kaisheim haben einen festen Strahl und treiben Stefan S. die letzten Reste des fiebrigen Schlafs mit dem ersten Aufprall des Wassers aus den Augen. Enzo steht neben ihm und warnt: „Pass gut auf die Schwuchtels auf, davon gibt es hier auch ein paar. Wenn dir einer blöd auf den Schwanz oder auf deinen Fettarsch schaut, musst du den Hurensohn direkt fragen, ob er ein Scheiß-Problem hat, sonst werden sie zutraulich.“
Stefan S. dankt für die Warnung und erinnert sich an seinen Vater, wie er sagt: „Ach, sollen die Kerle ihre Pimmel doch reinstecken, wohin sie wollen, solang die das bei sich zuhause machen, kann es mir doch wurscht sein.“

Da Stefan S. noch keiner Werkstatt zugeteilt ist, bleibt er in der Zelle, während Enzo wieder Gartenzäune biegt, die man bei Obi verkaufen könnte.
Neben dem Hochbett steht in der Ecke ein kleiner Tisch aus Spanplatte. Unter ihn ist ein hellbrauner Stuhl geschoben. Auf den beiden Türen des Kleiderschranks hat der Italiener Bilder aufgehängt; ein rechteckiges von Megan Fox und ein quadratisches von einem schwarzen Maserati. Die Keramik des Waschbeckens ist an vielen Stellen abgeschlagen, die Toilette versteckt sich hinter einem verschlissenen Vorhang. Die Sonne drängt sich durch das große Fenster und erfüllt den Haftraum mit sanftem Licht.
Stefan S. durchmisst die Zelle, versucht ein Gefühl für die Enge zu bekommen, zählt die Schritte. Es sind fünf Schritte längs und zwei quer. Stefan S. rechnet aus, dass er pro Sekunde einen Schritt machen kann, also 3600 Schritte die Stunde. Er stellt sich vor, diese Strecke zu spazieren, langsam zu schlendern, so wie früher mit seinem Vater im Park. Er weiß, Esther würde niemals mitkommen.

Esther wollte lieber in die Stadt fahren. Sie mochte kleine grüne Kleider. Esther wollte beim Franzosen essen, beim Italiener auch, manchmal hatte sie Lust auf Sushi. Esther musste ihre Miete zahlen, Miete für ihre saubere Wohnung, in der Stefan S. nicht übernachten durfte. Auch Braunes, das ihre Nase so angenehm zum Jucken brachte, und das alles unwichtig machte – Braunes bekam auch Esther nicht umsonst.
Sie saßen im Kerzenlicht beim Italiener, und Esther erzählte gerade davon, wie gut ihr der Saltimbocca schmeckt, als Stefan S. sagte: „Ich fände es besser, wenn du dich nicht mehr mit anderen Männern treffen würdest. Das brauchst du nicht mehr.“
Esther spielte für einen Moment mit dem Licht im Glas, nippte von dem Montepulciano und lachte: „Wie soll ich das anstellen, mein Lieber, du bist hier der Mann mit dem Job, ich habe nicht vor, beim Arbeitsamt betteln zu gehen.“
„Ich mache das schon“, antwortete Stefan S. und senkte seine Augen. „Wir machen das schon“, nuschelte er noch hinterher, aber Esther hörte ihn nicht mehr.
Diese Nacht schliefen sie zum zweiten Mal miteinander. Da das Licht aus war, hatte Stefan S. keine Angst, vor Vergnügen zu schielen. Als er fertig war, und wieder zaghaft versuchte, sich auf Esther zu legen, umarmte sie seinen Hals und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich mag dich.“

Abends erzählte Enzo Stefan S., das Schlimmste am Gefängnis sei, es gebe hier keine Frauen. „Kein Ficken, Mann!“, der Italiener lehnt sich an das Hochbett und knackt mit den Fingern, „du kannst hier bloß den Jürgen würgen, bis du Hornhaut auf den Händen bekommst, oder dich eben mit den Schwuchtels abgeben. Ist auch scheiße hier in Kaisheim“, fügt er noch hinzu und spuckt in das Waschbecken, „in Landsberg zum Beispiel, da haben die einen Begegnungsraum, wo du deine Alte eine ganze Stunde lang durchnudeln kannst. Wenn du eine hast, versteht sich. Mit Warteliste natürlich, aber immer noch besser, als jahrelang ohne eine Muschi. Hier hast du im Begegnungsraum nur die Bambini herumlaufen, aber davon jede Menge. Wirst du schon noch sehen.
Und wenn du Therapie machst, in Ansbach zum Beispiel, auf der Geschlossenen, da bist du mit den ganzen Fotzen untergebracht. Ich schwöre es dir. Da kenne ich einen, der hat mir erzählt, alle würden dort rammeln, wie die Karnickel. Und danach wird geheiratet.“
Stefan S. schweigt. Das Ficken wird ihm nicht fehlen. Aber er weiß, er wird Esthers Nähe vermissen.
Diese Nähe, die ihn so verrückt machte, ihn so stark berauschte, dass er das ganze Gelächter auf sich nahm. Gelächter wegen Andrea Berg, wegen den Sonntagmorgen an denen er seinen Mercedes polierte, wegen der langen Spaziergänge, die er immer unternehmen wollte, und weil er beim Sex schielte.
Enzo setzt sich zu Stefan S. aufs Bett, stößt ihm den Ellenbogen in die Rippen, und sagt: „Und wir? Keine Therapie, kein gar nichts. Sitzen bloß da, und lutschen am Daumen. Porca miseria!“

Nachdem Stefan S. das erste Mal die Tür von Esthers Wohnung aufbrechen musste, und sie auf dem Boden bewusstlos und mit Schaum vorm Mund fand, beschlossen die beiden, Esther müsse einen Entzug machen.
Stefan S. fuhr sie nach Furth in die Waldklinik. Im Auto sagten sie kein Wort. Esther wollte auch keine Musik hören, nicht einmal Sven Väth. Sie schaute mit leeren Augen aus dem Fenster, kaute ihre Nägel und stemmte die nackten Füße gegen das Handschuhfach.
Stefan S. wollte sie streicheln, berührte mit den Fingerspitzen Esthers Knie, doch das Mädchen schlug seine Hand weg und schnaufte.
Oktober stand vor dem Fenster, aber die Luft war so mild und die Blätter so grün, dass Stefan S. sich daran erinnerte, wie Esther vor vier Monaten an der Raststätte in sein Auto gestiegen war. Sie war so luftig und jung, und roch so wahnsinnig stark nach Frühling, dass er dachte, neben ihm sitze die Zukunft.
Als sie in der Klinik ankamen, gab Esther Stefan S. einen schnellen Kuss auf die Wange und sagte: „Ab hier gehe ich lieber alleine.“
Er schaute sie verlegen an, bat mit dem Blick, sie solle sich begleiten lassen, aber Esther sagte nur: „Ich möchte das so“, und stieg aus dem Wagen.
Sie stöckelte durch den Garten zwischen den Krokussen und Heckenkirschen, boshaft, das Ziel vor Augen und ohne Vergnügen. Auf der Veranda blieb sie für einen Moment stehen mit der offenen Tür in der Hand, dann schüttelte sie leicht mit dem Kopf und verschwand in dem blütenweißen Gebäude, ohne sich umzudrehen.

Am dritten Tag nach seiner Ankunft in Kaisheim, entscheidet sich Stefan S., Esther einen Brief zu schreiben. Er weiß, er wird furchtbar viele Fehler machen, Grammatik und Schule waren nie seine Stärke. Stefan S. schämt sich ein wenig, als er auf dem viel zu kleinen Stuhl Platz nimmt und die ersten Buchstaben aufs Papier kritzelt. Mit seinem ganzen Körper verdeckt er das Blatt vor Enzo, der auf dem Bett Musik hört und mit seinem Rosenkranz spielt.
Stefan S. schreibt Esther, dass er sich erinnert, wie er sie aus Furth abholte. Dass er sich sicher sei, an diesem Tag habe ihr Unglück angefangen.

Sechs Wochen nachdem Esther die Tür des blütenweißen Hauses hinter sich geschlossen hatte, stand der schwarze Mercedes mit den glänzenden Sternfelgen auf dem Parkplatz der Waldklinik. Esther wartete schon im Garten. Sie hatten während der Entzugszeit keinen Kontakt, und Stefan S. sah, dass neben seinem Mädchen ein junger Mann stand.
„Können wir Karsten bitte nach Augsburg mitnehmen?“, fragte Esther Stefan S., nachdem sie ihm einen langen Kuss auf den Mund gab.
„Ja, natürlich, gar kein Problem“, antwortete er und half Esther ihr Gepäck im Kofferraum zu verstauen.
Es war schon spät im November, als der schwarze Mercedes über die schwäbischen Fluren glitt. Auf die müden Felder hinter dem Fenster fiel ein schiefer Regen. Der Wind jaulte traurig und schmiss sich gegen die Motorhaube. Esther wollte Cafe del Mar hören und nach draußen schauen. Sie legte ihre Hand auf Stefan S. Schoß.
Als sie sich der Stadt näherten, drehte sich Esther zu ihm, stützte sich mit den Armen leicht auf seinen Oberschenkel, und fragte: „Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn Karsten für die erste Zeit bei mir bleibt. Er hat im Moment nichts anderes, und ich möchte nicht, dass er auf der Straße schläft.“
Aber das gehe doch nicht, murmelte Stefan S. und drückte fester aufs Gas.
Esther sah, wie er seine Lippen fester zusammenkniff und lächelte ihm zu: „Mach dir doch keine Sorgen. Er ist ein guter Freund.“

Stefan S. schreibt sich seinen Wut von der Seele, er schwitzt auf das Blatt, streicht Wörter durch, ganze Sätze. Er habe nie bei ihr übernachten dürfen, und dieser Karsten zieht bei ihr ein!
Er faltet den Brief in einen Umschlag, klebt ihn zu, und schreibt in fester Druckschrift Esthers Adresse drauf.
Es ist immer noch die gleiche Adresse wie damals. Stefan S. stellt sich vor, wie Esther das Kuvert morgens aus dem Briefkasten holt. Er hofft, dass es ihr leid tut, wenn sie seine Worte liest. Bei dem nächsten Aufschluss übergibt er dem Beamten den Umschlag.
Stefan S. erinnert sich an seinen letzten Morgen in Esthers Haus. Den gleichen Morgen, an dem Stefan S. gekündigt wurde, weil Ersatzteile aus der Werkstatt in dem Kofferraum seines Mercedes lagen.
Der Franzose, die grünen Kleider, Esthers Wohnung und Braunes seien teuer, sagt Stefan S. Enzo am nächsten Abend.
„Mein Leben lang war ich ein Pfennigfuchser“, erzählt er dem Italiener, nachdem das Licht ausgeht, „aber in den sieben Monaten, in denen Esther meine Freundin war, habe ich vierzig Tausend Euro ausgegeben. Ich verstehe nicht, wie das möglich war.“

Nachdem sein Chef ihm die Werkstattschlüssel abnahm und sagte, er wolle zunächst auf eine Anzeige verzichten, fuhr Stefan S. zu Esther. Er schämte sich wegen des Vorfalls, die letzten siebzehn Jahre arbeitete er in der Werkstatt, verließ kaum ihre Räume – zum Schluss klopfte ihm ein Kollege auf die Schulter und sagte: „Mensch, was machst du bloß für Sachen wegen dieser kleinen Nutte.“
Darauf flüsterte er nur: „Sie ist keine Nutte, sie ist ein Champagnermädchen.“
Stefan S. musste sturmklingeln, bis Esther ihm aufmachte. Sie stand vor ihm, barfuß, mit zerzausten Haaren, in einem flauschigen Bademantel, den er ihr in einer Therme kaufte. Ihre Nase juckte wieder, und sie sagte: Stefan, du kannst nicht rein, Karsten geht’s grade richtig scheiße.“
Stefan S. lehnte sich an den Türrahmen, er griff nach Esthers Händen, sagte, das ginge doch so nicht, das wäre doch so nicht in Ordnung, er müsste sich unbedingt mit ihr unterhalten, alles wäre heute den Bach runtergegangen.
Esther zog die feinen Striche ihrer Augenbrauen hoch und trat in das Treppenhaus. Während sie auf den kalten Stufen saßen, kippte Stefan S. ihr seinen ganzen Kummer vor die Füße.
Er rang seine schwieligen Hände, wusste nicht, wohin er mit diesen Pranken sollte, die jetzt ohne eine Beschäftigung tagelang von seinen Seiten hinunter hängen würden. Er sagte: „Riesenkacke, Esther, eine Riesenkacke ist uns passiert. Wie soll es jetzt bloß weitergehen!“
Er rückte ihr näher, umarmte sie, roch an ihrem Hals, atmete tief ihren Geruch ein, den Frühling, der ihn heute, genauso wie damals auf der Raststätte um den Verstand brachte.
Esther wartete und schwieg. Dann sagte sie: „Das ist scheiße, Stefan, du musst jetzt eben einen neuen Job suchen. Du weißt, jeder muss im Leben lernen, alleine klarzukommen.“
Er schaute ihr verloren in die Augen, fing an, ihre Hände zu küssen, es kann sein, dass eine große Träne seine Wange hinunter kullerte. Esther sah sie nicht, sie hatte kalte Füße und sagte: „Ich werde jetzt reingehen Stefan, ich will mich nicht erkälten. Wir können ja die Tage telefonieren.“
Sie stand auf, gab ihm einen schnellen Kuss auf die Schläfe, fuhr mit der Hand über seine Haare und sagte noch von der Türschwelle: „Es wird schon alles wieder werden.“
Die Tür knallte zu, und Stefan S. blieb alleine im Treppenhaus sitzen. Er starrte gegen die Mauer, minutenlang, ohne sich zu regen, dann schüttelte er mit dem Kopf, stand auf, legte seine Hand auf die Klingel, überlegte es sich jedoch anders, und stürmte die Treppe hinunter.
Stefan S. schaute nicht um sich, er überflog hastig die Stockwerke, verpasste den Ausgang, und kam erst im Keller zum Stehen.
Er lehnte sich an die raue Wand, schloss die Augen, und atmete den Geruch vom frischen Lack ein, mit dem die hölzernen Türen der Verschläge bestrichen waren. Als er die Augen öffnete, sah er auf dem Boden vor sich einen großen Stapel Altpapier. Stefan S. ging in die Hocke und griff nach dem obersten Blatt. Es war die Horoskopseite der Augsburger Allgemeinen. Unter Löwe stand: „Es ist diese Woche wieder mal Zeit, an sich selbst zu denken.“
Stefan S. zerknüllte das Papier, schob den Stapel an die Tür, und übergoss ihn mit den Resten Klarlack, die er in einem Behälter in der Ecke fand. Aus seiner Jackentasche holte er Streichhölzer raus, die er nach dem letzten Besuch beim Franzosen mitgenommen hatte, um mal bei Esther Kerzen anzünden zu können.
Dann ging alles ganz schnell.

Stefan S. verbleiben noch 1035 Tage in Kaisheim. In der Autowerkstatt findet sich im Moment kein Platz für ihn, er darf aber mit Enzo zusammen die Gartenzäune biegen. Auch seine Exemplare sehen bald so aus, dass man sie bei Obi verkaufen könnte.
Jeden Morgen ist Stefan S. noch vor der Lebendkontrolle wach, er durchmisst leise den Haftraum und zählt seine Schritte. Er freut sich darauf, die Tage in Arbeit zu ertränken, bei Aufschluss und abends spielt er mit Enzo Schach.
Er schreibt Esther noch einen Brief, in dem er sich entschuldigt und sagt: „Liebe Esther, ich bin so froh, dass wenigstens dir nichts passiert ist.“
Stefan S. schreibt, wenn Esther ihn besuchen würde, könnte sie etwas Witziges sehen. Draußen vor dem ehemaligen Kloster würde neben der Bushaltestelle ein Kreuz stehen. Darüber würde die Inschrift „Gott segne unsere Fluren“ prangen. Die Lettern seien altertümlich geschwungen, und den oberen Balken des „F“ habe ein Spaßvogel mit einem Filzstift übermalt.

 

Eine bewegende Geschichte, die vom Inhalt lebt, unnötig angetrieben vom ewigen Präsens, das selbst in den Rückblenden lärmt als gäbe es im Deutschen keine Vergangenheit. Es ist eine Seuche. Warum kannst oder willst du, randundband, uns nicht im erzählenden Imperfekt all das beibringen, was du zu sagen hast? Ich meine, solche Sätze

Der Bus, der Stefan S. zu Jesus bringt, ist längst um die Kurve verschwunden, aber der Ankömmling bewegt sich nicht.
sind, wenn in diesem Zusammenhang nicht einfach falsch, so doch irritierend zu lesen.

Es ist ja nicht so, dass man nicht verstünde, was du schreibst. Ich finde es halt unnötig, mit solchen Tricks zu arbeiten, um mehr (falsche) Nähe zu erzeugen. Traust du deinem erzählerischen Talent nicht zu, uns anders mit einem Text zu fesseln, dessen Inhalt, ich sagte es schon, bewegend genug ist?

Dabei fängst du mit dem ersten Satz so schön an:

Stefan S. steht vor dem Kreuz am Wegesrand auf dem schwäbischen Land, mit dem leidenden Jesus vor Augen und der Justizvollzugsanstalt Kaisheim im Rücken.
Das ist perfekt. Aber dann …

Ich bin verärgert.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Dion,
ja, was soll ich sagen, es freut mich, dass dich die Geschichte bewegen konnte, und doch, ich traue meinem erzählerischen Talent zu, den Leser unabhängig von der Erzählzeit zu fesseln.
Ein Trick? Falsche Nähe? Eine Seuche? Tja, das ist auch wieder ganz schwierig, darauf angemessen zu antworten. Ich will in diesem Zusammenhang keine Grundsätze diskutieren. Ich habe mir Gedanken dazu gemacht, habe bei der Geschichte mehrere Zeiten versucht, und mich für den durchgehenden Präsens entschieden. Ich danke dir für deine Meinung dazu, über die ich selbstverständlich nachdenken werde, finde es aber natürlich schade, dass es dir die Geschichte vermaselt hat bzw. dich so von den anderen Aspekten abgelenkt hat.

Ich bin verärgert.
Hier habe ich lange nachgedacht, ob ich dazu schreiben sollte, was ich wirklich darüber denke, aber ich lasse es einfach mal so stehen.
Danke für deine Zeit.
randundband

 
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Hallo randundband,

diese Geschichte fand ich noch besser als "Fräulein Wunschs Asyl der gramen Seelen". Es sind die Feinheiten, die Beschreibungen, etwa wie es in der Justizvollzugsanstalt Kaisheim aussieht und riecht und die viel komplexere Inszenierung, die uns zeigt, wie kaputt Esther ist. Auch Enzos kriminelles Vorleben, die Schwuchtels, Sex im Begegnungsraum, das Verhältnis zum Anwalt und die Arbeitsmöglichkeiten im Knast. Das alles ist glaubwürdig im besten Sinne des Wortes.

Deine Geschichten scheinen sich langsam zu entwickeln. Die spannende Frage ist natürlich, was Stefan angestellt hat. Bei drei Jahren muss schon etwas Gewalt im Spiel sein, dachte ich. Diese Auflösung erscheint nicht als Pointe mit Knalleffekt. Die ständigen Rückblenden sind für meinen Geschmack zuviel des Guten. Nun wirst du allerdings an der groben Struktur kaum mehr etwas ändern und das ist natürlich Geschmackssache. Meine Lösung wäre gewesen, zu zeigen wie Stefan eingeliefert wird und danach linear zu erzählen, wie es dazu kam.

Dions Ärger über das ewige Präsens teile ich nicht, weil mir beim Lesen solcher Geschichten die Bilder wichtig sind, die Szenen, die vor meinem geistigen Auge auftauchen. Manche Romanautoren spielen mit den Zeitformen und wechseln oft zwischen Präsens und Präteritum (z. B. T. C. Boyle in "Wassermusik"). Vielleicht hattest du die Absicht, die Geschichte des Handwerkers, der sich schriftlich nur schlecht ausdrücken kann, in den einfachstmöglichen Zeitformen zu erzählen.

Wenn du die Geschichte für mich geschrieben hättest, hätte ihr mehr Bewegung und Spannung und eine Zuspitzung auf einen Höhepunkt den letzten Schliff gegeben. ;) Sie hat mir auch so ganz gut gefallen.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hallo randundband,

mir gefällt diese Geschichte sehr gut. Es ist eine alte Geschichte, die Du da erzählst, aber es gelingt Dir wirklich, die neu zum Pochen zu bringen. Mich hat sie sehr berührt, weil Stefan S. auch einfach so ein lieber, armer Mensch ist. Mir fällt dazu leider wieder keine bessere Beschreibung ein, als "tiefe Menschlichkeit". Es geht ja auch wirklich um Menschlichkeit. Dieser abgekürzte Nachname, damit verbindet man ja aus den Medien sofort "Täter". Aber das ist halt auch eine Amputation der Identität, eine Reduktion auf die Täterschaft. Damit führst Du die Figur ein, als Täter in einer Institution, die ihn verwaltet, als "solcher Mensch" von dem keine Wortmeldung erwartet wird, und gibst ihm dann mit seiner Geschichte Stück für Stück seine Menschlichkeit zurück. Das fand ich traurig und schön.
Und selbst die Nutte, die ihn da in die Scheiße reitet, weil sie seinen Wunsch nach Nähe so auszunutzen weiß, behandelst Du nicht herablassen. Man spürt ja hinter ihrem Bemühen um Selbstliebe, die sich dann als diese egozentrische Herzlosigkeit ausprägt, das genaue Gegenteil. Das ist schon eine sehr tragische Beziehung zwischen den beiden.
Es ist eine Geschichte, die man ganz gut in eine Reihe stellen kann, mit anderen Geschichten der letzten Zeit (meine eingeschlossen), die sich bemühen, eine längere Entwicklung darszustellen. ich finde, dass ist bisher der erfolgreichste Versuch. Du erklärst zwar, aber Du übererklärst auch nicht. Es bleibt ziemlich viel Bewegungsraum im Text und den einzelnen Szenen, auch wenn die groben Zusammenhänge klar werden. Ich fand es zum Beispiel sehr gut, wie Du das Verhältnis zum Vater dargestellt hast, das ja doch ein liebevolles war. Dass Du also keine einfache Erklärung für sein ausgesprochenes Liebesbedürfnis wie ein liebloses Elternhaus geliefert hast. Und es funktioniert auch so, denn ein Bedürfnis nach Nähe muss man gar nicht unbedingt erklären. Das ist halt menschlich.

Ich mochte auch die indirekte Rede, was ja klassischerweise ein Distanzmoment ist und oft recht ironisch wirkt, aber irgendwie auch ganz gut zu Stefan S. verträumter Art passt. Das wirkt so ein bisschen wie ein Schleier über der fiesen Realität.

Mit den Zeitformen hab ich mich allerdings auch schwer getan. Nicht weil ich was gegen Präsens hätte, sondern weil es keine Differenzierung zwischen Jetzt und Rückblende gibt. Ich finde eigentlich hast Du mit dieser Struktur ein super Argument für Präsens im Jetzt, weil Präteritum im Jetzt würde ja PQP in der Rückblende fordern, was immer häßlich ist. Aber ich seh nicht, was dich von Präsens im Jetzt und Präteritum in den Rückblenden abhalten sollte.

Und ich hab noch einige Detailbemerkungen. Ich hoffe, Du kannst was damit anfangen. Ist ja immer ein bisschen heikel so in anderer Leute Texte herumzufuhrwerken.

Stefan S. steht vor einem Kreuz am Wegesrand auf dem schwäbischen Land, mit dem leidenden Jesus vor Augen und der Justizvollzugsanstalt Kaisheim im Rücken.
Da hat's für mich eine Ortsangabe zuviel, um prägnant zu sein. Ich würd glaub ich das schwäbische Land irgendwo anders unterbringen oder zwei Sätze draus machen.

Der Himmel über Stefan S. ist so blau, wie nirgendwo sonst auf der Welt.
Der Satz braucht kein Komma

Er legt sich sanft und unendlich über die ehemaligen Klostermauern, hinter denen auch heute sechshundert Menschen tagein tagaus in Zucht und Genügsamkeit leben.
Das ist jetzt was ganz Pedantisches. Aber es sind ja keine ehemaligen Mauern sondern immer noch Mauern, deshalb würd ich wohl eher von "Mauern des ehemaligen Klosters" sprechen. Aber wie gesagt, da wird es sehr fiddelig.

Über dem Kreuz prangt die Inschrift „Gott segne unsere Fluren.“ Die Lettern sind altertümlich geschwungen, den oberen Balken des „F“ hat ein Spaßvogel mit einem Filzstift übermalt.
Ich find die Blickführung da ein bisschen hüpfig: Vom Kreuz, zur Anstalt, zum Kreuz. Ich würd das vielleicht ein bisschen zusammenfassen und umstellen.
Ich versteh übrigens den Spaß des Spaßvogels nicht. Wenn man den oberen F-Balken übermalt, steht da sowas wie tluren. :confused:

Er fragt sich, ob er nachschauen sollte, wann die Rückfahrt ist?
Das ist eine indirekte Nebensatzfrage, da gehört kein Fragezeichen hin.

Stefan S. überschlagt die Zeit
überschlägt - wobei Überschlagen und dieses stundengenaue Ausrechnen ja was ganz unterschiedliches sind

Der Bus, der Stefan S. zu Jesus bringt, ist längst um die Kurve verschwunden, aber der Ankömmling bewegt sich nicht. Er fragt sich, ob er nachschauen sollte, wann die Rückfahrt ist? Er denkt, dass der Fahrplan sich in den nächsten drei Jahren nicht verändern wird, nicht hier auf dem Land.
Äh, aber neben dem Detailgemecker sollte ich schon sagen, dass die erste Szene voll gut ist mit dem Kreuz und dem Fahrplan und den Fluren. :)

Der Schweregrad des Verbrechens lasse diese Entscheidung zu. Gerade noch.
Das ist ein sauguter Nachsatz, der einen so in die Grauzone treibt. Ich mag auch die indirekte Rede hier.

wolle man einen solchen Menschen vorläufig in Freiheit belassen?
Da würd ich einen eigenen Satz draus machen, sonst wirds auch mit dem Fragezeichen schwierig.

Ein solcher Mensch sagt, man könnte es versuchen.
Ziemlich gut! Man rechnet ja nicht damit, dass ein "solcher Mensch" auf so eine rhetorische Frage auch noch antwortet.

„Junger Mann“, klappt der Richter die Akte zu und rückt seine Brille hinunter bis an die Nasenspitze, „werden Sie sich benehmen?“
Ich bin meist recht streng bei so exaltierten Redebegleitsätzen, aber hier finde ich es hübsch.

Ein leiser Klick schleicht sich in die Türspalte, Stefan S. drückt gegen das Tor und betritt den Wandelgang.
Das ist mir stilistisch zu dick. Ich find das passt nicht so zum Anfang, der zwar auch stilistisch einiges bringt, aber eben nicht so wilde Metaphern. Das gefällt mir hier nicht so.

Die Decke ist mindestens fünf Meter hoch, und durch die langen Fenster im oberen Teil der Mauer blendet und streichelt die Frühlingssonne den Besucher.
blendet und streichelt, blendet und streichelt. Hmm, ich mag den Kontrast, aber es wäre irgendwie schön, wenn das mehr auf den Ankömmling als auf den Besucher fokussiert wäre und dann ist so ein Streicheln ja auch was neckend-fieses, weil man weiß, dass man davon nicht mehr so viel haben kann wie man will

Hinter tadellos sauberem Panzerglas sitzt ein Mann vor Überwachungsmonitoren und lächelt dem Neuankömmling amtlich zu.
"amtlich" ist gut. "tadellos" könnte dann weg

Das Linoleum auf dem Boden ist stramm gespannt, es glänzt, seine Sauberkeit ist mühsam erschrubbt und knallt Stefan S. mit ihrer Makellosigkeit entgegen.
Linoleum ist doch nicht gespannt. Und irgendwie wird mir das mit der "Makellosigkeit", die hier auf "tadellos" trifft, auch ein bisschen viel. Wenn Du das in halb so vielen Worten sagen könntest

wenn er sie bittet, bei ihr bleiben zu können
"dürfen"?

an einem Nachmittag voller blauen Himmels.
nee, das geht nicht. "Voll blauen Himmels" ginge, aber das haut mich auch nicht vom Hocker. Klingt etwas bemüht, also nicht nur der Satz, auch der Gedanke irgendwie
Die Luft ist rauchig und so erfüllt von dem Duft des Flieders, dass sie nicht in die Brust passen will.
Das find ich viel bessser. Wobei ich es ohne das "rauchig" noch einen Tacken besser fände.

Erst vor einigen Tagen beendet Stefan S. die Restauration von dem Mercedes seines Vaters.
Hm, Mercedes ist immer schwierig mit Genitiv. Und dann ist hier auch noch doppel Genitiv, einmal korrekt einmal umgangssprachlich, wohl um den doppelt korrekten und das Mercedes-Problem zu vermeiden. Ich glaub, bevor man sich so einen abbricht, hilft nur komplett neu formulieren und evtl. Automarke wechseln.

Zum Schluss lackiert er den Wagen in ein mattes Schwarz
in mattem Schwarz

Niemals würde Stefan S. sich trauen, eine so besondere Person anzusprechen, aber Esther zögert nicht, und lächelt ihm zu.
"besonders" find ich hier ein bisschen schwachbrüstig. "eine solche Person" ginge, das gäbe auch einen interessanten Kontrast zum vorherigen "solchen Menschen", wo das Wort ja ganz anderes impliziert.

rückt Stefan S. näher, dass er das Frühlingsmeer auf ihrem Hals einatmen kann
Das liest sich, als rücke sie ihn herum, also "rückt näher an Stefan S. heran", oder so. Das Frühlingsmeer ist mir auch zu kitschig. Wie gesagt. Ich finde, der Text bietet inhaltlich und stilistisch schon so viel, dass er sich blumige Metaphern sparen kann.
Ansonsten aber eine echt schöne Szene, wie er sich da nichts geringeres als "Glück" von ihr wünscht und sie ihm da nicht nur den Preis, sondern noch ein verdeutlichendes "für Sex" reinschiebt.

wie sie vor ihm steht, ihn, die Arme in die Hüften gestemmt, mit allem was es an ihr gibt, herausfordert, und sagt: „Hast du vielleicht Lust, einfach so eine Runde mit mir zu fahren? Ohne Sex?“
Da ist der Bezug im ersten Moment unklar, also wer das nun spricht.

Für eine Weile mustert sie ihn misstrauisch und sagt: „Wenn du mir die hundert Euro trotzdem gibst ….“
Die Weile kann raus

Den Deodorant
Das Deodorant

Stefan S. Brust.
Stefan S. ist kein dankbarer Genitivname. Kann er nicht Stefan M heißen?

Während S. junior die Vogelbeeren von den Bäumen am Wegesrand abreißt und sie vor sich hinwirft, erzählt S. senior ihm, wie man mit einem Frontspoiler die Auftriebskräfte an der Vorderachse absenken kann, oder wie bei McPherson-Federbeinen zusätzliche Querkräfte auf die Kolbenstange wirken. Er gestikuliert dabei viel mit den Armen, und bewegt nur langsam die Beine, einen Fuß vor den anderen.
Mit Vogelbeerendetails hat man mich immer sofort. :D Andere werden sich sicherlich an den technischen Details ergötzen.

Sie stöckelt schnell, manchmal bis zur Boshaftigkeit
:D Mag ich auch sehr diese Charakterisierung über Stöckeln und Schlendern

Esther denkt für einen Moment nach, dreht dabei ihre luftigen Haare um den Finger, und sagt: „Dann fahren wir aber in die Stadt.“
Das könnte man ausdünnen

und sich heiter bei ihm einhackt
Ja, hacken würde zu Esther sich passen. es heißt aber trotzdem "haken"

Wieder draußen zischt sie, „Diese Bitch denkt, ich bin ein billiges Flittchen, das habe ich sofort in ihren falschen Glubschern gesehen.“
Den Bruch zur direkten Rede finde ich sehr gut. So eine Aussage kann man auch nicht in Stefan S.' verträumter indirekter Rede widergeben.

Sie sagt nur, wenn man es in seinem Kopf habe, werde es unwichtig, ob man sich selbst liebe, oder nicht.
Du erzeugst da schon ne ziemliche Dichte und Kohärenz, wie Du da alles wieder aufgreifst, so kleine Witze wie die Obigartenzäune, aber auch Esthers verzweifelte Bemühung um Selbstliebe, die sich dann als scheinbar herzlose Egozentrik ausprägt. Das ist sehr gut gemacht. Und das ist auch so sautraurig, wie er da immer wieder ihre Nähe sucht, die sie doch nicht geben kann. Beim Sex und so. Sautraurig! Saugut!

„Kein Ficken man!“
"Kein Ficken, Mann!"

den Bach untergegangen.
runtergegangen

Er lehnt an die raue Wand,
"er lehnt sich an die raue Wand" oder "er lehnt an der rauen Wand"

lg,
fiz

 

Hallo Berg,

diese Geschichte fand ich noch besser als "Fräulein Wunschs Asyl der gramen Seelen"
Nun, einerseits finde ich das natürlich toll, so etwas zu hören, weil man dann natürlich auch sagen kann, es hat eine Entwicklung stattgefunden, andererseits hat für mich Fräulein Wunsch eine ganz andere Bedeutung. Das ist was, wo ich was Längeres daraus mache, da sitze ich auch schon seit zwei Monaten dran, na ja. Sind jetzt so Befindlichkeiten.
Es sind die Feinheiten, die Beschreibungen, etwa wie es in der Justizvollzugsanstalt Kaisheim aussieht und riecht und die viel komplexere Inszenierung, die uns zeigt, wie kaputt Esther ist. Auch Enzos kriminelles Vorleben, die Schwuchtels, Sex im Begegnungsraum, das Verhältnis zum Anwalt und die Arbeitsmöglichkeiten im Knast. Das alles ist glaubwürdig im besten Sinne des Wortes.
Wie schön, dass es bei dir so angekommen ist. Ich habe halt in Kaisheim ein paar Mal jemanden besucht, und habe auch beruflich mit so Zeugs zu tun, natürlich auch ein paar Sachen genauer recherchiert, aber so im Kern sind es eben die Dinge, die im Gefängnis halt wichtig sind, im Erwachsenengefängnis jedenfalls, bei den Jugendlichen sieht es ganz anders aus. Viel mehr Gewalt, die begreifen auch die ganze Tragweite der Situation noch nicht, da ist alles ein gutes Stück wilder. Bei den Erwachsenen ist die Stimmung sehr matt, so wie ich das mitbekomme, die Leute sind eben resignierter und fügen sich so in den Trott.
Ja, freut mich auf jeden Fall, dass es bei dir gewirkt hat.
Deine Geschichten scheinen sich langsam zu entwickeln. Die spannende Frage ist natürlich, was Stefan angestellt hat. Bei drei Jahren muss schon etwas Gewalt im Spiel sein, dachte ich. Diese Auflösung erscheint nicht als Pointe mit Knalleffekt.
Ja, im Originalfall hat der Typ auch den Keller angezündet, da haben alle Boxen gebrannt und der ganze Rauch ist in das Treppenhaus gezogen. Da ist ein Nachbar, der nach draußen fliehen wollte, an dem Rauch fast erstickt und lag ein paar Wochen im Koma. Das ist eine besonders schwere Brandstiftung und dafür gibt es nach dem StGB eigentlich nicht unter fünf Jahren. Ich meine, im Originalfall hat "Stefan S." dreieinhalb Jahre bekommen (mildernde Umstände usw.).
Na ja, ich wollte hier in der Geschichte gar nicht ins Detail gehen, weil es für mich erstens gar nicht sooo wichtig war, zu zeigen, was er tatsächlich angestellt hat, sondern mir ging es nur um den Umstand, dass es so ein Verbrechen aus Verzweiflung, aus Überforderung gewesen ist.
Außerdem, so mein Ansatz bei dieser Geschichte, wollte ich überall an den Stellen, wo der Leser die Fantasie eigentlich nicht angefüttert zu bekommen braucht, die Dinge weitestgehend offen lassen. Ich meine, der Typ zündet ein Wohnhaus an. Dass da was passieren kann, was für drei Jahre langt, finde ich eigentlich schon naheliegend. ich würde da einfach ungerne mehr erklären.
Die ständigen Rückblenden sind für meinen Geschmack zuviel des Guten. Nun wirst du allerdings an der groben Struktur kaum mehr etwas ändern und das ist natürlich Geschmackssache. Meine Lösung wäre gewesen, zu zeigen wie Stefan eingeliefert wird und danach linear zu erzählen, wie es dazu kam.
Verstehe ich, war auch eine Überlegung, aber mir ging es hier auch stark um die Verwebung der beiden Stränge, um die Kontraste und Resonanz. Sachen mit der Sauberkeit, mit dem Sex, mit dem Spazierengehen usw. Diese ganzen Elemente sollten sich jeweils in den beiden Strängen wiederfinden, deswegen wollte ich sie auch nebeneinander haben, damit sie noch präsent sind.
Dions Ärger über das ewige Präsens teile ich nicht,
Das ist gut.
Vielleicht hattest du die Absicht, die Geschichte des Handwerkers, der sich schriftlich nur schlecht ausdrücken kann, in den einfachstmöglichen Zeitformen zu erzählen.
Ja, mir ging es um das Schlichte, irgendwie vertrug es sich auch besser mit der indirekten Rede. Ich habe ursprünglich die Rückblenden in Präteritum gehabt, aber das klang für meine Ohren einfach nicht nach Stefan S. Ja, fiz kritisiert das jetzt auch, wenn da jetzt noch mehr Leute kommentieren sollten, und schimpfen, werde ich nochmal schauen, wieviel Zähneknirschen mir das Ändern verursachen würde. Aber es beruhigt mich auf jeden Fall, dass es für dich funktioniert.
Wenn du die Geschichte für mich geschrieben hättest, hätte ihr mehr Bewegung und Spannung und eine Zuspitzung auf einen Höhepunkt den letzten Schliff gegeben
Verstehe ich, aber für mich ging es bei der Geschichte nur ganz am Rande um Spannung, sondern vor allem um das Zwischenmenschliche.
Berg, vielen Dank für deinen Besuch

Liebe fiz,
Wahnsinn, habe mich sehr über deine lobenden Worte gefreut.

Ich versteh übrigens den Spaß des Spaßvogels nicht. Wenn man den oberen F-Balken übermalt, steht da sowas wie tluren.
Grrr... Das ist furchtbar. ich dachte das ist so offensichtlich, aber gestern hat mir eine Freundin geschrieben, sie würde es auch nicht checken, und jetzt bin ich wirklich am Zweifeln.
Also da in Kaisheim, da gibt es tatsächlich so ein Kreuz am Wegesrand. Wenn man da bloß vorbeifährt, gerade auch wegen der altdeutschen Schrift, dann sieht es aus, als würde da stehen, "Gott segne unsere Huren." Ich hab das echt auch so gelesen, und dachte mir, oha, dass die Schwaben sowas machen, hätte ich nicht gedacht.
Das hat mich echt paar Tage nicht losgelassen, weil mir das irgendwie auch einen neuen Schlüssel für die Geschichte gegeben hat, über die ich halt schon ewig nachdenke. Ein paar Tage später war ich dann Zuhause, und habs gegooglet. Und habe dann festgestellt, was da tatsächlich stand. Und ich dachte mir, boah, voll die krasse Symbolik und so. Aber hier auf der Seite konnte ich das visuell natürlich nicht umsetzen. Ist blöd.
Ich habs grade nochmal geschaut, und ein Foto gefunden, das zwar ein bisschen anders aussieht, als in Kaisheim, aber doch meinen Punkt verdeutlichen sollte:
http://www.flickr.com/photos/brainfarts/149891441/

Okay, aber jetzt der Reihe nach.

Es ist eine alte Geschichte, die Du da erzählst, aber es gelingt Dir wirklich, die neu zum Pochen zu bringen. Mich hat sie sehr berührt, weil Stefan S. auch einfach so ein lieber, armer Mensch ist. Mir fällt dazu leider wieder keine bessere Beschreibung ein, als "tiefe Menschlichkeit". Es geht ja auch wirklich um Menschlichkeit. Dieser abgekürzte Nachname, damit verbindet man ja aus den Medien sofort "Täter". Aber das ist halt auch eine Amputation der Identität, eine Reduktion auf die Täterschaft. Damit führst Du die Figur ein, als Täter in einer Institution, die ihn verwaltet, als "solcher Mensch" von dem keine Wortmeldung erwartet wird, und gibst ihm dann mit seiner Geschichte Stück für Stück seine Menschlichkeit zurück. Das fand ich traurig und schön.
Mensch fiz, da geht mir das Herz auf, wenn ich das lese. Wie cool, dass es bei dir so ankommt, wie ich selbst dazu gefühlt habe. Ich weiß natürlich, was du mit eine "alte Geschichte" meinst, aber ich bin einfach der festen Überzeugung, dass solche Geschichten nicht "alt" werden können. Der Originalfall ist 2010 passiert, solche Dinge passieren halt, das ist nach meinem Verständnis universell, ich setze mich gerne mit solchen Dingen auseinander. Ich bin gerade auch extrem von dem modernen Wohlstandsrumgeweine genervt, ich will mich wenigstens literarisch mit "handfesten" Dingen auseinandersetzen.
Und wenn du wieder schreibst, "tiefe Menschlichkeit", ja, also mir kannst du eigentlich kein größeres Lob als diesen geben. Du hast es auch sehr richtig erkannt, ich wollte eben einen Täter zeigen, einen Mann der nun mal ein Verbrechen begangen hat, da gibt es jetzt nichts zu rütteln, aber jeder hat halt seine Gründe. ich musste diese Geschichte auch teilweise aus einem persönlichen Grund schreiben. So wie die Dinge gerade aussehen, werde ich sehr bald als Strafverteidiger arbeiten, und das ist nun mal ein Beruf, bei dem man sich für Menschen stark macht, die tatsächlich auch das getan haben, was man ihnen vorwirft. Da kommt es für den Anwalt, vor allem wenn man noch jung ist, und gerade einsteigt, nun mal zu Gewissenskoflikten. Ich glaube, ich könnte das gar nicht machen, wenn es mir nicht gelingen würde, hinter dem Täter den Menschen zu sehen (auch wenn die meisten da nicht so liebe, arme Kerle sind wie Stefan S.). Ja, ich finds auf jeden Fall extrem interessant, hoffentlich komme ich damit klar.
Ah ja, ein Kompliment ist mir da doch noch sehr nahe gekommen.
Es ist eine Geschichte, die man ganz gut in eine Reihe stellen kann, mit anderen Geschichten der letzten Zeit (meine eingeschlossen), die sich bemühen, eine längere Entwicklung darszustellen. ich finde, dass ist bisher der erfolgreichste Versuch.
Also ganz ehrlich, bei der Qualität einiger der Geschichten von denen du sprichst, fühle ich mich durch deine Einschätzung extrem geehrt.
Ist natürlich auch ein großer Verdienst des Forums. Wenn ich so auf meine ersten Geschichten blicke, dann spüre ich schon, dass es eine Entwicklung gegeben hat. Hier geben einem manche Leute eben extrem viel Input.
Und selbst die Nutte, die ihn da in die Scheiße reitet, weil sie seinen Wunsch nach Nähe so auszunutzen weiß, behandelst Du nicht herablassen. Man spürt ja hinter ihrem Bemühen um Selbstliebe, die sich dann als diese egozentrische Herzlosigkeit ausprägt, das genaue Gegenteil. Das ist schon eine sehr tragische Beziehung zwischen den beiden.
Ja, also ich weiß ehrlich gesagt gar nicht so richtig, ob Esther für mich nicht der wichtigere Figur in der Geschichte ist. Ihr Psychogram ist auch komplexer, Berg sagt das genau richtig, sie ist kaputt, das fand ich viel schwieriger einzufangen, habe da echt einige Frauen zusammengesetzt, die ich getroffen habe, oder von denen ich was mitbekommen habe, und ja, natürlich der Originalfall; Prostitution, Drogen, das ist natürlich einfach.
Stefan S. ist da ja eigentlich viel simpler gestrickt. Er wünscht sich Nähe, weil es eben so ist.
Ich fand es zum Beispiel sehr gut, wie Du das Verhältnis zum Vater dargestellt hast, das ja doch ein liebevolles war. Dass Du also keine einfache Erklärung für sein ausgesprochenes Liebesbedürfnis wie ein liebloses Elternhaus geliefert hast. Und es funktioniert auch so, denn ein Bedürfnis nach Nähe muss man gar nicht unbedingt erklären. Das ist halt menschlich.
Ich wollte schon ein paar Hintergründe zeigen, aber nur insofern, dass er wenig Kontakt mit Frauen hatte (keine Oma, keine Mutter, immer in der Werkstatt usw.), und sich deswegen auch so leicht von Esther faszinieren lässt und alles mitmacht. Aber das kommt mir auch ganz natürlich vor.
Im Originalfall war der Typ extrem überbehütet, die Mutter eine sehr starke Figur, die Eltern überhaupt haben seine Verhältnisse mit Frauen geregelt, und er hat noch bei Mama gewohnt mit Ende dreißig. Ja, das können natürlich auch Gründe sein, aber
Es bleibt ziemlich viel Bewegungsraum im Text und den einzelnen Szenen, auch wenn die groben Zusammenhänge klar werden.
ich wollte genau das wahren.
Ich finde, es gibt Geschichten, bei denen muss man den Leser richtig einführen, für ihn die Verhältnisse präzise aufzeigen und auch die Atmosphäre setzen, wenn man ihn mit der Geschichte erreichen will. Alles was ein bisschen exotischer ist halt.
Es gibt aber eine andere Art von Geschichten, wo man in der Regel auf einen viel kompetenteren Leser setzt. Das ist gerade bei so zwischenmenschlichem Zeug so, da kann sich einfach jeder eine Menge selbst dazu denken. Da stupst man die Sachen am besten nur ein wenig an, setzt eine Gedanken- oder Gefühlskette in Gang und der Leser macht schon den Rest. Das solte so eine Geschichte sein, deswegen freut es mich, dass es für dich funktioniert (okay, Knastsachen und so technisches Zeugs musste man hier natürlich mehr erklären).
Mit den Zeitformen hab ich mich allerdings auch schwer getan. Nicht weil ich was gegen Präsens hätte, sondern weil es keine Differenzierung zwischen Jetzt und Rückblende gibt. Ich finde eigentlich hast Du mit dieser Struktur ein super Argument für Präsens im Jetzt, weil Präteritum im Jetzt würde ja PQP in der Rückblende fordern, was immer häßlich ist. Aber ich seh nicht, was dich von Präsens im Jetzt und Präteritum in den Rückblenden abhalten sollte.
Ach fiz, du also auch. Nicht gut. Ich habe da jetzt Berg schon was dazu geschrieben, das beschäftigt mich natürlich sehr. Ich wollte es halt schlicht halten, auch ein stückweit naiv, da hat sich auch die indirekte Rede für mich besser reingefügt. Das passt eigentlich hierhin:
Stefan S. ist kein dankbarer Genitivname. Kann er nicht Stefan M heißen?
Außerdem war auch der Ansatz durch die Verwendung dieses Namens viele Alliterationen zu ermöglichen, wenn nicht jedes Mal vom Klang, so doch wenigstens visuell (ich glaube, das ist keine richtige Alliteration, aber für mich hat es so eine Unbeholfenheit). Deswegen fange ich schon so an mit "Stefan S. steht ..." Ich finde, das hat so einen Klang von "Willi will´s wissen" und das klingt für mich halt so naiv und unschuldig, so wollte ich das auch über dieses rhetorische Stilmittel hineinbringen.
Ja, ich tu mich auch grundsätzlich mit den Zeiten schwer. Ich-Erzähler und Präsens fallen mir halt am leichtesten. Hier passte der auktoriale Erzähler überhaupt nicht und ich war schon ganz stolz davon abgerückt zu sein. Und Zeitensprünge, ja, ich hatte das am Anfang auch so gemacht, aber dann wieder geändert. Wenn da jetzt noch mehr Leute Sturm laufen sollten, werde ich mich vllt fügen.
Und ich hab noch einige Detailbemerkungen. Ich hoffe, Du kannst was damit anfangen. Ist ja immer ein bisschen heikel so in anderer Leute Texte herumzufuhrwerken.
Doch, sehr sehr gerne. Ich finde, du hast ein sehr feines Verständnis von Sprache, da lese ich immer mit großem Interesse, was du zu sagen hast. Fand viele der Anmerkungen aufschlussreich, und werde die Dinge die Tage ändern, bei einigen Sachen bin ich nicht einverstanden. Ich werde jetzt nicht zu allem was sagen, habe aber jede Anmerkung zwanzig Mal gelesen.
Da hat's für mich eine Ortsangabe zuviel, um prägnant zu sein. Ich würd glaub ich das schwäbische Land irgendwo anders unterbringen oder zwei Sätze draus machen.
Ich brauche das schon für die Stimmung. Unter "schwäbisches Land" kann man sich doch eine Menge vorstellen, Bayern und so, da hängt für mich schon viel dran, ich glaube, das ist gut, dem Leser sofort dieses Gefühl zu vermitteln. Kaisheim kennt doch niemand.
Ich find die Blickführung da ein bisschen hüpfig: Vom Kreuz, zur Anstalt, zum Kreuz. Ich würd das vielleicht ein bisschen zusammenfassen und umstellen.
Ja, hast du Recht. Im Moment habe ich aber noch keine Lösung. Eigentlich sollte es Kreuz, Himmel, Kreuz (und vllt noch ein kleiner Augenwinkelblick auf die Anstalt) werden.
Ein leiser Klick schleicht sich in die Türspalte, Stefan S. drückt gegen das Tor und betritt den Wandelgang.
Das ist mir stilistisch zu dick. Ich find das passt nicht so zum Anfang, der zwar auch stilistisch einiges bringt, aber eben nicht so wilde Metaphern. Das gefällt mir hier nicht so.
Hmm... Eigentlich hatte ich das Gefühl mich bei dem Text stilistisch extrem zurückgehalten zu haben. Ich bin nämlich schon ein großer Freund von wilden Metaphern. Tja, ist doch auch ganz hübsch, dachte ich. Boah, ich werde mir hier was überlegen, aber ich kann nichts versprechen.
Die Decke ist mindestens fünf Meter hoch, und durch die langen Fenster im oberen Teil der Mauer blendet und streichelt die Frühlingssonne den Besucher.
blendet und streichelt, blendet und streichelt. Hmm, ich mag den Kontrast, aber es wäre irgendwie schön, wenn das mehr auf den Ankömmling als auf den Besucher fokussiert wäre und dann ist so ein Streicheln ja auch was neckend-fieses, weil man weiß, dass man davon nicht mehr so viel haben kann wie man will
Hast du Recht, kommt präziser.
Hinter tadellos sauberem Panzerglas sitzt ein Mann vor Überwachungsmonitoren und lächelt dem Neuankömmling amtlich zu.
"amtlich" ist gut. "tadellos" könnte dann weg
Dann kann aber auch sauber weg, und Panzerglas wird sich einsam fühlen. Außerdem ist mir dieser Sauberkeitskontrast, auch später mit der Makellosigkeit wegen der Estherzeichnung wichtig. Einfach dieses Äußerlich Penible, während man innerlich am verwahrlosen ist. Ein Bekannte von mir ist halt mit so einer Frau zusammen, die genau so krass wie Esther bei Sauberkeit abgeht. Auch mit nicht in der Küche kochen und so. Dafür zieht sie immer vor dem Insbettgehen eine dicke Line Speed.
nee, das geht nicht. "Voll blauen Himmels" ginge, aber das haut mich auch nicht vom Hocker. Klingt etwas bemüht, also nicht nur der Satz, auch der Gedanke irgendwie
Ist bemüht, fliegt raus.
Hm, Mercedes ist immer schwierig mit Genitiv. Und dann ist hier auch noch doppel Genitiv, einmal korrekt einmal umgangssprachlich, wohl um den doppelt korrekten und das Mercedes-Problem zu vermeiden. Ich glaub, bevor man sich so einen abbricht, hilft nur komplett neu formulieren und evtl. Automarke wechseln.
fiz, er muss einen Mercedes haben, das geht doch gar nicht anders. Ich werds umformulieren.
Das Frühlingsmeer ist mir auch zu kitschig.
Jo.
Niemals würde Stefan S. sich trauen, eine so besondere Person anzusprechen, aber Esther zögert nicht, und lächelt ihm zu.
"besonders" find ich hier ein bisschen schwachbrüstig. "eine solche Person" ginge, das gäbe auch einen interessanten Kontrast zum vorherigen "solchen Menschen", wo das Wort ja ganz anderes impliziert.
Ist ein schöner Gedanke, habe ich so noch nicht gesehen. Andererseits finde ich von der Ausdrucksstärke "besonders" viel passender. Wenn mich eine Frau flasht, sage ich auch immer "besonders." Ich finde auch, es passt zu Stefans naiver Art. Hmm.....
Du erzeugst da schon ne ziemliche Dichte und Kohärenz, wie Du da alles wieder aufgreifst, so kleine Witze wie die Obigartenzäune, aber auch Esthers verzweifelte Bemühung um Selbstliebe, die sich dann als scheinbar herzlose Egozentrik ausprägt. Das ist sehr gut gemacht. Und das ist auch so sautraurig, wie er da immer wieder ihre Nähe sucht, die sie doch nicht geben kann. Beim Sex und so. Sautraurig! Saugut!
Ach fiz, vielen Dank. Dieses Immerwiederaufgreifen finde ich sehr wichtig. Ich meine, ich habe das bewusst vor ein paar Monaten irgendwo bei Böll gelesen, und dann wieder bei Köhlmeiers "Joel Spazierer", da macht er das über 600 Seiten. Richtig gut, wird alles wieder geschlossen. Und dann habe ich vor paar Wochen ziggas "Mutterwärme" kommentiert und da ist mir diese Szene mit dem Streber aufgefallen, die ohne Resonanz dastand, das habe ich ihm geschrieben, und mir gemerkt, dass ich das anders machen will.
Also fiz, einen riesigen Dank für deinen so ausführlichen und aufschlussreichen Kommentar. Wir sehen uns dann ganz bald im Norden, bin auf den Text gespannt.

Liebe Grüße an euch beide,
randundband

 

Stefan S. steht vor einem Kreuz am Wegesrand auf dem schwäbischen Land, mit dem leidenden Jesus vor Augen und der Justizvollzugsanstalt Kaisheim im Rücken. Der Himmel über Stefan S. ist so blau, wie nirgendwo sonst auf der Welt.
Das ist ein sehr seltsamer Effekt mit dem Präsens+Stefan S.
Das lenkt unheimlich viel Aufmerksamkeit auf sich, dieses „Stefan S.“ wiederholt, hat was von Aktenzeichen XY oder einem ähnlichen Format, sonst kenn ich das eigentlich nirgendsher.
Ich hab gesehen Dion lehnt schon Präsens ab, mit Präsens+3.Person … das ist schon immer hart an der Grenze, aber dann noch „Stefan S.“? Da bin ich auch nach zwei Zeilen skeptisch eingestellt.

Eine Untersuchungshaft sei nicht nötig, argumentiert sein Anwalt, es bestehe keine Fluchtgefahr, es gäbe nichts zu verdunkeln, sein Mandant hätte alles gestanden.
Sein Mandant habe alles gestanden. Das ist die indirekte Rede. „Hätte“ impliziert in dem Fall, dass an der Aussage Zweifel bestehen.
Nächste Frage, wo es bei mir auch bald aufhört, ob „gäbe“ korrekt ist oder ob ein „gebe“ reichen würde.
Ich hab’s kurz gegoogelt: Gebe ist richtig, das ist der Konjunktiv I. Gäbe ist schon Konjunktiv II.
Ich geb da auch keine Garantie für, das sind Dinge, mit denen beschäftige ich mich zweimal im Jahr und nicht gerne. Da fängt es mit der deutschen Sprache in Dimensionen na, wo es für die meisten schon lange aufhört.
Nicht in den Konjunktiv II verlieben, weil er so ungewöhnlich aussieht, und ihn dann über Gebühr beanspruchen.
(Wenn man es komplett im Konjunktiv II zitieren will, um das auf eine bestimmte Art zu färben, dann ginge: Wäre/bestünde/gäbe/hätte.)
Ein Mensch ohne feste soziale Bindungen, ohne eine regelmäßige Arbeit, die zu erwartende Strafe sei nicht gering, das wisse Stefan S., wolle man einen solchen Menschen vorläufig in Freiheit belassen?
Na ja, also indirekte Rede ist nicht direkte Rede im Konjunktiv, das muss dann schon umgestellt werden. Die Erzählperspektive ändert sich. Der Erzähler bringt das, was er in der indirekten Rede wiedergibt, selbst in einen Kontext.
Immerhin sei Stefan S. ein Mensch ohne feste soziale Bindungen, er ginge keiner geregelten Arbeit. Ferner sei die Strafe nicht geringe, das sei Stefan S. doch sicher alles verständlich. Wie könne man also, fragte der Richter, einen solchen Menschen vorläufig in Freiheit belassen?
„Wenn es um einen herum sauber ist, dann lässt sich auch im Inneren besser Ordnung schaffen“, sagt Esther häufig zu Stefan S..
Ist das mit den doppelten Punkten am Ende so korrekt? Also wenn das die korrekte Darstellungsweise ist, dann muss es die vornehmste Aufgabe des Schriftstellers sein, eine solche Situation zu vermeiden, weil die hässlich aussieht.
Ah! Der Duden rettet uns.
Steht eine Abkürzung mit Punkt am Satzende, dann ist der Abkürzungspunkt zugleich der Schlusspunkt des Satzes [§ 103].
Man könne ja draußen essen, es gäbe keinen Grund jeden Tag alles vollzusauen.
Gebe – und was ich jetzt neu gelernt hab und worauf ich wahnsinnig stolz bin – da der erweiterte Infinitivsatz „jeden Tag alles vollzusauen“ von einem Substantiv abhängt nämlich „Grund“ – muss er mit einem Komma abgetrennt werden.
Ich hoffe das stimmt. Das ist nämlich die bescheuertste Regel, die es im Deutschen überhaupt gibt, und wer entschieden hat, dass nach „es ist möglich“ kein Komma steht und nach „er hat die Möglichkeit“ auf jeden Fall ein Komma – dem gehört auch mal die Meinung geblasen.
Zu Steinbock stünden nur deprimierende Sachen drin, beschwert sie sich, man würde ihr immer raten, sie solle sich lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
Was hast du denn mit dem Konjunktiv? Der macht dich ja verrückt. Also „würde raten“ – ist einfach „man rate ihr immer“ … und „stünde“ woah … also – das ist schon ein gestelzter Konjunktiv II (den es hier tatsächlich braucht, weil der Konjunktiv I mit Indikativ gleich wäre), aber „ständen“ ist eigentlich der normale Konjunktiv II. Oder? Stünde geht auch, ist aber gestelzt … wobei, die geben sich nicht mehr viel – weil das dann wirklich anfängt blöd zu klingen, hier geht auch mal ein „würde“.
Erst vor einigen Tagen beendet Stefan S. die Restauration von dem Mercedes seines Vaters
Ich komm mir vor, wie bei einem Test für Deutschlehrer im Studium. Das ist ja jetzt super-brutal. Erst vor einigen Tagen beendet Stefan S. – was ist das hier für ein Präsens? Wie soll das gehen?
Das ist so ein ausrufendes, erzählendes Präsens: Vor drei Tagen lauf ich über die Gass und auf einmal BUMM Hexenschuss.
Aber das ist nicht das Protokoll-Deutsch deines Textes, da geht das nicht mit Präsens bei Vorzeitigkeit erzähle.
Das sind Probleme, die bekommst du nur, weil du unbedingt in dieser Kunstsprache erzählen willst, in der kein Mensch spricht oder denkt.
Als Autor denkt man Grammatik nicht, sondern man macht einfach – okay, für gewöhnlich. Entweder man kann einen Satz schreiben oder man fragt sich: Wie müsste das jetzt klingen? Und dann ändert man die Frage. Man sucht nicht nach einer besonders ausgefallenen Antwort, weil dann jeder Leser denkt: Was ist denn hier los?
Also wenn du in so einer Kunstsprache schreiben möchtest, bei der du alle 2 Sätze innehalten und dich fragen musst: Wie heißt das jetzt hier? Dann viel Spaß. Das geht dann richtig ab.
Die letzte Autorin, die mich vor so sprachliche Rätsel gestellt hat, war Maria. Bei der war’s immer lexikalisch: Warum passt das Wort jetzt nicht in dem Kontext. Aber du hast richtige Grammatik-Dinger drin.

Wenn jemand daran Schuld trägt, dann ist es sein Vater. Jeden Abend nimmt dieser seinen Jungen auf einen Spaziergang durch den Park.
Also künstlerische Freiheit hin oder her, aber wenn ein Text konsequent sagt: Ich kenne nur das Präsens, dann ist das echt heftig. Dann müsste das – na ja, weiß ich nicht. Kunst ist frei und kann alles, aber Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit innerhalb eines Absatzes erfordern nunmal zwingend einen Tempuswechsel.
Von Absatz zu Abastz kann das anders sein, da kann man bei jedem Sinnabschnitt so tun, als seien das Gleichzeitigkeiten.

aber im Kopf habe ich tausend mal mehr, als diese Kleiderständerhexe. Glaub ja nicht, weil du mich auf einer Raststätte aufgegabelt hast, ich wäre eine Straßendirne.
Kein Komma vor „als“. Straßendirne? Komische Stil-Ebene hier. Champagnermädchen ist schön, aber ist Dirne wirklich das Wort hier? Nicht einfach „Nutte“? Sie hat doch vorher auch Flittchen gesagt. Ansonsten ist das ein schöner Absatz. (tausendmal zusammen oder tausend Mal und … pssst … sogar 1000-mal geht, aber dafür steinigen dich manche!).
im Gefängnis würde man mehr tratschen, als beim Friseur
Nee, nee, gewöhn dir das nicht an mit dem Komma vorm vergleichenden „als“. Nur wenn der Vergleich ein Verb hat – also einen vollständigen Satz bildet (das ist grammatikalisch für da ist ein finites Verb drin), dann kommt ein Komma.
Peter ist größer, als Karin – wär ja auch Quatsch.
Er erzählt von seiner Gesamtstrafe, dass sie sich überwiegend aus Diebstählen zusammensetzt.
Das ist mal hässlich – ein Inhaltssatz, der zu 99% nach Relativsatz aussieht. Er erzählt von seiner Gesamtstrafe: Sie setze sich überwiegend aus Diebstahlen zusammen. Oder: Sie setze sich überwiegend aus Diebstählen zusammen: Oder „, die sich vor allem aus Diebstählen zusammensetze“ irgendwie sowas.

Das ist mir klar, ich plack mich durch die Grammatik-Hölle und sonst fällt das keinem auf.

Ehm. Zum Text. Er ist derbe vorhersehbar. Derbe, derbe, um mit Jan Delay zu sprechen. Er wird eigentlich nur erträglich, weil neutral erzählt wird oder annährend. Dadurch kriegt der Text so ein Timbre wie „ja, klar, ist das kitschig, aber das passiert Leuten und die leiden darunter.“ Also der Text lebt von seinem Anspruch, etwas, das fiktiv erzählt kitschig und altbacken wäre, nun realistisch zu schildern.
Den Satz mit „basiert auf einer wahren Begebenheit“ braucht es unter dem Text nicht, das ist jedem instinktiv klar, wenn er er „Steffen S.“ liest.
Das Überraschungsmoment ist ja eigentlich: Sitzt er drei Jahre ein, weil er ihr wirklich weh getan hat – und es ist dann „Er hat sie eben bedroht.“
Zu dem Text dann. Ich krieg schwer einen Zugang zu dem Erzähler, weil er so offenbar isoliert und manipuliert wird, weil er nicht – wie man in der Fiktion vorgibt – am oberen Ende seiner „Kompetenz“ handelt. Sondern der Mann ist ein Opfer.
Das wird in einem Satz deutlich, wenn ihm der Kollege sagt: Mensch, was machst du denn für die Nutte?“ Da wird ja im Prinzip deutlich: Die anderen wissen das, aber sie betrachten ihn so sehr als Außenseiter, dass sie keinen Zugriff auf ihn bekommen. Da ist niemand in der Geschichte, der intervenieren kann. Niemand, der sagt: Das ist eine Scheiß Idee. Die nutzt dich aus.
Und dieses „Ausnutzen“ – das ist ja telegraphiert. Das leugnet die Frau überhaupt nicht. Im Gegenteil die Frau wird ja auch – das mag man dem Text zugute halten – nicht dämonisiert, sondern ebenfalls als Opfer geschildert. Allerdings als ein – muss man ja sagen – als ein Parasit, die den Mann ausnimmt, bis er nichts mehr hat, und dann zieht sie weiter.
Das ist der Verlauf einer Handlung, den ich schon oft gesehen hab. Und das ist auch was, das mir emotional wirklich zuwider ist, dieses Muster zu betrachten. Ich hab dann schon, wenn das sich andeutet, immer Schiss vor dem Moment, wenn der Betrug klar wird. Und hier ist es wirklich besonders heftig dann mit: „Du musst dir halt einen neuen Job suchen, wir können ja dann telefonieren.“
Also: Ja. Das, was der Text machen will, das klappt. Das Rezept des Textes geht auf.
Die Figurenkonstellation ist simpel, ist tausendfach erprobt, hat hier minimale Abweichungen, aber es klappt halt. Einsamer Mann, der sich nach Liebe sehnt, und Frau, die ihn ausnutzt und selbst von Dämonen geplagt wird – das ist wie Spiegelei und Speck, das klappt.
Dann die Formel, die benutzt wird, das Protokoll – das klappt auch, ja.
Ich find jetzt die Kombination aus den beiden Sachen hätte noch irgendwas verdient, noch ein mehr.

Ich muss mich jetzt von den Grammatiksachen erholen, vielleicht fällt mir noch was zu dem Text ein. Der ist schon gut, er funktioniert, ich hab bestimmte Probleme damit, weil ich die Bestandteile schon zur Genüge kenne, weil das ein Text ist, der für mich nicht – ich muss es schon wieder sagen – transzendiert. Der auf nichts Höheres als sich selbst verweist.
Jedes dritte Mal, wenn ich mit Andrea H. spreche, dann kommt der Punkt, wo sie mich auf einen Text anspricht und dann sagt sie: „Hast du das gelesen? Das ist doch Quatsch, das ist zu real.“ Und hier bei dem Text: Ja, der ist mir zu real. Der ist mir zu understated, zu in sich abgeschlossen, zu cool. Er riskiert nicht genug.
Gruß
Quinn

 

Hallo randundband

Ja, der Konjunktiv. Ich glaube, die Schwierigkeit besteht darin, dass man den Konjunktiv I so selten im Alltag verwendet. Meist verwendet man den Indikativ oder gleich den Konjunktiv II, und das übernimmt man dann auch in so einen Text, weil man nah an der wörtlichen Rede dran sein will oder weil man das Gefühl hat, der Konjunktiv I klingt angestaubt. Tut er auch, vielleicht, weil man ihn so selten verwendet. Die Alternative ist, weniger indirekte Rede zu verwenden, ich denke, das würde der Text auch ertragen, da du ja ohnehin häufig in die direkte Rede wechselst.

Ich-Erzähler Präsens fand ich ok, bis auf die Stellen, wo du aus der Vergangenheit berichtest und dann ebenfalls das Präsens verwendest, das klingt dann wirklich schräg. Hier:

Stefan S. zweifelt daran. Er bezahlt viel Geld für seinen Anwalt. Nachdem er seine Ersparnisse für Esther ausgibt, muss er für dessen Honorar Vaters Mercedes verkaufen.

Zwischen dem zweiten und dritten Satz sind ja schon unterschiedliche Zeiten (sogar innerhalb des dritten Satzes allein), das sollte sich dann auch in der Grammatik widerspiegeln, sonst wirkt es allzu bemüht und eben auch falsch. Also zumindest diese Stellen würde ich ins Präteritum setzen.

Gut, vom Inhalt her mochte ich den Text. Dein Stefan ist eine Figur, die trotz ihrer Schwächen sympatisch ist. Auffallend ist, dass er offenbar nicht viel über sein Tun nachdenkt, wenig reflektiert; er ist eher jemand, der sich an anderen orientiert und sich treiben lässt. Das merkt man nicht nur an Esther, sondern du hast das auch an zwei oder drei anderen Stellen schön in die Geschichte eingebaut, bspw. wenn du erzählst, wie er den Gang vom Vater übernommen hat. Anstatt etwas Eigenes zu entwickeln, macht er das nach, was er sieht - auch hier:

Es sei besser so, als einen Pflichtverteidiger zu nehmen, erklärt man ihm.

Erklärt man ihm - und er macht es. Das klingt belehrend, und so wirkt er wie eine Person, die sich gern von außen hineinreden (oder eben auch: manipulieren) lässt. Das lässt auf wenig Selbstbewusstsein schließen, vermutlich kommen auch daher seine Probleme mit den Frauen. Er befindet sich in einem Teufelskreis, ich denke auch nicht, dass er glücklich ist, er hat sich vermutlich eher irgendwie arrangiert mit seiner Welt, seinem Job, macht keine großen Sprünge und spart sein Geld. Dann kommt Esther und reißt ihn aus seinem kleinen Gefüge, und er verfällt ihr. Es ist vielleicht weniger Liebe als eine Art Sehnsucht, etwas, das er vermisst hat, ohne dass ihm das überhaupt klar war, bevor er Esther kennenlernte. Und aus der kleinen Zufriedenheit seines Alltags greift er jetzt nach dem vermeintlich großen Glück, ohne nach links und rechts zu blicken, und schlittert voll ins Unglück. Vielleicht musste ihn sein Weg zwangsweise dorthin bringen.

Man merkt aber, dass du diese Figur magst, und das überträgt sich auch auf den Leser. Mit seinem eher schüchternen Wesen hätte er im Knast leicht unter die Räder kommen können, aber du stellst ihm mit Enzo jemanden zur Seite, der Erfahrung hat und auch ein ganz netter Kerl zu sein scheint. Ja, dein Stefan kommt niemals niederträchtig oder bösartig rüber, und man nimmt ihm auch ab, dass er nie wieder ein solches Verbrechen begeht. Es war eine Handlung im Affekt, ein Ventil, um seinen Frust loszuwerden. Das erinnert an das Verhalten eines Kindes, und irgendwie ist Stefan in seiner Entwicklung auch wo hängengeblieben, ein gesundes Selbstbewusstsein, das hat er nie entwickelt. Ich finde, dir gelingt mit ihm eine schlüssige, eine authentische Figur, auch eine tragische Figur natürlich. Ich glaube nicht, dass ich einen Roman lesen wöllte, in dem Stefan die Hauptperson ist, dazu kommt er mir in seinen Möglichkeiten einfach auch zu eingeschränkt vor. Aber auf die Länge jetzt, eine Kurzgeschichte, das geht.

Es braucht übrigens das S. nicht in meinen Augen. Ich finde das unnötig. Es stellt dich auch wieder vor formale Probleme, die zwei Punkte am Satzende sind mir auch negativ aufgefallen, dann kommt der schon angesprochene Genitiv dazu, der überhaupt unschön ist bei einem mit einem Buchstaben abgekürzten Nachnamen. Für mich würde die Geschichte nichts verlieren, wenn das einfach nur Stefan wäre, das klingt auch nach mehr Nähe als Stefan S. Kannst es dir ja mal überlegen. Ebenso übrigens der Hinweis, das Ganze beruhe auf einer wahren Begebenheit (gut, der Hinweis ist nicht Teil des Textes, aber trotzdem). Das Problem ist, das wird heutzutage so häufig ge- und missbraucht, vor allem bei Filmen, das braucht es nun wirklich nicht.

Was an der Geschichte interessant gewesen wäre, wären so die ersten Tage nach dem Gefängnis gewesen. Ich teile da ein wenig die Ansicht von Berg, mir fehlt da auch noch etwas zum Ende hin, ohne dass ich das genau benennen könnte. Vielleicht nochmal eine Konfrontation mit Esther, vielleicht auch Stefans Umgang mit der Situation, wenn er wieder frei ist und ihr begegnet. Aber vielleicht rufe ich hier auch wieder nach einer typisch literarischen Auflösung eines Konflikts, die du absichtlich vermeiden wolltest, um dem Text einen realitätsnahen Anstrich zu geben. Das ist schon in Ordnung, man kann das mal hin und wieder machen, aber im Prinzip lese ich, weil mich solche Auflösungen oder die Zuspitzung eines Konflikts auf einen Höhepunkt auch interessieren. Ich denke, da könnte der Text noch eine Schippe drauflegen.

Insgesamt finde ich das trotzdem eine gelungene Erzählung, ich hab das gern gelesen und auch der Spannungsbogen hat für mich funktioniert. Ich muss auch sagen, dass du mit deinen Geschichten ein breites Spektrum abdeckst, das ist jedes Mal etwas Neues, das gefällt mir.

Grüsse,
Schwups

 

Hallo Quinn,

Das ist mir klar, ich plack mich durch die Grammatik-Hölle und sonst fällt das keinem auf.
Ja krass, du stellst mich vor Fragen, da habe ich bisher nicht viel darüber nachgedacht, jetzt, so wie du das auffächerst, die Konjunktive, die zeitlichen Irritationen, puh ... Zum Glück muss der Text nicht ins Korrekturzentrum.
Schwups hat da jetzt auch Schwierigkeiten, fast alle anderen auch. Tja, ich hab da schon an einigen Stellen beim Schreiben gestockt, und dachte mir, hmm... geht das? Aber eigentlich nicht so häufig. Hatte ursprünglich verschiedene Zeiten drin versucht, die Rückblenden im Präteritum, das Ganze im Präteritum und sonstwas, und habe am Ende, auch weil ich nicht auf die indirekte Rede verzichten wollte, einfach gesagt, jetzt bist du stur, bleibst schlicht und ziehst das Ganze im Präsens durch. Ich hatte da auch das Gefühl, auf diese Weise Stefan S. besser packen zu können.
Gut, du zeigst ja ganz konkret auf, welche Probleme der Text auf der grammatikalischen Ebene bekommt, ich werde mich um diese Sachen kümmern. Ob ich jetzt tatsächlich Zeitenwechsel einführe, grrr..., ich werde es wohl versuchen müssen, das war mir insgesamt jetzt doch zu viel Schelte. Auf jeden Fall habe ich was für die Zukunft gelernt.
Ehm. Zum Text. Er ist derbe vorhersehbar. Derbe, derbe
Jo, also ich würde lügen, wenn ich schreiben würde, ich wollte den Leser mit dem Text überraschen. Darum ging es mir ja nie. Ich meine, der Text beginnt schon mit der Ankunft des Typen im Gefängnis. Ist halt eine wahre Begebenheit, die Dinge sind nun mal so ähnlich zwischen den beiden passiert - der Hinweis am Ende sollte eigentlich auch signalisieren, ich habe es nicht selbst erfunden, da hatte ich eh ein komisches Gefühl im Bauch, als ich dachte: kannst du jetzt echt diesen "fremden" Plot nehmen, und daraus ne Geschichte machen.
Das ist dann auch eine grundsätzliche Frage, die ich mir vor dem Schreiben gestellt habe. Kann ich einen "realen", wie du es nennst, Text schreiben, ist es literarisch anspruchsvoll, ist es überhaupt literarisch?
Ich habe mich dafür entschieden zu sagen, jo, kannst du machen, das sind Dinge die passieren, kitschig hin, kitschig her, da sind eben zwischenmenschliche Prozesse, da ist eben dieses soziale Drama, schreib darüber. Weiß nicht, die Geschichte ging mir halt auch ewig nicht aus dem Kopf, ich musste sie irgendwie da rausschreiben, brauchte auch eine kurze Auszeit von dem Dschungel von Fräulein Wunsch, der mich in der letzten Zeit sehr vereinnahmt hat, da habe ich mir gesagt, schreib einfach was "echtes", was ohne Magie und doppelten Boden.
Weiß nicht, hatte auch viel Fallada im Kopf, Kästner, habe früher eh viel Neue Sachlichkeit gelesen. Klar, das ist nicht modern, aber ich halte es absolut für legitim, so etwas mal zu machen.
Der ist schon gut, er funktioniert, ich hab bestimmte Probleme damit, weil ich die Bestandteile schon zur Genüge kenne, weil das ein Text ist, der für mich nicht – ich muss es schon wieder sagen – transzendiert. Der auf nichts Höheres als sich selbst verweist.
Ja, hast du Recht. Das ist eine Geschichte, die dem Leser keine neue Stufe gibt. Ich wüsste jetzt aber auch nicht, wie ich das machen soll. Das ist ein abgeschlossenes Konstrukt, das ist hermetisch abgeriegelt fast, aber vllt bin ich gerade einfach blind für neue Bezüge.
Ich will da auch auf keinen Fall irgendwelche Wertungen rein bringen oder auf die Gesellschaft verweisen - bloß nicht. Es ist ja auch kein soziales Phänomen, das ich beschreibe, es gibt hier keine Zeitgeistanalyse, ich fange nicht das Gefühl einer Generation ein, oder sonstwas.
Bleibe aber auch ganz fest an dem Standpunkt, dass die Literatur so etwas auch nicht jedes Mal tun muss. In einem größeren Rahmen dürfte ich die Welt nicht so klein halten wie hier, da müsste mehr rein, aber hier, so?
Ja, ich wüsste einfach nicht, wo das Ganze noch hingehen könnte ohne in einer Anklage gegen sonstwas zu münden. Wenn du eine Idee hast, ich würd sie gerne hören. Ich werde den Text die Tage ohnehin überarbeiten, da werde ich mir auch inhaltlich noch ein paar Gedanken machen.
Gut, mir waren auch ein paar Dinge bei dem Text wichtig, die ich üben wollte, bei denen habe ich auch das Gefühl, dass sie geklappt haben. Grade so Aspekte, wo ich schauen wollte, wie ich mich als Autor entwickelt habe. ich wollte eine längere Entwicklung einfangen, und diese kohärent darstellen. Mag sein, es ist ein Stück kohärenter als das Leben selbst geworden, das was du sagst
zu in sich abgeschlossen
das könnte man ihm vllt vorwerfen, gut, ich habe mir die Aufgabe gestellt, alle Fäden wieder zusammenzuführen. Weiß nicht, gerade mache ich mir eben Gedanken, ob man die Bezüge alle wieder aufgreifen sollte, oder ob das auch mal ganz okay bzw. viel besser ist, wenn die Fäden zerfranster daherkommen. Kommt auf die Geschichte an, denke ich.
Also: Ja. Das, was der Text machen will, das klappt. Das Rezept des Textes geht auf.
Ja, im Grunde sollte ich mich an dieser Stelle zurücklehnen können. Das ist im Grunde auch immer die Frage, die ich mir stelle; soll man die Kunst danach beurteilen, ob sie das was sie vermitteln will, auch vermittelt oder reicht das nicht. Schwierig. Ja, ist grundsätzlich auch nie verkehrt zu sagen, Kunst sollte eben immer mehr vermitteln wollen, sage ich, ehrlich gesagt, auch häufig.
Ja, hat dann so eine Geschichte, in diesem Licht betrachtet, keine Daseinsberechtigung mehr, weil sie bloß "berühren" soll?
Ich meine, ganz klar, unabhängig davon, wie mich diese Geschichte persönlich berührt hat, ist das hier alles darauf gerichtet, bei dem Leser Emotionen zu wecken. Er soll Mitleid empfinden, Sympathie, ruhig auch diesen Moment haben
Und das ist auch was, das mir emotional wirklich zuwider ist, dieses Muster zu betrachten. Ich hab dann schon, wenn das sich andeutet, immer Schiss vor dem Moment, wenn der Betrug klar wird.
.
Soll man so etwas nicht machen bzw. reicht das nicht? Das kann man natürlich nicht objektiv beantworten, aber meinst du nicht, dass diese Empfindungen es gar nicht mehr nötig haben, "transzendiert" zu werden?
Ich krieg schwer einen Zugang zu dem Erzähler, weil er so offenbar isoliert und manipuliert wird, weil er nicht – wie man in der Fiktion vorgibt – am oberen Ende seiner „Kompetenz“ handelt.
Der Erzähler hält sich halt auf Distanz, das war für mich der einzige Weg diese Geschichte zu schildern. ich kann ja doch nicht in den Kopf von Stefan S. rein, da habe ich doch gar keinen Zugang. Aber ich verstehe das auch, ehrlich gesagt, nicht genau, was du mit diesem "nicht am oberen Ende seiner Kompetenz handelt", meinst.
Gut Quinn, ich danke dir sehr für deine so gründliche und ausführliche Beschäftigung mit der Geschichte. Deine Anmerkungen haben mir auf jeden Fall viel zu denken gegeben.
Dass dir der Text nicht so zugesagt hat, ja, ich finde es schade, aber da kann ich grad wenig tun. Aber vllt fällt mir da noch was Kluges zu ein.

Grüß dich Schwups,
ich finde es sehr schön, dass du jedes Mal etwas zu meinen Texten sagst, und ich lese deine Anmerkungen sehr gerne.

Ja, der Konjunktiv. Ich glaube, die Schwierigkeit besteht darin, dass man den Konjunktiv I so selten im Alltag verwendet. Meist verwendet man den Indikativ oder gleich den Konjunktiv II, und das übernimmt man dann auch in so einen Text, weil man nah an der wörtlichen Rede dran sein will oder weil man das Gefühl hat, der Konjunktiv I klingt angestaubt. Tut er auch, vielleicht, weil man ihn so selten verwendet. Die Alternative ist, weniger indirekte Rede zu verwenden, ich denke, das würde der Text auch ertragen, da du ja ohnehin häufig in die direkte Rede wechselst.
Okay Schwups, also jetzt ist es auch bei mir angekommen. Ich habe das jetzt schon Quinn geschrieben, ich werde das Ganze grammatikalisch überarbeiten, besser bzw. sparsamer mit den Konjunktiven umgehen, hin und wieder mal ins Präteritum wechseln, bei der indirekten Rede, ja, ich weiß nicht, die ist für mich so ein wichtiges Element. Das ist schon die Art, wie ich die Informationen hier vermitteln möchte. Es ist eben der "Fall Stefan S.", ich finde, da passt eben so eine protokolarisch gefärbte Darstellung. Deswegen auch hier, wenn du sagst:
Es braucht übrigens das S. nicht in meinen Augen. Ich finde das unnötig.
sehe ich das anders. Ich will ihn ja als einen Täter einführen, da scheint mir dieses S. wichtig zu sein. In der ganz ursprünglichen Fassung hieß er nur S. Ich wollte aber letztlich auch, zumindest visuell, Alliterationen einbauen, so "Stefan S. steht" usw., das hatte für mich so eine gewisse Naivität suggeriert, die ja so charakteristisch ist für ihn.
Gut, vom Inhalt her mochte ich den Text. Dein Stefan ist eine Figur, die trotz ihrer Schwächen sympatisch ist.
Ja, Gott sei Dank. Mit den Figuren steht und fällt hier natürlich alles. Ich mag diesen Stefan S. auch, der ist tatsächlich keiner, der viel nachdenkt, es ist eben ein einfacher Mann, wie man das so sagt, er geht halt malochen, weil man ihm das beigebracht hat, seine Wertesysteme sind nicht ausgeklügelt. Er wurde nur von seinem Vater erzogen, in einer Welt, die hauptsächlich aus Werkstatt besteht, der hat halt nie richtige soziale Kompetenzen entwickelt, aber er hat halt auch keine Schlechtigkeit in sich. Ich habe ihn mir dann auch schon als jemanden mit einem schwachen Selbstbewusstsein vorgestellt - da lässt man sich natürlich schnell von jemandem leiten. Insofern ist deine Einschätzung sehr richtig.
Und dann kommt Esther, sie hat halt auch einen ganzen Haufen Scheiß mit sich zu tun, aber bei ihr hofft er eben Nähe zu finden.
Du sagst:
Er befindet sich in einem Teufelskreis, ich denke auch nicht, dass er glücklich ist, er hat sich vermutlich eher irgendwie arrangiert mit seiner Welt, seinem Job, macht keine großen Sprünge und spart sein Geld. Dann kommt Esther und reißt ihn aus seinem kleinen Gefüge, und er verfällt ihr.
Ja, das ist eben der Knackpunkt, warum er den ganzen Scheiß mit ihr macht. Sie ist sein Sehnsuchtsmoment, etwas, was er im Leben vorher eben noch nie gehabt hat, dann noch eine ganz junge, 15-Jahre jüngere Frau, die zudem auch noch gescheiter ist als er, und dann diese Distanz, die sie zwischen denen aufbaut. Ich meine, das ist doch schon grundsätzlich so, dass wenn eine Frau sich dem Mann ggü distanziert zeigt, er alles daran setzt, sie doch zu bekommen. Das heizt ja an, da hören viele eh fast auf zu denken. Und dann so ein unerfahrener Typ wie Stefan S., der hat doch da gar keine Chance. Und dann entsteht da so eine Dynamik, wo die Frau ihre Boshaftigkeit immer mehr steigern kann, da ist er machtlos, weil er sich so nach ihrer Nähe sehnt.
Es war eine Handlung im Affekt, ein Ventil, um seinen Frust loszuwerden. Das erinnert an das Verhalten eines Kindes, und irgendwie ist Stefan in seiner Entwicklung auch wo hängengeblieben, ein gesundes Selbstbewusstsein, das hat er nie entwickelt.
Ja, ganz genau, gerade Brandstiftungsdelikte sind besonders häufig darauf zurückzuführen, dass die Täter mit der Situation überfordert sind. Da ist ein eigentlich lieber Kerl, der seinen inneren Konflikt nicht lösen kann, also will er zur Gewalt greifen, einfach etwas zerstören, aber kriegt direkte Gewalt eben nicht hin. Also macht er es indirekt, zwischen der eigentlichen Tathandlung und dem Erfolg fehlt es ja an Unmittelbarkeit, insofern schafft es sein friedliches Wesen damit klarzukommen.
Ich glaube nicht, dass ich einen Roman lesen wöllte, in dem Stefan die Hauptperson ist, dazu kommt er mir in seinen Möglichkeiten einfach auch zu eingeschränkt vor. Aber auf die Länge jetzt, eine Kurzgeschichte, das geht.
Ne, ich würds auch nicht tun, glaube ich. Das ist halt keine Figur, der dem Leser eine neue Welt zeigen kann. Man muss das ja schon sagen, als Leser befindet man sich ggü diesem "armen Teufel" in einer überlegenen Position, das weiß man auch ganz genau, ich denke, in einem Roman würde es an der Herausforderung fehlen.
Ich finde, dir gelingt mit ihm eine schlüssige, eine authentische Figur, auch eine tragische Figur natürlich.
Ja, das ist schön, das war mein Anspruch.
Ebenso übrigens der Hinweis, das Ganze beruhe auf einer wahren Begebenheit (gut, der Hinweis ist nicht Teil des Textes, aber trotzdem). Das Problem ist, das wird heutzutage so häufig ge- und missbraucht, vor allem bei Filmen, das braucht es nun wirklich nicht.
Ja, verstehe ich, aber ich hatte halt ein starkes Bedürfnis, offenzulegen, dass es kein von mir ersonnener Plot ist. Aber gut, wenn du meinst, es würde so stören, Quinn hat das ja auch als unnötig empfunden, könntest du diesen Hinweis vllt entfernen? Ich glaube, ich kann das selbst nicht löschen oder? Danke.
Was an der Geschichte interessant gewesen wäre, wären so die ersten Tage nach dem Gefängnis gewesen. Ich teile da ein wenig die Ansicht von Berg, mir fehlt da auch noch etwas zum Ende hin, ohne dass ich das genau benennen könnte. Vielleicht nochmal eine Konfrontation mit Esther, vielleicht auch Stefans Umgang mit der Situation, wenn er wieder frei ist und ihr begegnet. Aber vielleicht rufe ich hier auch wieder nach einer typisch literarischen Auflösung eines Konflikts, die du absichtlich vermeiden wolltest, um dem Text einen realitätsnahen Anstrich zu geben. Das ist schon in Ordnung, man kann das mal hin und wieder machen, aber im Prinzip lese ich, weil mich solche Auflösungen oder die Zuspitzung eines Konflikts auf einen Höhepunkt auch interessieren. Ich denke, da könnte der Text noch eine Schippe drauflegen.
Hey, verstehe ich vollkommen, das wäre sicherlich literarischer, da noch eine Zuspitzung zu suchen. Ob ich das näher an die Realität positionieren wollte, ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau, unbewusst vllt. Ich wollte eigentlich bloß, dass der Text ruhig ausklingt, dass man weiß, ja, der Typ hat da jetzt noch fast drei Jahre zu sitzen wegen der Sache. Das soll man sich einfach mal vorstellen, wie das ist. Und so als letzte Note, seine Naivität unterstreichen, und dass er keinen Groll in sich tragen kann, und Esther Briefe schreibt.
Insgesamt finde ich das trotzdem eine gelungene Erzählung, ich hab das gern gelesen und auch der Spannungsbogen hat für mich funktioniert. Ich muss auch sagen, dass du mit deinen Geschichten ein breites Spektrum abdeckst, das ist jedes Mal etwas Neues, das gefällt mir.
Ja Schwups, das ist sehr schön zu hören.
Ich habe da immer wieder einfach Lust auf was anderes, wobei ich mich da frage, ob das gut ist, oder ob man sich einfach auf eine Sache konzentrieren sollte, und einfach alles darauf zu setzen, darin besser zu werden.
Ich danke dir sehr für deine Zeit und deine Gedanken zu der Geschichte, und bin natürlich total froh, dass du mit dem Text etwas anfangen konntest.

Grüße an euch beide,
randundband

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo,

ich schreibe dir mal so mit, was mir beim Lesen auffällt. Hab die Vorkommentare nicht groß gelesen, also frisches Feedback.

Stefan S. steht vor einem Kreuz am Wegesrand auf dem schwäbischen Land, mit dem leidenden Jesus vor Augen und der Justizvollzugsanstalt Kaisheim im Rücken.
Gut, einerseits finde ich den Anfangssatz gut, der wirft die implizite Frage auf: was macht der Prot vor der Vollzugsanstalt? Andererseits ... puh. Dieses Stefan S. ... ich bin da gar kein Fan von, von diesem abgekürztem Nachnamen. Das wirkt so gewollt: Das ist ein Tatsachenbericht, den Stefan gibt es wirklich, deswegen müssenw ir seinen Nachnamen kürzen. In einer Reportage oder so fände ich das glaube ich okay (aber mehr als okay auch nicht), aber in einem Prosatext gefällt mir das nicht. Ich stolpere da beim Lesen auch ständig drüber, über diese Abkürzung. Ich fände es viel viel besser, wenn du ihm einen richtigen Namen geben würdest. Ich finde Namen auch wichtig für die Zeichnung deiner Figur: Würde der Stefan Schreberer heißen, hätte ich z.B. ein anderes Bild vor Augen, als wenn er Stefan Sreczki heißen würde. Mit dieser Abkürzung machst du da viel kaputt, finde ich.

„Gott segne unsere Fluren.“ Die Lettern sind altertümlich geschwungen, den oberen Balken des „F“ hat ein Spaßvogel mit einem Filzstift übermalt.
Da würde ich noch kurz darauf eingehen, wieso daraus dann etwas Witziges wird, das ist ein bisschen undurchsichtig, finde ich

Der Schweregrad des Verbrechens lasse diese Entscheidung zu. Gerade noch.
Du schreibst viel über Verbrechen und Urteile und so, fällt mir gerade auf. Interesse, oder kommst du aus dem Metier?

Ein Mensch ohne feste soziale Bindungen, ohne eine regelmäßige Arbeit, die zu erwartende Strafe sei nicht gering, das wisse Stefan S., wolle man einen solchen Menschen vorläufig in Freiheit belassen?
Da bin ich mir unsicher, wer diese Aussage macht. Der Richter, oder? Kommt nicht so ganz raus, finde ich

sagt Esther häufig zu Stefan S..
Das kommt öfter vor, diese zwei Punkte, wenn der Name am Ende eines Satzes steht; das finde ich halt auch ästethisch unschön zu lesen, da stocke ich ganz kurz, das haut mich raus, weil ich kurz nachdenken muss: ist das so gemeint: Stefan S. ... , oder so: Stefan S.. Weißt du, was ich meine? Da kann man nicht so drüberfliegen. Ist halt auch ein fader Beigeschmack, wegen der Abkürzung.

Stefan S. begegnet Esther im Mai vor zwei Jahren
Diese Esther-Geschichte: Das finde ich komisch, weil das auch im Präsens steht. Gewollt? In der Vergangenheit würde mir das besser gefallen, glaube ich. Man hat ja immer so zeitliche Schubladen im Kopf: Das passiert da, das in einer früheren Zeit; die zwei Zeitebenen verschwimmen hier. Wenn das gewollt ist, na gut

Stefan S. begegnet Esther im Mai vor zwei Jahren
Hier liest sich das halt komisch. Er begegnet ihr im Mai vor zwei Jahren. Die zeitliche Angabe vor zwei Jahren fordert doch eigentlich die Vergangenheitsform des Verbs, oder?

Je tiefer die Männer in den Bauch des alten Klosters eindringen, umso enger wird es in Stefan S. Brust.
Das finde ich einen sehr schönen Satz. Metaphern für Beobachtetes zu finden, die das eigene Innenleben einer Figur widerspiegeln finde ich immer sehr gut.

Beamten: „legen Sie einen Zahn zu.“
Legen

Wenn jemand daran Schuld trägt, dann ist es sein Vater. Jeden Abend nimmt dieser seinen Jungen auf einen Spaziergang durch den Park.
Boah also das ist wirklich komisch, dass du strikt das Präsens durchziehst. Wieso? Ich fände die Vergangenheit würde gut passen, so verschwimmen die zwei Zeitebenen wieder so komisch miteinander; man hat eben das Bild vor Augen, dass der Vater zur gleichen Zeit, wie Stefan durch den Knast läuft, mit einem Jungen durch den Park läuft. Das fordert so Transaktionsleistungen des Lesers, die eigentlich überflüssig sind, finde ich. Das haut irgendwie bisschen raus.

Wieder draußen zischt sie, „Diese
zischt sie: „Diese

Wieder draußen zischt sie, „Diese Bitch denkt, ich bin ein billiges Flittchen, das habe ich sofort in ihren falschen Glubschern gesehen.“
Stefan S. schaut sie an – so etwas könne unmöglich ein Mensch denken, aber Esther lässt ihn gar nicht den Mund öffnen.
Stefan wirkte mir bis hier hin sehr ... naiv, auch bisschen dümmlich, aber ich war mir nicht sicher. Jetzt wirkt er fast geistig behindert. Ich meine das nicht beleidigend, ich meine bloß, diese Stelle ist so ein Bruch; er ist ein Erwachsener, der wie ein Kind denkt, dass andere Leute nichts Böses denken

aber im Kopf habe ich tausend mal mehr
tausend Mal oder tausendmal

als diese Kleiderständerhexe.
Haha. Das finde ich gut.

Stefan S. kurbelt das Fenster runter, lässt die nächtliche Luft sein Gesicht durchpeitschen und singt mit:
Heilige Scheiße, Andrea Berg :D

Stefan S. zweifelt daran. Er bezahlt viel Geld für seinen Anwalt. Nachdem er seine Ersparnisse für Esther ausgibt, muss er für dessen Honorar Vaters Mercedes verkaufen. Es sei besser so, als einen Pflichtverteidiger zu nehmen, erklärt man ihm.
Die unterstrichene Information würde ich dem Leser noch nicht geben. Das nimmt zu viel vorweg, finde ich. Ich würde sowas schreiben, wie: Nachdem auf dem Konto nicht mehr viel zu holen war, musste er für dessen Honorar den Mercedes seines Vaters verkaufen. Irgendwie sowas, aber noch nicht, dass er die Ersparnisse für die Nutte raushaut. Das hält den Leser noch bisschen hin und bisschen bei der Stange, der wird sowas schon vermuten, und wissen wollen, ob's wirklich so ist.

Stefan S. möchte am liebsten in eine Werkstatt, irgendwas mit Autos machen, da habe er viel Erfahrung, gerade was die Restauration betrifft. Früher hätte ihm der Chef die kniffligsten Aufgaben anvertraut. Von Karosserien könne ihm keiner was erzählen.
Du schreibst, es beruht auf einer wahren Begebenheit. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich diesen Fall mal vor einem oder zwei Jahren eine Reportage gelesen habe. Ich kenne mich auch wenig mit Behinderungen aus, nur so Zeug, was jeder weiß, würde ich mal sagen. Aber wenn der geistig behindert ist, wie kann es sein, dass er so gut Autos restaurieren kann? Da gehört ja auch was dazu, von technischem Verständnis und so. Hab ich mich nur grad so gefragt.

Der Italiener stützt sich mit dem Ellenbogen auf und flüstert: „wenn du zum Beispiel gutes Zeug haben willst“
Wenn (ohne Gewähr, weil es ja kein kompletter Satz ist)

evor Stefan S. Esther begegnet, weiß er über Heroin nur aus dem Fernsehen.
Ja krass. War das echt so, mit dem Heroin? Davon stand in der Reportage, die ich gelesen habe, nichts.

Sie sagt nur, wenn man es in seinem Kopf habe, werde es unwichtig, ob man sich selbst liebe, oder nicht. Es werde alles unwichtig. Man müsse nicht jemand sein, sondern könne einfach sein.
Das ist eine gute Beschreibung, finde ich. Da steckt viel drin.

“Jetzt wurde ich aber richtig bedient.“
Falsches Anführungszeichen

Da Stefan S. noch keiner Werkstatt zugeteilt ist, bleibt er in der Zelle, während Enzo wieder Gartenzäune biegt, die man bei Obi verkaufen könnte.
den Satz mag ich. Auch weil er die Naivität von Stefan rüberbringt, mit den Zäunen

Stefan S. rechnet aus, dass er pro Sekunde einen Schritt machen kann, also 3600 Schritte die Stunde.
Das ist wieder so paradox zu seiner geistigen Behinderung, wie bei der Autowerkstatt. Das ist schon eine hohe geistige Leistung für einen Behinderten, finde ich. Das kommt mir eben komisch vor

„Kein Ficken man!“
Kein Ficken, Mann! Ist ein häufiger Fehler, dass das man geschrieben wird

Und wenn du Therapie machst, in Ansbach zum Beispiel, auf der Geschlossenen, da bist du mit den ganzen Fotzen untergebracht. Ich schwöre es dir. Da kenne ich einen, der hat mir erzählt, alle würden dort rammeln, wie die Karnickel. Und danach wird geheiratet.“
Also mir gefällt dieser Enzo sehr gut, den charakterisierst du sehr stark, fast stärker als Esther oder den Vater und so, finde ich. Ich glaube, das kommt, weil du ihm so viel Raum für Dialog gibst. Der hat eigentlich mehr direkte Rede als alle anderen Figuren, find ich.

Stefan S. schweigt. Das Ficken wird ihm nicht fehlen. Aber er weiß, er wird Esthers Nähe vermissen. Diese Nähe, die ihn so verrückt macht, ihn so stark berauscht, dass er das ganze Gelächter auf sich nimmt. Gelächter wegen Andrea Berg, wegen den Sonntagmorgen an denen er seinen Mercedes poliert, wegen der langen Spaziergänge, die er immer unternehmen will, und weil er beim Sex schielt.
Ich glaube, wo du noch was rausholen könntest, wäre dem Leser zu zeigen, wieso Stefan so besessen auf diese Frau ist. Sie ist die erste, die ihn wirklich ranlässt und mit ihm Zeit verbringt, das schimmert so bisschen durch die Zeilen, kommt aber nie klar zum Ausdruck durch eine Szene oder einen Gedanken oder so. Und was mir noch fehlt vom Psychogramm her: Die verlorene Mutter, die er nie kennengelernt hat. Ich denke, das spielt auch eine sehr große Rolle, wieso Stefan unbedingt eine weibliche Bezugsperson will und sucht und so daran festhält. Diese Erklärung zwischen den Zeilen, die fehlt mir, das würde dem Text viel Tiefe bringen, denke ich.

wie er sie aus Furth abholte.
Meinst du eigentlich Fürth? Oder wirklich Furth?

Sie legt ihre Hand auf Stefan S. Schoss.
Schoß

„Mein Leben lang war ich ein Pfennigfuchser“, erzählt er dem Italiener, nachdem das Licht ausgeht, „aber in den sieben Monaten, in denen Esther meine Freundin war, habe ich vierzig Tausend Euro ausgegeben. Ich verstehe nicht, wie das möglich war.“
Ich bin mir gerade nicht sicher, aber ich glaube, das ist die erste direkte Rede Stefans, oder? Ist mir nur beim Lesen gerade bisschen rausgestochen, weil ich plötzlich die Stimme Stefans hörte, und das Gesagte von ihm sonst immer indirekt durch den Erzähler ausgedrückt wurde. Ein kleiner Bruch, aber nicht schlimm oder so.

Jo, jetzt bin ich durch. Also ich finde den Text gut, ich finde die Story interessant; aber ich glaube, du kannst da noch was rausholen. Ich habe das ja schon in den Anmerkungen geschrieben, aber dieses Stefan S., diese Abkürzung, finde ich einfach sperrig und nicht schön zu lesen, das gibt so eine komische Distanz zu der Figur, die eigentlich falsch ist, weil man ja z.B. durch den Erzähler auch in seine intimsten Gedanken sehen kann und so; wieso dann diese Distanz? Ja, es ist eine wahre Geschichte, aber gerade dieses hineinsehen, dieser Voyeurismus, der in uns allen steckt, das lieben doch die Leser. Da kann man ruhig den vollen Namen zeigen, finde ich.

Zweitens: Ich vermisste irgendwie eine äußere Beschreibung Stefans. Enzo und die Nutte werden beschrieben, Stefan nicht; aber ich möchte ihn mir irgendwie gerne vorstellen. Gerade am Anfang, als er vor dem Knast steht, da könntest du sagen, dass er ein kräftiges Kreuz, ein plattes Gesicht hat, irgendwas. Ich finde, es ist auch wichtig, dem Leser zu zeigen, dass Stefan häßlich ist, so dumm sich das anhört; aber das macht klarer, wieso er noch nie eine intime Beziehung mit einer Frau hatte, oder allgemein so wenig Erfahrung, was auch wichtig ist für seine Besessenheit gegenüber Esther, finde ich.

Drittens: Die fehlende Mutter. Psychologisch gesehen ist das sehr wichtig für eine Story, in der ein (geistig unterbemittelter) die Wärme und Geborgenheit einer Frau sucht, die ihn nur ausnützt, finde ich. Ich denke, Stefan wird das nicht bewusst sein, aber es spielt eine große Rolle, dass er diese weibliche Bezugsperson nie erfahren durfte, und wenn, dann ersatzweiße durch die Oma, die aber auch schon tot ist. Das würde auch dem Leser begreiflicher machen, wieso sich so eine obsessive Besessenheit überhaupt manifestieren kann, wenn du da subtil an manchen Stellen mal einen Gedankensprengsel einschiebst, in der Stefan die Mutter vermisst oder irgendwie sowas, was man in die Richtung deuten kann.

Viertens: Das stringente Präsen. Irgendwann hatte ich mich halbwegs daran gewöhnt, aber ein fader Beigeschmack bleibt tatsächlich, weil ich mir immer beim Lesen dachte: Dadurch geht unnötig so viel kaputt, das ist so schade. Ist es wirklich. Vllt ist das von dir gewollt, dass diese einzelnen Zeitabschnitte ineinander verschwimmen, vllt ist so tatsächlich die Gedankenwelt des behinderten Prots, dass da alles verschwimmt, Zukunft, Gegenwart, ich weiß es nicht, aber für mich als Leser stellt das eine Belastung beim Lesen dar, die so ein angenehmes Dahingleiten bisschen behindert, und mich ab und zu rauswarf. Aber du musst wissen, was dir gefällt, ich kann dich bloß darauf hinweisen.

Fünftens: Ich weiß nicht, ob mir das bloß so ging, weil ich die (wahre) Geschichte Stefans schon kannte, aus dieser Reportage, aber es ist schon vorhersehbar, was passieren wird. Schon ziemlich früh im Text. Tipp: Wieso führst du den Leser nicht ein bisschen in die Irre? Da wird ja eine Zeit lang in den Gefängnis-Szenen darauf hingewiesen, was passiert ist, was passiert hätte sein können; da könntest du den Leser in die Irre führen, dass der eine Zeit lang denkt: Ach, das kann nicht sein, dass er Esther umgebracht/verprügelt/whatever hat, das muss so und so abgelaufen sein. Wäre ein kleiner Kunstgriff, glaube ich.

Sechstens: Enzo ist mir komisch griffig geworden, ich konnte mir den ziemlich gut vorstellen und hatte ein Bild vor mir, das so klar war, wie bei keinen der anderen Figuren. Das war irgendwie komisch, fand ich, und ich dachte darüber nach (steht auch in den Anmerkungen), und bin dann zu dem Entschluss gekommen: Das ist so, weil der so viel Dialog hat. Der sagt unglaublich viel in direkter Rede, und auch nicht nur so Einwortsätze, sondern in seiner eigenen Art und Weise, mit eigenen Vokabeln und so, dass der mir ziemlich stark charakterisiert wurde, fand ich jetzt. Ja ... dieser schlichte Erzähler, das ist schon alles gut, das liest sich schön, auch die viele indirekte Rede ... aber durch mehr Dialog und wirklicher Szenen, aus der sicher der Erzähler zurückzieht und die Figuren einfach mal Handeln lässt, könntest du alle noch mehr charakterisieren. Denke mal drüber nach.

Insgesamt habe ich es aber gern gelesen, nicht dass das falsch rüberkommt! Ich finde, das ist eine gute Geschichte, die ist auch gut geschrieben, aber du kannst noch mehr rausholen, wenn du Bock drauf hast und noch was ändern willst. Wenn dir das so gefällt wie es ist, ist's auch nicht schlimm. Hoffe du kannst was mit meinen Anmerkungen anfangen.

Grüße

 

Lieber randundband,
das Löschen deiner Nachbemerkung - das war ich. Hattest du dir ja gewünscht.
Ich komm auch noch mit einem Komm angestolpert, aber ich befürchte nicht mehr heute Abend. Irgendwie verhält sich dieser Text biestig mir gegenüber. Ich hatte neulich schon mal was geschrieben, das handelte auch von all den Konjunktiven und indirekten Reden, dann hab ich ihn mir selbst gelöscht. Schon bisschen her. Dann war ich unglaublich froh, dass Quinn und Schwups dir dazu schon was geschrieben hatten und beschränkte mich auf den für mich wichtigen Rest. Gestern Nacht war das. Und dann hab ich es wieder geschafft, es wegzulöschen.
Jetzt fang ich mal so an, dass ich was von dir weglösche, vielleicht bricht das den Bann.
Rest später. Hierhin. Hoffentlich.

 

Hallo zigga,

Dieses Stefan S. ... ich bin da gar kein Fan von, von diesem abgekürztem Nachnamen. Das wirkt so gewollt: Das ist ein Tatsachenbericht, den Stefan gibt es wirklich, deswegen müssenw ir seinen Nachnamen kürzen. In einer Reportage oder so fände ich das glaube ich okay (aber mehr als okay auch nicht), aber in einem Prosatext gefällt mir das nicht. Ich stolpere da beim Lesen auch ständig drüber, über diese Abkürzung. Ich fände es viel viel besser, wenn du ihm einen richtigen Namen geben würdest. Ich finde Namen auch wichtig für die Zeichnung deiner Figur: Würde der Stefan Schreberer heißen, hätte ich z.B. ein anderes Bild vor Augen, als wenn er Stefan Sreczki heißen würde. Mit dieser Abkürzung machst du da viel kaputt, finde ich.
Ja, da habe ich jetzt gegensätzliche Stimmen dazu gehört. Mir ging es darum, die Person zunächst ganz unpersönlich einzuführen, dann aber seine Geschichte erzählen, und dem Prot dadurch eine Persönlichkeit zu geben. So platt gesagt, ein Verbrecher ist auch ein Mensch. Da wurde ich jetzt mehrfach darauf hingewiesen, dass mich der Text damit vor grammatikalische Probleme stellt. Ich würde da eigentlich ungerne etwas daran ändern, weil mir dieser Gedanke halt wichtig ist, den Prot als einen Verbrecher einzuführen.
Da würde ich noch kurz darauf eingehen, wieso daraus dann etwas Witziges wird, das ist ein bisschen undurchsichtig, finde ich
Mann, wie kann das sein, dass es keiner checkt!? Das soll natürlich heißen, "Gott segne unsere Huren", ich habe das Ding selbst so gelesen. Ärgerlich. Dabei soll das ja auch symbolisch hier stehen.
Du schreibst viel über Verbrechen und Urteile und so, fällt mir gerade auf. Interesse, oder kommst du aus dem Metier?
Sowohl als auch.
Das finde ich komisch, weil das auch im Präsens steht. Gewollt? In der Vergangenheit würde mir das besser gefallen, glaube ich. Man hat ja immer so zeitliche Schubladen im Kopf: Das passiert da, das in einer früheren Zeit; die zwei Zeitebenen verschwimmen hier. Wenn das gewollt ist, na gut
Boah also das ist wirklich komisch, dass du strikt das Präsens durchziehst. Wieso? Ich fände die Vergangenheit würde gut passen, so verschwimmen die zwei Zeitebenen wieder so komisch miteinander;
Gut, ich werde das ändern. Niemand will es im Präsens lesen, da sind alle irritiert oder sogar verärgert. Ich wollte da einfach eine ganz schlichte Zeitform nehmen, weil ich das Gefühl hatte, auf diese Weise Stefan S., der ja ein einfacher Kerl ist, besser fassen zu können. Das geht für die meisten nicht auf. Ich werde es die Tage überarbeiten.
Stefan wirkte mir bis hier hin sehr ... naiv, auch bisschen dümmlich, aber ich war mir nicht sicher. Jetzt wirkt er fast geistig behindert. Ich meine das nicht beleidigend, ich meine bloß, diese Stelle ist so ein Bruch; er ist ein Erwachsener, der wie ein Kind denkt, dass andere Leute nichts Böses denken
Mensch zigga, der ist doch nicht behindert! Er ist naiv, einfach, unerfahren, das alles schon, aber doch bitte nicht behindert. Und ich finde es voll nachvollziehbar, dass wenn man in eine Frau so wahnsinnig verliebt ist, man nicht glauben will, dass jemand anderes sie mit anderen Augen sieht.
Und da er nicht behindert ist, kann er auch Autos restaurieren und Schritte zählen. Also wirklich. Ich habe ihn jetzt schon einfältig gezeichnet, aber bei dir scheint er schon unter Rainman oder Forest Gump zu stehen.
Die unterstrichene Information würde ich dem Leser noch nicht geben. Das nimmt zu viel vorweg, finde ich. Ich würde sowas schreiben, wie: Nachdem auf dem Konto nicht mehr viel zu holen war, musste er für dessen Honorar den Mercedes seines Vaters verkaufen. Irgendwie sowas, aber noch nicht, dass er die Ersparnisse für die Nutte raushaut. Das hält den Leser noch bisschen hin und bisschen bei der Stange, der wird sowas schon vermuten, und wissen wollen, ob's wirklich so ist.
Jo, hast du wahrscheinlich Recht. Die Information halte ich besser zurück.
Die Begebenheit ist wahr. Ich habe auch vor ein paar Jahren davon gelesen, und sie ging mir irgendwie nicht aus dem Kopf. Ich habe die Konstellation so belassen, aber die Hintergründe verändert, natürlich mehr in die Figuren rein, Esther gezeichnet, wie ich sie mir vorstelle, und den Knastteil habe ich hinzugefügt. So wesentliche Eckdaten aber, mit der Prostitution auch und Heroin, die waren alle da.
Also mir gefällt dieser Enzo sehr gut, den charakterisierst du sehr stark, fast stärker als Esther oder den Vater und so, finde ich. Ich glaube, das kommt, weil du ihm so viel Raum für Dialog gibst. Der hat eigentlich mehr direkte Rede als alle anderen Figuren, find ich.
Ich glaube, wo du noch was rausholen könntest, wäre dem Leser zu zeigen, wieso Stefan so besessen auf diese Frau ist. Sie ist die erste, die ihn wirklich ranlässt und mit ihm Zeit verbringt, das schimmert so bisschen durch die Zeilen, kommt aber nie klar zum Ausdruck durch eine Szene oder einen Gedanken oder so. Und was mir noch fehlt vom Psychogramm her: Die verlorene Mutter, die er nie kennengelernt hat. Ich denke, das spielt auch eine sehr große Rolle, wieso Stefan unbedingt eine weibliche Bezugsperson will und sucht und so daran festhält. Diese Erklärung zwischen den Zeilen, die fehlt mir, das würde dem Text viel Tiefe bringen, denke ich.
Ja, das ist natürlich schön, dass du Zugang zu der Figur Enzo hattest. Das ist auch ein wenig überraschend, weil ich mir über den fast keine Gedanken gemacht habe.
Es ist gut möglich, dass ich mehr direkte Rede reinbringen sollte, wobei ich an dem Grundkonzept mit der indirekten Rede nichts ändern will. Vllt bringen es tatsächlich ein paar äußere Beschreibungen. Grundsätzlich sollte sich aber die Figur Stefan S. aus seinen Handlungen zusammensetzen.
Ich habe in dem Text bewusst viel Raum gelassen, auch ohne Psychogramme und so, ohne große Erklärungen, da will ich, dass der Leser sich da seine eigenen Gedanken macht. Ich meine, ich gebe an, der Typ hat keine Mutter, wurde von seinem Vater erzogen, der dann verunfallt ist, hängt seit seiner Kindheit in einer Werkstatt, sammelt also auch keine Erfahrungen - deswegen flasht ihn Esther auch so, weil sie ein junges, gescheites Mädchen ist, das auf seinen Sehnsüchten spielt. Ich meine, was tut man nicht für einen Scheiß, wenn man wirklich verliebt ist. Und hier hält sie ihn noch auf Distanz, er sehnt sich nach Nähe, aber sie kann ihm die nicht geben, ich glaube, da hört die Vernunft bei ihm auf. Der ist ja auch ein einfältiger Kerl.
Also mir war das ganz wichtig, hier nicht zu viel zu sagen. Ich finde, gerade bei so Geschichten, wo es um die Zwischenmenschlichkeit geht, da ist der Leser kompetent genug, um sich viel selber zu denken. Das sind ja auch bekannte Elemente, die diese Geschichte ausmachen, da hängen schon lange Gedankenketten dran, die wollte ich bloß anstupsen.
Aber ja, zu seinem Aussehen sollte ich vllt tatsächlich noch ein paar Worte sagen, wenn es denn alles nachvollziehbarer macht, wenn der hässlich ist.
Meinst du eigentlich Fürth? Oder wirklich Furth?
wirklich Furth. Da gibt es diese Entzugsklinik.
Jo, jetzt bin ich durch. Also ich finde den Text gut, ich finde die Story interessant; aber ich glaube, du kannst da noch was rausholen. Ich habe das ja schon in den Anmerkungen geschrieben, aber dieses Stefan S., diese Abkürzung, finde ich einfach sperrig und nicht schön zu lesen, das gibt so eine komische Distanz zu der Figur, die eigentlich falsch ist, weil man ja z.B. durch den Erzähler auch in seine intimsten Gedanken sehen kann und so;
Ja, ich frage mich, was da noch rauszuholen ist. ich werde das grammatikalisch überarbeiten, ich werde noch ein paar Details einstreuen, aber an der Grundkonzeption sehe im Moment keine wirklichen Veränderungen. Ich will auch nichts weiter erklären, ich bin einfach ganz grundsätzlich fürs Auslassen, wo es nur geht. Und ich glaube eher nicht, der Erzähler vermittele das Gefühl, in die intimsten Gedanken von Stefan S. eindringen zu können. Da ist nur dieser Moment, wo gesagt wird, die Nähe zu Esther macht ihn verrückt. Beim Sex wird gesagt, dass er sich schämt. Aber das ist jetzt irgendwie auch von außen wahrnehmbar. Ansonsten werden die Dinge doch überwiegend gezeigt, oder? Ich habe da echt versucht jedenfalls, Neutralität reinzubringen. Die Distanz ist halt da wegen der Erzählerperspektive. Ich will mir gar nicht anmaßen, für jemanden wie Stefan S. sprechen zu können.
Ich glaube, zu den Blöcken erstens-viertens habe ich schon was gesagt.
Fünftens: Ich weiß nicht, ob mir das bloß so ging, weil ich die (wahre) Geschichte Stefans schon kannte, aus dieser Reportage, aber es ist schon vorhersehbar, was passieren wird. Schon ziemlich früh im Text. Tipp: Wieso führst du den Leser nicht ein bisschen in die Irre?
Also, mir ging es hier gar nicht darum Spannung aufzubauen. So lese ich die Geschichte nicht, so wollte ich sie gar nicht erzählen. Ich wollte das Zwischenmenschliche darstellen. Das war mir wichtig. Ich meine, der Text fängt damit an, dass der Prot im Gefängnis landet. Welches Verbrechen genau er begangen hat, wird ja erst zum Schluss klar. Da hätte doch alles passieren können, was für drei Jahre langt. Und das ist echt nicht wenig. Ich habe mich hier ganz bewusst gegen Überraschungseffekte entschieden, das ist für mich halt einfach nicht diese Art von Geschichte.
Ich verstehe, dass bestimmte Leser sich so etwas wünschen, aber, ich sage das jetzt so, wie feirefiz es letztens in etwa zu meinem Kommentar geantwortet hat: Dein Leseinteresse ging da wohl mit meinem Schreibinteresse auseinander.
Aber es ist ja auch völlig in Ordnung. Mir war es bei dem Text eben wichtig eine längere Entwicklung einzufangen, und sie wieder zu schließen, indem ich alle Fäden die ich gelegt habe, wieder zu schließen. Ich habe auf jeden Fall was gelernt.
Insgesamt habe ich es aber gern gelesen, nicht dass das falsch rüberkommt! Ich finde, das ist eine gute Geschichte, die ist auch gut geschrieben, aber du kannst noch mehr rausholen, wenn du Bock drauf hast und noch was ändern willst. Wenn dir das so gefällt wie es ist, ist's auch nicht schlimm. Hoffe du kannst was mit meinen Anmerkungen anfangen.
Klar zigga, ich kann mit deinen Anmerkungen jede Menge anfangen, ich finde das alles sehr wertvoll. Ich habe halt einen etwas anderen Blick auf den Text. Aber natürlich denke ich über deine Hinweise nach, das ist ja alles nachvollziehbar. Ich werde da noch in den nächsten Tagen reinhauen, und schauen, was innerhalb der Grenzen, die ich jetzt gesetzt habe, noch etwas möglich ist.
Dass du es trotzdem gerne gelesen hast, freut mich natürlich sehr.
Danke für deine Zeit und deine Gedanken.
lg, randundband

 

Liebe Novak,
danke fürs Löschen.

Ich komm auch noch mit einem Komm angestolpert, aber ich befürchte nicht mehr heute Abend. Irgendwie verhält sich dieser Text biestig mir gegenüber. Ich hatte neulich schon mal was geschrieben, das handelte auch von all den Konjunktiven und indirekten Reden, dann hab ich ihn mir selbst gelöscht. Schon bisschen her. Dann war ich unglaublich froh, dass Quinn und Schwups dir dazu schon was geschrieben hatten und beschränkte mich auf den für mich wichtigen Rest. Gestern Nacht war das. Und dann hab ich es wieder geschafft, es wegzulöschen.
Oh je, jetzt bin ich aber gespannt. Ist gar kein Stress natürlich. Aber wenn du jetzt deine Kommentare löschst, um mir etwas schonender beizubringen - das brauchst du nicht. Mir ist da einfach dein erster Eindruck am liebsten.
Bis bald,
randundband

 

Lieber randundband
Ich hatte die neue Fassung noch nicht gelesen, schreibe also direkt mit. Aber vieles habe ich ja auch noch vom vorherigen Lesen im Kopf.

Mir hat deine Geschichte gefallen. Sehr sogar. Sie lebt aus dem Kontrast zwischen der anrührenden Erzählung über einen Schüchterling, der das erste Mal in seinem Leben wirklich liebt, aber natürlich tragisch liebt, und der sehr kühlen distanzierten Draufschau der Erzählung auf ihn. Das erzeugt eine eigenartige Wirkung, die einen fesselt, die einen aber auch, das kann ich mir schon gut vorstellen und nachvollziehen, annerven kann, wenn man diesen kühlen Berichtstil oder das Präsens einfach nicht mag. Und, aber das hast du ja nun auch zur Genüge gesagt bekommen, da muss dann auch alles sitzen.

Ich kann mir auch vorstellen, dass es eine Menge Spaß gemacht hat, so zu schreiben und sich auszuprobieren. Steckt ne Menge unterschiedlicher Stil drin in so einem randundband.

Gleich vorweg, dann bin ich es los, zur Erzählzeit Präsens und zu Stefan S.
Ich empfand das Präsens hier nicht als Versuch, Nähe herzustellen, ganz im Gegenteil. Wenn ich Berichte schreiben muss in meinem Job, ich muss manchmal Kinder beobachten, dann verfalle ich auch ganz häufig in so einen eigenartigen Berichtstil, wenn ich direkt mitschreiben muss, das ist dann
immer alles im Präsens, weil ich direkt dabei sitze und es sehe. Aber das hat gar nichts mit Nähe zu tun, meine Emotionen sind da völlig ausgeschaltet, ich bin Beobachtende, ich nehme gar nicht teil, sondern schaue nüchtern darauf. So ähnlich ging mir das hier. Und ich dachte, du hast die Erzählzeit deswegen so gewählt.
Trotzdem gehst du zu weit, wenn du wie in deiner ersten Fassung wirklich alles im Präsens schreibst. Ich reihe mich also auch ein in die Riege derjenigen, die wenigstens bei den Stellen der Vorzeitigkeit ein Präteritum wollten. Du hast das schon geändert, aber lass mich trotzdem noch was dazu sagen: Ich denke mir immer, aber ich bin da vielleicht auch konservativ, die Geschichte hat Vorrang vor dem Stil und dem Aufbrechen tradierter Erzählweisen. Wenn letztere im Vordergrund stehen und zu viel Zeit und Gewöhnung von den Leseraugen verlangen, dann destruieren sie aus meiner Sicht eine Geschichte und die besondere Wirkung, die die Geschichte in diesem Stil haben soll. Also Erzählzeit und stilistische Besonderheiten sind für mich Mittel zum Geschichten- und Wirkungszweck.
Aber das ist natürlich auch persönlicher Geschmack.

Zum Stefan S. Klar, so benennt man Fälle. Wieder erzeugst du die Distanz durch die Benennung. Ein Täter, ein Entpersonalisierter, ein Opfer, seines Namens und seiner Identität beraubt. Das signalisiert uns die Abkürzung des Nachnamens. Ich finde das auch sehr gelungen als Idee. Aber es gab Stellen innerhalb deiner Geschichte, da hätte ich einen Mord begangen, wenn einer zu mir noch einmal Stefan S. gesagt hätte. Mein Plädoyer ist es, auch da noch einmal kritisch zu schauen, ob du nicht häufiger das Personalpronomen verwenden könntest. Und Stellen, wo an den Stefan S. ein Genitiv angehängt werden muss, (Stefan S. Brust) die muss man unbedingt vermeiden. Oder du benennst ihn um, dass es unbedingt ein Stabreim mit S und St sein muss, das habe ich einfach nicht kapiert. Ist für mich auch wieder so eine Übertreibung der stilistischen Idee, vorausgesetzt, es ging wirklich nur um einen Stabreim.

Zu der Geschichte als solcher: Tja, ich lese das auch oft hier oder auch anderswo, dass bestimmte Geschichten alt oder schon Tausende Male erzählt sind. Ich habe darüber nachgedacht, wieder einmal. Ich kann das in manchen Fällen auch nachvollziehen, mir persönlich geht es trotzdem oft gar nicht so. Vielleicht habe ich einfach weniger gelesen als andere oder eine weniger kritische Sicht. Eher wohl letzteres. Und es ist sicherlich auch eine Geschmackssache. Ich persönlich habe es aber auch nicht so sehr mit der Frage, was will Kunst, oder ist etwas auch wirklich Kunst, sondern was gibt mir persönlich eine Geschichte oder irgendein beliebiges Kunstwerk.
Aus meiner Sicht gibt es urmenschliche Konflikte und Probleme, die in irgendeiner Weise jeden Menschen berühren. Immer wieder einmal in seinem Leben. Wenn man schreibt, setzt man sich damit auf seine ganz besondere Weise auseinander. Und wenn man liest ebenso. Es wiederholt sich eh eine ganze Menge, schon allein, wenn mannur dieGefühle betrachtet, die alle Menschen haben und auch immer wieder durchleben: Liebe, bestimmte Ängste, Zorn, Freude, Neid, weil man etwas nicht mehr kann. Auch das Galgenhumorige, das ein Leben durchdringen kann oder das Unterhaltende und Spaßige über das Erleben eines Konflikts im Bachhinein, das gehört alles dazu.
Klar, der berühmte ganz neue Blick, der wäre cool, oder die berühmte Pointe. Ich finde es auch richtig, daran zu denken und danach zu streben. Aber man muss halt auch aufpassen, dass man sich nicht davon knebeln lässt.
Manchmal ist der neue Blick auch nur ein Anstrich. Ich lese zur Zeit einen Roman über einen eingefrorenen Rabbi, das ist toll gemacht, aber auch da sind die Ereignisse und Hauptkonflikte dann doch bekannte, und der eingefrorene und wieder aufgetaute Rabbi ist zwar ein tragendes Moment, aber eben doch auch nur ein Moment. Und zwischendrin vergaloppiert sich der Roman, und es zieht und zieht sich, und da nützt es dann gar nichts mehr, dass er mal so fulminant angefangen hat.
Ich finde immer, solange diese Grundmotive menschlichen Lebens in einer Geschichte so verarbeitet sind, dass ich andocken kann als Leser, bin ich es zufrieden und sage, die Geschichte leistet etwas, nämlich mich zu rühren, Anteil zu nehmen. Für mich sind, das habe ich irgendwann mal herausgefunden, die Charaktere wichtig und die Art, wie sie von dem Autor aufgebaut werden, sein Blick auf diesen Charaker.
Und da ist dir hier gelungen, dass man mit diesem ärmlichen lieben Menschen, mitfühlen kann, der sich nur nach ein bisschen Glück sehnt und dabei so hilflos ist wie ein neugeborenes Rehkitz.
Aber vielleicht lesen Frauen ja auch lieber Geschichten über Männer, die von femme fatales um ihr Ererbtes gebracht werden als Männer. Und dass die femme fatale hier so eine Art neurotischen Putzzwang hat, das fand ich dann wieder sehr speziell. Eine ganz schöne Idee, weil die Frau nicht einfach nur böse ist, klar, sie ist gnadenlos, aber auf ihre Weise auch bemitleidenswert. Überhaupt hast du es geschafft, eine ganz Minilandschaft spezieller Charaktere aufzubauen. Auch der Enzo hat was Besonderes an sich mit seinen flüchtenden Augen.
Irgendwie sind das alles Betrogene. Vom Schicksal, von ihren eigenen Entscheidungen und Lebenweisen. Kleine, arme Leute, die zum Teil furchtbar fies gegeneinander sind, wie Esther gegen den Stefan, die aber alle so ein bisschen reingelegt wirken. Auch der Enzo, der zum falschen Zeitpunkt am falschen Platz ist. Ich mein, das muss man sich mal vorstellen, der macht einen Bruch und ausgerechnet da geht die Polizei Kaffee trinken. Das gehört doch schon fast ins Buch der doofsten Verbrechen.

Und dein Blick auf diesen Mikrokosmos, der ist halt nicht verurteilend, sondern distanziert liebevoll. Das war es, was mir hier wieder einmal so gefiel: der randundband-Blick.

Schon den Anfang deiner Geschichte fand ich total schön. Sehr klassisch wie in alten Kurzgeschichten mit diesem symbolischen Kreuz, dessen Inschrift verunstaltet ist.
Ich hab nur gebraucht, um zu raffen, dass da Huren aus den Fluren wird, wenn man den oberen Hackel wegmacht. Aber von diesen Novakschen Sonderwunsch, das etwas stärker zu verdeutlichen mal abgesehen, ist das ein echt toller Beginn.

Stefan S. dreht sich um, überquert die nachmittaglich leere Straße und drückt auf die Klingel.
nachmittäglich

Eine Untersuchungshaft wäre nicht nötig, argumentierte sein Anwalt; es würde keine Fluchtgefahr bestehen, es gäbe nichts zu verdunkeln, sein Mandant habe sich geständig gezeigt. Der Schweregrad des Verbrechens ließe diese Entscheidung zu. Gerade noch.
Sorry, aber das ist immer noch nicht die richtige indirekte Rede. Man verwendet Konjunktiv I, nicht Konjunktiv II und die Zeit des Konj. I, die du für die berichtete Rede verwenden musst, ist die gleiche wie die Zeit, die in der direkten Rede verwendet wurde. Das wäre hier das Präsens des Konjunktiv I. Vielleicht hast du dich durcheinanderbringen lassen, weil du hier in der Grunderzählzeit im Präteritum schreibst? Das spielt aber keine Rolle. Der Anwalt hat im Präsens geredet.
Du machst das später richtig, wenn er bei Enzo in der Zelle sitzt.
Eine Untersuchungshaft sei nicht nötig, argumentierte sein Anwalt; es bestehe keine Fluchtgefahr, es gebe nichts zu verdunkeln, sein Mandant habe sich geständig gezeigt. Der Schweregrad des Verbrechens lasse diese Entscheidung zu. Gerade noch.

Und das Nachfolgende muss entsprechend so heißen: Der Haftrichter sprach lange mit Stefan S. Man wünsche ihm nichts Böses, murmelte er väterlich in seinen Bart, es sei aber wichtig, die Gesellschaft vor Gefahren zu schützen.
Und so weiter. Bei dem nächsten Absatz auch. Nur bei ein solcher Mensch würde ich deinen KonjunktivII beibehalten. Das halte ich für einen gelungenen Effekt.
Was wolle man mit ihm machen? Mit einem Menschen ohne feste soziale Bindungen, ohne eine regelmäßige Arbeit, im Raum stehe eine nicht geringe Strafe – das wisse Stefan S. Dürfe man einen solchen Menschen vorläufig in Freiheit belassen?
Ein solcher Mensch sagte, man könnte es versuchen.

Ein leiser Klick schleicht sich in die Türspalte, Stefan S. drückt gegen das Tor und betritt den Wandelgang. Die Decke ist mindestens fünf Meter hoch, und durch die langen Fenster im oberen Teil der Mauer blendet und streichelt die Frühlingssonne den Ankömmling.
Hinter tadellos sauberem Panzerglas sitzt ein Mann vor Überwachungsmonitoren und lächelt amtlich.
Die Ankunft dann in dem Gefängnis gefällt mir außerordentlich gut. Normalerweise stellt man sich ein hässliches, fieses Gebäude vor, dass du die Atmosphäre so klinisch, an manchen Stellen dagegen sogar warmherzig gemacht hat, das ist eine interessante Interpretation dieser Situation, weil sie dem höflich formellen Auftreten des Beamten widerspricht. Gefiel mir, weil das ein Hinweis auf den generellen Umgang mit Stefan S durch Esther ist. Ihr steriles Fernhalten und der Hauch des Scheins einer Warnherzigkeit.

Das Linoleum auf dem Boden liegt stramm, es glänzt, seine Sauberkeit ist mühsam erschrubbt und knallt Stefan S. mit ihrer Makellosigkeit entgegen.
Schön

„Wenn es um einen herum sauber ist, dann lässt sich auch im Inneren besser Ordnung schaffen“, sagte Esther häufig zu Stefan S. Irgendwann verbot sie sich, in der Küche zu kochen.
Das fand ich stark, diesen Übergang. Du machst das später noch öfter. Ich habe eine Vorliebe für so etwas.
Es ist eine inhaltliche Verzahnung zwischen zwei getrennten Abschnitten.

Und die Charakterzeichnung Esthers, das ist einfach eine tolle Idee, man denkt manchmal, dass sie sich ihn nur vom Leibe halten will, damit sie ihn ganz bewusst, ohne durch ihn gestört zu werden, besser ausnehmen kann, denn bei dem späteren Typen benimmt sie sich ja auch anders. Aber man nimmt deiner Schilderung einfach ab, dass da noch eine andere Komponente bei ihr vorhanden ist. Sie schützt sich tatsächlich auch, wenn man so will, indem sie Ekel empfindet vor dem, was sie tut. Sie will alles wegschrubben, und sich und Stefan gleich mit. Also echt gut.

Zu Steinbock würden nur deprimierende Sachen drin stehen, beschwerte sie sich, man würde ihr immer raten, sie sollte sich lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Deswegen würde sie lieber lesen, was in fremden Sternen steht. Löwe gefiele ihr am besten. Wegen der Selbstliebe, meinte Esther. Da könnte sich jeder ein Stück von abschneiden.
Das ist wieder so eine Konjunktivstelle. Also ich muss mich mal entschuldigen, du findet mich jetzt bestimmt pingelig. Aber ich finde halt schon, dass das stimmen muss, wenn die indirekte Rede (wie in einem öffentlichen Bericht) eine so tragende Rolle spielt, um Distanz herzustellen. Aber naja, vielleicht ist das auch Ansichtssache.

Der erste Satz müsste eigentlich heißen: Zu Steinbock stünden nur deprimierende … das liegt daran, dass man den Konjunktiv I hier nicht vom Indikativ unterscheiden könnte und daher Konjunktiv II verwendet (ist halt 3. Person Plural). Du hast die Umschreibung mit „würde“ gewählt. Hmm, ja, kann man so machen. Ist vielleicht Geschmackssache, streng nach den Regeln ist es nicht.
Der Rest aber müsste wieder so klingen, weil es Konj. I ist und in der 3. Person Singular:
Zu Steinbock stünden nur deprimierende Sachen drin, beschwerte sie sich, man rate ihr immer, sie solle sich lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Deswegen lese sie lieber, was in fremden Sternen stehe. Löwe gefalle ihr am besten. Wegen der Selbstliebe, meinte Esther. Da könne sich jeder ein Stück von abschneiden.

Von dem ganzen blöden Konjunktivgehubere abgesehen, zu dem ich jetzt auch einfach mal die Klappe halte, weil es mir selbst auf den Wecker geht, muss ich auch diese Stelle einfach mal loben. Das ist so eine geile Idee zu der Charakterisierung von Esther, dass sie sich das Schicksal fremder Sterne leiht, sie wenn man so will, ausnutzt, um glücklich zu sein. Ganz, ganz tolle Idee. Woher nimmst du sowas nur?

Stefan S. begegnete Esther im Mai vor zwei Jahren an einem lauen Nachmittag. Die Luft war rauchig und so erfüllt von dem Duft des Flieders, dass sie nicht in die Brust passen wollte.
Ach Mann, das ist schön. Mich spricht das total an. Es gibt solche Tage, da riecht es genau so wehmütig. Und diese Tage können einen dann auch ganz besonders treffen.
Ich finde, du hast echt ein Händchen für Stimmungen und Atmosphären. Beeindruckt mich sehr.

Er nimmt den Beutel mit den gestatteten Gegenständen des persönlichen Gebrauchs unter den Arm; er hat einen CD-Spieler eingepackt, einen Wasserkocher, zwei Bleistifte, Briefpapier, Briefmarken und Briefumschläge, Zahnpaste, Zahnbürste, Duschgel und Shampoo. Das Deodorant nehmen sie ihm ab – Sprays seien nicht gestattet.
Hier wird es mir ein bisschen zu viel.Deine Idee mit dieser Aufzählung, die kommt auch durch, wenn du nicht alles alles alles nennst.
Die gestatteten Gegenstände fand ich nicht gut. Klingt holprig und das Wort ist auch nicht nötig, man weiß eh, dass es die erlaubten Gegenstände sind. Könntest du ebenso gut weglassen, denn es stört nur den Rhythmus.

Stellvertretend für den letzten Absatz dieses hier:

Er fragt sich, ob Gott noch hier sei, ob er diese Fluren auch gesegnet habe, und wie lange die 1095 Tage in diesen Mauern tatsächlich werden.
Die Schilderung des Ganges durch die Flure des Gefängnis, das gefiel mir auch gut, immer tiefer hinein wie in ein Bergwerk. Und der Rückgriff auf den Beginn deiner Erzählung, das ist schon alles sehr durchdacht.

Esther war da anders. Sie stöckelte schnell, manchmal bis zur Boshaftigkeit, immer mit einem Ziel vor Augen, und nie zum Vergnügen. Sie könnte mit diesem Rumgeeier nichts anfangen, sagte sie scharf, während sie S. durch die Fußgängerzone hinter sich herzog.
Cool

Er gab ihr das Geld, und fuhr nach Hause. Er meinte, so sei es besser.
Wieso meinte er das? Stand da nicht sie in der vorherigen Fassung? Fand ich besser.

Seine Wangen sind nicht gründlich rasiert und er hört nicht auf KOMMA mit einem Rosenkranz zu spielen.

Nachdem das Konto leergeräumt und der Bausparvertrag aufgelöst war, musste er für dessen Honorar Vaters Mercedes verkaufen. Es wäre besser so, als einen Pflichtverteidiger zu nehmen, erklärte man ihm.
Für dessen Honorar weg. Man versteht es auch so und es klingt besser.
Und eigentlich: es sei besser. Okay, ich bin ja schon ruhig.

„Ansonsten kommst du halt zu uns in die Schlosserei“, sagt der Italiener mit einem Augenzwinkern, „was wir hier für Gartenzäune raushauen“, quakt er, „die kannst du gleich bei Obi reinstellen, wird kein Arsch den Unterschied merken.“
quakt gefällt mir nicht so.

Er spritzte trotzdem ab, weil ihn Esthers Wärme wahnsinnig machte, fühlte aber gleichzeitig, dass die Frau in seinen Armen sich vor ihm ekelte.
Das fand ich schlimm. Da hat er mir richtig Leid getan. Und sie irgendwie auch ein wenig.

Er schaute sie verlegen an, bat mit dem Blick, sie solle sich begleiten lassen, aber Esther sagte nur: „Ich möchte das so“, und stieg aus dem Wagen.
Sie stöckelte durch den Garten zwischen den Krokussen und Heckenkirschen, boshaft, das Ziel vor Augen und ohne Vergnügen.
Gerade eben war es doch noch Oktober, das mit dem Frühling ist doch eine Erinnerung oder eine Fantasie, die er mit Esther verbindet. So geschrieben wirkt es unlogisch.

Stefan S. stellte seinen Mercedes ab, und ging eine Runde um das Haus spazieren. An einer Wegbiegung sah er ein Kreuz mit dem leidenden Jesus drauf. Darüber prangte in altertümlich geschwungenen Lettern: „Gott segne unsere Fluren.“ Ein Spaßvogel hatte den oberen Balken des F mit einem Filzstift übermalt.
Hier find ich das zu viel des Guten, die Symbolik erneut aufzugreifen. Als reiner Rahmen und mit der einen Andeutung bei den Gefängnisfluren gefällt es mir besser, da hattest du es ein bisschen abgeändert. Aber das ist sicherlich auch Geschmackssache.

Der Wind jaulte traurig und schmiss sich gegen die Motorhaube. Esther wollte Cafe del Mar hören und nach draußen schauen. Sie legte ihre Hand auf Stefan S. Schoß.
Also es gibt ja viele, die Wetterbeschreibungen nicht mögen. Ich mag das, wenn es gut gemacht ist. Und das machst du. Es hat was Filmisches bei dir. Aber in kleines Verbesserli, mir gefiele warf besser als schmiss. Aber ist nur Geschmack.

Er hofft, dass es ihr leid tut, wenn sie seine Worte liest, und übergibt dem Beamten bei dem nächsten Aufschluss den Umschlag.
Da hätt ich lieber einen Punkt gehabt, weil ich dachte, es geht mit seinen Gefühlen weiter, hat mich für einen Moment rausgehauen.

Er rang seine schwieligen Hände, wusste nicht KOMMA wohin er mit diesen Pranken sollte, die jetzt ohne eine Beschäftigung tagelang von seinen Seiten hinunter hängen würden.

Die Brandstiftungsszene gefiel mir auch sehr gut. Ich fand die logisch und stimmig. Es ist ja wie eine Tat aus dem Affekt heraus, in ihm hat sich so viel Druck aufgebaut, dass der rausmuss, so verstehe ich diese Szene. Naja und dass er dann ausgerechnet das Horoskop da sieht, das ist natürlich ein Nebenschlecker, so ein Autorenspäßchen, aber mal ehrlich, deswegen schreibt man ja auch. Also ja, wirklich sehr schön.

Stefan S. schreibt, wenn Esther ihn besuchen würde, könnte sie etwas Witziges sehen. Draußen vor dem ehemaligen Kloster würde neben der Bushaltestelle ein Kreuz stehen. Darüber würde die Inschrift „Gott segne unsere Fluren“ prangen. Die Lettern seien altertümlich geschwungen, und den oberen Balken des „F“ habe ein Spaßvogel mit einem Filzstift übermalt.
Ja und so schließt dann deine wunderschöne Geschichte. Ist dir sehr gelungen. Ich hab sie saugerne gelesen.
Lass es dir gut gehen.
Viele liebe Grüße von Novak

Lieber randundband
Ich hab die neue Fassung noch nicht gelesen, ich schreibe direkt mit. Aber vieles habe ich ja auch noch vom vorherigen Lesen im Kopf.

Mir hat deine Geschichte gefallen. Sehr sogar. Sie lebt aus dem Kontrast zwischen der anrührenden Erzählung über einen Schüchterling, der das erste Mal in seinem Leben wirklich liebt, aber natürlich tragisch liebt, und der sehr kühlen distanzierten Draufschau der Erzählung auf ihn. Das erzeugt eine eigenartige Wirkung, die einen fesselt, die einen aber auch, das kann ich mir schon gut vorstellen und nachvollziehen, annerven kann, wenn man diesen kühlen Berichtstil oder das Präsens einfach nicht mag. Und, aber das hast du ja nun auch zur Genüge gesagt bekommen, da muss dann auch alles sitzen.

Ich kann mir auch vorstellen, dass es eine Menge Spaß gemacht hat, so zu schreiben und sich auszuprobieren. Steckt ne Menge unterschiedlicher Stil drin in so einem randundband.

Gleich vorweg, dann bin ich es los, zur Erzählzeit Präsens und zu Stefan S.
Ich empfand das Präsens hier nicht als Versuch, Nähe herzustellen, ganz im Gegenteil. Wenn ich Berichte schreiben muss in meinem Job, ich muss manchmal Kinder beobachten, dann verfalle ich auch ganz häufig in so einen eigenartigen Berichtstil, wenn ich direkt mitschreiben muss, das ist dann
immer alles im Präsens, weil ich direkt dabei sitze und es sehe. Aber das hat gar nichts mit Nähe zu tun, meine Emotionen sind da völlig ausgeschaltet, ich bin Beobachtende, ich nehme gar nicht teil, sondern schaue nüchtern darauf. So ähnlich ging mir das hier. Und ich dachte, du hast die Erzählzeit deswegen so gewählt.
Trotzdem gehst du zu weit, wenn du wie in deiner ersten Fassung wirklich alles im Präsens schreibst. Ich reihe mich also auch ein in die Riege derjenigen, die wenigstens bei den Stellen der Vorzeitigkeit ein Präteritum wollten. Du hast das schon geändert, aber lass mich trotzdem noch was dazu sagen: Ich denke mir immer, aber ich bin da vielleicht auch konservativ, die Geschichte hat Vorrang vor dem Stil und dem Aufbrechen tradierter Erzählweisen. Wenn letztere im Vordergrund stehen und zu viel Zeit und Gewöhnung von den Leseraugen verlangen, dann destruieren sie aus meiner Sicht eine Geschichte und die besondere Wirkung, die die Geschichte in diesem Stil haben soll. Also Erzählzeit und stilistische Besonderheiten sind für mich Mittel zum Geschichten- und Wirkungszweck.
Aber das ist natürlich auch persönlicher Geschmack.

Zum Stefan S. Klar, so benennt man Fälle. Wieder erzeugst du die Distanz durch die Benennung. Ein Täter, ein Entpersonalisierter, ein Opfer, seines Namens und seiner Identität beraubt. Das signalisiert uns die Abkürzung des Nachnamens. Ich finde das auch sehr gelungen als Idee. Aber es gab Stellen innerhalb deiner Geschichte, da hätte ich einen Mord begangen, wenn einer zu mir noch einmal Stefan S. gesagt hätte. Mein Plädoyer ist es, auch da noch einmal kritisch zu schauen, ob du nicht häufiger das Personalpronomen verwenden könntest. Und Stellen, wo an den Stefan S. ein Genitiv angehängt werden muss, (Stefan S. Brust) die muss man unbedingt vermeiden. Oder du benennst ihn um, dass es unbedingt ein Stabreim mit S und St sein muss, das habe ich einfach nicht kapiert. Ist für mich auch wieder so eine Übertreibung der stilistischen Idee, vorausgesetzt, es ging wirklich nur um einen Stabreim.

Zu der Geschichte als solcher: Tja, ich lese das auch oft hier oder auch anderswo, dass bestimmte Geschichten alt oder schon Tausende Male erzählt sind. Ich habe darüber nachgedacht, wieder einmal. Ich kann das in manchen Fällen auch nachvollziehen, mir persönlich geht es trotzdem oft gar nicht so. Vielleicht habe ich einfach weniger gelesen als andere oder eine weniger kritische Sicht. Eher wohl letzteres. Ich habe es aber auch nicht so sehr mit der Frage, was will Kunst, sondern was gibt mir persönlich eine Geschichte. Aus meiner Sicht gibt es urmenschliche Konflikte und Probleme, die in irgendeiner Weise jeden Menschen berühren. Immer wieder einmal in seinem Leben. Wenn man schreibt, setzt man sich damit auf seine ganz besondere Weise auseinander. Und wenn man liest ebenso. Es wiederholt sich eh eine ganze Menge: Liebe, bestimmte Ängste, Zorn, alles Mögliche, Neid, weil man etwas nicht mehr kann. Auch das Galgenhumorige, das ein Leben durchdringen kann oder das Unterhaltende und Spaßige an Konflikten, das gehört dazu.
Klar, der berühmte ganz neue Blick, der wäre cool, oder die berühmte Pointe. Ich finde es auch richtig, daran zu denken und danach zu streben. Aber man muss halt auch aufpassen, dass man sich nicht davon knebeln lässt.
Manchmal ist der neue Blick auch nur ein Anstrich. Ich lese zur Zeit einen Roman über einen eingefrorenen Rabbi, das ist toll gemacht, aber auch da sind die Ereignisse und Hauptkonflikte dann doch bekannte, und der eingefrorene und wieder aufgetaute Rabbi ist zwar ein tragendes Moment, aber eben doch auch nur ein Moment. Und zwischendrin vergaloppiert sich der Roman, und es zieht und zieht sich, und da nützt es dann gar nichts mehr, dass er mal so fulminant angefangen hat.
Ich finde immer, solange diese Grundmotive menschlichen Lebens in einer Geschichte so verarbeitet sind, dass ich andocken kann als Leser, bin ich es zufrieden und sage, die Geschichte leistet etwas, nämlich mich zu rühren, Anteil zu nehmen. Für mich sind, das habe ich irgendwann mal herausgefunden, die Charaktere wichtig und die Art, wie sie von dem Autor aufgebaut werden, der Blick auf diesen Charaker.
Und da ist dir hier gelungen, dass man mit diesem ärmlichen lieben Menschen, mitfühlen kann, der sich nur nach ein bisschen Glück sehnt und dabei so hilflos ist wie ein neugeborenes Rehkitz.
Aber vielleicht lesen ja Frauen ja auch lieber Geschichten über Männer, die von femme fatales um ihr Ererbtes gebracht werden als Männer. Und dass die femme fatale hier so eine Art neurotischen Putzzwang hat, das fand ich dann wieder sehr speziell. Eine ganz schöne Idee, weil die Frau nicht einfach nur böse ist, klar, sie ist gnadenlos, aber auf ihre Weise auch bemitleidenswert. Überhaupt hast du es geschafft, eine ganz Minilandschaft spezieller Charaktere aufzubauen. Auch der Enzo hat was Besonderes an sich mit seinen flüchtenden Augen.
Irgendwie sind das alles Betrogene. Vom Schicksal, von ihren eigenen Entscheidungen und Lebenweisen. Kleine, arme Leute, die zum Teil furchtbar fies gegeneinander sind, wie Esther gegen den Stefan, die aber alle so ein bisschen reingelegt wirken. Auch der Enzo, der zum falschen Zeitpunkt am falschen Platz ist. Ich mein, das muss man sich mal vorstellen, der macht einen Bruch und ausgerechnet da geht die Polizei Kaffee trinken. Das gehört doch schon fast ins Buch der doofsten Verbrechen.

Und dein Blick auf diesen Mikrokosmos, der ist halt nicht verurteilend, sondern distanziert liebevoll. Das war es, was mir hier wieder einmal so gefiel: der randundband-Blick.

Schon den Anfang deiner Geschichte fand ich total schön. Sehr klassisch wie in alten Kurzgeschichten mit diesem symbolischen Kreuz, dessen Inschrift verunstaltet ist.
Ich hab nur gebraucht, um zu raffen, dass da Huren aus den Fluren wird, wenn man den oberen Hackel wegmacht. Aber von diesen Novakschen Sonderwunsch mal abgesehen, ist das ein echt toller Beginn.

Stefan S. dreht sich um, überquert die nachmittaglich leere Straße und drückt auf die Klingel.

nachmittäglich

Eine Untersuchungshaft wäre nicht nötig, argumentierte sein Anwalt; es würde keine Fluchtgefahr bestehen, es gäbe nichts zu verdunkeln, sein Mandant habe sich geständig gezeigt. Der Schweregrad des Verbrechens ließe diese Entscheidung zu. Gerade noch.

Sorry, aber das ist immer noch nicht die richtige indirekte Rede. Man verwendet Konjunktiv I, nicht Konjunktiv II und die Zeit, die du für die berichtete Rede verwenden musst, ist die gleiche wie die Zeit, die in der direkten Rede verwendet wurde. Das wäre hier das Präsens des Konjunktiv I. Vielleicht hast du dich durcheinanderbringen lassen, weil du hier in der Grunderzählzeit im Präteritum schreibst? Das spielt aber keine Rolle. Der Anwalt hat im Präsens geredet.
Du machst das später richtig, wenn er bei Enzo in der Zelle sitzt.

Eine Untersuchungshaft sei nicht nötig, argumentierte sein Anwalt; es bestehe keine Fluchtgefahr, es gebe nichts zu verdunkeln, sein Mandant habe sich geständig gezeigt. Der Schweregrad des Verbrechens lasse diese Entscheidung zu. Gerade noch.

Und das Nachfolgende muss entsprechend so heißen: Der Haftrichter sprach lange mit Stefan S. Man wünsche ihm nichts Böses, murmelte er väterlich in seinen Bart, es sei aber wichtig, die Gesellschaft vor Gefahren zu schützen.
Und so weiter. Bei dem nächsten Absatz auch. Nur bei ein solcher Mensch würde ich deinen KonjunktivII beibehalten. Das halte ich für einen gelungenen Effekt.
Was wolle man mit ihm machen? Mit einem Menschen ohne feste soziale Bindungen, ohne eine regelmäßige Arbeit, im Raum stehe eine nicht geringe Strafe – das wisse Stefan S. Dürfe man einen solchen Menschen vorläufig in Freiheit belassen?
Ein solcher Mensch sagte, man könnte es versuchen.

Ein leiser Klick schleicht sich in die Türspalte, Stefan S. drückt gegen das Tor und betritt den Wandelgang. Die Decke ist mindestens fünf Meter hoch, und durch die langen Fenster im oberen Teil der Mauer blendet und streichelt die Frühlingssonne den Ankömmling.
Hinter tadellos sauberem Panzerglas sitzt ein Mann vor Überwachungsmonitoren und lächelt amtlich.
Die Ankunft dann in dem Gefängnis gefällt mir außerordentlich gut. Normalerweise stellt man sich ein hässliches, fieses Gebäude vor, dass du die Atmosphäre so klinisch, an manchen Stellen dagegen sogar warmherzig gemacht hat, das ist eine interessante Interpretation dieser Situation, weil sie dem höflich formellen Auftreten des Beamten widerspricht. Gefiel mir, weil das ein Hinweis auf den generellen Umgang mit Stefan S.

Das Linoleum auf dem Boden liegt stramm, es glänzt, seine Sauberkeit ist mühsam erschrubbt und knallt Stefan S. mit ihrer Makellosigkeit entgegen.
Schön

„Wenn es um einen herum sauber ist, dann lässt sich auch im Inneren besser Ordnung schaffen“, sagte Esther häufig zu Stefan S. Irgendwann verbot sie sich, in der Küche zu kochen.

Das fand ich stark, diesen Übergang. Du machst das später noch öfter. Ich habe eine Vorliebe für so etwas.
Es ist eine inhaltliche Verzahnung zwischen zwei getrennten Abschnitten.
Und die Charakterzeichnung Esthers, das ist einfach eine tolle Idee, man denkt manchmal, dass sie sich ihn nur vom Leibe halten will, damit sie ihn ganz bewusst, ohne gestört zu werden, besser ausnehmen kann, denn bei dem späteren Typen benimmt sie sich ja auch anders. Aber man nimmt deiner Schilderung einfach ab, dass da noch eine andere Komponente bei ihr vorhanden ist. Sie schützt sich tatsächlich auch, wenn man so will, indem sie Ekel empfindet vor dem, was sie tut. Sie will alles wegschrubben, und sich und Stefan gleich mit. Also echt gut.

Zu Steinbock würden nur deprimierende Sachen drin stehen, beschwerte sie sich, man würde ihr immer raten, sie sollte sich lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Deswegen würde sie lieber lesen, was in fremden Sternen steht. Löwe gefiele ihr am besten. Wegen der Selbstliebe, meinte Esther. Da könnte sich jeder ein Stück von abschneiden.
Das ist wieder so eine Konjunktivstelle. Also ich muss mich mal entschuldigen, du findet mich jetzt bestimmt pingelig. Aber ich finde halt schon, dass das stimmen muss, wenn die indirekte Rede (wie in einem öffentlichen Bericht) eine so tragende Rolle spielt, um Distanz herzustellen. Aber naja, vielleicht ist das auch Ansichtssache.

Der erste Satz müsste eigentlich heißen: Zu Steinbock stünden nur deprimierende … das liegt daran, dass man den Konjunktiv I hier nicht vom Indikativ unterscheiden könnte und daher Konjunktiv II verwendet (ist halt 3. Person Plural). Du hast die Umschreibung mit „würde“ gewählt. Hmm, ja, kann man so machen. Ist vielleicht Geschmackssache, streng nach den Regeln ist es nicht.
Der Rest aber müsste wieder so klingen, weil es Konj. I ist und in der 3. Person Singular.
Zu Steinbock stünden nur deprimierende Sachen drin, beschwerte sie sich, man rate ihr immer, sie solle sich lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Deswegen lese sie lieber, was in fremden Sternen stehe. Löwe gefalle ihr am besten. Wegen der Selbstliebe, meinte Esther. Da könne sich jeder ein Stück von abschneiden.
Von dem ganzen blöden Konjunktivgehubere abgesehen, zu dem ich jetzt auch einfach mal die Klappe halte, weil es mir selbst auf den Wecker geht, muss ich auch diese Stelle einfach mal loben. Das ist so eine geile Idee zu der Charakterisierung von Esther, dass sie sich das Schicksal fremder Sterne leiht, sie wenn man so will, ausnutzt, um glücklich zu sein. Ganz, ganz tolle Idee. Woher nimmst du die nur?

Stefan S. begegnete Esther im Mai vor zwei Jahren an einem lauen Nachmittag. Die Luft war rauchig und so erfüllt von dem Duft des Flieders, dass sie nicht in die Brust passen wollte.
Ach Mann, das ist schön. Mich spricht das total an. Es gibt solche Tage, da riecht es genau so wehmütig.
Ich finde, du hast echt ein Händchen für Stimmungen und Atmosphären. Beeindruckt mich sehr.

Er nimmt den Beutel mit den gestatteten Gegenständen des persönlichen Gebrauchs unter den Arm; er hat einen CD-Spieler eingepackt, einen Wasserkocher, zwei Bleistifte, Briefpapier, Briefmarken und Briefumschläge, Zahnpaste, Zahnbürste, Duschgel und Shampoo. Das Deodorant nehmen sie ihm ab – Sprays seien nicht gestattet.
Hier wird es mir ein bisschen zu viel.Deine Idee mit dieser Aufzählung, die kommt auch durch, wenn du nicht alles nennst.
Die gestatteten Gegenstände fand ich nicht gut. Klingt holprig und das Wort ist auch nicht nötig, man weiß eh, dass es die erlaubten Gegenstände sind.

Stellvertretend für den letztn Absatz dieses hier:
Er fragt sich, ob Gott noch hier sei, ob er diese Fluren auch gesegnet habe, und wie lange die 1095 Tage in diesen Mauern tatsächlich werden.
Die Schilderung des Gang durch die Flure des Gefängnis, das gefiel mir auch gut, immer tiefer hinein wie in ein Bergwerk. Und der Rückgriff auf den Beginn deiner Erzählung, das ist schon alles sehr durchdacht.

Esther war da anders. Sie stöckelte schnell, manchmal bis zur Boshaftigkeit, immer mit einem Ziel vor Augen, und nie zum Vergnügen. Sie könnte mit diesem Rumgeeier nichts anfangen, sagte sie scharf, während sie S. durch die Fußgängerzone hinter sich herzog.
Cool

Er gab ihr das Geld, und fuhr nach Hause. Er meinte, so sei es besser.
Wieso meinte er das? Stand da nicht sie in der vorherigen Fassung? Fand ich besser.

Seine Wangen sind nicht gründlich rasiert und er hört nicht auf KOMMA mit einem Rosenkranz zu spielen.

Nachdem das Konto leergeräumt und der Bausparvertrag aufgelöst war, musste er für dessen Honorar Vaters Mercedes verkaufen. Es wäre besser so, als einen Pflichtverteidiger zu nehmen, erklärte man ihm.
Für dessen Honorar weg. Man versteht es auch so und es klingt besser.
Und eigentlich: es sei besser. Okay, ich bin ja schon ruhig.

„Ansonsten kommst du halt zu uns in die Schlosserei“, sagt der Italiener mit einem Augenzwinkern, „was wir hier für Gartenzäune raushauen“, quakt er, „die kannst du gleich bei Obi reinstellen, wird kein Arsch den Unterschied merken.“
quakt gefällt mir nicht so.

Er spritzte trotzdem ab, weil ihn Esthers Wärme wahnsinnig machte, fühlte aber gleichzeitig, dass die Frau in seinen Armen sich vor ihm ekelte.
Das fand ich schlimm. Da hat er mir richtig Leid getan.

Er schaute sie verlegen an, bat mit dem Blick, sie solle sich begleiten lassen, aber Esther sagte nur: „Ich möchte das so“, und stieg aus dem Wagen.
Sie stöckelte durch den Garten zwischen den Krokussen und Heckenkirschen, boshaft, das Ziel vor Augen und ohne Vergnügen.
Gerade eben war es doch noch Oktober, das mit dem Frühling ist doch eine Erinnerung oder eine Fantasie, die er mit Esther verbindet. So geschrieben wirkt es halt unlogisch.

Stefan S. stellte seinen Mercedes ab, und ging eine Runde um das Haus spazieren. An einer Wegbiegung sah er ein Kreuz mit dem leidenden Jesus drauf. Darüber prangte in altertümlich geschwungenen Lettern: „Gott segne unsere Fluren.“ Ein Spaßvogel hatte den oberen Balken des F mit einem Filzstift übermalt.
Hier find ich das zu viel des Guten, die Symbolik erneut aufzugreifen. Als reiner Rahmen gefällt es mir besser.

Der Wind jaulte traurig und schmiss sich gegen die Motorhaube. Esther wollte Cafe del Mar hören und nach draußen schauen. Sie legte ihre Hand auf Stefan S. Schoß.
Also es gibt ja viele, die Wetterbeschreibungen nicht mögen. Ich mag das, wenn es gut gemacht ist. Und das machst du. Es halt was Filmisches bei dir. Aber in kleines Verbesserli, mir gefiele warf besser als schmiss. Aber ist nur Geschmack.


Er hofft, dass es ihr leid tut, wenn sie seine Worte liest, und übergibt dem Beamten bei dem nächsten Aufschluss den Umschlag.
Da hätt ich lieber einen Punkt gehabt, weil ich dachte, es geht mit seinen Gefühlen weiter, hat mich für einen Moment rausgehauen.

Er rang seine schwieligen Hände, wusste nicht KOMMA wohin er mit diesen Pranken sollte, die jetzt ohne eine Beschäftigung tagelang von seinen Seiten hinunter hängen würden.

Die Brandstiftungsszene gefiel mir auch sehr gut. Ich fand die logisch und stimmig. Es ist ja wie eine Tat aus dem Affekt heraus, i ihm hat sich so viel Druck aufgebaut, dass der rausmuss, so verstehe ich diese Szene. Naja und dass er dann ausgerechnet das Horoskop da sieht, das ist natürlich ein Nebenschlecker, so ein Autorenspäßchen, aber mal ehrlich, deswegen schreibst man ja auch. Also ja, sehr schön.

Stefan S. schreibt, wenn Esther ihn besuchen würde, könnte sie etwas Witziges sehen. Draußen vor dem ehemaligen Kloster würde neben der Bushaltestelle ein Kreuz stehen. Darüber würde die Inschrift „Gott segne unsere Fluren“ prangen. Die Lettern seien altertümlich geschwungen, und den oberen Balken des „F“ habe ein Spaßvogel mit einem Filzstift übermalt.
Ja und so schließt dann deine wunderschöne Geschichte.
Ist dir sehr gelungen. Ich hab sie saugerne gelesen.
Lass es dir gut gehen.
Viele liebe Grüße von Novak

 

Liebe Novak,
danke sehr für deinen so ausführlichen Kommentar. Ich habe mich sehr über das Lob gefreut, und dann noch so passend zum guten Wetter - also ich hatte einen schönen Sonntag.
Du hast da auch ein paar Sachen angesprochen, die haben mir zu denken gegeben, ich werde da gleich noch darauf eingehen, aber erstmal der Reihe nach.
Also diese Konjunktiv-Sachen, das ist so ärgerlich. Ich bin da echt durcheinandergekommen. Ich dachte, ich hätte das auch alles umgesetzt, was du mir geschickt hast, und ich hatte da auch noch eine schlaue Seite zur Hilfe genommen, aber irgendwie check ich das offenbar einfach nicht. Schon wenn diese Grammatikbegriffe fallen, macht bei mir drin alles zu. Konjunktiv I, Konjunktiv II, grrr.., das ist schon fast wie Mathe.
Ich werde einfach mal die Korrekturen nehmen, die du in deinem Komm eingefügt hast, und nie wieder in meinem Leben das Konjunktiv benutzen. Ich danke dir auf jeden Fall sehr für deine Geduld, und dafür, dass du diese unangenehme Arbeit auf dich genommen hast. Mensch, das ist mir echt peinlich.

Gleich vorweg, dann bin ich es los, zur Erzählzeit Präsens und zu Stefan S.
Ich empfand das Präsens hier nicht als Versuch, Nähe herzustellen, ganz im Gegenteil. Wenn ich Berichte schreiben muss in meinem Job, ich muss manchmal Kinder beobachten, dann verfalle ich auch ganz häufig in so einen eigenartigen Berichtstil, wenn ich direkt mitschreiben muss, das ist dann
immer alles im Präsens, weil ich direkt dabei sitze und es sehe. Aber das hat gar nichts mit Nähe zu tun, meine Emotionen sind da völlig ausgeschaltet, ich bin Beobachtende, ich nehme gar nicht teil, sondern schaue nüchtern darauf. So ähnlich ging mir das hier. Und ich dachte, du hast die Erzählzeit deswegen so gewählt.
Trotzdem gehst du zu weit, wenn du wie in deiner ersten Fassung wirklich alles im Präsens schreibst. Ich reihe mich also auch ein in die Riege derjenigen, die wenigstens bei den Stellen der Vorzeitigkeit ein Präteritum wollten. Du hast das schon geändert, aber lass mich trotzdem noch was dazu sagen: Ich denke mir immer, aber ich bin da vielleicht auch konservativ, die Geschichte hat Vorrang vor dem Stil und dem Aufbrechen tradierter Erzählweisen. Wenn letztere im Vordergrund stehen und zu viel Zeit und Gewöhnung von den Leseraugen verlangen, dann destruieren sie aus meiner Sicht eine Geschichte und die besondere Wirkung, die die Geschichte in diesem Stil haben soll. Also Erzählzeit und stilistische Besonderheiten sind für mich Mittel zum Geschichten- und Wirkungszweck.
Aber das ist natürlich auch persönlicher Geschmack.
Auch hier - Präsens. Ich weiß nicht, habe ich gesagt, ich wollte damit Nähe erzeugen? Ich meinte eigentlich, dass ich mit Präsens das Gefühl hatte, die Situationen besser zu packen. Das hat als Protokoll einfach besser zu dem Fall Stefan S. gepasst. Ich habe da auch ein paar andere Sachen ausprobiert, und da hatte ich am Anfang einfach ein besseres Gefühl. Ich wollte da natürlich auch eine neue Form ausprobieren, ich hab da einfach großen Spaß dran. Wenn ich Geschichten lese, dann lege ich natürlich auch viel mehr Wert auf die Geschichten, aber wenn ich schreibe, ja, dann drifte ich wohl manchmal etwas ab. Ich habe auch das Gefühl, dass ich noch so vieles ausprobieren muss, ich schreibe noch wirklich nicht lange, ja, seit ich mich hier angemeldet habe eigentlich, vllt ein paar Monate früher angefangen, und da denke ich mir, hey, das kannst du doch hier alles ausprobieren. Dafür bist du doch hier. Und das ist dann auch völlig okay, mal damit auf die Fresse zu fliegen. Natürlich will ich unbedingt besser werden, ich meine, wer will das nicht, aber ich habe jetzt auch noch nicht richtig die Rezeptur, wo ich sage, das ist die Art zu schreiben, die ich am besten finde. Ich hab da halt dieses Fräulein Wunsch Ding, und das ist jetzt mein Hauptprojekt, und diese Sprache dann, die ist hier im Forum von meinen anderen Sachen wohl am besten angekommen, aber ich will da einfach mal auch andere Stile ausprobieren, das muss wirklich nicht allen gefallen. Das gefällt mir am Ende vllt auch nicht mehr, aber ich finde es einfach Wahnsinn, wie viel Freiheit man da hat, und was da alles geht.
Jetzt im Nachhinein kann ich sagen, gut, das mit dem durchgehenden Präsens, das lässt du in der Zukunft lieber mal sein.
Aber es gab Stellen innerhalb deiner Geschichte, da hätte ich einen Mord begangen, wenn einer zu mir noch einmal Stefan S. gesagt hätte.
:) Ich geh das nochmal durch.
Oder du benennst ihn um, dass es unbedingt ein Stabreim mit S und St sein muss, das habe ich einfach nicht kapiert. Ist für mich auch wieder so eine Übertreibung der stilistischen Idee, vorausgesetzt, es ging wirklich nur um einen Stabreim.
Stabreim heißt das also. Ja, um den gings mir. Ich mag die Idee eigentlich immer noch. Offenbar wäre es dem Leser recht egal, aber ich kann mich da jetzt nicht mehr davon trennen.
Zu der Geschichte als solcher: Tja, ich lese das auch oft hier oder auch anderswo, dass bestimmte Geschichten alt oder schon Tausende Male erzählt sind. Ich habe darüber nachgedacht, wieder einmal. Ich kann das in manchen Fällen auch nachvollziehen, mir persönlich geht es trotzdem oft gar nicht so. Vielleicht habe ich einfach weniger gelesen als andere oder eine weniger kritische Sicht. Eher wohl letzteres. Und es ist sicherlich auch eine Geschmackssache. Ich persönlich habe es aber auch nicht so sehr mit der Frage, was will Kunst, oder ist etwas auch wirklich Kunst, sondern was gibt mir persönlich eine Geschichte oder irgendein beliebiges Kunstwerk.
Aus meiner Sicht gibt es urmenschliche Konflikte und Probleme, die in irgendeiner Weise jeden Menschen berühren. Immer wieder einmal in seinem Leben. Wenn man schreibt, setzt man sich damit auf seine ganz besondere Weise auseinander. Und wenn man liest ebenso. Es wiederholt sich eh eine ganze Menge, schon allein, wenn mannur dieGefühle betrachtet, die alle Menschen haben und auch immer wieder durchleben: Liebe, bestimmte Ängste, Zorn, Freude, Neid, weil man etwas nicht mehr kann. Auch das Galgenhumorige, das ein Leben durchdringen kann oder das Unterhaltende und Spaßige über das Erleben eines Konflikts im Bachhinein, das gehört alles dazu.
Klar, der berühmte ganz neue Blick, der wäre cool, oder die berühmte Pointe. Ich finde es auch richtig, daran zu denken und danach zu streben. Aber man muss halt auch aufpassen, dass man sich nicht davon knebeln lässt.
Ja, also das ist bei mir auch die Frage, mit der ich die ganze Zeit hadere. Seit Quinns Komm musste ich das in meinem Kopf nochmal aufrollen, und das lässt mich auch gar nicht mehr los. Ich meine, ganz ehrlich, ich fordere das in meinen Komms auch. Wo ist der neue Blick, Mann, ich hab das alles schon gelesen! Und dann erzähle ich selbst eine "alte" Geschichte. Und ja, ich seh das aber auch so wie du, das ich sage, es gibt diese universellen Sachen, da muss nichts mehr "transzendieren" (ich krieg das Wort jetzt auch seit einer Woche nicht mehr aus dem Kopf), wie Quinn das sagt, aber andererseits will man doch wirklich was neues schaffen, so hebt man sich doch auch ab, das ist doch auch der Anspruch, den ich an mich stelle, da will ich hin. Klar soll der Kern aus diesen Gefühlen bestehen, die du nennst, die ändern sich nicht. Aber es sind ja die neuen Facetten, die dazu kommen, alles Zwischenmenschliche erlebt eine neue Entwicklung, da legen sich neue Ideen drüber, neue Erfahrungen, wie die Gesellschaft damit umgeht und sonstwas. Da sind einfach so viele Stufen und Grautöne, das müsste doch eigentlich unendlich sein.
Ich unterhalte mich darüber hin und wieder mit einem Freund, und er erzählt mir dazu immer die gleichen zwei Sachen. Er hat mal irgendwann eine Puccini-Biografie gelesen, und so die Essenz war, dass der Mann eigentlich überhaupt nicht die Anerkennung bekommen hat, die seinem Können entsprach. Er war halt absolut auf der Höhe seiner Zeit, das, was damals en vogue war, hat er großmeisterlich beherrscht, aber hätte es wohl nicht geschafft, einen Schritt weiter zu gehen, etwas zu kreieren, dass die Musik in ihrer Entwicklung weiter bringt. Und klar, man kennt Puccini schon, aber er ist eben kein Mozart, und hat wohl genau an dem Umstand, an dieser Unfähigkeit weiterzugehen gelitten. Keine Ahnung, ich kanns nicht beurteilen, ich bin jetzt kein großer Kenner klassischer Musik, aber der Gedanke ist klar. Ich meine, gut, bis Puccini ist definitiv ein sehr weiter Weg, das ist jetzt auch relativ vermessen, dieses Beispiel zu bringen, sage ich dann auch jedes Mal, aber dann bringt dieser Freund von mir immer die andere Sache. Wir haben einen gemeinsamen Bekannten, er ist Musiker, nun halt jetzt auch kein Puccini, er macht Metal. Seit mittlerweile 15-16 Jahren. Seit ich ihn kenne, das sind jetzt vllt zwölf Jahre, hat er halt den Traum, berühmt zu werden, unbedingt, die proben jeden Tag weiß nicht wie viele Stunden, also er meint es wirklich ernst. Das Problem ist halt nur, dass seine Band sehr stark nach Metallica klingt. Die sind technisch einfach top, das ist krass, wie gut und professionell sich das anhört, aber da kommt einfach nichts, die haben keinen Wiedererkennungswert, die bringen nichts Neues. Die mögen halt Metallica, und wollen auch so spielen. Ja, und die haben auch keinen Erfolg. Und man sieht das, und das ist so traurig, weil die das halt unbedingt wollen, aber eben diesen nächsten Schritt nicht gehen wollen oder können.
Bei mir haben sich diese zwei Beispiele ziemlich im Kopf festgesetzt, deswegen will ich als Autor schon den Anspruch an mich stellen, etwas Neues zu finden, weiterzugehen. Deswegen finde ich diese Diskussion auch so wertvoll, auch wenn ich jetzt Quinn gegenüber vllt am Anfang etwas abwehrend reagiert habe. Puh, jetzt habe ich da so viel drum gelabert, ist schlimm. Ich frage mich dann auch, wie ist es, wenn man diesen neuen Blick nicht hat, ich meine, das kann doch sein. Lassen sich solche Sachen ausbilden? Muss man da sich mehr mit der zeitgenössischen Literatur auseinandersetzen, um ihr dann irgendwann voraus sein zu können? Will man das? Ich habe mal vor ein paar Tagen in meinen Bücherschrank geschaut - ich würd sagen, da sind 95% der Bücher von Autoren, die schon tot sind. Ist krass, dachte ich mir. Aber andererseits fange ich dann hin und wieder was Zeitgenössisches an, von Leuten, die gerade irgendwelche Preise gewonnen haben, aber ich finds dann fast jedes Mal scheiße, und lege es nach spätestens fünfzig Seiten weg. Es langweilt mich halt. Vllt bin ich da einfach literarisch reaktionär? Ja, schwierig. Ich könnte jetzt auch gar nicht sagen, dass ich für mich irgendeine Lösung habe, aber ich sehe das Problem sehr gut.
Gut, zu der Geschichte jetzt nochmal, da bin ich jetzt total davon abgekommen. Ich habe mich sehr gefreut zu hören, dass diese Charaktere so bei dir angekommen sind, wie ich sie zeichnen wollte. Du hast so viele schöne Sachen geschrieben, da will ich gar nicht im einzelnen auf das Lob eingehen, das ist mir sogar ein bisschen peinlich.
Zu ein paar Sachen will ich aber was sagen.
Irgendwie sind das alles Betrogene. Vom Schicksal, von ihren eigenen Entscheidungen und Lebenweisen. Kleine, arme Leute, die zum Teil furchtbar fies gegeneinander sind, wie Esther gegen den Stefan, die aber alle so ein bisschen reingelegt wirken. Auch der Enzo, der zum falschen Zeitpunkt am falschen Platz ist. Ich mein, das muss man sich mal vorstellen, der macht einen Bruch und ausgerechnet da geht die Polizei Kaffee trinken. Das gehört doch schon fast ins Buch der doofsten Verbrechen.
Ja, schön, dass du das so siehst. Wenn man den Verbrechern tatsächlich begegnet, oder wenn man ihre Geschichten liest, die Akten über sie, dann tun die meisten einem auch echt leid. Alle haben irgendwelche Gründe für ihren Scheiß. Das ist jetzt nun wirklich keine neue Erkenntnis, aber ich würd schon sagen, dass mich das echt auch überrascht hat, wie gut man diese Leute häufig verstehen kann. So viele arme Teufel darunter, ich werde da manchmal echt sentimental.
Die Ankunft dann in dem Gefängnis gefällt mir außerordentlich gut. Normalerweise stellt man sich ein hässliches, fieses Gebäude vor, dass du die Atmosphäre so klinisch, an manchen Stellen dagegen sogar warmherzig gemacht hat, das ist eine interessante Interpretation dieser Situation, weil sie dem höflich formellen Auftreten des Beamten widerspricht. Gefiel mir, weil das ein Hinweis auf den generellen Umgang mit Stefan S.
Ja, ich habe das oben schon irgendwo geschrieben, ich bin ein paar Mal in Kaisheim gewesen, das ist einfach genau so, wie beschrieben. Im Vergleich zu so ein paar anderen Gefängnissen die ich kenne, ist es dort richtig schön, wenn man das so sagen darf. Das ist wirklich ein interessanter Kontrast.
Das fand ich stark, diesen Übergang. Du machst das später noch öfter. Ich habe eine Vorliebe für so etwas.
Es ist eine inhaltliche Verzahnung zwischen zwei getrennten Abschnitten.
Und die Charakterzeichnung Esthers, das ist einfach eine tolle Idee, man denkt manchmal, dass sie sich ihn nur vom Leibe halten will, damit sie ihn ganz bewusst, ohne gestört zu werden, besser ausnehmen kann, denn bei dem späteren Typen benimmt sie sich ja auch anders. Aber man nimmt deiner Schilderung einfach ab, dass da noch eine andere Komponente bei ihr vorhanden ist.
Danke schön. Damit versuche ich gerade mehr zu arbeiten. Wenn es halt funktioniert, finde ich es wichtig, diese Bezüge herzustellen. Die halten die Geschichte in meinen Augen auch zusammen, machen daraus ein ineinander verwobenes Ganzes. Ich lese so etwas auch gerne. Außerdem habe ich immer Angst davor, dass die Geschichte zerfranst ist, und man den Faden verliert.
Ja, und mit Esther und dieser Sauberkeit, da hatte ich eine Vorlage aus dem Leben. Ein Bekannter von mir ist mit einer solchen Frau zusammen. Die ist völlig putzfanatisch. Bei ihr muss man das Waschbecken wieder trocken wischen, nachdem man sich die Hände gewaschen hat. Und in der Küche wird tatsächlich nicht gekocht. Ja, ich hab das oben schon geschrieben, vor dem Schlafengehen zieht sie eine dicke Line Speed. Und was sie auch sonst für Sachen macht. Die ist wirklich kaputt. Das fand ich krass.
Überhaupt, ich weiß nicht, wie du das machst, aber bei mir setzen sich die Figuren meist aus den Erfahrungen zusammen, die ich mit Leuten mache. Ist doch auch ganz normal wahrscheinlich. Der Enzo ist auch an einen Italiener aus der Siedlung angelehnt, in der ich früher gelebt habe.
Okay Novak, so gerne ich dir auch schreibe, jetzt habe ich schon einfach Angst, dich totzuquatschen. Ist echt schlimm mit mir. Ich wollte dir noch sagen, dass ich die meisten deiner Detailanmerkungen umsetzen werde, da will ich nicht im einzelnen drauf eingehen.
Ansonsten Novak, vielen lieben Dank nochmal für deine Zeit, deinen kritischen Blick, deinen tollen Lob natürlich, und für die vielen Anregungen, die für mich sehr wichtig waren.
Machs gut, und hoffentlich bis bald.
randundband

 

… und hoffentlich richtiges Konjunktiv
schau’n mer ma’,

lieber randundband,
wenigstens an einigen Beispielen.

Die indirekte Rede des Haftrichters kann auch im Konjunktiv I enden („das wisse Stefan S.“), sofern der Haftrichter keine Zweifel hat, dass S. es weiß:

Was wolle man mit ihm machen? Mit einem Menschen […] geringe Strafe – das wüsste Stefan S.
Was dann auch für die Widerrede gilt
Ein solcher Mensch sagte, man könnte es versuchen.
(man könne …)

Hier wäre m. E. statt des selbstauferlegten Verbotes „verbieten (verbot)“ ein „verbitten (verbat)“ eleganter:

Irgendwann verbot sie sich, in der Küche zu kochen.

Von der frischen Luft angeheitert, stellte Stefan S. sich vor, einfach durchzufahren, die Alpen zu überqueren und erst vom Gas zu gehen, wenn der Strand von Rimini vor ihm liegt, doch die Tankanzeige in Vatis altem Juwel begann zu leuchten.
Hier wäre noch der Konjunktiv in die Vorstellung einzubringen, etwa
Von der frischen Luft angeheitert, stellte Stefan S. sich vor, … und erst vom Gas zu gehen, wenn der Strand von Rimini vor ihm [läge], doch die Tankanzeige in Vatis altem Juwel begann zu leuchten.
Wenn man Stefan S. gefragt hätte, wann so etwas zum letzten Mal passiert war, müsste er sagen, es habe kein letztes Mal gegeben.
Die Fragepassage sollte auch im Konj. stehn, etwa
Wenn man Stefan S. gefragt hätte, wann so etwas zum letzten Mal passiert [sei / alternativ: wäre], müsste er …

Nebenbei noch'n bissken Zeichensetzung

Hier ist ein Komma nachzutragen

… Menschen tagein[,] tagaus in Zucht …
Hier kannstu das Komma getrost etwas weiter nach hinten schieben
Während die Staatsanwaltschaft ermittelte[…] und noch einige Wochen nach dem Urteil[,] beließ man Stefan S. die Freiheit
hier ists entbehrlich
Bevor der Neuankömmling in den Zellenblock geführt wird, nimmt man seine Anziehsachen in Verwahrung[…] und händigt ihm die Anstaltskleidung aus
statt Anziehsachen vllt. Anzug oder noch besser im Gegensatz zur Anstaltskleidung „bürgerliche Kleidung“

…, da habe er viel Erfahrung, gerade was die Restauration betr[effe].

erstmal
immer auseinander, da eigentlich erst [ein]mal
Gelächter wegen Andrea Berg, wegen den Sonntagmorgen[,] an denen er seinen Mercedes polierte, wegen der langen Spaziergänge, …
Nebenbei: Auch die Sonntagmorgen im Genitiv = wegen der Sonntagmorgen …

Solltestu insgesamt noch einmal alles durchsehn, meint der

Friedel,
der im Blog ein bisschen über Konjunktive plaudert … und
der noch ein schönes Wochenende wünscht und bestimmt nochmals vorbeischauen wird!

 

Hallo, randundband,
die Geschichte hat mir gut gefallen.

„Gott segne unsere Fluren.“ Die Lettern sind altertümlich geschwungen, den oberen Balken des „F“ hat ein Spaßvogel mit einem Filzstift übermalt.
Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie man das Zusammenziehen des restlichen „F“ mit dem „l“ nicht sofort als „H“ erkennt. Vielleich habe ich auch nur ausreichend Streichholzrätsel gelöst, um das sofort zu sehen. Dennoch habe ich mich gefragt, was das für ein Filzstift ist, der schwarze Lettern weiß übermalt. Trotz dieser Überlegung finde ich die Übermalung im Zusammenhang mit der Geschichte wunderbar gelungen.

„Sehnsucht und Angst gehen häufig Hand in Hand“, sagte Esther Stefan S
Fehlt hier nicht ein „zu“ zwischen „Ester“ und „Stefan“?

Gruß
JoeK

 

Hallo randundband,

eine der besten Geschichten, die ich hier in der letzten Zeit gelesen habe. Chapeau! Ich hatte die vorher im durchgehenden Präsens nicht gelesen, aber so ist sie schon sehr rund. Liest sich flüssig. Thema altbekannt, aber das macht nichts; es ist sehr schön erzählt. Diese Geschichte wird sich immer wieder neu erzählen lassen. Ist eine leise, melancholische Geschichte, ich finde, diesen Grundtenor zieht sich durch die meisten deiner Texte. Die sind nie karg, sondern schon sehr voll, aber eben nicht laut in dem Sinne, dass sie einen auf etwas stoßen wollen, sondern sie liefern einfach den Soundtrack im Hintergrund. Ich kann das nicht anders erklären. Ich finde das jedenfalls gut.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Friedel,
mindestens einen Eimer Asche auf mein konjunktivbehindertes Haupt! Ich danke dir sehr für die Korrekturen, und deinen Blogeintrag habe ich brav durchgelesen. Ich hoffe, das hilft.
Hallo JoeK,
danke für deinen Besuch.

Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie man das Zusammenziehen des restlichen „F“ mit dem „l“ nicht sofort als „H“ erkennt. Vielleich habe ich auch nur ausreichend Streichholzrätsel gelöst, um das sofort zu sehen.
Ja, Mann! Ich sage es doch! Das erkennt man sofort. Vllt sollten die Wortkrieger auch mal anfangen Streichholzrätsel zu lösen, dann gäbe es nicht diese Irritationen. ;)
Und ein passender Filzstift würde sich schon finden, glaube ich.
Schön, dass die Geschichte dir gefallen hat, danke für deine Zeit.

Hallo Jimmy,
vielen Dank für deine netten Worte. Ich bin sehr geschmeichelt.

Thema altbekannt, aber das macht nichts; es ist sehr schön erzählt. Diese Geschichte wird sich immer wieder neu erzählen lassen.
Das Thema ist wirklich nicht bahnbrechend neu, ich hatte hier auch wieder Anlass darüber nachzudenken, welche Geschichten ich erzählen will, das ist auch echt schwierig, die richtige Richtung zu finden, aber ja, solche Geschichten will ich auch erzählen. Da ist mir einfach das Gefühl wichtig. Und klar, diese Geschichte wird es immer wieder geben, sie ist halt universell.
Ist eine leise, melancholische Geschichte, ich finde, diesen Grundtenor zieht sich durch die meisten deiner Texte.
Dieses leise Melancholische, ja, das ist schon überwiegend der Ton. Ich konstruiere die Geschichten da nicht drum rum, so geht mir das irgendwie besser von der Hand. Ich denke, wenn ich mir selbst meine Geschichten anschaue, dass da in einigen ein paar heitere Töne echt vieles bewirken könnten. Auch hier vllt. Da denke ich halt in diese Richtung nach. So die Grundstimmung ein bisschen aufmischen. Traurig und lustig, solche Geschichten lese ich ja auch selbst am liebsten.
Die sind nie karg, sondern schon sehr voll, aber eben nicht laut in dem Sinne, dass sie einen auf etwas stoßen wollen, sondern sie liefern einfach den Soundtrack im Hintergrund.
Das ist eine schöne Vorstellung. Karg schreiben, das kann ich gar nicht. Ich hab da auch viel darüber nachgedacht, aber ich kann mich einfach nicht reduziert ausdrücken. So mittlerweile habe ich mehr Distanz zu meinem Schreiben gewonnen, kann auch besser darüber reflektieren, und ich glaube diese Art, dieser Blick, das liegt mir einfach am besten, in diesem Punkt, meine ich, kann ich mich langsam festlegen.
Ja Jimmy, schön, dass du die Geschichte kommentiert hast.

Grüße an euch alle,
randundband

 

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